AO § 370 Abs. 1 und 4; GG Art. 103 Abs. 2 – Bezifferung von unberechtigter Steuervorteilen

AO § 370 Abs. 1 und 4; GG Art. 103 Abs. 2 – Bezifferung von unberechtigter Steuervorteilen 

BGH, Beschl. v. 22.11.2012 – 1 StR 537/12- wistra 2013, 199= NStZ 2013, 412
LS: Zur Bezifferung aufgrund unrichtiger Feststellungsbescheide nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO erlangter nicht gerechtfertigter Steuervorteile im Sinne von § 370 Abs. 1 AO. 
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2012 beschlossen: Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 23. Mai 2012 werden als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 
Gründe: 
I. Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Steuerhinterziehung in insgesamt 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten Dr. G. unter Freispruch im Übrigen wegen elf Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung unter Einbeziehung der Einzelstrafen einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Verurteilungen liegt eine Vielzahl von unrichtigen Angaben zugrunde, die die Angeklagten zum Zwecke der Verkürzung verschiedener Steuerarten sowie der Erlangung von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen zugunsten von rechtlich unterschiedlich organisierten Unternehmen gemacht haben bzw. durch Dritte haben machen lassen. An den Unternehmen waren sie jeweils entweder maßgeblich wirtschaftlich beteiligt oder übten faktisch bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenstätigkeit aus. Die jeweils auf die Sachrüge beschränkten Revisionen bleiben ohne Erfolg. 
II. 
1. Die Revision des Angeklagten M. beanstandet, das Landgericht habe in Bezug auf drei der begünstigten Unter-nehmen (C. AG; H. GmbH; MB. GmbH) für einige Steuerarten in mehreren Veranlagungszeiträumen den tatbestandlichen Erfolg des § 370 Abs. 1 AO in "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" als verwirklicht angenommen, ohne die weiteren steuerlichen Auswirkungen dieser Vorteile in Gestalt der zukünftigen Verkürzung der Steuern näher zu prüfen und zu beziffern. Entsprechendes wendet sie auch ein, soweit in Bezug auf die Ma. KG lediglich die Höhe der erfolgten Gewinnfeststellung angegeben ist, deren Wirkungen zum Vorteil der Kommanditistin, der H. GmbH, aber nicht beziffert wurden. Damit werde das Tatgericht den in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 170, 194 ff.; BVerfG, NJW 2012, 907, 915 ff.; BVerfG StraFo 2012, 496 ff.) zur Untreue (§ 266 StGB) gestellten Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG), die auf die Steuerhinter-ziehung übertragbar seien, nicht gerecht. Es fehle an der nach dem genannten Maßstab gebotenen Bestimmung der Höhe der Beeinträchtigung des staatlichen Steueranspruchs. Durch diesen Verzicht gebe das Tatgericht die strafbarkeitsbegrenzende Funktion des Merkmals "Steuervorteil" auf, indem es bereits potentielle Besserstellungen des Vermögens des betroffenen Steuerpflichtigen als tatbestandsmäßigen Steuervorteil i.S.v. § 370 Abs. 1 AO ausreichen lasse. Dieser Mangel des Urteils wirke sich auch auf die Strafzumessung aus, weil die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsfaktor sei. 
2. Mit diesen Erwägungen dringt die Revision nicht durch. Das den Angeklagten M. betreffende Urteil weist weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zu dessen Lasten auf. 
a) Wie die Revision an sich nicht verkennt, hat der Senat bereits entschieden, dass ein mittels tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen gemäß § 370 Abs. 1 AO erwirkter unrichtiger Feststellungsbescheid im Hinblick auf dessen aus § 182 Abs. 1 Satz 1 AO resultierender Bindungswirkung einen "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" und damit eine vollendete Tat darstellt (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 104-107 Rn. 21-23; Meyberg PStR 2011, 31 f.; siehe auch Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 23 Rn. 36 mit Fn. 3). Die Bindungswirkung erfasst sowohl die zu niedrige Feststellung von Gewinnen als auch unberechtigte Verlustvorträge und unberechtigt nicht verbrauchte Verlustvorträge. In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das Tatgericht - bezogen auf unterschiedliche Veranlagungszeiträume und verschiedene steuerpflichtige Unternehmen - zutreffend derartige Steuervorteile festgestellt. Das trägt den Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO. 
b) Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrechtliche Untreue (§ 266 StGB) und den Betrug (§ 263 StGB), insbesondere hinsichtlich der Merkmale "Vermögensnachteil" bzw. "Vermögensschaden" (BVerfGE 126, 170, 194 ff.; BVerfG NJW 2012, 907, 915 f.; BVerfG StraFo 2012, 496, 497 f.), gibt keinen Anlass, von dem bisherigen Verständnis des "nicht gerechtfertigten Steuervor-teils" nach § 370 Abs. 1 AO sowie den zu dessen Vorliegen erforderlichen Feststellungen abzugehen. 
aa) Das Bundesverfassungsgericht leitet aus Art. 103 Abs. 2 GG für die Auslegung von Strafnormen u.a. ein Verschleifungsverbot ab (vgl. BVerfGE 92, 1, 16 f.; BVerfGE 126, 170, 198; BVerfG StraFo 2012, 496, 497). Danach darf die Auslegung derjenigen Begriffe, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten beschreibt, nicht zu einer Aufgabe der durch die Tatbestandsmerkmale bewirkten Eingrenzung der Strafbarkeit führen. Merkmale des Straftatbestandes dürfen daher selbst innerhalb der durch den Wortsinn gebildeten äußersten Auslegungsgrenze nicht so ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen (BVerfGE 126, 170, 198; BVerfG StraFo 2012, 496, 497). Dem trägt die Annahme eines "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" i.S.v. § 370 Abs. 1 AO bereits bei Erwirken eines (bindenden) Feststellungsbescheides in Bezug auf zu niedrige Gewinnfest-stellungen, nicht gerechtfertigte Verlustvorträge oder ungerechtfertigt nicht verbrauchte Verlustvorträge Rechnung. Das Erlangen (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 2 AO) eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils stellt einen von den Tathand-lungen der § 370 Abs. 1 Nrn. 1-3 AO klar abgrenzbaren tatbestandsmäßigen Erfolg der Steuerhinterziehung (BGH, aaO, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22) dar. Aus der Vornahme der Tathandlung folgt nicht per se das Vorliegen eines solchen Steuervorteils. Vielmehr ist es in Fällen der vorliegenden Art erforderlich, dass - durch die Tathandlung mitverursacht - die Finanzbehörde einen mit der Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO versehenen Feststellungsbescheid erlässt, der die Besteuerungsgrundlagen unrichtig feststellt. Welchen Inhalt dieser Bescheid hat, welcher Vorteil zu Unrecht festgestellt worden ist und welche Höhe der Steuervorteil (etwa der unberechtigte Verlust-vortrag) hat, ist von den Strafgerichten zu ermitteln und im Urteil darzulegen. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen des § 370 Abs. 1 AO ist daher mit der vom Senat vorgenommenen Auslegung des Begriffs "nicht gerechtfertigter Steuervorteil" nicht verbunden. Das Tatgericht hat auf dieser Grundlage rechtsfehlerfrei in zahlreichen Konstellationen die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile zugunsten der von den Angeklagten beherrschten Unternehmen festgestellt. Die Strafkammer hat diese Vorteile sowohl der Art als auch der Höhe nach ausgewiesen und das Vorliegen der Steuervorteile auf entsprechende Feststellungsbescheide der je-weils zuständigen Finanzbehörden gestützt. 
bb) Art. 103 Abs. 2 GG erfordert auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG jeweils aaO) bei der Auslegung von § 370 Abs. 1 AO in der Variante des in einem "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" liegenden tatbestandsmäßigen Erfolgs nicht, die Vollendung der Tat davon abhängig zu machen, auf der Grundlage des bezifferten Steuervorteils die (zukünftigen) Auswirkungen auf den Steueranspruch des Staates zu berechnen (anders etwa Wittig ZIS 2011, 660, 668). Das Bundesverfassungsgericht hält es am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes gemessen im Grundsatz für verfassungsrechtlich unbedenklich, bei § 263 StGB und § 266 StGB die Vollendung des jeweiligen Straftatbestandes bereits dann anzunehmen, wenn lediglich die konkrete Gefahr eines gegenwärtigen Vermögensschadens bzw. Vermögensnachteils besteht (BVerfGE 126, 170, 223 ff., 226 ff. bzgl. § 266 StGB; BVerfG NJW 2012, 907, 916 bzgl. § 263 StGB für den sog. Eingehungsbetrug). Um eine mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbare Überdehnung der Straftatmerkmale "Vermögensschaden/Vermögensnachteil" auszuschließen, dürfen aber an die konkrete Gefahr des Vermögensverlustes nicht so geringe Wahrscheinlichkeitsanforderungen gestellt werden, dass dessen realer Eintritt ungewiss bleibt (BVerfG jeweils aaO). Als weitere Sicherung gegen eine Tatbestandsüberdehnung bei schadensgleicher Vermögensgefährdung bzw. Gefährdungsschaden verlangt das Bundesverfassungsgericht von den Strafgerichten - von Ausnahmen bei einfach gelagerten Fällen abgesehen - eine Bezifferung der Höhe des Vermögensschadens, deren Grundlagen in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise im Urteil auszuführen sind. Die Schätzung von Mindestschäden auf tragfähiger Grundlage ist zulässig (BVerfG jeweils aaO). Die auf die Rechtsgutsverletzungsdelikte § 263 StGB und § 266 StGB bezogenen Vorgaben sind auf den "nicht gerechtfertigten Steuervorteil" als tatbestandsmäßiger Erfolg nach § 370 Abs. 1 AO nicht übertragbar. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung ist weder in seinen tatbestandlichen Strukturen noch in dem von ihm ge-schützten Rechtsgut und seinem Deliktscharakter dem Betrugs- und dem Untreuestraftatbestand so ähnlich, dass eine Änderung der Voraussetzungen der Vollendung in der genannten Tatbestandsvariante veranlasst oder gar geboten wäre. Sowohl § 263 StGB als auch § 266 StGB verlangen als tatbestandlichen Erfolg eine durch die jeweilige tatbestandsmäßige Handlung verursachte Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Vermögens einer anderen Person als dem Täter. Einen anderen, alternativ möglichen tatbestandlichen Erfolg, von dessen Eintritt die Tatvollen-dung abhängt, weisen sie nicht auf. Anders verhält es sich bei § 370 Abs. 1 AO. Die Steuerhinterziehung statuiert mit der Steuerverkürzung und den "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" alternativ zwei tatbestandsmäßige Erfolge. Wie sich auch aus § 370 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 AO ableiten lässt, geht das Gesetz von einer inhaltlichen Unterscheidung zwischen diesen beiden Tatvarianten aus. Dass die Differenzierung zwischen den Taterfolgen nicht in allen Einzelheiten geklärt ist (Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., AO § 370 Rn. 83) ändert daran nichts. Die Steuerverkürzung einerseits und der "nicht gerechtfertigte Steuervorteil" andererseits beschreiben nicht lediglich einen identischen Taterfolg des § 370 Abs. 1 AO, die Gefährdung des staatlichen Steueranspruchs, aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln (so aber Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 23 Rn. 35). Mit einer solchen Betrachtung wäre das Aufgreifen der in § 370 Abs. 1 AO getroffenen Unterscheidung zwischen den Taterfolgen bei den Begriffsbestimmungen in § 370 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO nicht zu vereinbaren (Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 87). Das Gesetz beschreibt hier - wenn auch nicht vollumfänglich im Sinne einer Legaldefinition - verschiedene Voraussetzungen für das Verkürzen von Steuern auf der einen Seite und die Erlangung von "nicht gerechtfertigten Steuervorteilen" andererseits. Der Steuerstraftatbestand trägt damit (auch) dem Steuerrecht Rechnung, das für das Besteuerungsverfahren in gesetzlich geregelten Fällen eine von der Steuerfestsetzung getrennte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zulässt (§ 157 Abs. 2, § 179 Abs. 1, § 180 AO). Diese Differenzierung aufnehmend kann innerhalb des § 370 Abs. 1 AO dem Erfolg in Gestalt der Erlangung eines "nicht gerechtfertigten Steuervorteils" bereits im Feststellungsverfahren ein weiterer Taterfolg, nämlich die Steuerverkürzung, im Festsetzungsverfahren nachfolgen (BGH, aaO, BGHSt 53, 99, 107 Rn. 23 mwN; vgl. auch Seer aaO § 23 Rn. 36 mit Fn. 3). Diese Besonderheiten der Steuerhinterziehung gegenüber den allgemeinen Vermögensdelikten §§ 263, 266 StGB legen eine Übertragung der diese betreffenden verfassungsgerichtlichen Vorgaben auf die Voraussetzungen der Tat-vollendung bei § 370 Abs. 1 AO nicht nahe. Erst recht stehen einer solchen aber die aus dem jeweiligen Schutz-zweck resultierenden Unterschiede im Deliktscharakter entgegen. Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) schützen das Vermögen verstanden als die Summe aller geldwerten Güter, die einer Person nach der Gesamtrechts-ordnung zugewiesen sind (BGH, Beschluss vom 18. Juli 1961 - 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263 Rn. 3). Im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale "Vermögensschaden" bzw. "Vermögensnachteil" handelt es sich jeweils um Rechtsgutsverletzungsdelikte. Die Tatvollendung verlangt grundsätzlich jeweils eine eingetretene Minderung des geschützten Vermögens dergestalt, dass sich bei einem Vergleich des Vermögenswertes vor und nach der tatbestandsmäßigen Handlung ein negativer Saldo ergeben muss (vgl. BVerfGE 126, 170, 213 f.; BVerfG NJW 2012, 907, 915 f.). Die Annahme von Tatvollendung bei einem sich als konkrete Gefahr eines gegenwärtigen Vermögensschadens bzw. Vermögensnachteils darstellenden Taterfolg ist wegen Art. 103 Abs. 2 GG lediglich in den vom Bundesverfassungsgericht gezogenen engen Grenzen (BVerfGE 126, 170, 223 ff., 226 ff.; BVerfG NJW 2012, 907, 916 f.) gestattet. 
Abweichend davon stellt sich § 370 AO nicht notwendig als Rechtsgutsverletzungsdelikt dar (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rn. 57). § 370 Abs. 4 Satz 1 AO lässt im Hinblick auf den Taterfolg der Steuerverkürzung deutlich erkennen, dass die Vollendung der Tat gerade keine tatsächlich eingetretene Beeinträchtigung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts, dem öffentlichen Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart (BGH, Beschluss vom 23. März 1994 - 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 111; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 120; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80 Rn. 21 mwN; Jäger in Klein, AO, 11. Aufl., § 370 Rn. 2), verlangt (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22). Es genügt bereits die zu niedrige Festsetzung der Steuer als solche (BGH aaO). Eine andere Betrachtung wäre mit dem Wortlaut von § 370 Abs. 4 Satz 1 AO nicht zu vereinbaren. In Bezug auf den Taterfolg der Steuerverkürzung (§ 370 Abs. 1 Variante 1 AO) erfordert die Steuerhinterziehung damit keine Verletzung des geschützten Rechtsguts (vgl. BGH aaO; Ransiek aaO, § 370 AO Rn. 57 und 59). Dementsprechend ist es für den Eintritt der Vollendung des Delikts auch nicht von Bedeutung, ob der Steuerschuldner über ausreichende finanzielle Mittel zur Begleichung der Steuerschuld verfügt. Im Gegensatz dazu kann es für die Annahme der Voll-endung einer Betrugstat durchaus auf die Liquidität des Täters ankommen. So ist etwa für eine täuschungsbedingt erlangte Stundung einer Forderung anerkannt, dass es an einem Schaden und damit einem vollendeten Delikt fehlt, wenn im Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Gewährung der Stundung, kein (pfändbares) Vermögen bei dem Schuldner vorhanden war (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546, 548; Fischer aaO § 263 Rn. 134). Für den Taterfolg "nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt" gilt Entsprechendes (BGH, Be-schluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106 Rn. 22). § 370 Abs. 4 Satz 2 AO stellt insoweit klar, dass ein Steuervorteil bereits mit dessen unberechtigter Gewährung erlangt ist. Wie sich etwa in der Konstellation des mit Bindungswirkung versehenen Feststellungsbescheides (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) zeigt, kann eine solche Erlangung aufgrund der Gestaltung des Besteuerungsverfahrens bereits eingetreten sein, ohne dass damit wegen der
in diesem Zeitpunkt noch nicht im Einzelnen absehbaren Auswirkungen auf die Steuerfestsetzung eine Minderung des staatlichen Steueraufkommens einhergeht. Die zum Ergehen eines Feststellungsbescheides über einen hinreichend bestimmten Steuervorteil führende Tathandlung nach § 370 Abs. 1 Nrn. 1-3 AO bewirkt aber gerade wegen der Bindungswirkung hinsichtlich der unrichtig festgestellten Besteuerungsgrundlagen eine Gefährdung des Steuer-aufkommens. Erweist sich damit die Steuerhinterziehung in beiden Taterfolgsvarianten nicht als Rechtsgutsverletzungsdelikt, lassen sich die für die §§ 263, 266 StGB, bei denen es sich um einen solchen Deliktstypus handelt, geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Tatvollendung nicht auf § 370 AO übertragen. Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) Grenzen für die Ausdehnung eines Rechtsgutsverletzungserfolges ("Vermögensschaden" bzw. "Vermögensnachteil") auf Konstellationen einer als Gefährdungsschaden erfassbaren hinreichend konkreten Gefährdung des geschützten Vermögens ab. Darum geht es bei § 370 AO nicht. 
c) Entgegen der von der Revision des Angeklagten M. vertretenen Auffassung gebieten weder das Verfassungsgebot schuldangemessenen Strafens noch Art. 103 Abs. 2 GG die Bezifferung der sich aus Steuervorteilen in unrichtigen Feststellungsbescheiden ergebenden Auswirkungen auf die Besteuerung der begünstigten Steuerpflichtigen als Grundlage der Strafzumessung. 
aa) Wie die Revision an sich nicht verkennt, handelt es sich bei der Höhe der hinterzogenen Steuern um einen be-stimmenden Strafzumessungsfaktor (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80 Rn. 21 mwN). Diese Bedeutung des Hinterziehungsbetrages ergibt sich daraus, dass dieser das Ausmaß der Rechtsgutsbeeinträchtigung entscheidend mitbestimmt und dieses wiederum eine wesentliche Anknüpfung für den Grad des vom Täter verschuldeten Unrechts bildet. Nach der Rechtsprechung des Senats erfolgt jedoch die Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung ungeachtet dieser Bedeutung des Hinterziehungsbetrages nicht allein "tarifmäßig" (BGH aaO, BGHSt 53, 71, 81 Rn. 24). Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatzes und dessen einfachgesetzlicher Ausgestaltung entsprechend richtet sich die Strafzumessung einzelfallbezogen nach den in § 46 StGB genannten Kriterien. 
bb) Diese Kriterien gelten auch für die Strafzumessung der durch Erlangung eines "nicht gerechtfertigten Steuervor-teils" verwirklichten Steuerhinterziehung. Die Dimension der Gefährdung des geschützten Rechtsguts lässt sich jedenfalls für die hier vorliegenden Steuervorteile in Gestalt von zu niedrigen Gewinnfeststellungen, unberechtigten Verlustvorträgen und unberechtigt nicht verbrauchten Verlustvorträgen anhand der Höhe des im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Steuervorteils erkennen. Angesichts der Natur des § 370 AO genügt die Berücksichtigung der Höhe des Steuervorteils ungeachtet der noch nicht bezifferten Auswirkungen auf die Steuerlast als Grundlage für die Strafzumessung. In den hier allein verfahrensgegenständlichen Fallgestaltungen von Steuervorteilen in mit Bindungswirkung versehenen Feststellungsbescheiden bleibt für den Täter auch nicht unklar, was für eine Art von Steuervorteil in welcher Höhe von ihm erlangt worden ist. 
cc) Der Feststellung und Bezifferung der Auswirkungen eines Steuervorteils in den vorliegenden Konstellationen bedarf es auch im Hinblick auf die Anwendung des Regelbeispiels aus § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nicht. Wie sich aus dessen Wortlaut ergibt, geht das Gesetz davon aus, dass das Regelbeispiel sowohl bei der Steuerhinterziehung durch Steuerverkürzung als auch bei der Erlangung von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen verwirklicht sein kann. Ab welcher Wertgrenze ein "großes Ausmaß" gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bei erlangten Steuervorteilen anzunehmen ist, hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bisher nicht zu entscheiden gehabt. Dies bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Das Landgericht hat das Regelbeispiel nicht auf das Erlangen von Steuervor-teilen zugunsten der verschiedenen begünstigten Gesellschaften angewendet. Da die erlangten Steuervorteile der hier fraglichen Art aber ohnehin für die Beurteilung des Vollendungseintritts nach Art und Höhe festzustellen sind, kommt eine Anwendung des Regelbeispiels anhand von Wertgrenzen, wie sie der Senat bislang nach Fallkonstellationen differenzierend angenommen hat (siehe BGH aaO, BGHSt 53, 71, 85 Rn. 38 f.), grundsätzlich in Betracht. 
d) Das gegen den Angeklagten M. ergangene Urteil weist damit weder im Schuld- noch im Strafausspruch Rechts-fehler zu dessen Nachteil auf. 
3. Die Revision des Angeklagten Dr. G. bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Ein von diesem geltend gemachtes Verfahrenshindernis besteht nicht. Wie von der Revision selbst vorgetragen wird, ist eine Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StPO, die ohnehin nicht zu einem Verfahrenshindernis führen würde (Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 154 Rn. 51; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 154 Rn. 43), nicht erfolgt.  
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