StPO § 244 Abs. 2 Reichweite der Amtsaufklärungspflicht

BGH, Urteil v. 21. Juli 2016 – 2 StR 383/15

1. Die Vorschrift des § 244 II StPO gebietet es, von Amts wegen Beweis zu erheben, wenn aus den Akten oder aus dem Stoff der Verhandlung Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der – auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten – Überzeugung wecken müssen. Ob die vom Gericht auf Grund der verwendeten Beweismittel gewonnene Überzeugung ausreicht oder ob zu ihrer Absicherung oder Überprüfung weitere Beweismittel heranzuziehen sind, ist auf der Grundlage von Verfahrensablauf und Beweislage des Einzelfalls zu beurteilen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu benutzen.

2. Beweisbehauptungen, die in einem von dem Verteidiger gestellten Beweisantrag enthalten sind, dürfen nicht in eine Einlassung des Angekl. umgedeutet werden, sofern sich dieser hierzu nicht erklärt. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 26. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit sie verurteilt worden sind. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten K. A. unter Freisprechung im Übrigen wegen Hehlerei unter Einbeziehung von zwei Einzelgeldstrafen aus früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, - den Angeklagten J. A. unter Freisprechung im Übrigen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen und wegen Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, - die Angeklagte N. A. unter Freisprechung im Übrigen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung von zwei Einzelfreiheitsstrafen aus früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Gegen ihre Verurteilungen richten sich die Revisionen der Angeklagten mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I. Nach den landgerichtlichen Feststellungen begingen die Angeklagten, die allesamt Geschwister sind, im Zeitraum von Dezember 2012 bis Februar 2013 in unterschiedlicher Zusammensetzung und Beteiligung Wohnungseinbruchsdiebstähle (Fälle 9, 12 und 16) sowie Hehlereitaten in Bezug auf Diebesgut, das aus Wohnungseinbrüchen stammte (Fälle 4, 5, 13 und 18). Die Angeklagten haben zu den Vorwürfen geschwiegen. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten in den abgeurteilten Fällen zum einen auf Schuh- oder DNA-Spuren gestützt, die an einigen Tatorten sichergestellt wurden, sowie darauf, dass Diebesgut, im Wesentlichen Schmuck oder Wertgegenstände, in Wohnungen aufgefunden wurden, in denen die Angeklagten sowie weitere Familienmitglieder wohnten. Das Landgericht ist zu Verurteilungen in den Fällen gelangt, in denen den Angeklagten einzelne Taten entweder aufgrund von sichergestellten Spuren am Tatort der Wohnungseinbruchsdiebstähle (Fälle 9, 12 und 16) oder eindeutigen Besitzverhältnissen von Diebesgut (Fälle 4, 5, 13 und 18) zugeordnet werden konnten. In den übrigen Fällen hat es die Angeklagten freigesprochen. II. Die Revision des Angeklagten K. A. , der wegen Hehlerei von Diebesgut (Fälle 4, 5 und 13, Ziff. II.2 der Urteilsgründe) verurteilt wurde, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Mit dieser macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO geltend, weil es das Landgericht abgelehnt hat, den Auslandszeugen Ja. A. zu vernehmen.

1. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:

a) Zwischen dem 5. und dem 6. Hauptverhandlungstag übersandte der Verteidiger des Angeklagten K. A. (ebenso wie der Angeklagte J. A. , vgl. unten III.1.) einen Schriftsatz an das Landgericht und beantragte darin, den in Frankreich in Haft befindlichen Zeugen Ja. A. , den Bruder der Angeklagten, als Zeugen dazu zu vernehmen, dass der Angeklagte an den ihm vorgeworfenen Hehlerei- und Einbruchsdiebstahlstaten nicht beteiligt gewesen sei. Der Zeuge habe die im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände dem Angeklagten geschenkt sowie auf Frage nach der Herkunft der Gegenstände mitgeteilt, dass er die Geschenke käuflich erworben habe (UA S. 38 f.). Zur Begründung des Antrags bezog sich die Verteidigung insbesondere auf die Übersetzung eines auf Serbisch verfassten, handschriftlichen Schreibens des Zeugen Ja. A. an das Landgericht, in dem er darum bat, zum Gericht nach Deutschland gebracht zu werden. Der Zeuge wolle sagen, „was insgesamt war 2012-2013“ und er sei „alleine schuldig für die Probleme“.

b) Die Strafkammer hat ausweislich ihres Beschlusses gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO die Vernehmung des Auslandszeugen wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt und dies damit begründet, dass die in sein Wissen gestellten Behauptungen für die Entscheidung ohne Bedeutung seien, weil dem Angeklagten „als am gleichen Ort wohnenden Bruder […] angesichts der Gesamtumstände klar gewesen sein“ müsse, „dass Ja. A. die Gegenstände nicht legal erworben haben“ könne.

2. Die Rüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Insbesondere schadet es nicht, dass aus der Revisionsbegründungsschrift nicht hervorgeht, ob der schriftliche Antrag auf Vernehmung des Auslandszeugen in der Hauptverhandlung mündlich gestellt worden ist. Denn dem Senat ist es in der vorliegenden Konstellation auch ohne genauere Kenntnis dieser Umstände möglich zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen wären. Es ändert nichts am Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts, wenn man den Antrag der Verteidigung auf Vernehmung des Auslandszeugen nicht als Beweisantrag, sondern lediglich als Beweisanregung ansehen würde. Denn auch das Übergehen eines außerhalb der Hauptverhandlung gestellten, dort aber nicht wiederholten und daher nicht nach Maßgabe von § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu verbescheidenden Beweisantrags (vgl. KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 85 mwN) kann nach den Umständen des Einzelfalls eine Verletzung der Aufklärungspflicht darstellen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2001 – 1 StR 557/00, NStZ-RR 2002, 65, 68; Beschluss vom 20. November 2001 – 1 StR 470/01, NStZ-RR 2002, 110, 111; vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 1988, 1 StR 357/88, BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1). Insoweit ist die Entscheidung des Tatgerichts über einen lediglich außerhalb der Hauptverhandlung gestellten schriftlichen Antrag am gleichen Maßstab zu messen, wie die Entscheidung über einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen, die gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht erfolgt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14; Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 212 mwN).

3. Die Revision beanstandet zu Recht die Entscheidung des Landgerichts über die Nichtvernehmung des Ja. A. als Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO).

a) § 244 Abs. 2 StPO gebietet es, von Amts wegen Beweis zu erheben, wenn aus den Akten oder aus dem Stoff der Verhandlung Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der – auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten – Überzeugung wecken müssen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 – 4 StR 208/14, NStZ 2015, 36 mwN). Ob die vom Gericht auf Grund der verwendeten Beweismittel gewonnene Überzeugung ausreicht oder ob zu ihrer Absicherung oder Überprüfung weitere Beweismittel heranzuziehen sind, ist auf der Grundlage von Verfahrensablauf und Beweislage des Einzelfalls zu beurteilen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu benutzen (BGH, Beschluss vom 19. März 2013 – 5 StR 79/13, NStZ 2013, 725; Urteil vom 5. Dezember 1995 – 1 StR 580/95, StV 1996, 249, 250). Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Auslandszeuge – wie hier – Vorgänge bekunden soll, die für den Schuldvorwurf von zentraler Bedeutung sind (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 374/06, NStZ 2007, 349, 351).

b) Die Strafkammer hat im Urteil festgestellt, dass die konkreten Umstände bei der Übernahme des Diebesguts durch K. A. von seinem Bruder Ja. A. (ohne dessen Vernehmung) gerade nicht aufgeklärt werden konnten (UA S. 19, 38 f.). Die in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen zu den Umständen der Übergabe des Diebesguts an seine Geschwister waren aber von wesentlicher indizieller Bedeutung für die Feststellung des subjektiven Tatbestands der Hehlerei. Daher besorgt der Senat bereits aufgrund der Beschlussbegründung, in der das Landgericht lediglich pauschal auf die „Gesamtumstände“ verweist, ohne sie näher zu erläutern (zu den insoweit an die Begründung zu stellenden Anforderungen vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2006 – 2 StR 444/06, StV 2007, 176), dass die Strafkammer bei ihrer Entscheidung den genannten Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verkannt hat. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass das Landgericht im Urteil zur Begründung des (bedingten) Hehlereivorsatzes des Angeklagten letztlich auf die Aussage der Zeugin F. abgestellt hat (UA S. 35, 39). Zwar hat die Zeugin bekundet, dass die bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände Geschenke von Ja. A. gewesen seien. „Sie, also die gesamte Familie, hätten sich schon gewundert, woher dies alles stamme“. Die Zeugin F. habe „die Zweifel der Familie an dem rechtmäßigen Erwerb der vielen von ihrem Bruder Ja. A. verschenkten Gegenstände lebhaft und überzeugend schildern“ können. Dem lässt sich jedoch schon nicht entnehmen, inwiefern der Angeklagte K. A. überhaupt in die geschilderten Familiengespräche involviert war. Überdies berücksichtigt das Landgericht nicht, dass der Angeklagte K. A. nach den Urteilsfeststellungen zum Tatzeitraum nicht in dem Mehrfamilienhaus der Großfamilie, sondern mit seiner Ehefrau in einer eigenen Wohnung unter einer anderen Anschrift wohnte (UA S. 36, 38). Ein Großteil des Diebesguts wurde aber nicht in der Wohnung des Angeklagten K. A. , sondern in dem Mehrfamilienhaus, das von den anderen Familienmitgliedern bewohnt war, aufgefunden (UA S. 27 ff., 36 ff.). Stattdessen geht das Landgericht im Widerspruch dazu in dem die Vernehmung des Zeugen ablehnenden Beschluss gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht zutreffend davon aus, dass K. A. „am gleichen Ort“ gewohnt habe.

c) Es lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass oder weshalb eine Überstellung des in Frankreich in Haft befindlichen Zeugen zum Zwecke seiner Vernehmung durch das Tatgericht (Art. 11 EuRhÜbk) nicht möglich gewesen wäre (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 6. November 1991 – 2 StR 342/91 –, NStZ 1992, 141; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1981 – 4 StR 512/81). Aufgrund der Erklärung seiner Aussagebereitschaft war davon auszugehen, dass er - 383 - weder von seinem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) noch von seinem Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 1 StPO) Gebrauch machen wollte und einer Überstellung zur Zeugenvernehmung (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Ziff. a EuRhÜbk) zugestimmt hätte. 4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.

III. Die Revision des Angeklagten J. A. hat ebenfalls mit einer Aufklärungsrüge Erfolg, mit der der Beschwerdeführer die Nichtvernehmung des Auslandszeugen Ja. A. beanstandet.

1. Der Angeklagte J. A. hat – wie der Beschwerdeführer K. A. – die Vernehmung des Auslandszeugen in einem Schriftsatz vom 6. Mai 2015 außerhalb der Hauptverhandlung beantragt und darin unter anderem unter Beweis gestellt, dass der Zeuge die Diebstahlstaten begangen habe und er daran nicht beteiligt gewesen sei. Außerdem seien ihm die bei ihm beschlagnahmten Gegenstände von Ja. A. , der ihm gegenüber angegeben habe, er habe sie aus Einnahmen aus seinem Gebrauchtwagenhandel bezahlt, geschenkt worden. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 19. Mai 2015 die Ladung des Zeugen gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Zuordnung des Diebesguts nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, soweit es sich nicht am Körper der Angeklagten befunden habe, ausschließlich aufgrund von am Tatort hinterlassenen Spuren denkbar sei weswegen es nach pflichtgemäßem Ermessen einer Vernehmung des in Frankreich in Haft befindlichen Zeugen nicht bedürfe.

2. Als Aufklärungsrüge genügt die Verfahrensbeanstandung den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Dem Revisionsvorbringen ist nach dessen Sinn und Zweck (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 1993 – 4 StR 31/93 mwN) zu entnehmen, dass mit der Verfahrensrüge die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Ja. A. beanstandet und diese Beanstandung (auch) als Aufklärungsrüge geltend gemacht wird. Dabei schadet es – wie oben ausgeführt – auch nicht, dass aus der Revisionsbegründungsschrift nicht hervorgeht, ob der schriftliche Antrag in der Hauptverhandlung mündlich gestellt worden ist (vgl. oben II.2).

3. Die Rüge ist auch begründet.

a) Das Landgericht hat bei seiner ablehnenden Entscheidung zwar zutreffend als maßgebendes Kriterium angesehen, ob die Aufklärungspflicht die Erhebung der beantragten Beweise erfordere (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 – 3 StR 451/09 –, BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 15 mwN). Bei deren Prüfung hat das Tatgericht namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen; es ist bei dieser Prüfung auch vom Verbot der Beweisantizipation befreit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 374/06, BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 13; BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60). Die Strafkammer durfte daher den zu erwartenden Beweiswert der Aussage des Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses würdigen.

b) Allerdings hat die Strafkammer bei ihrer Abwägung den besonderen Umständen des vorliegenden Sachverhalts und der Beweislage nicht im notwendigen Maße Rechnung getragen. Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Aussage des in Frankreich aufhältigen Zeugen eine herausgehobene Beweisbedeutung zukommt. Bei dem Zeugen Ja. A. , der sich in seinem Schreiben an das Tatgericht als „schuldig für die Probleme“ bekannt hat (offenkundig im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Taten), handelt es sich möglicherweise um den einzigen zur Verfügung stehenden unmittelbaren Tat- und Entlastungszeugen hinsichtlich der Diebstahlstaten. Die Beweislage im Übrigen war auch nicht derart gesichert, dass die Strafkammer sich zum Versuch weiterer Aufklärung durch die zeugenschaftliche Einvernahme von Ja. A. nicht hätte gedrängt sehen müssen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 23). So kamen hinsichtlich der Verurteilung wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls (Fälle 12 und 16, Ziff. II.1.a, b der Urteilsgründe) nach dem verlesenen kriminaltechnischen Gutachten zu den am Tatort von zwei Wohnungseinbruchsdiebstählen sichergestellten Schuhabdruckspuren, welches das wesentliche Indiz für die Täterschaft des Angeklagten J. A. darstellt (UA S. 31 f.), die Schuhe des Angeklagten aufgrund von Profilübereinstimmungen und der Gleichartigkeit der Größenverhältnisse als Spurenverursacher zwar in Betracht. Allerdings konnte die Strafkammer keine sichere Übereinstimmung der Schuhspur mit den Schuhen des Angeklagten feststellen, weil es hierfür an besonderen Merkmalen fehlte, die die Spur einzigartig oder sonst individuell unterscheidbar machten. Die Aufklärungspflicht hätte es deshalb geboten, den Zeugen Ja. A. hinsichtlich der im Zusammenhang mit den Diebstahlstaten unter Beweis gestellten Umständen zu vernehmen. Dies gilt im Übrigen auch mit Blick auf die in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen zu den Umständen der Übergabe des Diebesguts an den Angeklagten. Das Landgericht, das hierauf in seinem ablehnenden Beschluss nicht eingegangen ist, musste sich auch diesbezüglich zur Vernehmung des Ja. A. gedrängt sehen (vgl. oben II.3).

4. Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil auch. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Würdigung der Beweise gelangt wäre, wenn der Zeuge Ja. A. die in sein Wissen gestellten Umstände bestä- tigt hätte.

5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Vorgehensweise des Landgerichts, einzelne Beweisbehauptungen aus den Anträgen der Verteidiger der Beschwerdeführer auf Vernehmung des Zeugen Ja. A. – gleichsam wie eine Einlassung der Angeklagten – in seine Beweiswürdigung miteinzustellen (UA S. 34 f., 38 f.), rechtsfehlerhaft war. Beweisbehauptungen, die in einem von dem Verteidiger gestellten Beweisantrag enthalten sind, dürfen nicht in eine Einlassung des Angeklagten umgedeutet werden, sofern sich dieser hierzu nicht erklärt (BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207, 208; vom 12. April 2000 -, 1 StR 623/99, NStZ 2000, 495; vom 29. Mai 1990 – 4 StR 118/90, NStZ 1990, 447, 448). Ob die Angeklagten entsprechende Erklärungen abgegeben haben, lässt sich dem Urteil vorliegend nicht entnehmen.

IV. Hinsichtlich der Angeklagten N. A. hat die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben, der zur Urteilsaufhebung führt.

1. Nach den Feststellungen brach die Angeklagte unter Mitwirkung weiterer unbekannter Täter am Morgen des 28. Januar 2013 in ein Wohnhaus der Geschädigten L. in T. ein, indem die Täter das Zugangsfenster zur Küche mittels eines Pflastersteins einschlugen. Auf diesem Weg gelangten die Angeklagte und ihre Mittäter in das Wohnhaus, suchten dort nach stehlenswerten Gegenständen und entwendeten gemeinsam Bargeld, Schmuck und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von etwa 45.000 Euro (Fall 9).

2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts im Fall 9 hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Die Strafkammer hat die Angeklagte N. A. im Wesentlichen deshalb als überführt angesehen, weil innerhalb des Wohnhauses der Geschädigten L. der Angeklagten zuzuordnende DNA-Spuren aufgefunden wurden (UA S. 40). Diese von ihr hinterlassenen Spuren seien nicht anders zu erklären als mit dem Eindringen der Angeklagten in das Wohnhaus und dem damit verbundenen Entwenden der dort befindlichen Wertgegenstände, zumal keine Anhaltspunkte gegeben seien, die den Aufenthalt der Angeklagten dort anderweitig erklären könnten (UA S. 42). Hinzu trete, dass beim Wohnungseinbruch entwendete Gegenstände im näheren Umfeld der Angeklagten, nämlich in den von ihr und ihren Familienmitgliedern bewohnten Wohnungen, aufgefunden wurden (UA S. 42). Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, dass im Rahmen der Spurensicherung am Tatort des Wohnungseinbruchs an dem Griff eines Schlüssels für eine Öffnungsblende am Doppelbett im Schlafzimmer ein Abrieb genommen wurde, an dem eine DNA-Spur festgestellt worden sei, die mit dem DNA-Identifizierungsmuster der Angeklagten N. A. übereinstimme. Zudem gehe aus einem verlesenen Gutachten der Firma E. GmbH hervor, dass der Abrieb von der genannten Schlüsselkreide untersucht und dabei „eine Mischung von Merkmalen von mehr als einer Person festgestellt worden sei; bei einem direkten Abgleich mit Tatverdächtigen oder Tatortberechtigten sei eine Bewertung möglich“, (UA S. 41). Weiter seien in der Hauptverhandlung die „zweite Ergänzung zum Behördengutachten des LKA vom 24.04.2013 (Bl. 81-83 SB Spuren)“, „die Treffermitteilung des Thüringer LKA vom 18.03.2014 (Bl. 89 SB Spuren)“ verlesen sowie die „hierzu gehörige tabellarische Übersicht (Bl. 90 SB Spuren)“ im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Aus der Ergänzung zum Behördengutachten gehe hervor, dass unter anderem ein Mundhöhlenabstrich der Angeklagten mit Blick auf „Spurmaterial von Schnürsenkeln von sichergestellten Schuhen“ untersucht wurde. Aus der Treffermitteilung gehe eine Übereinstimmung des DNA-Identifizierungsmusters der Angeklagten N. A. mit dem Abrieb der Schlüsselkreide hervor (UA S. 41). Nähere Erläuterungen zu dem DNA-Identifizierungsmuster der Angeklagten, der sichergestellten Mischspur und der molekluargenetischen Vergleichsuntersuchung enthalten die Urteilsgründe nicht.

b) Dies genügt den Anforderungen nicht, die an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zu stellen sind. In Fällen, in denen das Tatgericht dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, sind die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217 mwN). Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist jedenfalls erforderlich, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 12. April 2016 – 4 StR 18/16; Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87, 88; Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217).

c) Daran gemessen leidet das Urteil des Landgerichts an durchgreifenden Darlegungsmängeln. Den Ausführungen der Strafkammer zur DANN-Vergleichsuntersuchung lässt sich weder entnehmen, wie viele Systeme bei der Tatort(misch)spur und dem DNA-Identifizierungsmuster der Angeklagten detektiert und untersucht wurden, noch mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist. Nähere Darlegungen hierzu waren schon deswegen nicht entbehrlich, weil im vorliegenden Fall die Besonderheit gegeben ist, dass mehr als eine Person als Spurenleger angenommen werden kann (Mischspur) und eine Verwandtschaft zwischen möglichen spurenbeteiligten Personen in Betracht kommt (vgl. Senat, Urteil vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454). d) Da das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten N. A. im Wesentlichen auf ihre Spurenlegerschaft und damit auf das Ergebnis der DNA-Vergleichsuntersuchungen gestützt hat, kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Darstellungsmangel nicht ausschließen.

V.
1. Da das Urteil bereits auf die Verfahrensrügen der Angeklagten K. A. (vgl. oben unter II.) und J. A. (vgl. oben unter III.) sowie auf die Sachrüge der Angeklagten N. A. (vgl. oben unter IV.) vollständig aufzuheben ist, braucht der Senat auf die darüber hinaus erhobenen Rügen im Einzelnen nicht einzugehen.

2. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin: Sollte die neue Hauptverhandlung wiederum zu einer Verurteilung der Angeklagten führen, wird die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer im Rahmen der Gesamtstrafenbildung insbesondere Folgendes zu berücksichtigen haben:

a) Das Landgericht hat den Vollstreckungsstand hinsichtlich der am 7. Mai 2013 durch das Amtsgericht W. gegen den Angeklagten J. A. verhängten Geldstrafe (9 Cs 613 Js 203697/13) wegen der Tat vom 21. Februar 2013, die an sich gesamtstrafenfähig ist, nicht mitgeteilt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die verhängte Geldstrafe im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt war. Sollte sie erledigt sein und deshalb eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausscheiden, wäre ein Härteausgleich möglich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. März 2016 – 4 StR 7/16 – und vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 423/15).

b) Die vom Amtsgericht W. mit Urteil vom 11. März 2014 (9 Ds 711 Js 209920/13) gegen die Angeklagte N. A. ausgesprochene, nicht vollständig erledigte Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen der Tat vom 19. September 2013 wäre mit einer Strafe wegen der Tat vom 28. Januar 2013 des angefochtenen Urteils und der Strafe aus dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 28. Februar 2013 (8 Ds 538 Js 203310/10) nicht gesamtstrafenfähig. Wenn die neu abzuurteilende Tat – wie hier – vor zwei rechtskräftigen, unerledigten Vorverurteilungen begangen wurde, ist mit der Strafe aus der ersten Verurteilung eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden; diese erste Vorverurteilung bildet eine Zäsur, so dass die zweite Vorverurteilung selbständig bestehen bleibt (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Mai 2004 – 2 StR 24/04; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 9, 11 mwN). Nach diesen Grundsätzen entfaltet die (offenbar) noch nicht erledigte Bewährungsstrafe aus dem Strafbefehl vom 28. Februar 2013 Zäsurwirkung, so dass im Fall einer erneuten Verurteilung der Angeklagten N. A. wegen der Tat vom 28. Januar 2013 eine Gesamtstrafenbildung lediglich mit dieser zäsurbildenden Freiheitsstrafe in Betracht kommt, nicht aber mit der durch Urteil des Amtsgericht Weißenfeld vom 11. März 2014 (9 Ds 711 Js 209920/13) verhängten Freiheitsstrafe. Da das Landgericht die letztgenannte Strafe rechtsfehlerhaft in die Gesamtstrafe einbezogen hat, wird das neue Tatgericht im Fall einer Verurteilung bei der Strafzumessung mit Blick auf das Gesamtstrafübel das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) in den Blick zu nehmen haben.