StPO § 268 Abs. 3 Satz 2 – Urteilsverkündungsfrist 10 Tage zwingendes Recht
StPO § 268 Abs. 3 Satz 2 – Urteilsverkündungsfrist 10 Tage zwingendes Recht
BGH, Beschl. vom 20.06.2007 – 1 StR 58/07 = NStZ-RR 2007, 278
Eine Verlängerung der Frist, wie im Fall des § 229 Abs. 2 StPO, gibt es bei der Unterbrechung der Hauptverhandlung unmittelbar vor der Urteilsverkündung nicht. Das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl I, 2198) hat die Fristenregelung in § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO unberührt gelassen, so dass es bei der als zwingendes Recht ausgestalteten Fristenregelung des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO verblieben ist.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Juni 2006 - soweit es die Angeklagten betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten H. A. wegen Betruges und Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie den Angeklagten F. A. wegen Betruges und Beihilfe zum Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Revision, mit der sie das Verfahren beanstanden und die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Verfahrensrüge Erfolg. Zu Recht beanstanden die Beschwerdeführer die Verletzung der Urteilsverkündungsfrist des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO. Der Generalbundesanwalt hat folgendes ausgeführt: "Die Beweisaufnahme wurde am 8. Hauptverhandlungstag, dem 29. Mai 2006, geschlossen (Bd. VII Bl. 2865 d.A.). Am selben Tag hielten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Schlussvorträge; die Angeklagten hatten das letzte Wort (Bd. VII Bl. 2865 ff. d.A.). Der Vorsitzende verkündete zum Schluss der Sitzung folgende Verfügung: 'Die heutige Hauptverhandlung wird unterbrochen und fortgesetzt am Montag, den 12. Juni 2006, 10.30 Uhr (…)' (Bd. VII Bl. 2869 d.A.). Tatsächlich konnte die Hauptverhandlung mit der Urteilsverkündung aber erst am 19. Juni 2006 fortgesetzt werden (Bd. VII Bl. 2871 ff. d.A.), weil der beisitzende Richter dem Vermerk vom 8. Juni 2006 zufolge erkrankt war und es deshalb zu einer Terminsverlegung kam (Bd. VII Bl. 3260 d.A.)." Damit hat das Landgericht gegen § 268 Abs. 3 StPO verstoßen. Demgemäß muss, sofern das Urteil nicht am Schluss der Verhandlung verkündet wird, die Verkündung des Urteils spätestens am 11. Tage danach erfolgen; andernfalls ist mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen. Die Elftagefrist begann am 29. Mai 2006 und endete bereits am Freitag, den 9. Juni 2006, also noch vor dem ursprünglich festgelegten Termin zur Urteilsverkündung. Eine Verlängerung der Frist, wie im Fall des § 229 Abs. 2 StPO, gibt es bei der Unterbrechung der Hauptverhandlung unmittelbar vor der Urteilsverkündung nicht. § 268 Abs. 3 Satz 3 StPO verweist hierzu ausdrücklich nur auf § 229 Abs. 3 StPO, nicht aber auf § 229 Abs. 2 StPO (BGH NStZ 2004, 52; NStZ 2007, 235). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nur in Ausnahmefällen ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß ausgeschlossen werden (BGH aaO, BGHR StPO § 268 Abs. 3 Verkündung 1 und 2). Besondere Umstände, die einen solchen Ausnahmefall begründen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich. Der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden und des beisitzenden Richters der Strafkammer vom 14. Mai 2007 kann hierzu entnommen werden, dass die abschließende Urteilsberatung mit den Schöffen erst am 19. Juni 2006 unmittelbar vor der Urteilsverkündung, also erheblich nach Ablauf der Frist des § 268 Abs. 3 StPO erfolgt ist. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2006 entschieden, dass sich nichts anderes aus den Regelungen des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl I, 2198) ergibt. Dieses Gesetz hat die Fristenregelung in § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO unberührt gelassen, so dass es bei der als zwingendes Recht ausgestalteten Fristenregelung des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO verblieben ist (NStZ 2007, 235). Dem verschließt sich der Senat nicht. Auf die erhobenen Sachrügen kam es daher nicht mehr an. Die Sache ist, soweit sie die Beschwerdeführer betrifft, insgesamt neu zu verhandeln.
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