StGB § 211 Dresdner Kanibalenfall

BGH, Urt. v. 06.04.2016 – 5 StR 504/15 – NStZ 2016, 469

1. In den sogenannten Kanibalenfällen ist grundsätzlich neben dem Mordmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ auch das Mordmerkmal „zur Ermöglichung einer anderen Straftat“ in Gestalt der bereits vor Eintritt des Todes geplanten Störung der Totenruhe nach § 168 StGB durch das spätere Zerlegen des Leichnams verwirklicht.

2. Die ursprünglich für das Mordmerkmal der Heimtücke, zur Eröffnung des Sonderstrafrahmens in minder schweren Fällen herangezogene Rechtsfolgenlösung vermag als solche lediglich bei Taten in Betracht gezogen zu werden, deren Motivation in einer notstandsnahen, auswegslos erschienenden Situation liegt, oder ihren Grund in einer emotionalen Zwangslage haben. Es müssen somit schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. April 2016für Recht erkannt:

Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. April 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen das Urteil richten sich die Revision des Angeklagten und die zu seinen Ungunsten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die vom Angeklagten zudem erhobene Verfahrensbeanstandung nicht ankommt.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Nach der Trennung von seiner Ehefrau ging der nicht vorbestrafte Angeklagte, der bis zu seiner Inhaftierung als Handschriftensachverständiger im Landeskriminalamt Sachsen tätig war, im Jahr 2000 eine Beziehung zu einem Mann ein. Im Jahr 2003 erfolgte nach der Ehescheidung die Eintragung der Lebenspartnerschaft. In der neuen Beziehung lebte der Angeklagte die Freiheit zu weiteren sexuellen Kontakten offen aus. Nachdem er etwa im Jahr 2005 erstmals mit sadomasochistischen Praktiken in Kontakt gekommen war, registrierte er sich Anfang September 2013 auf einer Internetseite, deren Nutzer sich mit kannibalistischen Phantasien beschäftigen. Vom 6. September bis 5. November 2013 verfasste der Angeklagte eine Vielzahl von Nachrichten an unterschiedliche Chatpartner. Dabei stellte er klar, an der „realen Schlachtung“ eines anderen Menschen interessiert zu sein, und bemühte sich, Treffen zu vereinbaren. Hierbei verwies er mit Blick auf das im Keller des von ihm bewohnten Hauses eingerichtete SM-Studio darauf, über geeignete Räumlichkeiten für die „Schlachtung“ zu verfügen, diese jedoch nur mit dem Einverständnis des anderen durchführen zu wollen. Fast ausnahmslos blieb es beim schriftlichen Austausch. Nur in zwei Fällen kam es zu persönlichen Treffen.

Am Abend des 12. September 2013 holte der Angeklagte den damals 30 Jahre alten Zeugen Bu.in dessen Wohnung in Baden- Württemberg ab. Dessen Wunsch, vom Angeklagten aufgespießt und gegrillt zu werden, wurde jedoch nicht erfüllt, weil der Angeklagte zögerte und schließlich mitteilte, dass er zur Mitwirkung nicht mehr bereit sei; der Zeuge Bu. sei „zu jung zum Sterben“.

Bei seinen Versuchen, ein Treffen zu vereinbaren, hatte der Angeklagte nur noch bei dem 59-jährigen Tatopfer St. Erfolg. Dieser war zumindest seit dem Jahr 2011 im Internet auf der Suche nach einer Person, die ihn „schlachten und verspeisen“ würde. Auch er hatte sich auf der genannten Internetseite angemeldet. Am 2. Oktober 2013 nahm er Kontakt zum Angeklagten auf. In der Folge kam es zu wiederholten schriftlichen und telefonischen Kontakten. Immer wieder drang St. hierbei auf eine konkrete Verabredung. Am 4. November 2013 reiste er schließlich vereinbarungsgemäß mit dem Bus nach Dresden, wo er vom Angeklagten abgeholt wurde. In der Nacht zuvor war dieser in seinem SM-Studio vor eine Kamera getreten. Mit den Händen an seinem Geschlechtsteil manipulierend sprach er darüber, dass „morgen großes Schlachtfest sei, was für ihn sehr geil werde“. Auf der Fahrt vom Busbahnhof unterhielten sie sich über das gemeinsame Vorhaben, zu dem St. im Unterschied zum Angeklagten fest entschlossen war und auf dessen Umsetzung er auch nach der Ankunft im Haus des Angeklagten drang. Beide kamen schließlich überein, dass der Angeklagte ihn im Kellerstudio erhängen sollte.

Mit einem ca. 4,10 m langen und 10,90 mm starken Kletterseil wurde ein sogenannter Henkersknoten mit fünf bis fünfeinhalb Wicklungen geknüpft. Das andere Ende des Seiles verknotete der Angeklagte an einem Karabinerhaken, der sich am Ende des Seilzuges einer an einem Deckenbalken befestigten elektrischen Drahtseilwinde befand. St. legte sich die Schlinge um den Hals und zog sie zu. Auf seine Aufforderung verknotete der Angeklagte ihm die Hände auf dem Rücken mit Plastikkabelbindern. Zwischen 17:43 Uhr und 17:45 Uhr zog der Angeklagte St. mittels der Seilwinde nach oben. Durch die Einwirkung des Körpergewichts von 83 kg zog sich die Schlinge zu und komprimierte die Halsschlagadern mit der Folge einer bereits nach wenigen Sekunden eintretenden Bewusstlosigkeit. Durch das Zusammenziehen der Schlinge sowie der Knoten und die Belastungsdehnung des Materials verlängerte sich das Seil, so dass St. mit den Füßen den Boden wieder berührte. Wegen der unmittelbar nach Kompressionsbeginn eingetretenen Bewusstseinstrübung bestand jedoch für ihn keine Möglichkeit mehr, sich aus der Schlinge zu befreien. Der Angeklagte handelte, um St. in dessen Einverständnis zu töten. Durch die Tötung wollte der – voll schuldfähige – Angeklagte die anschließende Zerstückelung des Körpers, insbesondere die Präparation der Genitalien, ermöglichen, von der er sich sexuellen Lustgewinn versprach. Um 17:47 Uhr schaltete der Angeklagte eine Videokamera an, die er bereitgestellt hatte, um sich durch die späteren Aufnahmen der Zerstückelung des Leichnams eine dauerhaft verfügbare sexuelle Stimulanz zu verschaffen. Nachdem bis ca. 17:49 Uhr der Körper des Tatopfers noch mehrfach deutlich sichtbar gezuckt hatte, ließ der Angeklagte die Seilwinde wieder herunter und schaltete die Videokamera aus. Todeszeitpunkt und -ursache konnten nicht festgestellt werden. St. verstarb entweder durch Ersticken infolge des Hängens oder durch einen ihm durch den Angeklagten später beigebrachten Kehlschnitt, sofern dieser noch vor Eintritt des Hirntodes erfolgte. Nachdem der Angeklagte den Leichnam an den Füßen aufgehängt hatte, schaltete er die Kamera erneut ein. In den folgenden 15 Minuten legte er Penis und beide Hoden frei, bevor er sie mit dem Messer komplett abtrennte. Sodann eröffnete er mit einem größeren Messer die Bauchhöhle durch die vordere Rumpfwand. Danach stellte er die Kamera aus. Als er sie um 19:02 Uhr erneut aktivierte, hatte er den Körper bereits weitgehend zerteilt. Er hatte den Kopf abgetrennt, den Rumpf durchschnitten und die Organe der Brust- und Bauchhöhle entfernt. Auf einem mit einer weißen Decke versehenen Tisch hatte er einzelne Körperteile abgelegt. Die Hoden und den Penis hatte er dort auf einer silbernen Servierschale „drapiert“. Um 19:07 Uhr filmte sich der Angeklagte dabei, wie er – nunmehr vollständig unbekleidet – mit einem Messer die rechte Hand von dem auf einem Schneidebrett liegenden Arm abtrennte und im Anschluss daran mit seinen blutigen Händen an seinem Penis manipulierte. Den Kopf kochte er; anschließend zertrümmerte er ihn mit einem Vorschlaghammer. Er zerlegte die Leiche in kleine Teile und vergrub diese im Garten, wo sie später fast vollständig aufgefunden wurden; lediglich ein Hoden und der Penis fehlten.

2. Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) verneint; der Tötungswunsch von St. sei für den Angeklagten nicht handlungsleitend gewesen. Sein Entschluss habe schon festgestanden, bevor es zum Kontakt mit dem Geschädigten gekommen sei.

Der Angeklagte habe seit Beginn seiner Chat-Aktivitäten aus eigenem Antrieb nach Personen gesucht, die bereit wären, sich von ihm töten, insbesondere schlachten zu lassen. Sein entsprechender Entschluss habe mithin bereits festgestanden, bevor St. sich ihm als Opfer anbot. Dass dieser dabei den ernstlichen Wunsch hatte, getötet und verspeist zu werden, sei für den Angeklagten zwar notwendige Voraussetzung zur Durchführung der Tat, aber nicht handlungsleitendes Motiv gewesen.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe schuldig gemacht habe. Er habe sowohl zur Befriedigung des Geschlechtstriebs als auch zur Ermöglichung einer Störung der Totenruhe (§ 168 Abs. 1 StGB) gehandelt. Von der „Schlachtung“ habe er sich sexuelle Befriedigung, zumindest aber sexuellen Lustgewinn versprochen und das Geschehen deswegen teilweise auf Video aufgenommen. Das Ausweiden und Zerlegen eines getöteten Menschen dokumentiere eine grob ungehörige und eine rohe Gesinnung zeigende Handlung, die eine menschenunwürdige und die Würde des Menschen als Gattungswesen missachtende Behandlung darstelle.

Von der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe gemäß § 211 Abs. 1 StGB hat das Landgericht  abgesehen und die Strafe dem nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen. Zwar habe der Angeklagte zwei Mordmerkmale verwirklicht. Das in seiner Entschlussfähigkeit nicht beeinträchtigte Tatopfer sei aber mit der Tötung nicht nur einverstanden gewesen, sondern habe diese unbedingt gewollt. Angesichts der Nähe zum Tatbestand der Tötung auf Verlangen mit einem von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen sei die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unverhältnismäßig. Der „unbedingte Todeswunsch“ stelle einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten sogenannten Rechtsfolgenlösung dar. Vom Angeklagten seien keine weiteren gleichartigen Taten zu erwarten. Er habe nach der Tat seine Suche nach Opfern eingestellt und seine Aktivitäten im Internet beendet. Das von der Tat angefertigte Video habe er gelöscht. Er habe Reue gezeigt und sich bei den Angehörigen des Tatopfers entschuldigt.

3. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die revisionsgerichtlicher Kontrolle nur begrenzt zugängliche Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn sie erweist sich als lückenhaft und nicht frei von Widersprüchen. Das Landgericht hat die Möglichkeit nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen, dass St. sich selbst getötet hat.

a) Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, St. habe sich stehend in die Schlinge fallen lassen und somit selbst getötet, als unwahre Schutzbehauptung angesehen. Es sei nicht möglich gewesen, dass dieser vor Einwirkung seines Körpergewichts auf das Kletterseil mit den Füßen Kontakt zum Fußboden gehabt habe (UA S. 53). Zwar habe St. am Ende des Erhängungsvorgangs wieder Bodenkontakt gehabt, wobei „ca. fünf Zentimeter Spiel im Seil“ für ein aufrechtes Stehen vorhanden gewesen seien (UA S. 56). Durch das Körpergewicht habe sich das Seil jedoch nach Ansicht des sachverständig beratenen Landgerichts während der Belastung im Bereich von der Oberkante des am Karabinerhaken befestigten Ankerstegs bis zur Unterkante des Henkersknotens von ca. 20,5 cm auf ca. 43,4 cm, mithin um 22,9 cm verlängert.

Angesichts dessen sei sicher auszuschließen, dass St. vor Belastung des Seils mit seinem Körpergewicht auch nur mit den Zehenspitzen Bodenkontakt gehabt habe (UA S. 58).

b) Diese Bewertung steht in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu der vom Landgericht getroffenen Feststellung, St. habe sich vor dem Tätigwerden des Angeklagten die Schlinge des Henkersknotens selbst um den Hals gelegt und zugezogen (UA S. 24). Denn dies kann er nur getan haben, wenn er – wenigstens auf Zehenspitzen – stand.

c) Diese Ausgangsposition kann – ungeachtet der abweichend getroffenen Feststellung – auch nicht aufgrund der vom Landgericht mitgeteilten Berechnungen des Sachverständigen ausgeschlossen werden. Nach den insofern relevanten Daten befand sich die Unterkante des Lasthakens in einer Höhe von 196,5 cm. Infolge der Einwirkung des Körpergewichts verlängerte sich das Seil im Bereich von der Oberkante des Ankerstegs bis zur Unterkante des Henkersknotens von ca. 20,5 cm auf 43,4 cm (UA S. 58). Unbelastet befand sich die Unterkante des Henkersknotens somit in einer Höhe von 176 cm. Von diesem Knoten ging die Schlinge nach unten ab. Angesichts dessen erscheint es ohne Weiteres möglich, dass der 171 cm große St. in der ursprünglichen Position Kontakt zum Boden hatte. Es stellt eine Lücke dar, dass das Landgericht sich hiermit nicht näher auseinandergesetzt hat.

Das gilt umso mehr, als es im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausführt, dass das verwendete Seil sich bereits „unmittelbar nach Einwirkung der Belastung“ durch das Körpergewicht um 16,21 % gedehnt habe (UA S. 56), und dementsprechend feststellt, dass „St. mit den Füßen wieder auf dem Boden zu stehen kam“ (UA S. 25). Es wäre zu erörtern gewesen, dass dadurch ein eventueller Verlust des Kontaktes zum Boden nur von kurzer Dauer gewesen sein kann.

d) Allerdings hat das auch insofern sachverständig beratene Landgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, das durch das festgestellte Betätigen des Seilzuges erfolgte Zuziehen des Seils habe eine Kompression der Halsweichteile bewirken sowie „unmittelbar mit ihrem Beginn“ eine Bewusstseins- trübung und „binnen weniger Sekunden“ eine Bewusstlosigkeit nach sich ziehen können. Schon die Bewusstseinstrübung habe eine Selbstbefreiung aus der Schlinge ausgeschlossen (UA S. 61). Danach stünde der ursprüngliche und möglicherweise andauernde oder nach kurzer Zeit wieder bestehende Bodenkontakt dem vom Landgericht festgestellten Geschehen nicht zwingend entgegen. Dies wäre freilich ebenso, wenn St. – wie der Angeklagte es behauptet – sich selbst in die Schlinge hätte fallen lassen. Auch dann hätte die unmittelbar nach dem Beginn der Kompression einsetzende Bewusstseinstrübung es ihm unmöglich gemacht, die lebensgefährliche Lage insbesondere durch einen abstützenden Einsatz seiner Beine wieder zu beenden. Auch hiermit hat sich das Landgericht nicht befasst.

e) Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass in die durchgeführten Berechnungen ein Vergleich zwischen der sich am unteren Rand des rechten Ohrläppchens des Getöteten befindlichen Unterkante des Henkersknotens (153,1 cm) und der Höhe dieses Knotens bei einer stehenden und den Kopf neigenden, jedoch einen Zentimeter kleineren Vergleichsperson einbezogen worden ist, ohne zu erörtern, ob sich Ohrläppchen beim Menschen stets im selben Verhältnis zur Gesamtkörpergröße befinden.

4. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt aus den genannten Gründen (3.) zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) ebenfalls zur Aufhebung des Urteils. Im Übrigen hat sie hinsichtlich der Beurteilung des Konkurrenzverhältnis- ses sowie des Rechtsfolgenausspruchs zum Nachteil des Angeklagten Erfolg.

a) Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe den Mord und die Störung der Totenruhe tateinheitlich verwirklicht, weil er die Zerstückelung des Leichnams von Anfang an geplant und in räumlich-zeitlichem Zusammenhang mit der Tötung vorgenommen hat. Diese Umstände vermögen jedoch die – angesichts der fehlenden identischen Ausführungshandlung (§ 52 Abs. 1 StGB) – notwendige wertende Verknüpfung beider Tatbestände nicht zu tragen. Vielmehr stehen beide Delikte im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB), weil der für die Begehung des § 168 StGB erforderliche vorherige Tod des Opfers als maßgebliche Zäsur anzusehen ist.

b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet weiter zu Recht, dass das Landgericht von der Verhängung der nach § 211 Abs. 1 StGB bei einer Verurteilung wegen Mordes vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen hat, weil es deren Milderung nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Blick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187) und des Großen Senats für Strafsachen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1981 – GSSt 1/81, BGHSt 30, 105) „aus Gründen des verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbots für zwingend geboten“ (UA S. 88) erachtet hat. Denn die hierfür herangezogene sogenannte Rechtsfolgenlösung ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

aa) Die ihr zugrundeliegende Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGH, aaO) betraf allein das Mordmerkmal der Heimtücke. Eine Anwendung der insofern aufgestellten Grundsätze auch auf die hier erfüllten Mordmerkmale der Befriedigung des Geschlechtstriebes sowie der Ermöglichungsabsicht ist von Verfassungs wegen nicht ohne Weiteres geboten (BVerfG, NJW 2009, 1061, 1062 ff.).

bb) Die Voraussetzungen der Rechtsfolgenlösung sind nicht erfüllt.

(1) Diese eröffnet nicht allgemein einen Sonderstrafrahmen für „minder schwere“ Fälle. Vielmehr müssen „Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben“, vorliegen, so „dass jener ‚Grenzfall‘ (BVerfGE 45, 187, 266, 267) eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich geminderter Schuld unverhältnismäßig wäre“ (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1981 – GSSt 1/81, aaO, 118 f.). Dies soll etwa bei Taten in Betracht gezogen werden können, die durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motiviert, in großer Verzweiflung begangen, aus tiefem Mitleid oder aus „gerechtem Zorn“ auf Grund einer schweren Provokation verübt worden sind oder in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund haben (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1981 – GSSt 1/81, aaO, 119).

Es müssen schuldmin- dernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind und im Hinblick auf die überragende Bedeutung des geschützten Rechtsguts nicht voreilig bejaht werden dürfen (BGH, Urteile vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7; vom 23. November 2004 – 1 StR 331/04, NStZ 2005, 154, 155).

(2) Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Der Angeklagte handelte nicht aus einer außergewöhnlichen Notlage heraus; er befand sich auch nicht in einer den angeführten Beispielen entsprechenden notstandsnahen Bedrängnis. Vielmehr tötete er nach den Feststellungen primär zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs und damit in besonders verwerflicher Weise. Dabei erwächst der gesteigerte Unwert der Tat aus dem groben Missverhältnis von Mittel und Zweck, indem der Täter das Leben eines anderen Menschen der Befriedigung eigener Geschlechtslust unterordnet (BGH, Urteil vom 22. April 2005 – 2 StR 310/04, BGHSt 50, 80, 86; BVerfG, NJW 2009, 1061, 1063).

(3) Hieran vermochte auch der Wunsch des Tatopfers, getötet zu werden, nichts zu ändern. Das menschliche Leben steht in der Werteordnung des Grundgesetzes – ohne zulässige Relativierung – an oberster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter (BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 – 5 StR 474/00, BGHSt 46, 279). Hierdurch wird auch die sich aus § 216 StGB ergebende Einwilligungssperre legitimiert (BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 – 5 StR 66/03, NStZ 2003, 537). Nur unter den engen – vom Landgericht auf der Basis der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneinten (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2005 – 2 StR 310/04, BGHSt 50, 80, 91 f.) – Voraussetzungen dieser Vorschrift kann eine Einwilligung bei einer vorsätzlichen Tötung eines Menschen Bedeutung erlangen und die Tat in einem milderen Licht erscheinen lassen. Ein Absehen von der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe kommt mithin vorliegend nicht in Betracht und konnte vom Landgericht auch nicht auf die kaum verständliche Erwägung gestützt werden, St. habe getötet, zerstückelt und verspeist werden wollen und sei nicht lediglich – wie das Opfer in dem Fall, der der Entscheidung aus dem Jahr 2005 zugrunde lag (BGH, aaO) – mit seiner Tötung einverstanden gewesen, um das Ziel einer Penisamputation zu verwirklichen (UA S. 88).

cc) Angesichts dessen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die tatgerichtliche Einschätzung, St. sei nicht „infolge einer psychischen Erkrankung o.ä. in seiner Entschlussfreiheit beeinträchtigt gewesen“ (UA S. 87), auf einer hinreichenden Prüfung beruht. Er kann auch offen lassen, ob an der sogenannten Rechtsfolgenlösung überhaupt festzuhalten ist.

5. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Hierfür weist der Senat auf das Folgende hin:

a) Sollte das neue Tatgericht sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte St. erhängt hat, wäre bei der strafrechtlichen Bewertung die von ihm jedenfalls beigebrachte „glattrandige Durchtrennung der Halsweichteile einschließlich des Kehldeckels“ (UA S. 66, auch 26) in den Blick zu nehmen. Hierbei wäre zu würdigen, dass der Angeklagte im Rahmen seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter gegenüber der Polizei angegeben hat, St. „mit einem Messer ... die Kehle durchgeschnitten“ und ihn dadurch getötet zu haben, was dessen „erster Wunsch“ gewesen sei (UA S. 30) und im Übrigen mit den von diesem für die Tat gemachten Vorgaben übereinstimmt. St. hatte insofern u.a. als „No Go’s“ mitgeteilt: „Keine Verletzungen im Kopfbereich, außer natürlich den Kopf abschneiden, solange ich noch lebe“ (UA S. 17). Sollte sich wiederum nicht feststellen lassen, ob St. zum Zeitpunkt des Schnittes noch lebte, so wäre eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB) in Betracht zu ziehen.

b) Sofern es ungeachtet der sonstigen auf eine durch den Angeklagten begangene Tötung hindeutenden Indizien (etwa Geständnis bei der ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung; durch St. geäußerter Wunsch, in näher beschriebener Weise getötet zu werden; gegen eine Selbsttötung sprechende sexuell untermauerte Phantasie, geschlachtet zu werden) erneut auf die vom Tatgericht  angestellten Berechnungen ankommen sollte, wird die Durchführung eines Versuchs mit einer derartigen Anordnung in Betracht zu ziehen sein, die mit der auf dem Video festgestellten Hängesituation im Ergebnis identisch und dieser nicht nur ähnlich ist.

c) Zudem wird gegebenenfalls auch die Gelegenheit bestehen, näher darzulegen, welche konkreten Auswirkungen die seitens des rechtsmedizinischen Sachverständigen diskutierte „Bewusstseinstrübung“ gehabt hat bzw. gehabt haben könnte und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Einschätzung zugrunde liegen. Denn die vom Landgericht festgestellte unmittelbar nach Kompressionsbeginn einsetzende, zumindest weitgehende Handlungsunfähigkeit versteht sich nicht von selbst.

d) Sollte das neue Tatgericht erneut feststellen, dass der Angeklagte vor dem Geschehen im Keller-Studio Crystal konsumiert und sich anschließend „entspannter gefühlt“ hat (UA S. 24 und 34), so darf ihm wegen des zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Tatplans bei der Bemessung einer eventuell zu verhängenden zeitigen Freiheitsstrafe eine „gewisse Enthemmung“ nicht zugutegehalten werden.