BtMG § 29 – Einfuhr - Strafzumessungserwägungen

BGH, Beschl. v. 26.01.2010 - 5 StR 509/09

Der zur Aufklärung einer Straftat notwendige Kostenaufwand steht grundsätzlich in keiner Relation zur Tatschuld.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2010 beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 4. August 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben. 

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. 

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G  r  ü  n  d  e

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Es hat ferner 400 € sowie Mobiltelefone eingezogen. Die Revision hat mit der Sachrüge lediglich hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg. Das Rechtsmittel ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte verschluckte am 7. März2009 inAmsterdam 100 Substanzpresslinge mit insgesamt rund einem Kilogramm Kokain (knapp300 gKHC), um sie gegen eine Belohnung mit einem Mietwagen einem in Prag ansässigen Betäubungsmittelkäufer zu überbringen. Nach einem Hinweis tschechischer Zollbehörden wurde der Angeklagte gegen 22.30 Uhr in Begleitung seines 8-jährigen Sohnes vor Verlassen der Bundesrepublik Deutschland gestellt. „Wegen nicht auszuschließender gesundheitlicher Komplikationen musste das Ausscheiden der Bodypacks im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt bis zum 10.03.2009 ärztlich – und zusätzlich polizeilich – überwacht werden. Hierdurch entstanden Kosten in Höhe von 1.638,41 €“ (UA S. 6). 

2. Dies rechtfertigt den Schuldspruch auch wegen vollendeter Einfuhr. Dem Angeklagten stand das inkorporierte Rauschgift in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung, was eine Durchfuhr im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 und des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BtMG ausschließt (BGH, Beschluss vom 5. September 2008 – 2 StR 375/08; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 774). 

3. Indes hält der Strafausspruch der – freilich eingeschränkten (vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268) – revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.

Die maßgeblich gegen die Anwendung des § 30 Abs. 2 BtMG angeführte Erwägung, dass „der Angeklagte seinen 8-jährigen Sohn auf die Schmuggelfahrt mitnahm, obgleich ihm als Fahrer des Pkw, der hunderte Kilometer auf der Autobahn bis zur grenzpolizeilichen Kontrolle zurücklegte, bewusst gewesen ist, dass es wegen der großen Menge an geschluckten Drogen jederzeit zu Komplikationen hätte kommen können, wodurch sein minderjähriger Sohn einer nicht unerheblichen Gefährdung ausgesetzt wurde“ (UA S. 38), ist schon an sich nicht unbedenklich, da sie in einem Spannungsverhältnis steht zu dem weiteren, indes zugunsten des Angeklagten bewerteten Umstand, dass dieser seinen Sohn mitgenommen habe, weil er in der Kürze der Zeit keine angemessene Betreuung für ihn habe finden können (UA S. 38). Jedenfalls ist die Würdigung des Landgerichts, das zugunsten des Angeklagten ausgeführt hat, dass er unbestraft gewesen ist, das Kokain nicht in den Verkehr gelangt ist und schon von Anfang an die Wahrscheinlichkeit bestand, dass er sein Ziel Prag nicht erreichen würde, lückenhaft. Das Landgericht hat nicht erwogen, dass der Angeklagte bereits kurz nach seiner Festnahme im Krankenhaus von sich aus mitgeteilt hat, dass er rund ein Kilogramm Kokain geschluckt habe (UA S. 34). Diese noch als Spontangeständnis zu bewertenden Angaben werden durch den wesentlich später im Rahmen einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung und in der Hauptverhandlung geltend gemachten – indes gänzlich unplausiblen – Nötigungsnotstand und die hinsichtlich der Art des inkorporierten Rauschgifts gemachte Angabe (gekochtes Marihuana) auch angesichts des bestehenden Tatverdachts nicht wesentlich entwertet (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 46 Rdn. 50 zur Strafzumessung bei Teilbestreiten). Zudem begründet es einen Wertungsfehler zum Nachteil des Angeklagten, soweit das Landgericht nicht unerhebliche Kosten für ärztliche und polizeiliche Überwachung im Krankenhaus zum Ausschluss gesundheitlicher Komplikationen straferschwerend angelastet hat (UA S. 39). Der zur Aufklärung einer Straftat notwendige Kostenaufwand steht grundsätzlich in keiner Relation zur Tatschuld. Zwar wäre vorliegend in Betracht gekommen, eine planmäßige Verminderung des Überführungsrisikos als Ausdruck erheblicher krimineller Energie strafschärfend zu werten, was beim Körperschmuggel von Drogen grundsätzlich anzunehmen sein wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2009 – 3 StR 171/09 Tz. 6). Hierauf hat das Landgericht aber nicht abgestellt. Der Senat ist zur Anwendung des § 354 Abs. 1a StPO nicht in der Lage. Vielmehr erweist sich die verhängte Strafe insbesondere bei der Unbestraftheit des lediglich als Kurier und Gehilfe beim Handeltreiben eingesetzten Angeklagten auch in Anbetracht von Art und Menge des sichergestellten Rauschgifts als vergleichsweise hoch. 

4. Die Strafe ist insgesamt neu zu bestimmen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei der hier vorliegenden Lücke und dem Wertungsfehler nicht. Das Landgericht wird die Strafe aufgrund der bisherigen Feststellungen zu bemessen haben. Ergänzend können weitere Feststellungen herangezogen werden, die freilich den bisher getroffenen nicht widersprechen dürfen.

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