BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 „Eigennützlichkeit“ als Abgrenzungsmerkmal zur Beihilfe
BGH, Beschl. v. 12.08.2015 – 4 StR 312/15 – BeckRS 2015, 14866
Wer aber nicht selbst eigennützig handelt, sondern lediglich den Eigennutz eines anderen unterstützen will, ist Gehilfe. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach
Anhörung des Beschwerdeführers am 12. August 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 27. April 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. 2. der Urteilsgründe,
b) im Strafausspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe,
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Im Fall II. 2. der Urteilsgründe tragen die Feststellungen nicht die Verurteilung wegen (täterschaftlichen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
a) Nach den Feststellungen veräußerten der Angeklagte und der gesondert verfolgte K. aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses 800 Gramm Amphetamin, welches der Angeklagte zuvor gestreckt hatte, an den gesondert verfolgten S. Dieser zahlte 5.000 € für die Lieferung; das Geld war für den zwischenzeitlich festgenommenen Ü. bestimmt. „Finanziell partizipierte der Angeklagte an diesem Geschäft nicht“ (UA 7).
b) Damit ist der Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht belegt. Dieser setzt Eigennützigkeit voraus. Eigennützig handelt der Täter, dem es auf seinen persönlichen Vorteil, insbesondere auf die Erzielung von Gewinn ankommt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 4 StR 117/12 mwN). Finanzielle Vorteile erlangte der Angeklagte aus diesem Geschäft nicht. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte gleichwohl solche oder sonstige persönliche Vorteile aus seiner Mitwirkung versprach, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Wer aber nicht selbst eigennützig handelt, sondern lediglich den Eigennutz eines anderen unterstützen will, ist Gehilfe (BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 3 StR 305/09).
c) Der Senat sieht in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt davon ab, den Schuldspruch auf Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln umzustellen, da nicht auszuschließen ist, dass in der neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlichen Handeltreibens tragen.
2. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer eine mögliche Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht erörtert hat. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren „das äußere Tatgeschehen ... im Wesentlichen eingeräumt.“ Bei der Abwägung, ob ein minder schwerer Fall des § 30 Abs. 2 BtMG vorliegt, hat die Strafkammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „erhebliche Aufklärungshilfe“ geleistet habe. Er habe insbesondere die an der Kurierfahrt beteiligte Fahrerin benannt. Diese Ausführungen legen nahe, dass die Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG erfüllt sind. Das Landgericht hätte daher die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift im Einzelnen prüfen müssen. Als vertypten Milderungsgrund hat die Strafkammer indes § 31 BtMG weder in ihre Abwägung zum minder schweren Fall eingestellt noch eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB geprüft.
3. Der Wegfall der Einsatzstrafe entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).