StGB § 211 Keine Heimtücke nach Ankündigung

StGB § 211 Keine Heimtücke nach Ankündigung
BGH, Beschl. vom 11.12.2006 - 5 StR 468/06
In der Regel kein Heimtückemord, wenn der Täter seine Tat vorher ankündigt.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2006 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. Juni 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe verurteilt ist,  b) im Strafausspruch aufgehoben. 
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbe­gründet verworfen.   
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n  d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor er­sichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft genannten Gründen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der aus Sizilien stammende Angeklagte dem späteren Tatopfer B. , einem italienischen Wirt, seit 1999 wiederholt nicht unerhebliche Geldbeträge geliehen. Als der Angeklag­te ab 2003 mehrfach auf eine Rückzahlung der Schulden in Höhe von über 10.000 Euro drängte, wurde er von B. immer wieder vertröstet und um neue Darlehen gebeten, die der Angeklagte teilweise auch gewährte. Die freundschaftlichen Beziehungen änderten sich, als der Angeklagte erfuhr, dass B. Mitte 2005 einen Motorradführerschein machte, anstatt seine Schulden zurückzuzahlen. Ende 2005 benötigte der Angeklagte dringend selbst Geld und drang abermals auf das spätere Tatopfer ein, es solle seine Schulden zurückzahlen. Der Angeklagte war deshalb sehr erbost, als   B. ihm Anfang 2006 einen Teilbetrag in Höhe von 700 Euro zahlte, das Geld aber am selben Tag unter Hinweis darauf zurückforderte, es handele sich um Falschgeld. Einige Wochen später (zwei Tage vor der Tat) traf der Angeklagte das spätere Opfer mit einem vor kurzem für mehrere tausend Euro er­worbenen fabrikneuen Motorrad an. Dies versetzte den Angeklagten in große Wut; er fühlte sich von seinem Lands­mann hintergangen. Am Abend des Tattages rief der angetrunkene Angeklagte    B. an und stellte ihn zur Rede, weshalb er seine Schulden nicht zurückzahle. B.   antwortete, der Angeklagte solle „ihn am Arsch le­cken“, er werde ihn mit seinem Geld in einen Mülleimer werfen, sein Geld werde er nicht zurückbekommen. Über diese erstmalig von B. ihm gegenüber ausgesprochenen Beleidigungen war der Angeklagte äußerst wütend; er beschloss, B. zu töten. Er sagte zu dem späteren Tatopfer am Telefon: „Pass auf, mein Freund, ich komme jetzt zu dir ins Restaurant und mach dich platt.“ Diese Ankündigung setzte der Angeklagte wie folgt in die Tat um: Er nahm einen zu Hause aufbewahrten Revolver, lud diesen und ging zu Fuß in das Lokal von B.  . Dort war B.  nach der telefonischen Drohung des Angeklagten merklich ner­vös geworden, was sich jedoch nach einem erneuten Telefonat mit dem Angeklagten, das indes unbekannten Inhalts ist, etwas zu legen schien. Einen tätlichen Angriff erwartete B.    von dem bislang nicht als gewalttätig bekann­ten Angeklagten nicht, sondern er hoffte, diesen beruhigen zu können. Als der Angeklagte das Lokal betrat, grüßte er kurz einige Anwesende und ging direkt auf den am Tresen stehenden B.        zu, wobei er anfänglich seine mitge­führte Schusswaffe unter dem Mantel verbarg. Mit dem Wort „miserable“ zog er im Gehen seine rechte Hand mit der Waffe hervor und schoss aus einer Entfernung von höchstens zwei Metern zielgerichtet auf die Brust von B.  , der hierdurch letztlich tödlich getroffen wurde. Anschließend kam es noch zu weiteren Schüssen.  Dass der Ange­klagte die Arg-und Wehrlosigkeit seines Opfers erkannt und ausgenutzt habe, begründet das Schwurgericht mit dem Tatbild: B.   habe sich nach erster Aufregung wieder etwas beruhigt gehabt und abwartend am Tresen gestan­den. Als der Angeklagte auf ihn zugetreten sei, habe er nicht mit einem Angriff gerechnet. Der Angeklagte habe nicht mit vorgehaltener Waffe das Lokal betreten, sondern die Waffe unter dem Mantel zunächst verborgen gehalten, bis er kurz vor seinem Opfer stand und dieses keine Ausweichmöglichkeit mehr gehabt habe. Dies habe der Ange­klagte auch erkannt und für seine Zwecke ausgenutzt.
2. Die Annahme eines Heimtückemordes begegnet – wie die Revision zu Recht rügt – unter diesen Umständen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere belegen die Feststellungen des Landgerichts nicht tragfähig, dass der An­geklagte in feindlicher Willensrichtung die Arg-und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausgenutzt hat, sich also bei Abgabe des tödlichen Schusses bewusst war, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH NStZ 2003, 535).  Dem steht schon die nach gravierenden Beleidigungen geäußerte Ankündigung des Angeklagten gegenüber dem späteren Opfer entgegen, „ich komme jetzt zu dir ins Restaurant und mach dich platt.“ Zwar mag die Annahme des Landgerichts noch tragfähig sein, der zu Recht wegen dieser Ankündigung besorgte Geschädigte habe sich etwas später wieder beruhigt und deshalb unmit­telbar keinen tödlichen Angriff erwartet. Dem Senat scheint es jedoch gänzlich fernliegend zu sein, dass auch der Angeklagte davon ausgegangen sein soll, er könne nach einer solchen Ankündigung vor dem Hintergrund des voran­gegangenen heftigen Streits noch einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Men­schen überraschen. Die Revision weist vielmehr zu Recht darauf hin, dass derjenige, der heimtückisch handeln will, seine Tat nicht kurz zuvor anzukündigen pflegt.  Da der Angeklagte den gewalttätigen Übergriff unmittelbar ange­kündigt und dementsprechend ausgeführt hat, bedarf die Annahme des notwendigen Ausnutzungsbewusstseins ganz besonderer Umstände (vgl. auch Mosbacher, NStZ 2005, 688, 690). Solche können hier nicht schon darin gesehen werden, dass der Angeklagte beim Betreten des Lokals zunächst die Hand mit der Waffe verborgen hielt und wäh­rend des zielstrebigen Zusteuerns auf sein Opfer kurz einige Gäste grüßte. Denn nur durch ein solches Vorgehen konnte er sicherstellen, dass er weder auf der Straße noch beim Betreten des Lokals von Unbeteiligten an seinem festen Plan gehindert wurde, B.   – wie angekündigt – zu töten.  Der Senat schließt angesichts des Tatablaufs aus, dass das Landgericht das erforderliche Ausnutzungsbewusstsein noch tragfähig feststellen könnte, und ändert deshalb den Schuldspruch von Mord in Totschlag.
3. Aufgrund des neuen Schuldspruchs bedarf die Bemessung der Strafe erneuter schwurgerichtlicher Prüfung auf der Grundlage der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen. Der neue Tatrichter wird hierzu allenfalls solche ergän­zenden Feststellungen treffen können, die den bisherigen nicht widersprechen. 
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