GG Art. 1 Abs. 1 , Art. 20 Abs. 3: Unterbringung in zu kleiner Einzelzelle

Geldentschädigung wegen Unterbringung in zu kleiner Einzelzelle, Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 2015, 1 BvR 1127/14 (Pressemitteilung in Auszügen)

Das BVG hat ein Urteil des Kammergerichts in einem Amtshaftungsverfahren wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung teilweise aufgehoben. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hatte mit einer am 5. November 2009 veröffentlichten Entscheidung die Verletzung der Menschenwürde eines Beschwerdeführers in einem anderen Verfahren aufgrund seiner mehrmonatigen Unterbringung in einer Einzelzelle von 5,25 m² ohne abgetrennte Toilette bei täglichem Einschluss zwischen 15 und fast 21 Stunden festgestellt. Der Beschwerdeführer dieses Verfahrens war unter ähnlichen Bedingungen untergebracht. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist das Urteil des Kammergerichts, soweit es Amtshaftungsansprüche für die Zeit vor Veröffentlichung der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs verneint und zudem eine zweiwöchige Umsetzungsfrist zur Umsetzung dieser Entscheidung einräumt. Die Ablehnung einer Geldentschädigung auch nach Ablauf der Umsetzungsfrist verkennt jedoch Bedeutung und Tragweite der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG). Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen.

Der Beschwerdeführer war in der Zeit vom 9. Juni 2009 bis zum 23. November 2009 in einer Einzelzelle mit einer Bodenfläche von 5,25 m² und räumlich nicht abgetrennter Toilette untergebracht.

Auch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) hat für Hafträume, die in Einzelbelegung für Aufenthalte von mehr als einigen Stunden Dauer vorgesehen sind, eine Grundfläche von 7 m2 als wünschenswert bezeichnet, zugleich aber ausdrücklich klargestellt, dass es sich hier nicht um einen situationsunabhängigen, strikten Mindeststandard handele (CPT-Standards, CPT/Inf/E(2002)1 - Rev. 2010, Rn. 43). Schließlich geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - jedenfalls zum verfahrensrelevanten Zeitpunkt -, wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss (vgl. BGHZ 198, 1 <6 f.>), auf den das Kammergericht insofern verweist, zutreffend zitiert hat, im Hinblick auf Art. 3 EMRK von einem Regelwert von 4 m² Bodenfläche pro Gefangenen aus (vgl. EGMR, Urteil vom 12. Juli 2007 - Nr. 20877/04 -, EuGRZ 2008, S. 21 <23> - Testa/Kroatien).

Ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, ist von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände und insbesondere auch der Raumgröße, abhängig. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Berlin in bundesverfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hervorgehoben, dass die Unterbringung eines Häftlings für einen Zeitraum von knapp drei Monaten in einem Einzelhaftraum mit einer Bodenfläche von 5,25 m² und Einschlusszeiten zwischen 15 und fast 21 Stunden bei einer Gesamtschau der Umstände dessen Menschenwürde verletze.