AO § 370 Steuerhinterziehung durch Unterlassen

BGH, Beschl. v. 14.04.2011 – 1 StR 112/11 - BeckRS 2011, 10050

Es ist rechtsfehlerhaft, im Falle einer durch Unterlassen begangenen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) hypothetisches Verhalten eines Dritten für die Bestimmung des durch das Unter­lassen bewirkten Taterfolges zu berücksichtigen.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2011 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 26. November 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) bzw. versuchter Steuerhin­terziehung - er hatte in den Jahren 2002 bis 2007 weder Umsatzsteuer- noch Einkommensteuererklärungen abgege­ben - wird in allen elf zur Aburteilung gelangten Fällen von den rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Land­gerichts getragen. 

a) Die vom Angeklagten im Zusammenhang mit der Veräußerung des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks erbrachten und in Rechnung gestellten Architektenleistungen (Vorplanung, Erschließungsplanung, Beantragen der Baugenehmigung u. dgl.; die Errichtung eines Gebäudes schuldete der Angeklagte nicht) sind als eigenständige, nicht gemäß § 4 Nr. 9a UStG von der Umsatzsteuer befreite Leistungen zu qualifizieren, selbst wenn sie beim Leis­tungsempfänger in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen worden sein sollten (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 2009 -V R 50/07, BStBl II 2010, 78; BFH, Urteil vom 24. Januar 2008 - V R 42/05, BStBl II 2008, 697; BFH, Urteil vom 18. Juli 2001 - V B 30/01 - BFH/NV 2001, 1617; BFH, Urteil vom 20. Juni 1994 -V B 12/94, BFH/NV 1995, 456; BFH, Urteil vom 15. Oktober 1992 -V R 17/89, BFH/NV 1994, 198; BFH, Urteil vom 10. September 1992 - V R 99/88, BStBl II 1993, 316). 

b) Der Einwand der Revision, der Angeklagte hätte im Falle pflichtgemäßer Abgabe einer Einkommensteuererklä­rung die von ihm gemeinsam mit seiner Ehefrau gewählte getrennte Veranlagung widerrufen können, mit der Folge, dass der ihm strafrechtlich zur Last liegende Steuerhinterziehungserfolg geringer ist, als die Strafkammer ausgehend von getrennter Veranlagung errechnet hat, greift nicht. Denn es wäre rechtsfehlerhaft, im Falle einer durch Unterlas­sen begangenen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) hypothetisches Verhalten eines Dritten (hier die not­wendige Mitwirkung der Ehefrau des Angeklagten an einer Änderung der Veranlagungswahl) für die Bestimmung des durch das Unterlassen bewirkten Taterfolges zu berücksichtigen. Zwar gesteht § 26 EStG jedem Ehegatten seine eigene Wahl der Veranlagungsart zu. Ehegatten können aber nur einheitlich -entweder zusammen oder getrennt -veranlagt werden (vgl. BFH, Urteil vom 21. September 2006 - VI R 80/04, BStBl II 2007, 11), so dass der Angeklag­te, wollte er die bereits getroffene Wahl seiner Ehefrau anfechten, deren Mitwirkung bedurft hätte (vgl. R 26 Abs. 3 S. 2 EStR). Ein Fall, in dem die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Verweigerung des anderen Ehegatten zur Zusammenveranlagung als unbeachtlich angenommen hat (vgl. BFH, Urteil vom 3. Februar 1987 -IX R 255/84, BFH/NV 1987, 751), liegt nicht vor.

c) Hinsichtlich der im Eigentum der Ehefrau des Angeklagten stehenden Grundstücke, die für diese zu Verlusten aus Vermietung und Verpachtung führten, bestehen entgegen dem Revisionsvorbringen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Treuhandverhältnisses i.S.d. § 39 Abs. 2 AO (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, NJW 2005, 300), so dass es weiterer Erörterungen, ob ein derartiges Treu­handverhältnis hier missbräuchlich i.S.d. § 42 AO wäre, nicht bedarf. 

2. Soweit das Landgericht im Fall 6 der Urteilsgründe (Einkommensteuerhinterziehung für den Veranlagungszeit­raum 2002) die geschuldete Einkommensteuer anhand des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Be­triebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) bestimmt und dabei jeweils die um eine angenommene Umsatzsteuer verminderten Nettobeträge zugrunde gelegt hat, beschwert dies den Angeklagten nicht. Nach dem für die Gewinnermittlung inso­weit maßgeblichen Zu-und Abflussprinzip (§ 11 EStG) sind jeweils die Bruttobeträge anzusetzen. Als Betriebsausgabe kann nicht schon eine geschuldete, sondern nur die im betreffenden Veranlagungszeitraum tatsächlich gezahlte Umsatzsteuer berücksichtigt werden. 

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