StPO § 257c, § 267 Geschlossene Sachdarstellung auch im abgesprochenen Urteil
StPO § 257c, § 267 Geschlossene Sachdarstellung auch im abgesprochenen Urteil
BGH, Beschl. v. 09.03.2011 – 2 StR 428/10 - BeckRS 2011, 07178
Zu den auch im Falle einer Urteilsabsprache unerlässlichen Mindestvoraussetzungen des tatrichterlichen Urteils gehört, dass es eine geschlossene und für das Revisionsgericht nachvollziehbare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens enthält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachverhalts, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Sie muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Richter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Fehlt sie oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich, so ist dies ein Mangel des Urteils, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 14. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 26 Fällen unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren gesamtstrafenfähigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte zur Tatzeit als Leiter der Filiale eines Handy-Ladens der S. GmbH mit dem Abschluss von Mobiltelefonieverträgen befasst. Üblicherweise kopierten bei Abschluss solcher Verträge die Mitarbeiter des Handy-Ladens das Legitimationspapier und die Bankkarte der Kunden und nahmen die Kopien zu dem jeweiligen Vertrag. Die Vertragsunterlagen wurden zum Monatsende an die Unternehmenszentrale geschickt und von dort an die Netzbetreiber weitergeleitet. Die Kunden erhielten pro SIM-Kartenvertrag ein oder mehrere Handys, die von dem Mobilfunk-Provider subventioniert waren. Spätestens Anfang Januar 2008 kam der Angeklagte mit einem Bekannten überein, mit "Kopien" gefälschter Personalausweise und Bankkarten im Namen fiktiver Personen Verträge abzuschließen, um an subventionierte Handys zu gelangen. Hierzu scannte der Bekannte des Angeklagten einen Originalpersonalausweis in einen Computer ein und stellte mittels eines Bearbeitungsprogramms "Kopien tatsächlich nicht existenter Personalausweise" unter Verwendung von Scheinpersonalien her, indem er die Seriennummern, die Personaldaten und die Lichtbilder veränderte. Ferner fertigte er Bankkarten-Kopien von Konten, die unter Scheinpersonalien eröffnet worden waren oder Kunden gehörten, welche in dem Handy-Laden zuvor unter Angabe ihrer Bankdaten Mobilfunkverträge abgeschlossen hatten. Unter Verwendung der gefälschten Dokumente schlossen der Angeklagte und sein Bekannter in der Folgezeit auf den Namen der jeweiligen fiktiven Personen einen oder mehrere "Verträge" ab. Der Angeklagte reichte diese "Scheinverträge" dann wie üblich über die Zentrale bei dem jeweiligen Provider ein. Für seinen Beitrag erhielt der Angeklagte jeweils eines der mit "Vertragsschluss" überlassenen neuen Handys.
2. Das angefochtene Urteil unterliegt insgesamt der Aufhebung, da es nicht den Mindestanforderungen genügt, die an die Urteilsgründe auch dann zu stellen sind, wenn die Entscheidung, wie hier, nach einer Verfahrensabsprache ergangen ist. Allein die Bereitschaft des Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet das Gericht nicht von der Pflicht zur Aufklärung und Darlegung des Sachverhalts, soweit dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen Gesetzesverletzung erforderlich ist (vgl. BGH, NStZ 2009, 467; NStZ-RR 2010, 54; Senat, NStZ-RR 2010, 336). Zu den unerlässlichen Mindestvoraussetzungen des Urteils gehört, dass es eine geschlossene und für das Revisionsgericht nachvollziehbare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens enthält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachverhalts, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisions-rechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Sie muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Richter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Fehlt sie oder ist sie in wesentlichen Teilen un-vollständig oder widersprüchlich, so ist dies ein Mangel des Urteils, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3; BGH, NStZ 2008, 109). So verhält es sich hier. a) Die Feststellungen der Strafkammer erschöpfen sich in einer knapp gehaltenen, teilweise aus dem Anklagesatz übernommenen Schilderung der Vorgehensweise des Angeklagten und seines Komplizen, an die sich eine Zusammenfassung der Einzeltaten in einer mehrspaltigen Tabelle anschließt. Dort wird in der Spalte "Tattag" das jeweilige Datum angegeben, unter dem die "Scheinverträge" geschrieben worden sind, und in der Spalte "Fiktive Person" wird der Name des vorgetäuschten Kunden aufgeführt. In zwei weiteren Spalten werden unter der Überschrift "Vertragspartner" die SIM-Kartennummern der jeweiligen Netzbetreiber und unter der Überschrift "Handys" die in den Einzelfällen erhaltenen Mobiltelefone mit Typenbezeichnung aufgelistet. Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, bei einer Vielzahl von Straftaten, die den selben Tatbestand erfüllen, davon abzusehen, die konkreten Sachverhalte der Einzeltaten ausführlich mitzuteilen, und diese stattdessen in einer Liste zusammenzufassen, in der die jeweiligen Taten individualisiert werden. Dies gilt, wenn die Taten in allen wesentlichen tatsächlichen Umständen, die den Tatbestand erfüllen, gleich gelagert sind. Auch dann müssen die Urteilsgründe aber so abgefasst werden, dass sie erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können (vgl. für den Fall einer Vielzahl von gleichgelagerten Betrugstaten BGH, NJW 1992, 1709; NStZ 2008, 352; NStZ-RR 2010, 54). b) Hier lässt sich der Sachverhaltsdarstellung der Strafkammer zur betrügerischen Vorgehensweise des Angeklagten jedoch schon nichts Näheres dazu entnehmen, wie es zu einem Abschluss der "Scheinverträge" gekommen sein soll und wer aus dem Adressatenkreis der Täuschung über die mit fiktiven Personaldaten ausgefüllten Kundenaufträge von dem Angeklagten zu welcher irrtumsbedingten Vermögensverfügung veranlasst worden ist. Ausführungen zu vertraglichen Regelungen zwischen dem die Handy-Läden betreibenden Unternehmen und den Mobilfunknetz-Providern fehlen vollständig. Dementsprechend bleibt unklar, wie der Angeklagte die Mobiltelefone und die SIM-Karten erlangt hat. Es lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, aus welchem Vermögen die Mobiltelefone herrührten und welchen Wert diese hatten. Danach lässt sich auch nicht nachvollziehen, wer in den Einzelfällen in welcher Höhe geschädigt worden ist.
3. Hinzu kommt, dass die Feststellungen den Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Urkundenfälschungen nicht tragen.
a) Durch die Ausdrucke von Bilddateien eines Personalausweises unter manipulativer Änderung von Personaldaten und Lichtbild sind weder unechte oder verfälschte Urkunden hergestellt worden, noch hat der Angeklagte solche Urkunden gebraucht, indem er die Ausdrucke verwendete, um vorzutäuschen, dass von den fiktiven Kunden Personaldokumente vorgelegen hätten. Urkunden im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB sind verkörperte Erklärungen, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt sind, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen lassen. Einer bloßen Fotokopie ist, sofern sie nach außen als Reproduktion erscheint, mangels Beweiseignung sowie Erkennbarkeit des Ausstellers demgegenüber kein Urkundencharakter beizumessen (st. Rspr., vgl. BGHSt 20, 17, 18 f.; 24, 140, 141 f. mwN; BGH wistra 1993, 225; 341; 2010, 226). Zwar kann im Wege computertechnischer Maßnahmen wie der Veränderung eingescannter Dokumente grundsätzlich eine (unechte) Urkunde hergestellt werden. Dafür muss die Reproduktion jedoch einer Originalurkunde so ähnlich sein, dass die Möglichkeit einer Verwechslung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. mwN BGH, wistra 2010, 184, 185; Fischer, StGB 58. Aufl. § 267 Rn. 22). Daran fehlt es hier. Die Ausdrucke der Computerdatei des gescannten Personalausweises wiesen nicht die typischen Authentizitätsmerkmale auf, die einen Originalausweis prägen. Sie sollten nach ihrem Dokumentationszweck wie Kopien verwendet werden und spiegelten erkennbar lediglich ein Abbild eines Personalausweises wider. Da der von den Ausdrucken der Computerdatei jeweils abgebildete Personalausweis tatsächlich nicht existierte und diesbezüglich somit zu keinem Zeitpunkt eine falsche Urkunde vorgelegen hat, erfüllt die Verwendung dieser Ausdrucke auch nicht den Tatbestand der Urkundenfälschung in Form des Gebrauchens einer unechten Urkunde (vgl. Fischer, aaO § 267 Rn. 37), wie es das Landgericht in seinen sich auf die Angabe des Endergebnisses beschränkenden Ausführungen zur rechtlichen Würdigung angenommen hat (UA S. 11).
b) Eine hier in Betracht zu ziehende Urkundenfälschung durch eine Anfertigung der mit fingierten Namen unterzeichneten "Scheinverträge" bzw. Kundenaufträge und deren Weiterleitung hat die Strafkammer demgegenüber nicht erwogen.
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