StGB § 211 Grenzen der Rechtsfolgenlösung

BGH, Beschl. v. 19.08.2020 – 5 StR 219/20

Im Regelfall ist für eine heimtückisch begangene Tötung auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. Nur in Fällen, in denen das Täterverschulden soviel geringer ist, dass die Verhängung der  lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens missachten würde, wobei schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen müssen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind, kann auf eine Strafe aus dem in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmten Strafrahmen erkannt werden.

Erschie.t der Angeklagte im Zusammenhang mit einem Drogengeschäft einen von mehreren ihm (wehrlos) gegenübertretenden Kontrahenten aus einer vermeintlichen, die Voraussetzungen des § 33 StGB nicht erfüllenden Drucksituation heraus, spricht es gegen die Anwendung des Strafrahmens aus § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn der Angeklagte selbst wegen Gewalt- und Drogendelikten mehrfach vorbestraft ist, zum Tatzeitpunkt unter Bewährung stand, an dem aktuellen Drogengeschäft selbst beteiligt war und dadurch in vorwerfbarer Weise die Ursache für das weitere Geschehen selbst gelegt hat. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte mit Tötungsabsicht des völlig überraschten Gegners gehandelt und die Tat in einem belebten Innenstadtbereich stattgefunden hat.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 19. August 2020 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Februar 2020 im Strafausspruch aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbenannte Urteil wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen –

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die auf den Strafausspruch beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft führt mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts hingegen zur Aufhebung der Strafe.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erschoss der Angeklagte am 27. Juni 2019 in Tötungsabsicht aus etwa zweieinhalb Metern den unbewaffneten und von dem tödlichen Angriff

völlig überraschten Kr. . Hierzu kam es wie folgt:

Der unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten, Raub, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz vorbestrafte und zu diesem Zeitpunkt unter mehrfacher Bewährung wegen Drogendelikten stehende Angeklagte fuhr im Frühsommer 2019 mit seinem Bekannten Ku. nach Holland, um ihn dort in Kontakt mit einem Drogenlieferanten zu bringen. Ku. schloss mit dem ihm vom Angeklagten vermittelten Lieferanten ein Drogengeschäft unbekannten Umfangs ab. Nach dem Erhalt minderwertiger Ware forderte Ku. vom Angeklagten die Erstattung des von ihm investierten Geldes in Höhe von etwa 12.000 Euro. Der Angeklagte wies die Forderung zurück, weil er als bloßer Vermittler keine Verantwortung für die Qualität der gelieferten Drogen trage. Ku. fühlte sich vom Angeklagten hintergangen und drohte, für ihn tätige „Moldawier“ einzuschalten und den Angeklagten „abknallen“ zu lassen. Ein bis zwei Wochen vor der Tat bedrohte Ku. den Angeklagten mit einem Schraubendreher. Schließlich beauftragte Ku. oder sein Vater den mit ihnen befreundeten Kr. damit, die angebliche Schuld beim Angeklagten einzutreiben. Kr. sprach den ihm aus dem Fitnessstudio bekannten muskulösen russischen Zeugen D. mit der Bitte an, ihn zu einem Treffen mit dem Angeklagten zu begleiten, um eine Drohkulisse aufzubauen und den Druck auf den Angeklagten zu erhöhen. Der Zeuge D. sprach seinerseits seinen ähnlich gebauten Landsmann H. an, der besser deutsch sprach als er. Zusammen mit Kr. wurde vereinbart, dass auch der Zeuge H. an dem Treffen teilnimmt. Am Vorabend der Tat rief der Angeklagte bei dem Vater des Ku. an. Dieser verlangte die Zahlung von etwa 12.000 Euro wegen des missglückten Drogengeschäfts in Holland, erwähnte in diesem Zusammenhang den Namen Kr. und „Serben“, die hergekommen seien, um „die Sache zu klären“. Der Angeklagte versuchte, den Vater davon zu überzeugen, dass er mit der Lieferung schlechter Ware nichts zu tun habe, und nahm an, dass die Angelegenheit damit aufgeschoben sei. Am Tattag erhielt er allerdings gegen 13.30 Uhr einen Anruf von Kr. , der ihm mitteilte, dass er „die Schulden von dem Russen übernommen“ habe – gemeint damit war Ku. – und sich deshalb mit ihm treffen wolle. Der Angeklagte stimmte dem Treffen zu. Allerdings breiteten sich in ihm Furcht und Anspannung aus. Hintergrund war nicht nur das Telefongespräch vom Vortag, sondern auch das letzte Zusammentreffen mit Kr. , der ihm im Sommer 2017 im Rahmen eines Streits um die Rückzahlung von 5.000 Euro eine Pistole an den Kopf gehalten hatte. Trotz seiner Angst wollte er mit Kr. sprechen, um diesen davon zu überzeugen, dass er für die Verluste aus dem Drogengeschäft nicht einzustehen habe. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen zwei Jahre zuvor bewaffnete er sich mit einer geladenen Pistole des Kalibers 45. Gegen 19.00 Uhr trafen die Beteiligten auf dem L. Marktplatz aufeinander. Der Angeklagte war überrascht, dass Kr. nicht alleine gekommen war. Die Zeugen D. und H. stellten sich neben Kr. . Alle drei waren unbewaffnet, weil sie nicht mit einem gewalttätigen Angriff auf dem belebten Platz rechneten. Zwischen dem Angeklagten und Kr. entwickelte sich ein Streitgespräch über die angebliche Forderung, die jetzt schon 20.000 Euro betragen sollte. Als der Angeklagte erneut betonte, dass er das Geld nicht schulde und daher nichts zahle, erwiderte Kr. , dass der Angeklagte sehen werde, was er davon habe. Spätestens jetzt entschloss sich der durch die zahlenmäßig überlegene Gruppe eingeschüchterte Angeklagte dazu, die mitgeführte Waffe zu ziehen. Er war in Sorge, man könne gegen ihn körperlich vorgehen, und wollte eine Schlägerei um jeden Preis vermeiden. Ihm war aber klar, dass keiner der drei unmittelbar zu einem konkreten Angriff ansetzte. In dieser Situation zog er die Pistole, machte wenige Schritte um seine überraschten Gegner herum und schoss zweimal gezielt auf Kr. , um diesen zu töten. Dabei war ihm klar, dass der Angriff sein Opfer und dessen Begleiter völlig unvorbereitet traf. Ihm kam es aber gerade darauf an, etwaigen Attacken seitens der ihm überlegenen Gruppe mit Hilfe eines durch den plötzlichen Einsatz der Schusswaffe erzielten Überraschungseffekts zuvorzukommen und eine Gegenwehr von vorneherein auszuschalten. Kr. verstarb an den Folgen der beiden Treffer noch vor Ort. Nicht ausschließbar war die Tat von mehreren Faktoren motiviert: Zum einen war der Angeklagte empört, mit welcher Vehemenz versucht worden war, die unberechtigte Forderung durchzusetzen. Gleichzeitig wusste er nicht, wie er dem von der Gegenseite aufgebauten Druck begegnen sollte. Angesichts der für ihn überraschenden Gesprächssituation, durch die er sich in die Ecke gedrängt fühlte und sich drei kräftigen Personen gegenübersah, löste all dies bei ihm nicht ausschließbar Gefühle der Angst, Überforderung, Ausweglosigkeit und Verzweiflung aus, auch weil er annahm, einer gewaltsamen Eintreibung der Forderung in Zukunft nicht entkommen zu können. Nach der Tat flüchtete der Angeklagte vom Tatort, wobei er die ihn verfolgenden Zeugen D. und H. abschütteln konnte. In einem Café nahm er SIM-Karte und Akku aus seinem Mobiltelefon, spülte die SIM-Karte die Toilette hinunter und ließ Telefon nebst Akku in den Toilettenräumen zurück. Gegen 20.15 Uhr stellte sich der Angeklagte der Polizei und händigte die Tatwaffe aus. Seine Schuldfähigkeit war bei der Tatbegehung weder aufgehoben noch erheblich eingeschränkt.

2. Das Landgericht hat die Tat als heimtückisch begangenen Mord gewertet. Den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB hat es entsprechend § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB verschoben, weil außergewöhnliche Umstände vorlägen, die eine Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe bei dem hier allein vorliegenden Mordmerkmal der Heimtücke als unverhältnismäßig erscheinen ließe.

II.

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung  beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch. Die Strafzumessung enthält keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten.

III.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat dagegen Erfolg. Zu Recht beanstandet die insoweit beschränkte Revision, dass der Strafausspruch zu Gunsten des Angeklagten Rechtsfehler aufweist. Die Strafrahmenverschiebung in Anwendung der sogenannten „Rechtsfolgenlösung“ hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Der Große Senat für Strafsachen hat – im Anschluss an die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187) – entschieden, dass bei einer Tötung in heimtückischer Begehungsweise stets ein Schuldspruch wegen Mordes zu erfolgen hat und lediglich beim Vorliegen außergewöhnlicher mildernder Umstände eine Strafrahmenverschiebung in entsprechender Anwendung von § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1981 – GSSt 1/81, BGHSt 30, 105, sogenannte „Rechtsfolgenlösung“): Die verfassungskonforme Rechtsanwendung gebiete die Ersetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe durch einen für Strafzumessungserwägungen offenen Strafrahmen, wenn die Tatmodalität der heimtückischen Begehungsweise mit Entlastungsmomenten  zusammentreffe, die zwar nicht nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung zu einer milderen Strafdrohung führten, auf Grund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe aber als mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar erscheine. Dazu gehörten etwa in großer Verzweiflung begangene oder aus gerechtem Zorn auf Grund einer schweren Provokation verübte Taten, ebenso Taten, die in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund hätten. Allerdings könne nicht jeder Entlastungsfaktor, der nach § 213 StGB zur Annahme eines minder schweren Falles zu führen vermöge, genügen. Vielmehr könne das Gewicht des Mordmerkmals der Heimtücke nur durch Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben, so verringert werden, dass jener „Grenzfall“ (BVerfGE 45, 187, 266 f.) eintrete, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich geminderter Schuld unverhältnismäßig wäre. Der Bundesgerichtshof hat in der Folge diese Maßstäbe weiter konkretisiert und dabei insbesondere betont, dass auf die vom Großen Senat für Straf-sachen im Wege verfassungskonformer Rechtsanwendung eröffnete Möglichkeit, anstatt der an sich verwirkten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Strafe aus dem in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmten Strafrahmen zuzumessen, nicht voreilig ausgewichen werden dürfe (BGH, Urteile vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7; vom 23. November 2004 – 1 StR 331/04, NStZ 2005, 154). Vielmehr gilt ein strenger Maßstab (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 – 3 StR 243/05, NStZ-RR 2006, 200, 201). Der Beschluss des Großen Senats für Strafsachen hat nichts daran geändert, dass im Regelfall für eine heimtückisch begangene Tötung auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist. Durch die Entscheidung wurde nicht allgemein ein Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle eingeführt. Die in dem Beschluss entwickelten Grundsätze für die Anwendung des gemilderten Strafrahmens betreffen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr nur solche Fälle, in denen das Täterverschulden soviel geringer ist, dass die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens missachten würde. Es müssen deshalb schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind (vgl. BGH, Urteile vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, aaO; vom 22. September 1983 – 4 StR 369/83, NStZ 1984, 20). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Tat sowie der zu ihr hinführenden Umstände zu prüfen (BGH, aaO).

2. Diesen Maßstäben genügt die angefochtene Rechtsfolgenentscheidung nicht.

a) Das Schwurgericht hat als außergewöhnliche Maßstäbe in diesem Sinne benannt: Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung 2017 und der Drohungen in dem Telefonat mit dem Vater von Ku. sei der Angeklagte verständlicherweise angespannt gewesen. Dies habe sich gesteigert, als er sich bei dem Treffen mit Kr. auf einmal mit den kräftig gebauten Zeugen D. und H. konfrontiert gesehen habe. Daraus habe er nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass die Forderung mit Nachdruck und notfalls unter Einsatz von Gewalt eingetrieben werden sollte. Weil er selbst in das Drogengeschäft verwickelt gewesen sei, aus dem die erpresserische Forderung hergeleitet worden sei, habe die Einschaltung der Polizei für ihn nicht nahe gelegen, weil er sich damit dem Risiko erneuter Strafverfolgung ausgesetzt hätte. Die Grundsätze der Entscheidung des 4. Strafsenats in einem ähnlich gelagerten Erpressungsfall (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1995 – 4 StR 589/94, NStZ 1995, 231) müssten entsprechend gelten. Der Geschädigte sei schon 2017 aggressiv gegen den Angeklagten vorgegangen, während der Angeklagte Konflikte nicht gesucht, sondern im Gespräch habe lösen wollen. Er sei zwar an der Situation „nicht gänzlich schuldlos“ gewesen, weil er das Drogengeschäft vermittelt habe; gleichwohl habe er nicht den Konflikt gesucht. Er habe sich einem zahlenmäßig überlegenen Gegner gegenübergesehen, dem er nicht offen, sondern nur durch Ausnutzung eines Überraschungseffekts habe gegenübertreten können. Wenn er in dieser Drucksituation in Angst und Verzweiflung verfallen sei, erscheine es unangemessen, auf seine spontane, nicht durch Notwehr gerechtfertigte „Überreaktion“ mit der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu reagieren. Zudem handele es sich in verschiedener Hinsicht um einen Grenzfall. Zwar liege eine Notwehrlage ebenso wenig vor wie die Voraussetzungen einer normativ einschränkenden Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Heimtücke. Die vom Angeklagten entwickelte emotionale Anspannung erreiche weder die Intensität eines Affekts noch komme eine Entschuldigung nach § 33 StGB in Frage. Allerdings fehle es insoweit jeweils lediglich an wenigen Umständen. Eine Gesamtschau all dessen lasse es bei einem Abgleich mit sonstigen Fällen heimtückischer Tötungen als unverhältnismäßig erscheinen, die Rechtsfolge des § 211 Abs. 1 StGB anzuwenden.

b) Das Landgericht hat bei dieser Würdigung teilweise den falschen Maßstab angelegt und teilweise wichtige Umstände der Tat außer Acht gelassen:

aa) Ganz entscheidend gegen eine derart strafmildernde Berücksichtigung der konkreten Drucksituation spricht das strafbare Vorverhalten des Angeklagten, das letztlich dem Konflikt zugrunde lag und vom Landgericht bei der Abwägung verschiedener Gesichtspunkte nicht ausreichend in seiner Bedeutung erfasst worden ist. Obwohl der Angeklagte unter zweifacher einschlägiger Bewährung stand, hat er eine strafbare Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB) begangen, indem er Ku. in die Niederlande begleitete und ihm einen Drogenlieferanten für den Erwerb angesichts des Kaufpreises ersichtlich über dem Grenzwert einer nicht geringen Menge liegender und zum Weiterverkauf bestimmter Drogen für etwa 12.000 Euro vermittelte. Da Konflikte um die Qualität des Rauschgifts oder etwaige Rückzahlungen für das kriminelle Drogenmilieu nicht untypisch sind, lag die Ursache für die nachfolgende Entwicklung zunächst allein in einer Straftat des Angeklagten. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte sei deshalb an der weiteren Entwicklung „nicht gänzlich schuldlos“ gewesen, verkennt das Gewicht seines vorwerfbaren Vorverhaltens. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch ganz maßgeblich von dem vom 4. Strafsenat entschiedenen. Während dort der Angeklagte unverschuldet in eine Erpressungssituation geraten war, aus der er keinen Ausweg wusste (vgl. BGH, aaO), war es hier der Angeklagte selbst, der in vorwerfbarer Weise die Ursache für das weitere Geschehen gelegt hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war es dem Angeklagten in dieser Situation auch ohne weiteres zuzumuten, sich staatlicher Hilfe gegen den Erpressungsversuch zu versichern, auch wenn er sich damit womöglich dem Risiko erneuter Strafverfolgung ausgesetzt hätte. Denn dies hatte er letztlich selbst verschuldet. Ein unzulässiger Zwang zur Selbstbelastung geht mit dieser Wertung nicht einher. Stattdessen hat sich der Angeklagte – trotz einschlägig negativer Vorerfahrungen mit Kr. – nicht nur bewusst selbst in Gefahr begeben, indem er sich auf ein Treffen mit diesem einließ, sondern durch die (nach § 52 WaffG strafbare) gezielte Mitnahme einer geladenen Schusswaffe zu dieser potentiell gefährlichen Situation auch deren späteren Einsatz vorbereitet. Dass das heimtückische Handeln des Angeklagten – wie das Landgericht meint – angesichts der Überzahl seiner Gegner in gewisser Weise  „unausweichlich“ gewesen wäre, erschließt sich angesichts dieses Vorverhaltens nicht ohne weiteres.

bb) Außer Acht gelassen hat das Landgericht bei der erforderlichen Gesamtwürdigung auch folgende, in diesem Zusammenhang gegen den Angeklagten sprechende Gesichtspunkte, die der Tat ihr konkretes Gepräge verleihen:

Der Angeklagte hat mit Tötungsabsicht gehandelt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Januar 2018 – 2 StR 150/15, BGHSt 63, 54) und ist bereits mehrfach wegen Gewaltverbrechen vorbestraft. Die Schüsse wurden in der zu dieser Zeit belebten Innenstadt abgegeben. Die Tat war demnach geeignet, das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit ganz besonders gravierend zu stören.

3. Von einer Entscheidung nach § 354 Abs. 1 StPO sieht der Senat ab, um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Schwurgericht im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung eine umfassende neue Prüfung unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze zu ermöglichen (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juni 2019 – 5 StR 128/19).

4. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese rechts-fehlerfrei getroffen worden sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.