GG Art. 1 Abs. 1, GG Art..2 Abs. 1 Zulässigkeit einer Berichterstattung über lange zurückliegende Fehltritte öffentlich bekannter Personen
Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht.
Hierzu lautet der Kurztext:
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit stattgegeben. Sie richtet sich gegen ein zivilgerichtliches Verbot, in einem Porträtbeitrag über einen öffentlich bekannten Unternehmer dessen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Täuschungsversuch im juristischen Staatsexamen zu thematisieren.
Die Kammer greift damit die Maßgaben der Senatsentscheidungen zum „Recht auf Vergessen“ auf und konkretisiert sie für die Konstellation aktueller Berichterstattung über vergangene Ereignisse. Dabei hat sie bekräftigt, dass eine wahrhafte Berichterstattung über Umstände des sozialen und beruflichen Lebens im Ausgangspunkt hinzunehmen ist. Zudem hat sie klargestellt, dass die Gewährleistung einer „Chance auf Vergessenwerden“ durch das Grundgesetz nicht dazu führt, dass die Möglichkeit der Presse, in ihren Berichten Umstände zu erwähnen, die den davon Betroffenen unliebsam sind, schematisch durch bloßen Zeitablauf erlischt. Vielmehr kommt es darauf an, ob für den Bericht als Ganzen ein hinreichendes Berichterstattungsinteresse besteht und ob es für die Einbeziehung des das Ansehen negativ berührenden Umstands objektivierbare Anknüpfungspunkte gibt. Solange das der Fall ist, ist es Aufgabe der Presse, selbst zu beurteilen, welche Umstände und Einzelheiten sie im Zusammenhang eines Berichts für erheblich hält und der Öffentlichkeit mitteilen will. Dies gilt auch unter den Verbreitungsbedingungen des Internets.
Zulässigkeit einer Berichterstattung über lange zurückliegende Fehltritte öffentlich bekannter Personen
Pressemitteilung Nr. 58/2020 vom 9. Juli 2020
Beschluss vom 23. Juni 2020, 1 BvR 1240/14
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit stattgegeben. Sie richtet sich gegen ein zivilgerichtliches Verbot, in einem Porträtbeitrag über einen öffentlich bekannten Unternehmer dessen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Täuschungsversuch im juristischen Staatsexamen zu thematisieren.
Die Kammer greift damit die Maßgaben der Senatsentscheidungen zum „Recht auf Vergessen“ auf und konkretisiert sie für die Konstellation aktueller Berichterstattung über vergangene Ereignisse. Dabei hat sie bekräftigt, dass eine wahrhafte Berichterstattung über Umstände des sozialen und beruflichen Lebens im Ausgangspunkt hinzunehmen ist. Zudem hat sie klargestellt, dass die Gewährleistung einer „Chance auf Vergessenwerden“ durch das Grundgesetz nicht dazu führt, dass die Möglichkeit der Presse, in ihren Berichten Umstände zu erwähnen, die den davon Betroffenen unliebsam sind, schematisch durch bloßen Zeitablauf erlischt. Vielmehr kommt es darauf an, ob für den Bericht als Ganzen ein hinreichendes Berichterstattungsinteresse besteht und ob es für die Einbeziehung des das Ansehen negativ berührenden Umstands objektivierbare Anknüpfungspunkte gibt. Solange das der Fall ist, ist es Aufgabe der Presse, selbst zu beurteilen, welche Umstände und Einzelheiten sie im Zusammenhang eines Berichts für erheblich hält und der Öffentlichkeit mitteilen will. Dies gilt auch unter den Verbreitungsbedingungen des Internets.
Sachverhalt:
Mitte 2011 veröffentlichte die Beschwerdeführerin, die Verlegerin eines Wirtschaftsmagazins, einen Porträtbeitrag über den Betroffenen und das seinen Namen tragende und damals von ihm geleitete börsennotierte Unternehmen. Zur Sprache kommen unter anderem seine Stellung als Vorstandsvorsitzender, die Stellung seiner Ehefrau als Aufsichtsratsmitglied, die geschäftlichen Aktivitäten, die wirtschaftliche Entwicklung und jüngere Liquiditätsschwierigkeiten des Unternehmens und verschiedene rechtliche Probleme des Betroffenen und des Unternehmens. Einleitend heißt es, der Betroffene habe „zwei große Leidenschaften: die Fliegerei und die Juristerei“. Einen Pilotenschein besitze er, weniger gut sei es um seinen rechtswissenschaftlichen Abschluss bestellt. Vom Staatsexamen sei er wegen Täuschungsversuchs ausgeschlossen worden. Anschließend schildert der Artikel, der Betroffene habe immer wieder rechtliche Schwierigkeiten. So sei er jüngst in einem Strafprozess wegen Bestechung einer Krankenkassengutachterin zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Die Entscheidung über seine Revision in einem weiteren Strafverfahren wegen versuchter Anstiftung zur Falschaussage und Nötigung stehe noch aus. Das Ende des Artikels kommt auf die strafgerichtlichen Verurteilungen zurück und wirft die Frage auf, ob dem Kläger des Ausgangsverfahrens nun möglicherweise wegen Unzuverlässigkeit ein Entzug seines Pilotenscheins drohe.
Auf Klage des Betroffenen untersagten die Zivilgerichte die Erwähnung des Täuschungsversuchs in dem Bericht. Zwar müsse man die Mitteilung wahrer Tatsachen aus der Sozialsphäre in weitem Umfang hinnehmen. Der Betroffene werde jedoch durch die Mitteilung als ein Mensch dargestellt, dem unredliche Methoden nicht wesensfremd seien. Ein konkreter Anlass für das neuerliche Aufgreifen des Täuschungsversuchs habe nicht bestanden. Der Betroffene dürfte wegen dieses längst vergangenen Fehlverhaltens nicht dauerhaft an den Pranger gestellt werden. Auch werde die Berichterstattung durch das Verbot nur unwesentlich eingeschränkt, da die Beschwerdeführerin weiter über die angebliche Prozessfreude und das nicht abgeschlossene Jurastudium berichten könne, nur nicht über die konkreten Umstände seiner erfolglosen Beendigung.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
1. Die Kammer hat für die gebotene Abwägung zwischen dem Berichterstattungsinteresse der Presse und den Persönlichkeitsinteressen Betroffener zentrale Gesichtspunkte aufgegriffen, die im Fall eines Wiederaufgreifens lange zurückliegender Ereignisse zu beachten sind.
Danach gilt im Ausgangspunkt, dass die Mitteilung wahrer Tatsachen mit Sozialbezug hinzunehmen ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt kein Recht, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es dem eigenen Selbstbild und der beabsichtigten Wirkung entspricht. Betroffene können sich nicht aus der Gesamtheit ihres vergangenen sozialbezogenen Verhaltens und der darin zum Ausdruck kommenden Persönlichkeit die Aspekte herausgreifen, von denen sie sich eine positive Außenwirkung versprechen und alles andere einseitig dem Blick der Öffentlichkeit entziehen.
Anderes gilt für die Mitteilung von Tatsachen und Handlungen, die dem Kern der Privatsphäre zuzurechnen sind und deshalb im Grundsatz einer öffentlichen Erörterung entzogen sind. Hierzu gehören etwa Details privater Beziehungen und persönliche Ausdrucksformen der Sexualität. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der freien Persönlichkeitsentfaltung auch durch eine wahre Tatsachenberichterstattung kann darüber hinaus - insbesondere angesichts der großen Breitenwirkung personenbezogener Informationen über das Internet - unter besonderen Umständen auch aus einer unzumutbar anprangernden Wirkung erwachsen. Diese kann sich z.B. aus der außergewöhnlichen Art, Weise und Hartnäckigkeit einer Berichterstattung ergeben oder daraus, dass eine einzelne Person aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle herausgegriffen und zum „Gesicht“ einer personalisierten und individualisierenden Anklage für ein damit verfolgtes Sachanliegen gemacht wird. Einzelne müssen nicht unbegrenzt hinnehmen, ohne, dass sie dafür Anlass gegeben haben, in aller Öffentlichkeit mit ihrem gesamten, teils lange zurückliegenden Verhalten förmlich zermürbt zu werden. Für ein Überwiegen des Interesses an einem Schutz der Persönlichkeit genügt es hingegen nicht, dass der mitgeteilte Umstand dazu geeignet ist, das soziale Ansehen oder den Respekt, den die betreffende Person genießt, zu mindern.
Jenseits dieser besonderen Fälle ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass das öffentliche Berichterstattungsinteresse durch Zeitablauf weniger akut werden kann. Das gilt besonders für die Berichterstattung über lange zurückliegende Straftaten, bei der zusätzlich das Resozialisierungsinteresse in Rechnung zu stellen ist. Dieses Abflauen des Berichterstattungsinteresses in der Zeit lässt sich jedoch nicht aus dem zeitlichen Abstand des zu berichtenden Ereignisses als solchem ableiten. Es ist vielmehr bei einer neuerlichen Berichterstattung anhand ihres jeweiligen Anlasses zu bemessen. Dieser kann neu entstehen und einem Vorgang neue Aktualität geben. Andernfalls könnte man über Fehltritte, Ansichten oder Äußerungen von öffentlich bekannten Personen, die diese als Heranwachsende oder in früheren Lebensphasen charakterisieren, regelmäßig nicht berichten. Denn oft werden seit dem betreffenden Ereignis mehrere Jahrzehnte vergangen sein, wenn diese erstmals in die Öffentlichkeit treten. Für die Frage, wie sich der Faktor Zeit auf das Berichterstattungsinteresse auswirkt, ist auch das Verhalten der betroffenen Person von Bedeutung. Eine aktiv in die Öffentlichkeit tretende und dort kontinuierlich präsente Person kann nicht in derselben Weise verlangen, dass ihr vergangenes Verhalten nicht mehr Gegenstand öffentlicher Erörterung wird, wie eine Privatperson, deren zwischenzeitliches Verhalten von einem „Vergessenwerdenwollen“ getragen war.
Ebenfalls erheblich für die von den Fachgerichten vorzunehmende Abwägung können Gegenstand und Herkunft der mitgeteilten Information sein. War eine Information ohne Weiteres zugänglich, darf sie eher öffentlich berichtet werden, als wenn sie über aufwändige Recherchen oder gar rechtswidrige Handlungen erlangt wurde. Relevant ist auch, ob der mitgeteilte Umstand eher dem privaten Bereich zugeordnet ist oder ein Verhalten betrifft, das einen stärkeren Sozialbezug aufweist. Für die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts aussagekräftig ist schließlich die Breitenwirkung der beanstandeten Berichterstattung, also etwa der Adressatenkreis der Publikation, die Auflagenzahl und die Verfügbarkeit im Internet.
Bei Würdigung des Interesses an einer freien Presseberichterstattung ist in Rechnung zu stellen, dass die öffentliche Vermittlung wahrer Tatsachen von allgemeinem Interesse zu den elementaren Aufgaben der Presse gehört. Die Herstellung eines Tatsachenfundaments, von dem die Allgemeinheit ausgehen kann, ist elementare Voraussetzung demokratischen aber auch privaten Entscheidens – sowohl bei einer politischen Wahl als auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen. Dabei ist es Ausgangspunkt und Voraussetzung einer freien Presse, selbst zu entscheiden, was berichtet wird und wie Umstände miteinander verknüpft, bewertet und zu einer Aussage verwoben werden.
2. Diesen verfassungsrechtlichen Maßgaben genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht. Sie verkennen, dass die grundsätzliche Berechtigung der Presse zur Mitteilung wahrer, nicht allgemein der öffentlichen Erörterung entzogener Umstände über in der Öffentlichkeit stehende Personen nicht schematisch durch Zeitablauf erlischt. Besondere Gründe des Falls jenseits des Zeitfaktors, die eine Unzulässigkeit der Mitteilung begründen könnten, werden weder aus den Feststellungen noch aus der von den Gerichten getroffenen Abwägung ersichtlich.
Insbesondere ist der Täuschungsversuch im juristischen Staatsexamen im Zusammenhang mit der Berichterstattung kein Makel, der geeignet wäre, das Gesamtbild einer Person zu dominieren und ein selbstbestimmtes Privatleben des Betroffenen ernstlich zu gefährden. Die Gefahr einer sozialen Ausgrenzung geht von der Mitteilung nicht aus. Dass es sich bei der Einbeziehung des Täuschungsversuchs in den Artikel um eine nach ihrer Form und Hartnäckigkeit unzumutbar anprangernde Art der Berichterstattung handelt, ist ebenfalls nicht erkennbar.
Stattdessen war in die Abwägung maßgeblich einzustellen, dass der Betroffene stets öffentlich tätig war und die Öffentlichkeit suchte. Eine Person, die aus eigenem Zutun derart dauerhaft in der Öffentlichkeit steht, kann nicht verlangen, dass ihre in der Vergangenheit liegenden Fehler, nicht aber ihre Vorzüge, in Vergessenheit geraten. Gegenstand des „Rechts auf Vergessen“ sind nicht einzelne Handlungen, deren Interesse, erinnert zu werden, absolut und schematisch mit Zeitablauf erlischt. Vielmehr kommt es stets auf den jeweiligen Bericht und das daran bestehende Informationsinteresse an. Dieses ist im Ausgangspunkt von den Presseorganen selbst zu beurteilen. Rechtlich erforderlich ist allein, dass die Einbeziehung eines Umstands in den jeweiligen Bericht nicht objektiv ohne jeden Anknüpfungspunkt ist. Dem genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 1 BvR 1240/14 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der M… mbH,
vertreten durch die Geschäftsführung,
- Bevollmächtigte: … -
gegen
a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2014 - VI ZR 480/12 -,
b) das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 30. Oktober 2012 - 7 U 34/12 -,
c) das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. März 2012 - 324 O 552/11 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Masing, Paulus, Christ
am 23. Juni 2020 einstimmig beschlossen:
Die Urteile des Landgerichts Hamburg vom 23. März 2012 - 324 O 552/11 - und des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 30. Oktober 2012 - 7 U 34/12 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrer Presse- und Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Die Entscheidungen werden aufgehoben.
Damit wird der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2014 - VI ZR 480/12 - gegenstandslos.
Die Sache wird an das Landgericht Hamburg zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die zivilgerichtliche Untersagung der Erwähnung einer lange zurückliegenden Verfehlung eines öffentlich bekannten Unternehmers in einem Pressebericht.
2
1. Die Beschwerdeführerin und Beklagte des Ausgangsverfahrens verlegt eine monatlich erscheinende Zeitschrift, die sich mit Wirtschaftsthemen in Deutschland befasst. Der Kläger des Ausgangsverfahrens (im Weiteren: der Betroffene) ist Gründer und war zum Zeitpunkt der untersagten Berichterstattung und der angegriffenen Entscheidungen Mehrheitsaktionär und Vorstandsvorsitzender der bundesweit agierenden M.-Kliniken AG. Wegen eines Täuschungsversuchs im Dezember 1983 wurde der Betroffene vom Staatsexamen ausgeschlossen. Er besitzt keinen juristischen Studienabschluss. Im Jahr 2002 kandidierte er als Spitzenkandidat der Schill-Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt. Im Zuge dieses Wahlkampfs berichteten verschiedene Medien über den Täuschungsversuch und den Umstand, dass er kein juristisches Staatsexamen besitzt. Auf der Internetseite des von ihm geführten Unternehmens gab er bis ins Jahr 2011 an, unter anderem Rechtswissenschaften studiert zu haben.
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Im August 2011 berichtete die Beschwerdeführerin unter dem Titel „Der Rechtspfleger“ in einem sechsseitigen Beitrag über den Betroffenen und das von ihm geleitete Unternehmen. Zur Sprache kommen unter anderem seine Stellung als Vorstandsvorsitzender, die Stellung seiner Ehefrau als Aufsichtsratsmitglied des Unternehmens, deren Beraterverträge über ein Volumen von mehreren hunderttausend Euro, die geschäftlichen Aktivitäten, die wirtschaftliche Entwicklung und den verfallenden Börsenkurs des Unternehmens sowie jüngere Liquiditätsschwierigkeiten, häufige Personalwechsel in der Hauptverwaltung und verschiedene rechtliche Probleme des Betroffenen und des Unternehmens. Einleitend heißt es:
„M. (55) hat zwei große Leidenschaften: die Fliegerei und die Juristerei. Einen Pilotenschein besitzt er. Weniger gut ist es um seinen rechtswissenschaftlichen Abschluss bestellt. Vom Staatsexamen wurde er wegen Täuschungsversuchs ausgeschlossen.“
Anschließend schildert der Artikel einen angeblich weiterhin bestehenden Hang des Betroffenen zur Führung von Prozessen, in denen er sich stets im Recht sehe, aber oft verliere. Zudem habe er auch sonst immer wieder rechtliche Schwierigkeiten. So sei er jüngst in einem Strafprozess in Sachsen-Anhalt wegen Bestechung einer Krankenkassengutachterin zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Die Entscheidung über seine Revision in einem weiteren Strafverfahren wegen versuchter Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage und Nötigung stehe noch aus. Nach einer Überleitung dahingehend, dass solche Rechtshändel ihn persönlich und das Unternehmen viel Geld kosteten, das anderweitig benötigt werde, geht der Artikel zu den oben genannten Themen über, die den Großteil des Artikels ausmachen. Das Ende des Artikels kommt auf die in der Revision bestätigte strafgerichtliche Verurteilung zurück und wirft die Frage auf, ob dem Betroffenen nun möglicherweise wegen Unzuverlässigkeit ein Entzug seines Pilotenscheins drohe.
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2. Wegen dieser Berichterstattung verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführerin, es zu unterlassen, über den täuschungsbedingten Ausschluss vom Staatsexamen zu berichten. Die Mitteilung sei geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Betroffenen auszuwirken. Zwar müsse die Mitteilung wahrer Tatsachen aus der Sozialsphäre in weitem Umfang hingenommen werden. Allerdings sei bereits zweifelhaft, ob der Umstand weiterhin der Sozialsphäre zuzurechnen sei. Denn das Wissen über solche Umstände schwinde mit der Zeit, sodass es mehr und mehr zu einem Geheimnis des Betroffenen werde. Unabhängig von dieser Frage überwiege jedenfalls das Interesse am Persönlichkeitsschutz. Zwar wiege der mitgeteilte Sachverhalt nicht so schwer wie die Begehung einer Straftat. Dennoch werde der Betroffene dadurch als ein Mensch dargestellt, dem unredliche Methoden nicht wesensfremd seien. Damit werde er zumindest partiell ausgegrenzt, da insinuiert werde, dass er jemand sei, der keine Prozesse führen sollte. Dem stehe kein ausreichend gewichtiges Berichterstattungsinteresse gegenüber. Zwar sei der Betroffene als Mehrheitsaktionär eines börsennotierten Unternehmens im Wirtschaftsleben öffentlich präsent, und es habe eine Reihe aktueller Anlässe bestanden, die ein gesteigertes Interesse an ihm begründet hätten. Ein objektiver Zusammenhang der thematisierten aktuellen Ereignisse mit dem circa dreißig Jahre zurückliegenden Täuschungsversuch sei jedoch nicht erkennbar. Die Annahme einer „Prozesswut“ des Betroffenen sei Spekulation. Im Artikel werde keine ausreichende gedankliche Verknüpfung zwischen dem Täuschungsversuch und dem heutigen Verhalten des Betroffenen hergestellt.
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3. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Oberlandesgericht ohne Zulassung der Revision zurück. Zwar sei in Rechnung zu stellen, dass der Betroffene selbst durch den öffentlichen Verweis auf sein rechtswissenschaftliches Studium Interesse daran geweckt habe, ob er es erfolgreich abgeschlossen habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Täuschungsversuch um einen Baustein der kritischen Gesamtbewertung der Tätigkeit des Betroffenen als Unternehmer handele. Der mitgeteilte Umstand stelle jedoch einen Makel dar, der mit erheblicher sittlicher Missbilligung belegt sei. Durch sein „Ausgraben“ im Kontext aktueller Berichterstattung werde der Betroffene erneut der Missbilligung und Häme ausgesetzt, ohne dass er sich – da das Geschehen zutreffe – hiergegen wehren könne. Ein konkreter Anlass für das neuerliche Aufgreifen habe nicht bestanden, zumal der Betroffene ein Fehlverhalten solcher Art nicht mehr an den Tag gelegt habe und das gesteigerte öffentliche Interesse wegen seiner politischen Betätigung bereits wieder zehn Jahre zurückliege. Eine Zulässigkeit der angegriffenen Berichterstattung liefe darauf hinaus, dass sich der Betroffene wegen eines einmaligen Fehlverhaltens dauerhaft an den Pranger gestellt und als Mensch porträtiert sehen müsste, der bereit sei, unredliche und betrügerische Mittel einzusetzen. Demgegenüber werde die Berichterstattung durch das Verbot nur unwesentlich eingeschränkt, da die Beschwerdeführerin weiter über die angebliche Prozessfreude und das nicht abgeschlossene Jurastudium berichten könne, nur nicht über die konkreten Umstände seiner erfolglosen Beendigung. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof mangels grundsätzlicher Bedeutung zurück.
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4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.
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5. Den Äußerungsberechtigten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wovon der Betroffene Gebrauch gemacht hat. Er hält die Entscheidungen für zutreffend und beruft sich ergänzend auf die Senatsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2019 zum „Recht auf Vergessen“.
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6. Die Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens hat der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen.
II.
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1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für die Maßstäbe einer zulässigen Mitteilung wahrer Begebenheiten, für die Umstände und Kriterien, unter denen trotz Wahrheit einer Mitteilung eine neuerliche Berichterstattung ausgeschlossen ist und für den Einfluss des Faktors Zeit auf die rechtliche Zulässigkeit einer Presseberichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - Recht auf Vergessen I).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet.
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Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten auf Presse- und Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.
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a) Das Grundrecht auf Pressefreiheit gewährleistet das Recht, ein Presseerzeugnis in inhaltlicher und formaler Hinsicht nach eigenen Vorstellungen zu gestalten (vgl. BVerfGE 95, 28 <35 f.>). Hinsichtlich des Inhalts der Berichterstattung ergeben sich Umfang und Grenzen des grundrechtlichen Schutzes aus dem Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 94). Allerdings gehört es gerade zu den Aufgaben der Presse, die Öffentlichkeit über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu informieren (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; 12, 113 <125>), was eine Verstärkung des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Schutzes begründen kann (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 94, 111).
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Indem die angegriffenen Entscheidungen der Beschwerdeführerin eine bestimmte, von ihr berichtete wahrhafte Tatsachenmitteilung für die Zukunft untersagen, beschränken sie deren Presse- und Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.
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b) Die Grundrechte der Presse- und Meinungsfreiheit gelten allerdings nicht vorbehaltlos. Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden sie ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehören auch das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht und zu seinem Schutz bestehende Unterlassungsansprüche analog § 1004, § 823 Abs. 1 BGB, auf denen die angegriffenen Entscheidungen beruhen.
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aa) Die Anwendung des zivilrechtlichen Äußerungsrechts auf den Einzelfall ist Sache der Zivilgerichte und grundsätzlich einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Nur bei der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts kann das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerden hin eingreifen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>). Handelt es sich um Gesetze, die die Presse- oder Meinungsfreiheit beschränken, ist allerdings bei der fachgerichtlichen Rechtsanwendung das eingeschränkte Grundrecht zu beachten, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 82, 43 <50>; 82, 272 <280>; 93, 266 <292>; 94, 1 <8>; stRspr). Die verfassungsgerichtliche Überprüfung erstreckt sich dabei nicht nur auf die Frage, ob die angegriffenen Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen. Darüber hinaus prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die Entscheidungen bei Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die besonderen Anforderungen an eine Beschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit gewahrt haben (vgl. BVerfGE 43, 130 <136>; 82, 43 <50>; 82, 272 <280 f.>; 93, 266 <292 ff.>). Das Ergebnis der von den Fachgerichten im Rahmen des einfachen Rechts geforderten abwägenden Berücksichtigung der gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen ist verfassungsrechtlich nicht allgemein vorgegeben, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Rechtsprechung ist allerdings eine Reihe von Gesichtspunkten entwickelt worden, die Kriterien für die konkrete Abwägung vorgeben. Dabei geht es vorliegend um die Frage des Wiederaufgreifens von vergangenen Ereignissen durch eine aktuelle Presseberichterstattung, nicht um das langfristige öffentliche Vorhalten von personenbezogenen Informationen und Berichten, etwa in Online-Archiven, und deren spätere Auffindbarkeit mittels namensbezogener Suchanfragen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 98 ff.). Die hierbei an die Abwägung zu stellenden Anforderungen sind jeweils verschieden.
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(1) Zu den in Konstellationen einer neuerlichen Berichterstattung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten gehört als Ausgangspunkt, dass die Mitteilung wahrer Tatsachen mit Sozialbezug grundsätzlich hinzunehmen ist (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 82). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt kein Recht, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es dem eigenen Selbstbild und der beabsichtigten öffentlichen Wirkung entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 82, 107; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2020 - 1 BvR 1282/17 -, Rn. 9, 17). Aus diesem Grund ist etwa auch eine individualisierende Berichterstattung über Straftaten – jedenfalls ab dem Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung – grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 35, 202 <231 ff.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 98). Betroffene können sich nicht von Rechts wegen aus der Gesamtheit ihres vergangenen sozialbezogenen Verhaltens und der darin zum Ausdruck kommenden Persönlichkeit diejenigen Aspekte herausgreifen, von denen sie sich eine positive Außenwirkung versprechen und alles andere einseitig dem Blick der Öffentlichkeit entziehen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 107).
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(2) Etwas anderes gilt allerdings für die Mitteilung solcher Tatsachen und Handlungen, die dem Kern der Privatsphäre zuzurechnen sind und deshalb im Grundsatz einer öffentlichen Erörterung entzogen sind. Hierzu gehören etwa Details privater Beziehungen und persönliche Ausdrucksformen der Sexualität (vgl. BVerfGE 97, 391 <403 f.>; 119, 1 <34 f.>). Für ein regelmäßiges Überwiegen des Interesses an einem Schutz der Persönlichkeit genügt es hingegen nicht, dass der mitgeteilte Umstand dazu geeignet ist, das Ansehen oder den Respekt, den die betreffende Person genießt, zu mindern, ohne dass dies unzumutbare Folgen für deren selbstbestimmte Lebensgestaltung hat. Allein, dass ein mitgeteilter Umstand nicht dem Bild entspricht, das man öffentlich vermitteln will und bisher vermittelt hat, beeinträchtigt die freie Persönlichkeitsentfaltung nicht (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 82, 107).
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Eine solche Beeinträchtigung der freien Persönlichkeitsentfaltung auch durch eine wahre Tatsachenberichterstattung kann – insbesondere angesichts der allgemeinen Verfügbarkeit und großen Breitenwirkung personenbezogener Informationen über das Internet – unter besonderen Umständen auch aus einer unzumutbar anprangernden Wirkung einer zutreffenden Meldung erwachsen. Dies kann sich zum Beispiel aus der außergewöhnlichen Art und Weise und der Hartnäckigkeit einer Berichterstattung ergeben oder daraus, dass eine einzelne Person aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle herausgegriffen und zum „Gesicht“ einer personalisierten und individualisierenden Anklage für ein damit verfolgtes Sachanliegen gemacht wird (vgl. für einen solchen Fall BVerfGK 8, 107 <116>). Einzelne müssen nicht hinnehmen, ohne dass sie dafür Anlass gegeben haben, in aller Öffentlichkeit mit ihrem gesamten, teils lange zurückliegenden Verhalten konfrontiert und förmlich zermürbt zu werden. Öffentlichkeitskampagnen solcher Art können eine persönlichkeits- und freiheitsbeeinträchtigende Dimension gewinnen, die man – jedenfalls in Bezug auf lange zurückliegende Umstände – nicht hinnehmen muss.
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(3) Jenseits dieser besonderen Fälle ist im Rahmen der Abwägung auch allgemein zu berücksichtigen, dass das öffentliche Berichterstattungsinteresse durch Zeitablauf weniger akut werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 98 ff.). Das gilt insbesondere für die Berichterstattung über zurückliegende Straftaten. Während über sie im zeitlichen Zusammenhang der Tat – jedenfalls nach Rechtskraft – grundsätzlich auch individualisierend berichtet werden darf, muss eine spätere Berichterstattung auch dem Resozialisierungsinteresse der Betroffenen und ihrem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgenden Anspruch, möglichst unbeeinträchtigt wieder ein normales Privatleben führen zu können, Rechnung tragen. Entsprechend kann zum Schutz der Privatsphäre auch sonst das Berichterstattungsinteresse hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zurücktreten und die Verbreitung lange zurückliegender, die Entfaltung der Persönlichkeit erheblich beeinträchtigender Ereignisse unzulässig machen. Dieses Abflauen des Berichterstattungsinteresses in der Zeit lässt sich jedoch nicht aus dem zeitlichen Abstand des zu berichtenden Ereignisses als solchem ableiten, sondern ist bei einer neuerlichen Berichterstattung anhand des Anlasses der jeweiligen Berichterstattung zu bemessen, der neu entstehen und aktualisiert werden kann (vgl. zum Gesichtspunkt der Reaktualisierung BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 122 f.). Andernfalls könnte man etwa über Fehltritte, Ansichten oder Äußerungen von Politikern und anderen öffentlich bekannten Personen, die diese als Heranwachsende oder in früheren Lebensphasen charakterisieren, regelmäßig nicht berichten, da oftmals seit dem betreffenden Ereignis mehrere Jahrzehnte vergangen sein werden, wenn diese erstmals in die Öffentlichkeit treten. Ein ganzes journalistisches Genre – nämlich Persönlichkeitsportraits oder Biographien in der Öffentlichkeit präsenter Personen – würde dadurch unzulässig oder zu einem Ort einseitig von den Betroffenen gesteuerter Selbstdarstellung, welche durch das Persönlichkeitsrecht gerade nicht gewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 107).
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Für die Frage, wie sich der Faktor Zeit auf das fortdauernde Bestehen eines Berichterstattungsinteresses auswirkt, ist außerdem das Verhalten der betroffenen Person von maßgeblicher Bedeutung. Eine aktiv in die Öffentlichkeit tretende und dort kontinuierlich präsente Person kann nicht in derselben Weise verlangen, dass ihr vergangenes Verhalten nicht mehr Gegenstand öffentlicher Erörterung wird, wie eine Privatperson, deren zwischenzeitliches Verhalten von einem „Vergessenwerdenwollen“ getragen war (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 123).
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(4) Ebenfalls erheblich für die von den Fachgerichten vorzunehmende Abwägung können – auch jenseits des engen Kreises grundsätzlich der öffentlichen Erörterung entzogener Gegenstände – Gegenstand und Herkunft der mitgeteilten Information sein. War eine Information ohne Weiteres zugänglich, darf sie eher öffentlich berichtet werden, als wenn sie über aufwendige Recherchen oder sogar rechtswidrige Handlungen erlangt wurde. Ebenso erheblich kann es sein, ob der mitgeteilte Umstand eher dem privaten Bereich zugeordnet ist oder ein Verhalten betrifft, das einen stärkeren Sozialbezug aufweist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 276/17 - Recht auf Vergessen II, Rn. 128).
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Für die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts erheblich ist schließlich die Breiten- und Öffentlichkeitswirkung der beanstandeten Berichterstattung, also etwa der Adressatenkreis der betreffenden Publikation, die Auflagenzahl und die Verfügbarkeit im Internet (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 114).
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(5) Bei Würdigung des den Persönlichkeitsinteressen gegenüberstehenden Interesses an einer freien Presseberichterstattung ist in Rechnung zu stellen, dass die öffentliche Vermittlung und Kommunikation wahrer Tatsachen von allgemeinem Interesse zu den elementaren Aufgaben einer freien Presse gehört (vgl. BVerfGE 20, 162 <174 f.>; 35, 202 <230 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 111). Die Herstellung eines gemeinsamen Tatsachenfundaments, von dem die Allgemeinheit ausgehen kann, ist elementare Voraussetzung demokratischen aber auch privaten Entscheidens – sowohl bei einer politischen Wahl als auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen wie die, für die die Beschwerdeführerin Information bereitzustellen sucht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es Ausgangspunkt und unaufhebbare Voraussetzung einer freien Presse ist, selbst zu entscheiden, was berichtenswert ist und wie berichtete Umstände miteinander verknüpft, bewertet und zu einer Aussage verwoben werden (vgl. BVerfGE 101, 361 <389>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 112 m.w.N.).
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bb) Diesen verfassungsrechtlichen Maßgaben genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht. Sie verkennen, dass die im Ausgangspunkt bestehende Berechtigung der Presse zur Mitteilung wahrer, nicht grundsätzlich der öffentlichen Erörterung entzogener Umstände über in der Öffentlichkeit stehende Personen nicht in schematischer Weise durch bloßen Zeitablauf erlischt. Besondere Gründe des Falles jenseits des Zeitablaufs, die eine Unzulässigkeit der beanstandeten Mitteilung begründen könnten, werden weder aus den Feststellungen noch aus der von den Gerichten getroffenen Abwägung ersichtlich. Die Entscheidungen verkennen damit Bedeutung und Tragweite der Meinungs- und Pressefreiheit und verlassen den fachgerichtlichen Wertungsrahmen.
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(1) Im Ausgangspunkt zutreffend gehen die angegriffenen Entscheidungen davon aus, dass die Anerkennung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs durch eine konkrete Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen im Einzelfall zu bestimmen ist. Ebenfalls erkennen sie an, dass dem Betroffenen keine gravierende Straftat vorgehalten wird, dass der Gesichtspunkt der Resozialisierung daher nicht berührt ist, dass der Betroffene durch Erwähnung seines Jurastudiums in seinem öffentlichen Lebenslauf ein Interesse daran geweckt hatte, ob er diese Ausbildung abgeschlossen hat, und dass es sich bei dem mitgeteilten Umstand um einen „Baustein“ im Gesamtporträt der Persönlichkeit des Betroffenen handelte.
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(2) Die Gesichtspunkte, die die Gerichte in Anbetracht dieser erheblichen für die Zulässigkeit der Berichterstattung sprechenden konkreten Umstände des Falles anführen, um ein Überwiegen des Interesses am Persönlichkeitsschutz zu begründen, sind verfassungsrechtlich nicht tragfähig.
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(a) Dass es sich bei dem mitgeteilten wahren Umstand – dem Täuschungsversuch im juristischen Staatsexamen – um einen solchen handelt, der mit gesellschaftlicher Missbilligung verbunden ist, ist unstrittig. Es geht jedoch im Zusammenhang mit der Berichterstattung nicht um einen Makel, der geeignet ist – wie etwa die Verurteilung wegen eines schweren Verbrechens (vgl. dazu BVerfGE 35, 202 <233 ff.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 146 ff.) – das Gesamtbild einer Person zu dominieren und ein selbstbestimmtes Privatleben des Betroffenen zu gefährden oder zu beeinträchtigen. Die Gefahr einer sozialen Ausgrenzung, die den Betroffenen als Privatperson daran hinderte, ein normales Leben zu führen, geht von der Mitteilung des Täuschungsversuchs im vorliegenden Fall ersichtlich nicht aus und ist auch nicht dargetan.
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(b) Dass es sich bei der Einbeziehung des Täuschungsversuchs in den Artikel um eine nach ihrer Form und Hartnäckigkeit unzumutbar anprangernde Art der Berichterstattung handelt, ist ebenfalls nicht erkennbar. Der Bericht greift den Betroffenen auch nicht beliebig aus der Masse derjenigen, die im Ersten Staatsexamen Täuschungsversuche begangen haben, heraus, sondern erwähnt diesen Umstand einleitend in einem kritischen Porträt eines öffentlich bekannten Unternehmers, dessen Person und sozialwirksames Verhalten insgesamt beleuchtet wird. Eine in besonderen Konstellationen unzulässige, willkürlich anprangernde Personalisierung eines Sachanliegens ist daher nicht gegeben.
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(c) Ebenso wenig trägt die angedeutete Einordnung des mitgeteilten Umstands als private Angelegenheit des Betroffenen. Maßgeblich einzustellen ist vielmehr, dass der Betroffene stets öffentlich tätig war und die Öffentlichkeit suchte. Dies zeigt sich bereits daran, dass das von ihm gegründete und mehrheitlich gehaltene, bundesweit aktive Unternehmen zum Zeitpunkt der Berichterstattung und der angegriffenen Entscheidungen seinen Familiennamen trug und ihm damit eine große öffentliche Sichtbarkeit verschaffte. Es zeigt sich auch an seinen zwischenzeitlich entfalteten politischen Aktivitäten. Es zeigt sich drittens an seiner Bereitschaft, einem börsennotierten Unternehmen vorzustehen, wodurch seine Verlässlichkeit als Unternehmerpersönlichkeit zwangsläufig auch zu Anliegen der interessierten Öffentlichkeit und jedenfalls aller Anleger des Unternehmens wurden. Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Betroffene in seiner Selbstdarstellung als Unternehmer auf seine rechtliche Ausbildung verwies. Eine Person, die derart dauerhaft in der Öffentlichkeit steht und sich darum auch bemüht, kann nicht verlangen, dass ihre in der Vergangenheit liegenden Fehler, nicht aber ihre Vorzüge, allmählich in Vergessenheit geraten. Gegenstand des „Rechts auf Vergessen“ sind nicht einzelne Handlungen, deren Interesse, erinnert zu werden, absolut und schematisch mit Zeitablauf erlischt. Es besteht vielmehr als Ergebnis eines Abwägungsprozesses, für den die jeweilige Berichterstattung, das Interesse daran und die dadurch begründete Einbuße freier Lebensgestaltung für die betroffene Person maßgebliche Größen sind (vgl. zum relativen Charakter BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 107).
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(d) Grundrechtlich nicht tragfähig sind auch die Ausführungen der angegriffenen Entscheidungen zum mangelnden Zusammenhang des berichteten Täuschungsversuchs zu den aktuellen Ereignissen, die der Artikel aufgreift. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Presse, selbst zu entscheiden, was und wie sie (wahrheitsgetreu) berichtet, was sie mit anderen Umständen in Zusammenhang bringt und wie sie einen Sachverhalt bewertet. Angesichts dessen darf das abwägungserhebliche öffentliche Berichterstattungsinteresse nicht für jeden mitgeteilten Umstand einzeln gerichtlich bewertet werden, sondern ist es für den Artikel in seiner Gesamtheit zu würdigen. Dies verkennen die angegriffenen Entscheidungen. Sie erkennen ein öffentliches Interesse und einen genügenden Anlass des Berichts als ganzen an, stellen aber zugleich wertend darauf ab, dass ein hinreichender Zusammenhang der im Artikel berichteten Straftaten und Tätigkeiten als Unternehmer zwar zum Nichtbestehen des Staatsexamens gegeben sei, dass jedoch die Erwähnung des Täuschungsversuchs hierfür nicht nötig sei. Dies verlässt den fachgerichtlichen Wertungsrahmen jedenfalls deshalb, weil hier die Herstellung eines Zusammenhangs mit den zwei berichteten strafrechtlichen Verfahren aus jüngerer Zeit zumindest nicht ohne Anknüpfungspunkt war.
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3. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern und sind aufzuheben. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden.
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4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Masing
Paulus
Christ