StGB § 211 Mord, Verdeckungsabsicht
StGB § 211 Mord, Verdeckungsabsicht
Zwar kommt die Annahme von Verdeckungsabsicht im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Tod des Opfers nicht mit direktem Vorsatz angestrebt, sondern nur bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wird. Voraussetzung ist aber stets, dass die Verdeckungshandlung selbst nach der Vorstellung des Täters Mittel der Verdeckung sein soll. Wenn der Täter annimmt, eine Aufdeckung der anderen Straftat werde unabhängig von der Verdeckungshandlung und von deren Tötungserfolg nicht eintreten, fehlt es an der erforderlichen (vorgestellten) Kausalität einer möglicherweise objektiv "verdeckenden" Handlung für den subjektiv angestrebten Erfolg.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. August 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 28. Dezember 2009, auch soweit es den Mitangeklagten T. betrifft, a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten T. und F. wegen besonders schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten Totschlags verurteilt sind; b) soweit es den Angeklagten F. betrifft, im Ausspruch über die wegen versuchten Mordes verhängte Einzelstrafe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; c) soweit es den Angeklagten T. betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
1. Das Landgericht hatte in einem ersten Urteil vom 11. September 2008 die Angeklagten F. und T. wegen schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und den Mitangeklagten B. wegen Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.
a) Dem lagen folgende Feststellungen zugrunde: Die Angeklagten F. und T. kamen in der Nacht vom 21. auf 22. Dezember 2007 über-ein, den schwer betrunkenen Nebenkläger R., der am Tag zuvor aus der Haft entlassen worden war und, wie die Angeklagten zufällig erfahren hatten, eine Bargeldsumme von 11.300 € bei sich führte, zu berauben. Auf mehrfache telefonische Aufforderung beider Angeklagten erklärte sich der Mitangeklagte B. bereit, hieran mitzuwirken; er begab sich daraufhin mit seinem Pkw zum Bahnhofsvorplatz in W. , wo er die Mitangeklagten traf. Als der Nebenkläger gegen 2.30 Uhr eine Gaststätte verließ, boten ihm die Angeklagten vorgeblich an, ihn nach Hause zu fahren. Stattdessen brachten sie das Tatopfer in einen Wald, in den sie von einem Parkplatz aus noch etwa 400 m weit hinein fuhren. Während B. im Fahrzeug sitzen blieb, zerrten F. und T. den Geschädigten aus dem Pkw und schlugen und traten auf ihn ein; F. versetzte ihm Schläge mit einer massiven, 40 cm langen Taschenlampe. Sodann nahmen sie dem am Boden liegenden Geschädigten das mitgeführte Bargeld ab. Sie befragten ihn, ob er das Kennzeichen des Pkw erkannt habe, und äußerten, als er dies verneinte, das sei "gut für ihn". Der Angeklagte B. wusste vom Einsatz der Taschenlampe nichts. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass der Geschädigte nicht über ein Mobiltelefon verfügte, fuhren die Angeklagten nach W. zurück, wo sie die Beute teilten. Den Geschädigten ließen sie im Wald zurück. Hierbei gingen sie davon aus, dass der Nebenkläger trotz seiner Verletzungen und trotz der Außentemperatur von ca. minus 8 Grad Celsius die Strecke von ca. 400 m zur Straße würde zurücklegen und dort Hilfe finden würde. Tatsächlich gelang es dem stark übergewichtigen (BMI: 53) Geschädigten nicht, aus dem Wald herauszugelangen. Er fiel in einen Graben und wurde dort in unterkühltem Zustand gegen 7.30 Uhr von einem Jogger gefunden und gerettet. In den Morgenstunden des 22. Dezember 2007 fragte der Angeklagte T. den Angeklagten F., ob man nicht noch einmal in den Wald fahren solle, um nachzuschauen, ob der Geschädigte vielleicht verstorben sei. Hierauf antwortete F., dies sei doch "scheiß egal", denn es werde sowieso niemand von der Tat erfahren; damit gab sich T. zufrieden. Beide hielten es dabei für möglich, dass der Geschädigte noch am Leben sei, aber infolge seiner Verletzungen nicht mehr aus dem Wald hinausgelangen und versterben könne; das nahmen sie billigend in Kauf, um die Raubtat zu verdecken.
b) Das Landgericht hatte wegen des Raubs den Angeklagten F. zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren, gegen den Angeklagten T. unter Einbeziehung eines früheren Urteils eine Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten B. eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt; gegen F. wurde eine Maßregel nach § 64 StGB und ein Vorwegvollzug von drei Jahren der Strafe vor der Maßregel angeordnet. An der Aburteilung des Geschehens am Morgen des 23. Dezember 2007 sah das Landgericht sich gehindert, weil es von der zugelassenen Anklage nicht umfasst sei. c) Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 20. Mai 2009 -2 StR 85/09 (NJW 2010, 168) - aufgehoben, die Feststellungen zum äußeren Tatablauf aber aufrechterhalten. Nach Auffassung des Senats war auch das Geschehen am Morgen nach der Tat vom Anklagevorwurf erfasst (§ 264 Abs. 1 StPO) und hätte daher abgeurteilt werden müssen.
2. Das Landgericht hat in der neuen Hauptverhandlung hierzu ergänzend unter anderem festgestellt, die Angeklagten hätten, als sie vom Tatort wegfuhren, den Geschädigten R. für fähig gehalten, sich zur Straße zu begeben und Hilfe zu erlangen. Bei dem Gespräch in den Morgenstunden hätten die Angeklagten T. und F. den für möglich gehaltenen Tod des Geschädigten hingegen billigend in Kauf genommen; er sei ihnen "als willkommene Folge ihres Tuns (erschienen), weil sie dann sicher sein konnten, dass ihre Tat nicht entdeckt werde" (UA S. 34). Die Angeklagten hätten "den Tod des Geschädigten nicht als zwingend zur Verdeckung der Raubtat angesehen" (UA S. 40); bei anonymer Alarmierung eines Notarztes hätten sie ihre Beteiligung an der Raubtat nicht zwingend offenbaren müssen (UA S. 39). Das Landgericht hat die Angeklagten T. und F. daher nur wegen schweren Raubs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB) sowie wegen versuchten Verdeckungsmordes (§§ 211, 22 StGB) verurteilt. Für die Raubtat hat es gegen F. eine Einzelfreiheitsstrafe von acht Jahren, für den versuchten Mord -unter dreifacher Milderung des Strafrahmens gemäß §§ 13 Abs. 2, 21, 23 Abs. 2 StGB, jeweils in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB - eine Einzelstrafe von vier Jahren verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten gebildet. Den Angeklagten T. , der nicht revidiert, hat es zur Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten (einbezogen drei frühere Urteile) verurteilt, den Angeklagten B. , der ebenfalls nicht revidiert, wegen Raubs (§ 249 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Von einer Maßregelanordnung gegen den Angeklagten F. hat das Landgericht abgesehen, weil es eine konkrete Erfolgsaussicht nicht feststellen konnte (UA S. 55); gegen den Mitangeklagten T. wurden nun eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie der Vorwegvollzug von zwei Jahren und neun Monaten der Jugendstrafe angeordnet.
3. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten F. hat teilweise Erfolg und führt insoweit zur Erstreckung auch auf den Mitangeklagten T. gemäß § 357 StPO.
a) Dass das Landgericht den Angeklagten nicht auch wegen lebensgefährdenden besonders schweren Raubs (§ 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB), wegen Aussetzung (§ 221 StGB) und wegen gefährlicher Körperverletzung durch lebensgefährliche Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) verurteilt hat, weil es rechtsfehlerhaft annahm, das Nichtvorliegen bedingten Tötungsvorsatzes schließe auch den subjektiven Tatbestand dieser Vorschriften aus (UA S. 37), beschwert den Angeklagten nicht.
b) Die Verurteilung wegen versuchten (Verdeckungs-) Mordes hält, wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, rechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar kommt die Annahme von Verdeckungsabsicht im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Tod des Opfers nicht mit direktem Vorsatz angestrebt, sondern nur bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wird (vgl. BGHSt 41, 358, 359 ff.; BGH NJW 1992, 583 f.; 1999, 1039 f.; 2000, 1730 f.; NStZ 2004, 495, 496), wenn nicht im Einzelfall der Tod des Opfers sich als zwingend notwendige Voraussetzung einer Verdeckung darstellt (vgl. Fischer, StGB, 57 Aufl., § 211 Rn. 79). Voraussetzung ist aber stets, dass die Verdeckungshandlung selbst nach der Vorstellung des Täters Mittel der Verdeckung sein soll (vgl. Schneider in Müko, StGB, § 211 Rn. 196). Wenn der Täter annimmt, eine Aufdeckung der anderen Straftat werde unabhängig von der Verdeckungshandlung und von deren Tötungserfolg nicht eintreten, fehlt es an der erforderlichen (vorgestellten) Kausalität einer möglicherweise objektiv "verdeckenden" Handlung für den subjektiv angestrebten Erfolg. So lag es hier. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der für möglich gehaltene -bereits eingetretene oder noch eintretende - Tod des Tatopfers den Tätern gerade deshalb "scheiß egal", weil dieser Erfolg für die Frage einer möglichen Aufdeckung ihrer Beteiligung an der Raubtat ohne Bedeutung war. Sie gingen davon aus, das Opfer habe sie nicht erkannt und werde sie auch im Fallseines Überlebens nicht identifizieren können. Es fehlt daher an den subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht. Da weitere Feststellungen insoweit ausgeschlossen erscheinen, hat der Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts den Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte nur des versuchten Totschlags schuldig ist.
c) Da die Voraussetzungen des § 357 StPO gegeben sind, war die Schuldspruchänderung auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten T. zu erstrecken.
d) Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der Einzelstrafe wegen versuchten Mordes und der Gesamtstrafe beim Angeklagten F. sowie der Einheitsjugendstrafe beim Angeklagten T.. Obgleich das Landgericht das Schwergewicht der Schuld in der Raubtat gesehen hat, lässt sich das Beruhen der im Ergebnis verhängten Strafen auf dem Rechtsfehler nicht ausschließen. Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten T. in einer Entziehungsanstalt war im Hinblick auf § 5 Abs. 3 JGG aufzuheben; der neue Tatrichter hat über die Rechtsfolge insgesamt neu zu entscheiden.