StPO § 302 Revision unzulässig nach Rechtsmittelverzicht
StPO § 302 Revision unzulässig nach RM-Verzicht
BGH, Beschl. v. 11.08.2010 – 2 StR 269/10 - BeckRS 2010, 21493
Keine Wiedereinsetzung nach Rechtsmittelverzicht
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. August 2010 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 5. Januar 2010 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
1. Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen Betruges in 29 Fällen, davon in sechs Fällen nur als Versuch und in 14 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, ferner wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen und wegen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten sowie einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und eine lebenslange Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis gegen ihn verhängt. Mit Schreiben vom 12. Januar 2010 hat der Angeklagte nach "Rücksprache" mit einem Rechtsanwalt auf Rechtsmittel verzichtet. Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2010 hat auch seine damalige Verteidigerin den Rechtsmittelverzicht erklärt. Sie haben darum gebeten, dass der Angeklagte sich selbst zum Strafantritt stellen kann, um es ihm zu erleichtern, einen Teil der Haft im offenen Strafvollzug verbringen zu können. Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 hat der Angeklagte den Rechtsmittelverzicht widerrufen und erklärt, er habe seiner Verteidigerin telefonisch mitgeteilt, er sei mit einer Verzichtserklärung durch sie nicht einverstanden. Er habe zur Zeit der Verzichtserklärungen unter schweren Depressionen gelitten. Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2010 hat ein neuer Verteidiger Revision eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels beantragt. Zur Begründung trägt er vor, der Angeklagte habe der früheren Verteidigerin mitgeteilt, dass er Revision einlegen wolle. Mit der Erklärung des Rechtsmittelverzichts durch sie habe der Angeklagte nicht rechnen müssen.
2. Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil der Angeklagte vor der Einlegung wirksam darauf verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Daher ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels gegenstandslos. Der Angeklagte hat selbst und durch seine Verteidigerin auf die Einlegung der Revision verzichtet. Ein Fall des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO, in dem ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen wäre, liegt nicht vor. Es trifft auch nicht zu, dass der Angeklagte seine Verteidigerin darauf hingewiesen habe, er sei mit einer Verzichtserklärung durch sie nicht einverstanden; denn er hat mit einem weiteren Schreiben vom 12. Januar 2010 seine Verteidigerin davon unterrichtet, dass er "mit dem Urteil einverstanden" sei, sich auch "in der Hoffnung" auf eine "Therapiechance" selbst "zum Strafantritt stellen" wolle und sie in seinem Interesse handeln solle. Danach besteht kein Zweifel daran, dass der Angeklagte zunächst auf die Rechtsmitteleinlegung verzichten wollte und seine Verteidigerin zu einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Gericht ermächtigt hat. Gründe für die Annahme, dass der Angeklagte dabei nicht verhandlungsfähig gewesen sei, bestehen nicht. Eine emotionale Aufgewühltheit stellt die Wirksamkeit der Prozesserklärung nicht in Frage (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 302 Rn. 8a). Gleiches gilt jedenfalls hier für eine depressive Verstimmung im Rahmen der dem Angeklagten nachträglich attestierten bipolaren affektiven Störung. Die jeweils dem Gericht und der Verteidigerin vom Angeklagten selbst mitgeteilte Begründung für seinen Verzichtswillen lässt es ausgeschlossen erscheinen, dass er nicht in der Lage war, die Bedeutung des Rechtsmittelverzichts zu erkennen und verantwortlich darüber zu entscheiden. Der wirksam erklärte Rechtsmittelverzicht ist unwiderruflich und unanfechtbar; ein Ausnahmefall (vgl. BGHSt 46, 257, 258) liegt nicht vor. Das später eingelegte Rechtsmittel ist daher als unzulässig zu verwerfen.
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