StPO § 24, § 243, § 244 – Richterablehnung nur bei willkürlichen oder abwegigen Verfahrensfehlern - Beweisantrag
1. Die Weigerung des Vorsitzenden, anwaltliche Erklärungen zu dem, was die Angeklagten zur Sache zu sagen hätten, zu verlesen, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit.
2. Anträge auf Verlesung von Schriftstücken, die sowohl nach ihrer Zweckbestimmung als auch nach ihrem Inhalt den Ausführungen, die ein Angeklagter im Rahmen der Hauptverhandlung in Anwendung des § 243 Abs. 2 und 4 Satz 2 StPO als Äußerung zur Sache macht, entsprechen, sind keine ordnungsgemäßen Beweisanträge, da die Behauptung, in den Schriftstücken sei der Tathergang so, wie er von dem jeweiligen Angeklagten erinnert werde, wiedergegeben, durch deren Verlesung nicht bewiesen werden kann.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Hauptverhandlung vom 6. Juni 2007 in der Sitzung vom
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 11. August 2006 werden auf ihre Kosten verworfen. Gründe: Das Landgericht hat die Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs verurteilt, den Angeklagten D. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten R. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten M. zu einer Jugendstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit Verfahrensrügen und mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
I. Übereinstimmende Verfahrensrügen aller Angeklagter
1. Rüge der Mitwirkung der wegen Befangenheit abgelehnten Berufsrichter der Kammer (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff., § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO): Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Nach der Belehrung der Angeklagten gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO erklärten die Verteidiger für die Angeklagten, dass sie die Angaben, die die Angeklagten ihnen gegenüber gemacht hätten, schriftlich niedergelegt hätten und diese verlesen wollten. Die Angeklagten seien auf Frage des Gerichts ausdrücklich bereit zu erklären, dass dies ihre eigenen Angaben seien, weitere Angaben würden sie nicht machen, sondern schweigen. Der Vorsitzende ließ die Verlesung der anwaltlichen Erklärungen nicht zu, die Strafkammer bestätigte diese Entscheidung. Das auf diesen Vorgang gestützte Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden und die Beisitzerin wies die Strafkammer ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter als unbegründet zurück, weil die Nichtzulassung der Verlesung prozessordnungsgemäß gewesen sei und keine Anhaltspunkte aufgezeigt worden seien, die auf eine Voreingenommenheit der abgelehnten Richter schließen ließen. Die Ablehnung des Befangenheitsantrags ist nicht zu beanstanden. Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGHSt 21, 334, 341; BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 4). Diese Besorgnis lässt sich aber nicht schon allein mit einer fehlerhaften Sachbehandlung begründen. Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHSt 48, 4, 8), sondern nur dann, wenn die Entscheidungen abwegig sind oder den Anschein der Willkür erwecken. Abwegig oder willkürlich war die Entscheidung, als Einlassungen der Angeklagten nicht von deren Verteidigern verfasste Erklärungen verlesen zu lassen, nicht. Willkürlich könnte eine solche Entscheidung sein, wenn besondere Umstände, etwa Sprachfehler oder Sprachhemmungen, den Angeklagten am eigenen Vortrag hindern oder ihn wesentlich beeinträchtigen würden. Solche Umstände sind hier nicht vorgetragen. Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Reichsgerichts und mit Stimmen in der Literatur, wonach die Vernehmung des Angeklagten zur Sache gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO mündlich erfolgt und er sich nicht durch seinen Verteidiger vertreten lassen kann (vgl. RGSt 44, 284; BGHSt 3, 368; BGH NStZ 2000, 439; NStZ 2004, 163, 164; NStZ 2004, 392; NStZ 2007, 349; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 243 Rdn. 30; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 243 Rdn. 88, 100; Tolksdorf in KK StPO 5. Aufl. § 243 Rdn. 44, 45; Pfeiffer StPO 5. Aufl. § 243 Rdn. 10 f.; Schlüchter in SK StPO § 243 Rdn. 48; Beulke in Festschrift zu Ehren des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer, 2006, S. 87, 92; Olk, JZ 2006, 204, 206 f.; Meyer-Mews JR 2003, 361, 362; Michel MDR 1994, 658; Fezer JR 1980, 82, 83; a.A. OLG Hamm JR 1980, 82; OLG Saarbrücken NStZ 2006, 182; Salditt StV 1993, 442; Park StV 1998, 59, 60; vgl. auch Beulke a.a.O. S. 93 f. m.w.N.; Eisenberg/Pincus JZ 2003, 397, 403). Zudem spricht für diese Rechtsanwendung der Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO, wonach der zur Äußerung bereite Angeklagte „nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 [StPO] zur Sache vernommen“ wird. Diese Meinung ist zwar nicht unbestritten. Dennoch kann angesichts der vertretenen unterschiedlichen Auffassungen die Entscheidung der Strafkammer gegen die Zulässigkeit der Verlesung weder als abwegig noch als aus sonstigen Gründen willkürlich angesehen werden. Die Strafkammer hat durch ihr Vorgehen im Zeitpunkt der Antragstellung und Antragsablehnung auch nicht zu erkennen gegeben, dass sie sich dem Sachvortrag der Angeklagten vollständig verschließen und ihnen auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung keine Gelegenheit zur Äußerung geben werde. Ihr Verhalten bot deshalb für einen besonnenen Angeklagten keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit.
2. Rüge der fehlerhaften Ablehnung des Antrags, ein vom jeweiligen Verteidiger der Angeklagten übergebenes Schreiben als Urkunde zu verlesen (§ 244 Abs. 3, § 245 Abs. 1 StPO): Am zweiten Hauptverhandlungstag stellten die Verteidiger Anträge, dem Gericht übergebene Schreiben als Urkunden zu verlesen zum Beweis der Tatsache, „dass Herr … außerhalb der Hauptverhandlung eine Erklärung zu seiner Person in schriftlicher Form verfasst hat, in der zu den Vorwürfen, die die Anklage erhebt, Stellung genommen wird und dass in dieser Erklärung der Tathergang, so wie von Herrn … erinnert wird, wiedergegeben ist“. Das Landgericht hat die Beweisanträge als unzulässig verworfen, weil sie darauf abzielten, die Einlassungen der Angeklagten zu ersetzen. Die Ablehnung der Anträge hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. a) Soweit das Landgericht die Schreiben als „Einlassung“ der Angeklagten ausgelegt hat, war die Ablehnung der Anträge, die Schreiben zu verlesen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Schreiben entsprachen sowohl nach ihrer Zweckbestimmung als auch nach ihrem Inhalt den Ausführungen, die ein Angeklagter im Rahmen der Hauptverhandlung in Anwendung des § 243 Abs. 2 und 4 Satz 2 StPO als Äußerung zur Sache macht, sofern er hierzu bereit ist. Dies gilt sowohl für die von den Verteidigern erfassten Erklärungen als auch für die handschriftlichen Zusätze der Angeklagten. Eine Verlesung durch das Gericht kann die Einlassung des Angeklagten nicht ersetzen (BGH NJW 1994, 2904, 2906). b) Die von den Verteidigern gestellten Anträge auf Verlesung der Schreiben als Urkunden waren keine ordnungsgemäßen Beweisanträge. Sie enthielten keine Bezeichnung und Behauptung einer bestimmten Beweistatsache. Dass die Angeklagten jeweils eine Erklärung mit Stellungnahme zu den Anklagevorwürfen verfasst hatten, war als solches keine für den Schuld- oder Strafausspruch relevante Tatsache (vgl. BGH NJW 1994, 2904, 2906; NStZ 2000, 439; Schäfer in Festschrift für Hans Dahs 2005 S. 441, 448 f). Die Behauptung, in den Schriftstücken sei der Tathergang so, wie er von dem jeweiligen Angeklagten erinnert werde, wiedergegeben, konnte durch deren Verlesung nicht bewiesen werden. Die Verlesung der von den Verteidigern der Angeklagten verfassten Schriftstücke nebst handschriftlicher Zusätze der Angeklagten war nicht geeignet, die Übereinstimmung ihres Inhalts mit der tatsächlichen Erinnerung der Angeklagten zu beweisen. c) Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, die Schreiben nach den Regeln des § 245 StPO als präsentes Beweismittel zu verlesen. Die Schreiben waren nicht im Sinne von § 245 Abs. 1 StPO als Beweisgegenstand vom Gericht herbeigeschafft worden (BGHSt 37, 168; BGH NJW 1994, 2904, 2906). Für alle übrigen Fälle in der Hauptverhandlung vorliegender Beweismittel gilt § 245 Abs. 2 Satz 1 StPO: Nur ein förmlicher Beweisantrag (oder die Aufklärungspflicht) kann das Gericht verpflichten, das Beweismittel in die Hauptverhandlung einzuführen. Für einen solchen Beweisantrag im Rahmen des § 245 Abs. 2 StPO gelten die Bestimmtheitserfordernisse des Beweisantragsrechts, die hier nicht erfüllt waren. d) Ob darüber hinaus auch der Grundsatz der persönlichen Vernehmung einer Ersetzung der Einlassungen der Angeklagten durch die gerichtliche Verlesung einer vom Verteidiger zu diesem Zwecke verfassten Erklärung entgegen stünde (vgl. dazu einerseits Geppert in Festschrift für Rudolphi 2004, 643 ff.; andererseits Schäfer a.a.O. S. 447 ff.), kann deshalb dahingestellt bleiben. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) durch die Nichtverlesung der Erklärungen ist in diesem Zusammenhang nicht gerügt.
3. Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht durch Unterlassung der Verlesung der schriftlichen Erklärungen der Mitangeklagten (§ 244 Abs. 2 StPO): Die Rügen, das Landgericht habe sich aufgrund der Aufklärungspflicht jeweils zur Verlesung der ihm übergebenen schriftlichen Erklärungen der beiden Mitangeklagten gedrängt sehen müssen, sind unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sie wesentliche Verfahrensvorgänge nicht mitteilen. Die Revisionen tragen nicht vor, auf Grund welcher Umstände sich das Landgericht zu der vermissten Verlesung hätte gedrängt sehen müssen. Alle drei Angeklagten sind im Ermittlungsverfahren von dem Kriminalhauptkommissar K. vernommen worden; dieser wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört. Das tragen die Revisionen nicht vor. Allein der Vortrag der Tatsache, dass die Mitangeklagten in der Hauptverhandlung von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht hatten, reicht nicht aus, um beurteilen zu können, ob das Tatgericht bei sorgfältiger und verständiger Würdigung dieses Umstands begründete Zweifel an der Richtigkeit der (auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten) Überzeugung haben und deshalb durch die Verlesung der schriftlichen Erklärungen weiteren Erkenntnisgewinn erwarten konnte, so dass es diese Möglichkeit zu weiterer Beweiserhebung nutzen musste. Das Tatgeschehen in der Wohnung hat das Landgericht aufgrund der Aussagen der Zeugen Michael F. , Nadine Fr. und Marcel Me. festgestellt. Der frühere Mitangeklagte A. hatte die Richtigkeit der gegen ihn und die Mitangeklagten erhobenen Vorwürfe pauschal bestätigt. Aus diesem äußeren Tatgeschehen hat das Landgericht gefolgert, dass Ausführungsart und Zielrichtung der Tat vorher abgesprochen waren, was die Angeklagten in ihren schriftlichen Erklärungen bestritten. Unter diesen Umständen hätten die Revisionen nähere Ausführungen machen müssen, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob sich der Strafkammer die Verlesung der schriftlichen Erklärungen aufdrängen musste, zumal deren Beweiswert grundsätzlich nicht so hoch eingeschätzt werden kann wie derjenige von mündlichen Angaben eines Mitangeklagten, der auf Nachfragen antwortet und dem Vorhalte gemacht werden können. Der Angeklagte M. hatte bei der Polizei Angaben gemacht, der Vernehmungsbeamte K. ist ausweislich der Urteilsgründe dazu vernommen worden. Die Revisionen teilen nicht mit, ob die frühere Aussage des Angeklagten M. mit seiner schriftlichen Erklärung inhaltlich übereinstimmte, so dass seine Angaben inhaltlich bereits Gegenstand der Beweisaufnahme waren. Die Revisionen teilen auch nicht mit, was die Angeklagten D. und R. bei ihren polizeilichen Vernehmungen ausgesagt haben und ob diese Vernehmungen Gegenstand der Hauptverhandlung waren.
4. Rüge der Verletzung der Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO: Alle drei Angeklagten erheben ferner die Rüge, dass sie wegen erpresserischen Menschenraubs (§ 239 a StGB) verurteilt worden sind, ohne einen rechtlichen Hinweis auf die Möglichkeit einer Verurteilung nach § 239 a StGB erhalten zu haben. Der Rüge liegt nach dem Vortrag der Revisionen folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: die Anklage zum Jugendschöffengericht hatte den Angeklagten gemeinschaftlichen Raub in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zur Last gelegt. Durch Beschluss vom 13. Februar 2006 hatte das Jugendschöffengericht die Sache der Jugendkammer bei dem Landgericht mit der Bitte um Prüfung der Übernahme gemäß § 209 Abs. 2 StPO vorgelegt, weil das Landgericht die Tat im Beschwerdeverfahren als erpresserischen Menschenraub bewertet habe und die Strafgewalt des Jugendschöffengerichts möglicherweise nicht ausreiche. Das Landgericht übernahm die Sache und ließ die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zu. Die Angeklagten wurden wegen erpresserischen Menschenraubs verurteilt, ohne dass zuvor in der Hauptverhandlung ein entsprechender ausdrücklicher rechtlicher Hinweis erging. Die Rügen sind jedenfalls unbegründet. Ein ausdrücklicher Hinweis gemäß § 265 Abs. 1 StPO war nicht erforderlich, weil die Angeklagten aus dem Beschluss des Amtsgerichts in Verbindung mit dem Übernahmebeschluss des Landgerichts ohne weiteres erkennen konnten, dass nunmehr der strafrechtliche Vorwurf des erpresserischen Menschraubs gemäß § 239 a StGB im Raum stand. Dass der Beschluss des Amtsgerichts den Angeklagten nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, tragen die Revisionen nicht vor.
II. Verfahrensrügen des Angeklagten D.
1. Rüge der Mitwirkung des wegen seiner Äußerungen im Haftprüfungstermin und wegen der Terminierung abgelehnten Vorsitzenden (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO): Der Verteidiger des Angeklagten D. hat den Vorsitzenden der Strafkammer namens des Angeklagten am ersten Hauptverhandlungstag abgelehnt. Dem Ablehnungsgesuch lagen zum einen Äußerungen des Vorsitzenden im Haftprüfungstermin vom 6. April 2006 zu Grunde. Zum anderen wurde es darauf gestützt, dass der Vorsitzende das Verfahren trotz Untersuchungshaft des Angeklagten nicht unverzüglich terminiert habe, sondern sich darauf berufen habe, dass er es als Verteidiger wegen der mitwirkenden Personen nicht kurzfristig zwischen anderen Verfahren habe terminieren können und zusätzliche Verhandlungstage habe einplanen müssen. Die Rüge ist, soweit sie sich auf die Äußerungen des Vorsitzenden stützt, unzulässig und im Übrigen unbegründet. Der Vorsitzende Richter hat in seiner Dienstlichen Erklärung zu den Vorwürfen im Befangenheitsantrag auf das Protokoll des Haftprüfungstermins vom 6. April 2006 sowie auf den Inhalt eines Beschlusses vom 11. Mai 2006 verwiesen. Den Inhalt dieser Schriftstücke teilt die Revision nicht mit (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dass der Vorsitzende Richter von einer möglicherweise längeren Verfahrensdauer ausgegangen ist und „Reservetage“ bei der Terminierung der Hauptverhandlung eingeplant hat, ist nicht zu beanstanden. Die von der Revision im Zusammenhang mit den Verfahrensrügen mitgeteilten Auszüge aus dem Hauptverhandlungsprotokoll belegen, dass die Erwartung des Strafkammervorsitzenden, die beigeordneten Verteidiger, die ihm aus früheren Strafverfahren bekannt waren, würden zahlreiche Anträge zum Verfahrensablauf stellen, erfüllt worden ist. Die Übernahme des Verfahrens vom Jugendschöffengericht war angesichts des Vorwurfs eines Verbrechens nach § 239 a StGB ohne weiteres sachgerecht.
2. Rüge der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO): Den Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen Refile H. hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei als bedeutungslos abgelehnt. Auf die Frage, in welchem Umfang der Bruder des Geschädigten bei dem Angeklagten D. Schulden hatte, kam es für den Tatvorwurf nicht an.
III. Verfahrensrügen des Angeklagten R.
1. Rüge der Mitwirkung des wegen Befangenheit abgelehnten Vorsitzenden (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO): Der Verteidiger des Angeklagten R. hat namens des Angeklagten den Vorsitzenden der Strafkammer vor Beginn der Hauptverhandlung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil zwischen dem Vorsitzenden und ihm, Rechtsanwalt Ru. , persönliche Differenzen bestanden, die ihren Ursprung in einem anderen Strafverfahren hatten. Der Vorsitzende Richter hatte es zunächst trotz ausdrücklichem Wunsch des Angeklagten abgelehnt, Rechtsanwalt Ru. als Verteidiger beizuordnen, und ordnete Rechtsanwalt S. bei. Außer auf die Umstände der Beiordnung von Rechtsanwalt Ru.war der Befangenheitsantrag darauf gestützt, dass die Strafkammer am 29. März 2006 einen Haftbefehl gegen den Angeklagten R. erlassen hatte, nachdem mehrere Zustellungen den Angeklagten nicht erreicht hatten. Die Zustellversuche erfolgten alle unter einer falschen Anschrift, weil in den Zustellungsurkunden, wie auch in der Anklageschrift, die Hausnummer fehlerhaft angegeben war. Die richtige Anschrift des Angeklagten war aus den Akten ersichtlich. Die Strafkammer erkannte ihr Versehen noch am selben Tage und hob den Haftbefehl wieder auf. Während des Ablehnungsverfahrens lehnte der Angeklagte auch das zur Mitwirkung an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufene Mitglied der Strafkammer, Richter am Landgericht Dr. Fre. - , ab, weil dieser am Erlass des Haftbefehls beteiligt gewesen war. Das Landgericht hat beide Befangenheitsanträge zu Recht als unbegründet verworfen. Zwar ergibt sich aus dem Revisionsvorbringen, dass zwischen dem Vorsitzenden Richter und Rechtsanwalt Ru. ein „Privatkrieg“ geführt wurde. Eine Besorgnis der Befangenheit für den Angeklagten ergab sich daraus jedoch noch nicht. Der Vorsitzende ist im Ergebnis der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Köln gefolgt und hat Rechtsanwalt Ru. beigeordnet. Dafür, dass er dem Angeklagten gegenüber voreingenommen war, ergeben sich aus dem Revisionsvorbringen keine Anhaltspunkte. Ihm sind keine hinreichend konkreten Hinweise darauf zu entnehmen, dass der Angeklagte befürchten musste, der Vorsitzende werde Anträge seines Verteidigers nur deshalb ablehnen, weil sie von Rechtsanwalt Ru. kämen. Die Einplanung zusätzlicher Terminstage und die Beiordnung eines zweiten Verteidigers zur Verfahrenssicherung spricht eher gegen eine solche Befürchtung. Im Übrigen war dieses Vorgehen für sich gesehen sachgerecht. Der fehlerhafte Erlass des Haftbefehls wurde am Nachmittag desselben Tages durch Aufhebung des Haftbefehls korrigiert. Ein solches Versehen rechtfertigt ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Die Verfahrensweise der Strafkammer, zunächst das später gestellte Ablehnungsgesuch gegen RiLG Dr. Fre. zurückzuweisen, entsprach der Rechtslage (BGHSt 21, 334).
2. Rüge der Mitwirkung des wegen Befangenheit abgelehnten Vorsitzenden (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO): Auch die Ablehnung des weiteren Befangenheitsantrags vom zweiten Hauptverhandlungstag hält der rechtlichen Nachprüfungstand. Der Vorsitzende hat in seiner Dienstlichen Erklärung in Abrede genommen, die ihm vorgeworfene Äußerung („Ich lasse mich dann vom BGH belehren und dann lasse ich das Verlesen zu“) gemacht zu haben. Ausweislich seiner Dienstlichen Erklärung hat er auch entgegen der Behauptung der Revision allen Verteidigern schon am ersten Tag zugesichert, dass aus verhandlungsbedingten Verzögerungen bei - 14 der Stellung von Befangenheitsanträgen ihren Mandanten generell keine prozessualen Nachteile entstünden. Dass er die Unwahrheit gesagt hat, wird durch die anwaltlichen Versicherungen der Verteidiger nicht bewiesen. Der Umstand, dass der Vorsitzende den Verteidiger im Rahmen seiner Sachleitung darauf verwiesen hat, einen Protokollierungsantrag nach § 273 Abs. 3 StPO außerhalb der Hauptverhandlung zu stellen, rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht. Eine solche Handhabung der wörtlichen Protokollierung ist zwar nicht sachgerecht. Einfache Verfahrensverstöße oder unzutreffende Rechtsansichten können aber für einen besonnenen Angeklagten kein hinreichender Anlass für die Besorgnis der Befangenheit sein (vgl. Senat StV 2005, 531).
Verfahrensrüge des Angeklagten M.
Rüge der Mitwirkung des wegen Befangenheit abgelehnten Vorsitzenden (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO): Soweit der Angeklagte M. in seinem oben unter I. 1. dargestellten Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter und die Beisitzerin weiteres Verhalten des Vorsitzenden schildert, das in ihm die Besorgnis der Voreingenommenheit hervorgerufen habe, sind diese Vorfälle entweder nicht nachgewiesen („Grinsen des Vorsitzenden“, fehlende Zusicherung, dass aus verspäteter Antragstellung keine prozessualen Nachteile entstehen) oder aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden („Verhandlungsleitung“).
Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
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