StPO § 275 Abs. 1 Unterschrift durch Richter auf Probe bei StA
StPO § 275 Abs. 1 Unterschrift durch Richter auf Probe bei StA
BGH, Urt. vom 08.11.2006 – 2 StR 294/06
Ein Richter auf Probe, der nach seinem Ausscheiden beim Landgericht wieder bei der Staatsanwaltschaft verwendet wird, hat seinen Status als Richter auf Probe aber nicht verloren. Er kann deshalb das Urteil, an dem er mitgewirkt hatte, noch unterschreiben.
Auf die Revision des Angeklagten R. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. Dezember 2005 -soweit es ihn betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung "der Strafe" aus dem Urteil (richtig: des Urteils) des Amtsgerichts Düren vom 9. Februar 2001 zu der Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revision hat mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge nach §§ 275 Abs. 1 und 2, 338 Nr. 7 StPO Erfolg. Der Vorsitzende der Jugendkammer hat in einem Verhinderungsvermerk festgestellt, dass der Richter auf Probe, der an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, das Urteil nicht unterschreiben könne, weil er in den staatsanwaltschaftlichen Dienst zurückgekehrt sei. Tatsächlich wird der Richter - wie seine vom Generalbundesanwalt eingeholte dienstliche Äußerung bestätigt - nach seinem Ausscheiden beim Landgericht wieder bei der Staatsanwaltschaft verwendet. Damit hat er seinen Status als Richter auf Probe aber nicht verloren (§§ 12, 13,19 aAbs. 1 DRiG). Er konnte deshalb das Urteil, an dem er mitgewirkt hatte, noch unterschreiben (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 275 Rdn. 23; Engelhardt in KK 5. Aufl. § 275 Rdn. 30; BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 4 = StV 1992, 557; BGH, Beschluss vom 26. Juli 2005 -3 StR 196/05 = LS in StV 2006, 459). Der Senat sieht keinen Anlass, die bisherige Rechtsprechung in Frage zu stellen. Eine tatsächliche Verhinderung des Richters ist nicht festgestellt. Der Vorsitzende der Jugendkammer ging nämlich - wie die Fassung seines Verhinderungsvermerks deutlich macht - irrtümlich davon aus, der Richter sei aus rechtlichen Gründen im Sinne von § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Zudem befinden sich Landgericht und Staatsanwaltschaft am selben Ort und sind nicht weit voneinander entfernt. Damit ist das Urteil nicht innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 StPO zu den Akten gelangt (vgl. BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Unterschrift 2; StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 2). Der vorliegende Fall erfordert - entgegen der Annahme des Vertreters der Bundesanwaltschaft keine nähere Erörterung und Entscheidung, inwieweit ein Vorsitzender bei einem ausgeschiedenen Richter, der mehrere Jahre im Richterverhältnis auf Probe stand und anschließend wieder bei der Staatsanwaltschaft verwendet wird, gehalten ist, Nachforschungen zum dienstrechtlichen Status des ausgeschiedenen Richters anzustellen. Denn hier ist der Vorsitzende in seinem Verhinderungsvermerk zutreffend davon ausgegangen, dass der ausgeschiedene Richter weiterhin den Status eines Richters auf Probe inne hatte.
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