StGB § 20 keine Strafmilderung bei selbst zu verantwortender Trunkenheit 1

BGH, Beschl. v. 15.10.2015 – 3 StR 63/15 – NStZ 2016, 203

Anfragebeschluss des 3. Strafsenats zur Frage des Ermessensspielraums eines Tatrichters bei Versagung

der Strafmilderung im Fall selbst zu verantwortender Trunkenheit.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. Oktober 2015 beschlossen:

1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Der Tatrichter übt sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf

den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht.

2. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob deren Rechtsprechung dem entgegensteht und ob -sollte dies der Fall sein -daran festgehalten wird.

Gründe:

I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit sachlich rechtlichen Beanstandungen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der bislang sowohl in Deutschland als auch in seiner litauischen Heimat strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Angeklagte seinen Mitbewohner nach gemeinsamem Alkoholkonsum durch massive Gewalteinwirkung gegen den Brust-

und Bauchbereich sowie durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand gegen den Kopf.

Den Anlass für die mit bedingtem Tötungsvorsatz vorgenommenen Verletzungen hat das Schwurgericht ebenso wenig feststellen können wie den genauen Grad der Alkoholisierung des Angeklagten. Es ist sachverständig beraten davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund

einer mittelgradigen Berauschung bei erhalten gebliebener Unrechtseinsicht nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Das Landgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Für einen benannten minder schweren Fall des Totschlags (§ 213 Alternative 1 StGB) hat es keinen

Anhaltspunkt gefunden. Einen sonstigen minder schweren Fall (§ 213 Alternative 2 StGB) hat es sowohl unter Berücksichtigung allein der allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte als auch unter Hinzuziehung des wegen der Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht ausschließbaren vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB abgelehnt und auch von einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung, die auf die Erwägungen zur Frage des Vorliegens eines unbenannten minder schweren Falles gemäß § 213 StGB Bezug nimmt, hat das Landgericht sodann zugunsten des Angeklagten dessen durch die Alkoholisierung als konstellativem Faktor beeinflusste affektive Aufladung in der Tatsituation mildernd berücksichtigt.

II. Der Senat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen. Die Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten sowie vom Ausschluss einer über das Maß eines mittleren Rausches hinausgehenden Alkoholisierung beruht auf einer rechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung. Der Senat hält auch die Strafzumessung für rechtsfehlerfrei.

Anlass zu dem Anfrageverfahren gibt die Strafrahmenwahl des Tatrichters.

1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, bei einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit wohne dem Umstand, dass diese auf einer vom Täter selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruht, ein schulderhöhendes Moment inne, das die Versagung der Strafrahmenmilderung nach § 213 bzw. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB rechtfertige. Eine Alkoholkrankheit oder Alkoholüberempfindlichkeit, die ein Verschulden hinsichtlich der Trunkenheit ausgeschlossen hätte, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei verneint und deshalb wegen des vorwerfbaren

übermäßigen Alkoholkonsums eine Strafrahmenverschiebung abgelehnt (UA S. 48 f.).

 

2. Bei dieser Wertung hat sich das Landgericht erkennbar auf die Entscheidung des Senats im Urteil vom 27. März 2003 (3 StR 435/02, NJW 2003, 2394) gestützt. Dort hat der Senat -in die Entscheidung nicht tragenden Erwägungen -ausgeführt, dass eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in der Regel nicht in Betracht komme, wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf verschuldeter Trunkenheit beruhe. Versetze sich der Täter schuldhaft in einen Rausch, so liege allein darin ein Umstand, der die durch die Herabsetzung der Einsichts-oder Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen

könne. Eine vorangegangene Straffälligkeit des Täters unter Alkoholeinfluss in einem Ausmaß, dass dieser damit rechnen kann, unter Alkoholeinfluss ein der Anlasstat vergleichbares Delikt zu begehen, sei nicht erforderlich. Er hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Für ein Absehen von der Strafmilderung sprächen zum einen die Überlegungen des historischen Gesetzgebers, der ursprünglich die Strafmilderung

bei verschuldeter Trunkenheit ausdrücklich ausschließen und nach Aufgabe dieses Vorhabens die schuldhafte Herbeiführung der verminderten Schuldfähigkeit jedenfalls als schulderschwerenden Umstand berücksichtigt wissen wollte. Zum anderen bestehe ein Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung des Vollrausches in § 323a StGB, die das schuldhafte Sich-

Berauschen zwar unter der Voraussetzung einer rechtswidrigen Rauschtat aber unabhängig davon unter Strafe stelle, ob sich der Täter aus früheren Ereignissen des Risikos der Begehung von Straftaten unter Alkoholeinfluss hätte bewusst sein können. Zuletzt habe der Gesetzgeber in § 7 WStG für militärische Straftaten, Straftaten, die gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen, und solche, die Soldaten in Ausübung des Dienstes begehen, die Strafmilderung wegen selbstverschuldeter Trunkenheit unterschiedslos ausgeschlossen (zu den Einzelheiten vgl. Senat aaO).

3. Diese Entscheidung des Senats hat in der Folgezeit Widerspruch erfahren: Die Berufung auf die Intentionen des historischen Gesetzgebers sei nicht zulässig, da diese gerade nicht zum Inhalt der Norm geworden seien (Neumann, StV 2003, 527, 528; Scheffler, Blutalkohol 2003, 449).

Das Spannungsverhältnis zu § 323a StGB könne im Bereich der mittleren Kriminalität dadurch aufgelöst werden, dass die Strafe wegen Vollrausches durch den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen nach oben begrenzt werde (Neumann aaO, 529). Die durch §§ 21, 49 Abs. 1 StGB im Bereich der schweren Kriminalität eröffnete erhebliche Absenkung der Strafdrohung und die darin zum Ausdruck kommende geringere Schuld könne durch das verschuldete Sich-Betrinken nicht ausgeglichen werden (Frister, JZ 2003, 1019). Dies gelte insbesondere für

den Bereich der absoluten Strafdrohung. Auch wird vorgeschlagen, zur Angleichung auch bei § 323a StGB vorauszusetzen, dass der Täter seine Rauschtat vorhersehen können müsse (Scheffler aaO, 450). Zuletzt könne die Sondervorschrift des § 7 WStG als Argument für die Versagung

einer Strafrahmenmilderung nicht dienen, denn sie sei allein den Besonderheiten des Wehrstrafrechts geschuldet (Rau, JR 2004, 401, 404 unter Verweis auf Neumann, StV 2003, 527, 530; Streng, NJW 2003, 2963, 2964).

4. Es kann hier dahinstehen, ob diese Kritik in Einzelpunkten gerechtfertigt ist. Es geht in vorliegendem Revisionsverfahren nicht um die Frage, ob eine Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn die alkoholbedingt erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Täters auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruht. Entscheidungserheblich ist vielmehr, ob der Tatrichter das ihm durch § 21 StGB eingeräumte Ermessen im konkreten Fall rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, weil er von der ihm durch die Vorschrift eröffneten Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung keinen Gebrauch gemacht und dies entscheidend auf das Argument gestützt hat, der Angeklagte habe seine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit

durch verschuldete Trunkenheit selbstverantwortlich herbeigeführt.

Einen derartigen Ermessensfehlgebrauch vermag der Senat nicht zu erkennen. Maßgeblich hierfür sind folgende Erwägungen, auf die bereits seine Überlegungen im Urteil vom 27. März 2003 (aaO) aufbauen:

Durch seine von ihm zu verantwortende Berauschung versetzt sich der Täter in einen Zustand der -was allgemein bekannt ist - durch Enthemmung, Verminderung von Einsichts-und Unterscheidungsvermögen und Verschlechterung von Reaktionsfähigkeit und Körperbeherrschung und die

damit einhergehende gesteigerte Gefährlichkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 1961 -1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 125). Auch § 7 WStG beruht auf dieser Erkenntnis (vgl. Schölz/Lingens, WStG, 4. Aufl., § 7 Rn. 1 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien, wonach dadurch wirksam der Gefahr begegnet werden soll, die der militärischen Disziplin "erfahrungsgemäß" durch den Alkoholmissbrauch droht). In der verschuldeten Herbeiführung eines Rausches liegt somit keine wertneutrale, sozialübliche Erscheinung, sondern im Hinblick auf die allgemeine Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit des Berauschten ein selbstständiges, rechtlich fassbares, strafwürdiges Unrecht (KK-Rengier, OWiG, 4. Aufl., § 122 Rn. 8 mwN). Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber das schuldhafte Sich-Berauschen in § 323a StGB und § 122 OWiG

tatbestandlich normiert. Er hat lediglich den Bereich der Strafbarkeit des schuldhaften Sich-Berauschens durch die Einfügung einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit bzw. der Bußgeldbewehrung dahin eingeschränkt, dass ein "folgenloses" Sich-Betrinken nicht geahndet werden soll, während derjenige, der im Rausch eine rechtswidrige Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht, für die er nicht bestraft oder mit Geldbuße belegt werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war bzw. nicht vorwerfbar gehandelt hat oder dies zumindest nicht auszuschließen

ist, wegen der Berauschung mit Strafe oder Geldbuße geahndet wird. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch zwanglos, warum das Sich-Berauschen in dem einen Fall als Straftat und in dem anderen lediglich als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird (aA Fischer, StGB, 62. Aufl., § 323a Rn. 17). Dies beruht darauf, dass der Gesetzgeber das Sich-Berauschen im Grundsatz als strafwürdiges Unrecht bewertet, die Strafbarkeit indes je danach ausgeschlossen oder zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft hat, ob bzw. in welchem Umfang sich die gesteigerte Gefahr für die Rechtsgüter Dritter oder die Allgemeinheit, die von einem Berauschten ausgeht, tatsächlich in einer konkreten rechtswidrigen Straftat oder Ordnungswidrigkeit niedergeschlagen hat. Ebenso wenig lässt sich der Annahme, schon allein der schuldhafte Vollrausch begründe das Tatunrecht

(BGH, Urteil vom 2. Mai 1961 -1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 125 f.; s. auch BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1956 -GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 396), entgegenhalten, damit wäre ein Umstand unrechtsbegründend, der nach dem Gesetzeswortlaut nur nicht ausschließbar sein müsse (so ebenfalls Fischer aaO). Denn dies verkennt, dass der Rausch feststehen muss; nicht

ausschließbar darf lediglich sein, dass der Täter infolge des Rausches bei Begehung der Rauschtat schuldunfähig war bzw. nicht vorwerfbar gehandelt hat. Weder für die Straftat nach § 323a StGB noch für die Ordnungswidrigkeit nach § 122 OWiG ist vorausgesetzt, dass sich der Täter im Zeitpunkt des Sich-Berauschens bewusst war oder hätte bewusst sein können, dass er im Rausch zur Begehung von Straftaten oder ordnungswidrigem Verhalten neige (BGH, Urteil vom 12. April 1951 -4 StR 78/50, BGHSt 1, 124, 125; Urteil vom 23. November 1951 -2 StR 491/51, BGHSt 2, 14, 18; Urteil vom 2. Mai 1961 -1 StR 139/61,

BGHSt 16, 124 f.; s. aber auch BGH, Beschluss vom 7. Mai 1957 -5 StR 127/57, BGHSt 10, 247, 249 f.; KK-Rengier aaO, Rn. 25; Göhler/Gürtler, OWiG, 16. Aufl., § 122 Rn. 7a; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 122 Rn. 2, 14).

Nach alledem ist nach Ansicht des Senats nicht zweifelhaft, dass allein das verantwortliche sich Berauschen des Täters vor der Tat für sich ein schulderhöhender Umstand ist, der im Rahmen der Ermessensausübung nach § 21 StGB Berücksichtigung zu finden hat. Die sich daran anschließende

Frage, ob dieser Umstand geeignet ist, im konkreten Fall die erhebliche alkoholbedingte Minderung der Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt so weit auszugleichen, dass das Absehen von der Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB gerechtfertigt ist, betrifft indes Wertungen, die,

wie die Strafzumessung generell, Sache des Tatrichters ist und vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Danach gilt, dass der Tatrichter zwar eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen schuldrelevanten Gesichtspunkte vorzunehmen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 -2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40) und einer wertenden Betrachtung zu unterziehen hat, deren revisionsgerichtliche Überprüfung sich indes darauf beschränkt, ob die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen vom Tatrichter hinreichend ermittelt und bei der Wertung ausreichend berücksichtigt worden sind (BGH, Urteil vom 17. August 2004 -5 StR 93/04, BGHSt 49, 239, 241). Ist dies indes geschehen, so kann das Revisionsgericht nur beanstanden, dass das Tatgericht gesetzlich vorgegebene Wertungsmaßstäbe missachtet oder eine gerechtem Schuldausgleich nicht mehr entsprechende Strafe verhängt hat.

Einen gesetzlichen Wertungsmaßstab dahin, dass eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB dem infolge schuldhaften Sich-Berauschens in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich

eingeschränkten Täter nur dann versagt werden darf, wenn ihm zumindest bewusst sein konnte, dass sich infolge seiner Alkoholisierung das Risiko strafbaren oder ordnungswidrigen Verhaltens signifikant erhöhen werde, vermag der Senat -entsprechend obiger Darlegungen -nicht zu erkennen.

Ob dem Gesetz nicht vielmehr -wie der Senat in seinem Urteil vom 27. März 2003 erwogen hat -ein gegenteiliger Bewertungsmaßstab zu entnehmen ist, bedarf - wie dargelegt - hier keiner Entscheidung.

Hat der Tatrichter -wie hier -bei der Strafrahmenwahl neben der alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit alle relevanten weiteren schuldmildernden Gesichtspunkte berücksichtigt, so liegt daher grundsätzlich kein Ermessensfehlgebrauch darin, dass er dem

Angeklagten die fakultative Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB (oder die Annahme eines minder schweren Falles) allein deswegen versagt, weil dieser sich schuldhaft durch Alkoholgenuss in den Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit versetzt hat.

5. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der beabsichtigten Entscheidung Rechtsprechung der anderen Strafsenate entgegensteht.

a) Das Urteil des Senats vom 27. März 2003 ist von den anderen Strafsenaten unterschiedlich aufgenommen worden.

aa) Der 1. Strafsenat ist der Ansicht des Senats zunächst gefolgt und hat die Versagung der Strafmilderung gebilligt, da die erheblich verminderte Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit beruhte. Dies spreche auch ohne einschlägige Vorverurteilungen in der Regel gegen eine Verschiebung des Strafrahmens (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 -1 StR 254/04, NStZ 2005, 151, 152; zuvor bereits Beschluss vom 5. August 2003 -1 StR 302/03, bei Schäfer, JR 2004, 425). Er hat indes in einer jüngeren Entscheidung die Nichterörterung einer aufgrund von angenommener verminderter Schuldfähigkeit in Betracht kommenden Strafrahmenverschiebung beanstandet und dabei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, die Strafrahmenverschiebung könne "nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Umständen dann abgelehnt werden, wenn der Täter schon früher unter Alkoholeinfluss straffällig geworden ist und deshalb wusste, dass er in einem solchen Zustand zu Straftaten neigt" (BGH, Beschluss vom 25. März 2014-1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239).

bb) Der 2. Strafsenat hat alsbald -nach Aufhebung des Strafausspruchs auf Revision der Staatsanwaltschaft -in einem Hinweis an den neuen Tatrichter ausgeführt, "dass er zu der in der Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 27. März 2003 -3 StR 435/02 geäußerten

Rechtsauffassung ebenfalls neigt, wonach bei einer auf verschuldeter Trunkenheit beruhenden erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in der Regel nicht in Betracht kommen sollte" (BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 -2 StR 106/03, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32; vgl. auch Beschluss vom 10.

September 2003 -2 StR 304/03, bei Schäfer aaO, 426). In einer späteren Entscheidung hat er dies indes relativiert und eine gegen die Zubilligung der Strafrahmenverschiebung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft verworfen. Zunächst sei "von der Allgemeinkundigkeit des Umstands auszugehen, dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten zu senken pflegt. Deshalb meint der Senat, dass bei selbst zu verantwortender Trunkenheit in der Regel eine Strafrahmensenkung nicht geboten ist. Diese kommt jedoch bei besonderen Umständen in der Person des Täters oder in der Tat in Betracht. Wenn der Täter über keine Vorerfahrungen der Art verfügt, dass er persönlich unter Alkoholeinfluss zu rechtsgutsverletzendem Verhalten neigt, oder wenn sich für ihn zum Zeitpunkt der Berauschung auch aus sonstigen Umständen kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass es unter der Wirkung der konkreten Alkoholisierung zu Straftaten kommen könnte, so stellt dies einen Umstand dar, der eine Strafrahmenmilderung rechtfertigen kann" (BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 -2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40).

cc) Der 5. Strafsenat hat dem Anliegen des Senats, zu einer Änderung der Rechtsprechung zu kommen, grundsätzlich beigepflichtet, indes mit leichten Modifikationen an der alten Rechtsprechung festgehalten (vgl. Schäfer aaO: "bisheriger Rechtsprechung nicht widersprechend"). Zwar sei für die Versagung der Strafrahmenmilderung nicht mehr erforderlich, dass der Täter schon einmal unter Alkoholeinfluss vergleichbare Straftaten begangen hat. Auch müsse das Vorverhalten nicht zu Vorstrafen oder einem Strafverfahren geführt haben. Die generelle Erhöhung des Risikos der Begehung strafbarer Handlungen nach Alkoholgenuss sei aber für sich allein nicht ausreichend, um den Schuldgehalt des Täters zu erhöhen und schon deshalb die regelmäßige Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung bei selbstverschuldeter Trunkenheit zu rechtfertigen. Diese komme vielmehr nur in Betracht, "wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht" habe (BGH, Urteil vom 17. August 2004 -5 StR 93/04, BGHSt 49, 239). Die risikoerhöhenden persönlichen Verhältnisse könnten beispielsweise in der

Neigung zu Aggressionen oder Gewalttätigkeiten unter Alkoholeinfluss bestehen, die der Tatsituation etwa in der Alkoholaufnahme in gewaltbereiten Gruppen oder gewaltgeneigten Situationen(BGH, Urteil vom 11. Juni 2008 -5 StR 612/07, NStZ 2008, 619, 620). Bei bislang nicht bestraften und auch sonst unauffälligen Tätern sei das Straftatenrisiko nicht signifikant erhöht (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 -5 StR 456/08, NStZ 2009, 202, 203; Urteil vom 7. Mai 2009 -5 StR 64/09, NStZ 2009, 496, 497). Gleiches gelte, wenn die neue Tat in eine gänzlich andere Richtung weise als die früheren unter Alkoholeinfluss begangenen Taten (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 -5 StR 510/09, NStZ-RR 2010, 234, 235) oder wenn gleichartige Kriminalität schon mehr als zehn Jahre zurückliege (BGH, Beschluss vom 10. März 2010 -5 StR 62/10, juris Rn. 10).

dd) Der 4. Strafsenat hat sich der Rechtsprechung des 5. Strafsenats angeschlossen und in Fällen, in denen der Angeklagte bislang niemals unter Alkoholeinfluss aggressiv war (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 -4 StR 314/05, NStZ 2006, 274) bzw. nicht wegen eines Gewaltdelikts verurteilt war (BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 -4 StR 444/05, NStZ-RR 2006, 185, 186) eine signifikante Risikoerhöhung verneint.

ee) Der Senat selbst war nach seiner Entscheidung vom 27. März 2003 nur mit Fallgestaltungen befasst, in denen die zur verminderten Schuldfähigkeit führende Trunkenheit vom Angeklagten jeweils nicht verschuldet war, weil dieser entweder alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich war (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2008 -3 StR 479/07, NStZ 2008, 330) oder eine solche Konstellation vom Tatrichter hätte erörtert werden müssen (BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 -3 StR 84/08, NStZ 2009, 258; Beschluss vom 2. August 2012 -3 StR 216/12, NStZ 2012, 687).

b) Danach könnte die Rechtsprechung der anderen Strafsenate dahin verstanden werden, dass sie es grundsätzlich für ermessensfehlerhaft halten, wenn der Tatrichter bei sonst rechtsfehlerfreier Würdigung eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB allein mit der Begründung ablehnt, die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit beruhe auf dessen Trunkenheit, die er aber durch zu verantwortendes Sich-Berauschen schuldhaft selbst herbeigeführt habe, und nicht gleichzeitig festgestellt ist, dass dem Angeklagten zumindest

bewusst sein konnte, dass sich infolge seiner Alkoholisierung das Risiko strafbaren Verhaltens erhöhen werde.

III. Der Senat fragt daher bei den anderen Strafsenaten an, ob ihre Rechtsprechung in diesem Sinne zu verstehen ist und -sollte dies der Fall sein -ob an dieser Rechtsprechung festgehalten wird (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG).