StGB § 14 Abs. 2 Nr. 2 Der Begriff der Beauftragung 2
StGB § 14 Abs. 2 Nr. 2 Der Begriff der Beauftragung
BGH, Urteil. v. 07.04.2016 – 5 StR 332/15 – NStZ 2016, 460
An die Beauftragung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB sind strenge Anforderungen zu stellen, da hierdurch eine persönliche Normadressatenstellung des Beauftragten begründet wird, die ihm(strafbewehrt) die Erfüllung betriebsbezogener Pflichten überbürdet. Die Beauftragung muss daher zweifelsfrei erfolgen und ausreichend konkret sein, damit für den Beauftragten das Ausmaß der von ihm zu erfüllenden Pflichten eindeutig erkennbar ist
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 6. April und 7. April 2016 am 07. April für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 7. November 2014 aufgehoben. Die Feststellungen zum gesamten objektiven Geschehen mit Ausnahme derjenigen zur Höhe des Schadens bleiben bestehen; insoweit werden die Revisionen verworfen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten H. H. betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils unter Strafaussetzung zur Bewährung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 59 Fällen (Angeklagter H. H. ) bzw. Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 54 Fällen (Angeklagter F. H. ) zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und zehn Monaten bzw. einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen. Als Kompensation für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es drei bzw. zwei Monate der verhängten Freiheitsstrafen als vollstreckt erklärt. Gegen das Urteil richten sich die auf Sach- und Verfahrensrügen gestützten Revisionen der Angeklagten, die jeweils mit der Sachrüge im tenorierten Umfang Erfolg haben, sowie die zu Ungunsten des Angeklagten H. H. eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte und in diesem Umfang erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft.
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte H. H. war seit Mai 2000 faktischer Geschäftsführer der I. H. GmbH (zukünftig: I. H. ). Am 2. März 2004 wurde er förmlich zum alleinvertretungsberechtigten (zunächst Mit-) Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Diese war im Jahr 1999 von den beiden Angeklagten und ihrer Mutter als Nachfolgerin eines zuvor vom Vater der Angeklagten seit den 1950er Jahren einzelkaufmännisch geführten und später auf die Mutter übertragenen Unternehmens gegründet worden, das innerhalb der Familie weitergegeben werden sollte. Nach einer Einarbeitungs- und Übergangszeit sollte das Unternehmen vom Angeklagten H. H. geführt werden und dessen Existenzgrundlage bilden. Der Angeklagte F. H. sollte an dem wirtschaftlichen Wert des Unternehmens teilhaben.
Die I. H. stand im geschäftlichen Kontakt zu mehreren Gruppen von südkoreanischen und chinesischen Kükensortierern („Chicken-Sexer“), die jeweils von erfahrenen, schon seit Jahren in Deutschland lebenden Sortierern, unter anderem von den Zeugen B. , Y. , Ha. , Ho. und L. , geführt wurden. Sie kümmerte sich unter anderem um die ausländerrechtlichen Belange der Sortierer. Aufenthaltserlaubnisse wurden von dem zuständigen Landkreis jeweils unter der Bedingung erteilt, dass die Sortierer eine selbständige Erwerbstätigkeit im Rahmen eines Agenturvertrages für die I. H. ausüben würden. Aufgabe der Sortierer war es, Küken möglichst frühzeitig nach dem Schlüpfen nach Geschlecht zu trennen, da je nach Geflügelart und -rasse das wirtschaftliche Interesse des Auftraggebers nur auf Tiere eines Geschlechts (insbesondere Legehennen) gerichtet war. Jede Sortiergruppe war für bestimmte Brütereien tätig. Die Verträge über die Erbringung der Sortierleistungen hatten die Gruppenführer B. , Y. , Ha. , Ho. und L. jeweils selbst abgeschlossen. Gegenüber den Brütereien, in denen die Gruppe Ho. tätig war, hatte sich die I. H. zu Sortierleistungen verpflichtet. Die Rechnungen gegenüber den Brütereien stellten – je nachdem, wer den Sortiervertrag abgeschlossen hatte – entweder die Gruppenführer oder die I. H. . Soweit die Gruppenführer Rechnungen stellten, zogen sie diese auch ein und überwiesen sodann den Rechnungsbetrag abzüglich einer eigenen Provision an die I. H. , die von den Gruppenführern zum Monatsende auch Aufstellungen über die Sortierleistungen jedes Sortierers der Gruppe und die hierfür jeweils bei den Brütereien abgerechneten Preise erhielt. Die monatliche Abrechnung und Auszahlung an die Sortierer nach jeweiliger Sortierleistung erfolgte durch die I. H. , die ebenfalls einen Teil des Rechnungsbetrages als Provision abzog. Ferner behielt sie entsprechend einer mit dem Finanzamt getroffenen Vereinbarung Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls auch Kirchensteuer ein und führte diese ab. Insoweit konnte nicht ausgeschlossen werden, dass beide Angeklagte aufgrund entsprechender Auskünfte ihres Vaters davon ausgingen, dass die Besteuerung der Sortiervergütungen im Wege eines Lohnsteuerabzugs Ergebnis einer „individuellen, von Praktikabilitätserwägungen getragenen Sondervereinbarung“ mit dem Finanzamt war (UA Rn. 36). Sozialversicherungsbeiträge wurden für die Sortierer nicht abgeführt.
2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die in den Sortiergruppen B. , Y. , Ha. , Ho. Und L. tätigen Sortierer sowie der Zeuge Ho. selbst Arbeitnehmer waren und der Sozialversicherungspflicht unterlagen. Hinsichtlich Ho. und der Sortierer seiner Gruppe sei die I. H. die Arbeitgeberin gewesen. Als Arbeitgeber der anderen Sortierer seien deren jeweilige Gruppenführer anzusehen. Insoweit sei jedoch die I. H. von diesen (auch) mit der Leistung der Sozialversicherungsbeiträge ausdrücklich beauftragt worden (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB). Für die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen habe daher der Angeklagte H. H. gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB als vertretungsberechtigtes Organ strafrechtlich wie der Arbeitgeber einzustehen.
Nachdem er nach einer Einarbeitungsphase im Mai 2000 mit den Verhältnissen der I. H. vertraut gewesen sei, habe der Angeklagte H. H. es unterlassen, jeweils monatlich Beitragsnachweise für die Sortierer einzureichen und die Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung für die Beitragsmonate April 2000 bis Dezember 2002 in Höhe von ca. 860.000 Euro abzuführen. Für die Beitragsmonate ab Januar 2003 bis Februar 2005 habe er unvollständige Beitragsnachweise entweder selbst eingereicht oder deren Einreichung geschehen lassen, so dass Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von ca. 1.400.000 Euro nicht eingefordert worden seien.
Der Angeklagte F. H. habe seinen Bruder dabei spätestens ab Ende September 2000 unterstützt, indem er auch gegenüber den Sozialversicherungen in verschiedenen Schriftstücken die tatsächlichen Rechtsbeziehungen zu den Sortierern durch eine „unrichtige, eine strikte Selbständigkeit vorgebende Darstellung“ verschleiert (UA Rn. 75) und den Angeklagten H. H. jeweils in seinem Entschluss bestärkt habe, die Beiträge nicht abzuführen und keine die Sortierer ausweisenden Beitragsnachweise einzureichen (UA Rn. 292).
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass beiden Angeklagten allerdings die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun. Es sei angesichts einer über 20-jährigen, von den Behörden niemals beanstandeten Vorgeschichte der entsprechenden Geschäftspraxis „nicht konstruiert oder lebensfremd“, dass die Angeklagten geglaubt hätten, „es habe mit der Einordnung der Sortierer als Selbständige seine Richtigkeit“ (UA Rn. 273, 282). Dieser Irrtum sei jedoch vermeidbar gewesen, da sie durch Einschaltung der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund oder bei Einholung der Auskunft eines fachkundigen Rechtsanwalts zutreffend darüber informiert worden wären, dass die Tätigkeit der Sortierer als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzuordnen sei.
II. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge im tenorierten Umfang Erfolg. Im Ausgangspunkt hat sich das Landgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon
überzeugt, dass die I. H. Arbeitgeberin des Zeugen Ho. und der von ihm geführten Sortierer war und dass die Sortierer der Gruppen B. , Y. , Ha. und L. jeweils Arbeitnehmer ihrer Gruppenführer waren. Auch gegen die Annahme der (faktischen) Geschäftsführereigenschaft des Angeklagten H. H. und seiner Unterstützung durch den Angeklagten F. H. ist rechtlich nichts zu erinnern.
Indes hat das Landgericht zu Unrecht eine ausdrückliche Beauftragung der I. H. nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB hinsichtlich der Sortiergruppen von B. , Y. , Ha. sowie L. angenommen (dazu Ziffer 1). Auch gegen die Annahme der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken (dazu Ziffer 2).
1. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, die I. H. habe gegenüber den Sortiergruppen B. , Y., Ha. und L. mit der Auszahlung der Löhne auch alle damit verbundenen Pflichten des Arbeitgebers übernommen, hat es die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB in rechtsfehlerhafter Weise bejaht.
a) Das Landgericht hat seine Überzeugung von der ausdrücklichen Beauftragung im Wesentlichen darauf gestützt, dass nach den – teils schriftlichen, teils mündlichen Vereinbarungen – die I. H. für die „kaufmännische Abwicklung“ zuständig gewesen sei. Die Beteiligten hätten darunter nicht lediglich eine rechnerische Aufspaltung des von den Sortiergruppen jeweils erwirtschafteten Gesamtbetrages auf die Teilleistungen eines jeden Sortierers verstanden; vielmehr seien damit sämtliche Maßnahmen gemeint gewesen, die zur ordnungsgemäßen Entlohnung der Sortierer notwendig gewesen seien. Bei der Lohnzahlung handele es sich um eine grundlegende Arbeitgeberpflicht aus einem Beschäftigungsverhältnis. Die I. H. habe in jahrzehntelanger Praxis Lohnsteuer errechnet und abgeführt. Bereits dies erweise, dass sie auch die Erfüllung der an die Lohnzahlung geknüpften Abgabepflichten übernommen habe. Sie habe diese Aufgabe in eigener Verantwortung für die Zeugen B. , Y. , Ha. und L. wahrgenommen. Dies schlage sich darin nieder, dass sie nicht nur die Einzelabrechnungen erstellt habe, sondern sich die erforderlichen Summen habe überweisen lassen, um sie sodann aus dem eigenen Vermögen den Sortierern zuzuwenden; auch die Steuern habe sie im eigenen Namen abgeführt (UA Rn. 220 ff.).
b) An die Beauftragung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB sind indes strenge Anforderungen zu stellen, da hierdurch eine persönliche Normadressatenstellung des Beauftragten begründet wird, die ihm (strafbewehrt) die Erfüllung betriebsbezogener Pflichten überbürdet. Die Beauftragung muss daher zweifelsfrei erfolgen und ausreichend konkret sein, damit für den Beauftragten das Ausmaß der von ihm zu erfüllenden Pflichten eindeutig erkennbar ist (BGH, Beschluss vom 12. September 2012 – 5 StR 363/12, BGHSt 58, 10, 12 f. mwN). Eine diesen rechtlichen Maßstäben entsprechende Beauftragung legt das angefochtene Urteil nicht hinreichend dar.
aa) Schon der Begriff der „kaufmännischen Abwicklung“ ist nicht eindeutig und lässt erheblichen Interpretationsspielraum offen. Dessen Verwendung ist deshalb grundsätzlich nicht geeignet, eine strafbewehrte Pflicht zu begründen.
bb) Zudem hat das Landgericht bei der Bestimmung des Verständnisses der Beteiligten von diesem Begriff nicht berücksichtigt, von welchem rechtlichen Status der Sortierer die Beteiligten im Tatzeitraum ausgegangen sind. Da es den Angeklagten Irrtümer hinsichtlich der Einordnung der Sortierer als Selbständige zugesteht, kann nicht angenommen werden, dass sie unter „kaufmännischer Abwicklung“ auch die Auskehrung der Sozialversicherungsbeiträge verstanden. Wenn – was nicht fernliegt – die Gruppenführer ebenfalls rechtsirrig davon ausgingen, dass die Sortierer selbständig tätig seien, bestand auch für sie keine Veranlassung, die I. H. mit der Abführung der – aus ihrer Sicht – nicht geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge zu beauftragen.
cc) Ferner bleibt unklar, aus welchem „Topf“ die Beiträge des Arbeitgebers zur Sozialversicherung hätten gezahlt werden sollen. Die Urteilsgründe hätten sich zu dieser Frage verhalten müssen.
2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Angeklagten „durch Nachfrage bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung oder durch Einholung von Rat eines auf dem Gebiet des Sozialrechts fachkundigen Rechtsanwalts“ zutreffend darüber informiert worden wären, dass abhängige Beschäftigungsverhältnisse vorlagen (UA Rn. 273). Diese Annahme – die insbesondere für den Zeugen Ho. und die Sortierer seiner Gruppe als Arbeitnehmer der I. H. (noch) rechtlich relevant ist – ist jedoch nicht hinreichend belegt; die Beweiswürdigung ist insoweit lückenhaft. Nach den Darlegungen des Landgerichts ist der Irrtum der Angeklagten „angesichts der Komplexität der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Wertung, die auch nicht dem Kernbereich des Strafrechts zuzurechnen ist, sondern einem von unbestimmten Rechtsbegriffen und wertenden Betrachtungen geprägten, vergleichsweise weniger scharf konturierten Bereich des Sozialrechts, nicht völlig unverständlich oder gar Ausdruck von Rechtsblindheit“, zumal „die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit der Sortierer sich aufgrund der strikt leistungs- bzw. mengenabhängigen Vergütung ohne jede zeitbezogene Grundkomponente und ohne Zahlungen bei Krankheit oder Urlaub durchaus erheblich von einem typischen, herkömmlichen Beschäftigungsverhältnis“ unterschieden habe (UA Rn. 298). Aus dem Umstand, dass die geschädigten Sozialversicherungsträger trotz umfassender Kenntnis der Gegebenheiten bis zum Zeitpunkt des Urteils „keinerlei Bemühungen entfaltet haben, die rückständigen Beiträge einzufordern oder entsprechende Forderungen zu sichern“, hat das Landgericht den Schluss gezogen, dass „den zuständigen Stellen die sozialrechtliche Bewertung der Stellung der Kükensortierer noch so unsicher erschien bzw. erscheint, dass sie (sozial- oder zivil-)rechtliche Schritte bislang für zu riskant erachtet haben, denn bei der Höhe der Rückstande wäre ein tatenloses Zuwarten über mehr als acht Jahre seit Anklageerhebung anderenfalls schlechterdings unverständlich“ (UA Rn. 300).
Vor diesem Hintergrund versteht sich die Vermeidbarkeit des vom Landgericht angenommenen Verbotsirrtums nicht von selbst. Dass die Angeklagten sich nicht um kompetente Beratung bemüht und mithin ihrer Erkundigungspflicht nicht genügt haben, reicht zur Begründung der Vermeidbarkeit ihres Verbotsirrtums nicht aus. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus, dass die Erkundigung zu einer richtigen Auskunft in dem durch das Landgericht angenommenen Sinn geführt hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Juni 1990 – 1 StR 477/89, BGHSt 37, 55, 67; BayObLG, NJW 1989, 1744; OLG Celle, NJW 1977, 1644; MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 17 Rn. 65; KK-OWiG/Rengier, 4. Aufl., § 11 Rn. 97 ff.; Göhler/Gürtler, OWiG, 16. Aufl., § 11 Rn. 28; jeweils mwN). Mit dieser Frage hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen, zumal es selbst über mehrere Seiten hinweg den rechtlichen Status der Sortierer erörtert und einer eingehenden Prüfung unterzogen hat.
III. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft zulasten des Angeklagten H. H. ist ebenfalls begründet. Soweit die Staatsanwaltschaft die Annahme eines (vermeidbaren) Verbotsirrtums rügt, lassen die Ausführungen des Landgerichts einen Erörterungsmangel erkennen. Das Landgericht ist zu dem Schluss gekommen, dem Angeklagten H. H. sei nicht zu widerlegen, dass er trotz Kenntnis der für die Sozialversicherungspflicht der Kükensortierer maßgeblichen Umstände „geglaubt“ habe, es handele sich bei ihnen nicht um Arbeitnehmer, sondern um Selbständige (UA Rn 270 f.). Er sei sich allerdings bewusst gewesen, dass seine rechtliche Bewertung „nicht unproblematisch und zweifelsfrei“ gewesen sei (UA Rn 272). Unter diesen Umständen hätte das Landgericht erörtern müssen, ob bei dem Angeklagten eine bedingte Unrechtseinsicht vorlag, die bereits einen Verbotsirrtum ausschließen würde (vgl. BGH, Urteile vom 3. April 2008 – 3 StR 394/07, BGHR StGB § 17 Vermeidbarkeit 8; vom 13. Dezember 1995 – 3 StR 514/95, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 11 Irrtum 1; Beschlüsse vom 24. Februar 2011 – 5 StR 514/09, BGHSt 56, 174, 182; vom 23. Dezember 1952 – 2 StR 612/52, BGHSt 4, 1, 4). Eine solche würde allerdings erfordern, dass der Angeklagte nicht nur mit der Möglichkeit rechnete, sein Verhalten könnte verboten sein, sondern diese Möglichkeit in derselben Weise wie beim bedingten Vorsatz in seinen Willen aufnahm (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1995 – 3 StR 514/95, aaO). Dies wird das neue Tatgericht insbesondere mit Blick auf die unternehmensbedrohenden Rechtsfolgen einer mehrjährigen Verletzung der Beitragspflicht zu prüfen haben.