StPO § 213 Hauptverhandlung Terminsabstimmung mit den Beteiligten
StPO § 213 HV-Terminsabstimmung mit den Beteiligten
BGH, Beschl. v. 14.07.2010 – 1 StR 123/10 - NStZ-RR 2010, 312
Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts bestimmt (§ 213 StPO). Gleichwohl ist es gerade in Großverfahren regelmäßig angezeigt, mit den Verfahrensbeteiligten (insbesondere mit den Wahlverteidigern des Vertrauens, aber etwa auch mit dem Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft) die Hauptverhandlungstermine abzustimmen, dies jedenfalls zu versuchen.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2010 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 23. Juli 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: Der Beschwerdeführer rügt, die Festsetzung der Hauptverhandlungstage („Mittwochsterminierung“) habe zu einer unzulässigen Einschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO) bzw. zu einer Verletzung des Rechts des Angeklagten, sich auch in der Hauptverhandlung des Beistands eines oder auch mehrerer (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO) Rechtsanwälte seines Vertrauens zu bedienen, geführt. Der Strafkammervorsitzende hat die vom 7. Februar 2008 bis zum 23. Juli 2009 währende Hauptverhandlung bis auf wenige Ausnahmen auf Mittwoch terminiert. Insbesondere mittwochs war aber der 2. Wahlverteidiger des Angeklagten, Prof. Dr. A., wegen seiner Tätigkeit als Hochschullehrer weitgehend verhindert, jedenfalls während des Semesters. Von der Terminierung erfuhr Prof. Dr. A., der sich bereits während des Ermittlungsverfahrens legitimiert hatte, zufällig. Denn wegen eines EDV-Versehens beim Landgericht war er zunächst nicht zur Hauptverhandlung geladen und auch nicht zu einem vom Vorsitzenden angebotenen Vorbesprechungstermin am 10. Januar 2008 eingeladen worden. Ebenso hatte schon die Staatsanwaltschaft vergessen, Prof. Dr. A. in der Anklageschrift als Verteidiger zu benennen, weshalb ihm die Anklage zunächst auch nicht zugestellt worden war. Die ausführlich begründeten Bitten des Verteidigers, auf andere Wochentage auszuweichen, wurden abgelehnt, im Kern mit folgender Begründung: „Angesichts der Vielzahl der Verfahrensbeteiligten sowie der Terminslage der Kammer“ könne dem Antrag leider nicht entsprochen werden. Die regulären Sitzungstage (Dienstag und Donnerstag) der Strafkammer müssten „für die Terminierung von erstinstanzlichen Verfahren zur Verfügung stehen, da nur an diesen Tagen mit der Hauptverhandlung begonnen werden kann“, sowie zur Verhandlung vorrangiger Haftsachen freigehalten werden. Die Freitage seien durch Anhörungen der Strafvollstreckungskammer, die identisch besetzt sei, belegt. Und montags fänden die Beratungen und Beschlussfassungen der Strafkammer statt. Die Terminierung führte dazu, dass Prof. Dr. A. häufig an der Teilnahme an der Hauptverhandlung gehindert war. Der Angeklagte war aber in der Regel durch seinen 1. Wahlverteidiger, Rechtsanwalt Dr. E., vertreten, wie auch durch Steuerberaterin T.. An den Mittwochen 28. Januar 2009 und 25. Februar 2009 waren allerdings sowohl Rechtsanwalt Dr. E. als auch Prof. Dr. A. verhindert, was den Vorsitzenden nicht davon abhielt, auch auf diese Tage Termin zu bestimmen und nicht beispielsweise ausnahmsweise montags. Rechtsanwalt Dr. E. erteilte einem Kollegen dann Untervollmacht zur Verteidigung des Angeklagten. Allerdings sah die Strafkammer davon ab, an diesem Tag Zeugen zu vernehmen. Beschwerden gegen die Ablehnung von Anträgen auf Verlegung der Hauptverhandlungstermine wurden vom Oberlandesgericht mit Beschlüssen vom 7. Februar 2008 und 16. Februar 2009 als unzulässig verworfen, da von einer - evident -rechtswidrigen Terminsbestimmung nicht die Rede sein könne. Den mit der 2. Beschwerde gestellten Antrag des Angeklagten, das Verfahren bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts auszusetzen, hat die Strafkammer mit Beschluss vom 28. Januar 2009 zurückgewiesen. Die Terminplanung in diesem Fall gibt Anlass zu folgenden Hinweisen: Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts bestimmt (§ 213 StPO). Gleichwohl ist es gerade in Großverfahren regelmäßig angezeigt, mit den Verfahrensbeteiligten (insbesondere mit den Wahlverteidigern des Vertrauens, aber etwa auch mit dem Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft) die Hauptverhandlungstermine abzustimmen, dies jedenfalls zu versuchen (vgl. BGH, Beschl. vom 18. Dezember 1997 1 StR 483/97 - [BGHR StPO § 265 Abs. 4 Verteidigung, angemessene]; Beschl. vom 29. August 2006 - 1 StR 285/06 [BGHR StPO § 213 Ermessen 1]; Beschl. vom 9. November 2006 -1 StR 474/06 - Rdn.16; vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07 -Rdn. 36 [BGHR StPO § 213 Terminierung 1]). Findet der Versuch einer Terminsabsprache nicht statt, muss sich der Vorsitzende bei substantiierten Verlegungsanträgen eines Verteidigers, der das Vertrauen des Angeklagten genießt, jedenfalls ernsthaft bemühen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten der Strafkammer - und anderer Verfahrensbeteiligter -Rechnung zu tragen. Dies gilt im besonderen Maße, wenn der Verteidiger - wie hier - durch der Justiz zuzurechnende Versehen mehrfach übergangen worden war. Vor diesem Hintergrund vermag die Argumentation der Strafkammer bzw. des Vorsitzenden für die „Mittwochsterminierung“ für sich betrachtet nur wenig zu überzeugen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass es kaum nachvollziehbar ist, warum nicht Beratungen zuweilen mittwochs stattfinden können und am Montag eine Verhandlung. Bei einer Wirtschaftsstrafkammer beginnen auch wohl kaum in jeder Woche neue Hauptverhandlungen, für die ordentliche Sitzungstage benötigt werden. Im Übrigen kann ein ordentlicher Sitzungstag, wenn dieser Tag zufällig bereits durch einen Fortsetzungstermin belegt ist, verlegt werden oder es kann u.U. auch ein außerordentlicher Sitzungstag (mit Ersatzschöffen) anberaumt werden. Trotzdem war die wenig flexible Haltung der Strafkammer, bzw. des Vorsitzenden, hier wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falls letztlich nicht ausschlaggebend dafür, dass Prof. Dr. A. dem Angeklagten nur einschränkt in der Hauptverhandlung beistehen konnte. Nach dem Revisionsvorbringen war Prof. Dr. A. während der Zeitspanne, in der die Hauptverhandlung vor dem Landgericht in dieser Sache durchgeführt wurde, in so hohem Maß durch seine wissenschaftliche Tätigkeit als Forschungsgruppenleiter des Ma. -Instituts in F. - das er auch noch in weiteren Gremien zu vertreten hatte -, durch seine Professur in M. sowie die dadurch notwendigen Reisetätigkeiten gebunden, dass sich die Terminierung letztlich nahezu ausschließlich an seinen - begrenzten -zeitlichen Möglichkeiten hätte orientieren müssen. Dem musste das Landgericht in so einem umfangreichen Verfahren wie hier mit einigen Verfahrensbeteiligten (zunächst wurde gegen drei Angeklagte verhandelt) nicht entsprechen. Da Prof. Dr. A. - verständlicherweise - seiner umfangreichen wissenschaftlichen (Haupt-)tätigkeit den Vorrang einräumte, war er letztlich an einer umfassenden Verteidigung des Angeklagten in dieser Hauptverhandlung, aus Gründen, die in der Person des Verteidigers selbst liegen, von vorneherein gehindert.