StGB § 211 Versuchter Verdeckungsmord durch Unterlassen – Fehlbehandelter Palliativpatient
BGH, Urt. v. 19.08.2020 – 1 StR 474/19
Zum versuchten Verdeckungsmord durch Unterlassen nach Medikamentenverwechslung bei einem Palliativpatienten durch Pflegekräfte (amtl. LS).
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. August 2020 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. Mai 2019 – unter Erstreckung auf die Mitangeklagten D. und P. – mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
A.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
I. Die Angeklagte ist staatlich geprüfte Altenpflegerin und war als Wohnbereichsleiterin im Alten und Pflegeheim S. in M. tätig. Dort war sie unter anderem für die Pflege des im Jahr 1950 geborenen Palliativpatienten und Geschädigten A. zuständig. Der Geschädigte befand sich seit dem 12. November 2015 in vollstationärer Unterbringung im Wohnbereich des Pflegeheims. Nach einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt kehrte der schwerstkranke und schwerstpflegebedürftige Geschädigte, der unter unheilbaren Beschwerden litt, auf seinen Wunsch am 20. April 2016 in das Pflegeheim zurück. Bei dem Geschädigten bestand unter anderem eine dekompensierte schwerste Herzinsuffizienz, ein fortgeschrittenes Karzinom der Schilddrüse mit diffuser Knochenmetastasierung, eine Nierenschädigung mit Nierenmetastasen, eine Stauungspneumonie mit erheblicher Schädigung der Lunge sowie schwersten Einschränkungen des Bewegungsapparates. Er wurde zumindest für die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt – im Einklang mit seiner Patientenverfügung vom 11. Juli 2013 – palliativmedizinisch versorgt mit Schmerzmedikamenten, unter anderem Morphium, und befand sich in der „Terminalphase seiner Erkrankung“.
Am 7. Mai 2016 erhielt der Geschädigte im Rahmen der Essensausgabe gegen 11.30 Uhr versehentlich die Medikamente, die für die Mitpatientin H. bestimmt waren, darunter das blutdrucksenkende Mittel „Valsartan“. Die Gabe dieses Medikaments konnte den kritischen Zustand des Geschädigten verstärken und lebensbedrohliche Komplikationen dadurch herbeiführen, dass ein Blutdruckabfall die ohnehin eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Nieren weiter beeinträchtigen sowie bei der bestehenden Herzinsuffizienz den Eintritt eines Herzinfarktes begünstigen konnte.
Die Angeklagte hatte zu dieser Zeit gemeinsam mit der nicht revidierenden Mitangeklagten D. Dienst, wobei ihr die Funktion der Schichtleiterin zukam. Sie hatte die Medikamente entgegen dem damaligen Sicherheitsstandard und den hausinternen Anweisungen nicht in dem beschrifteten Dispenser belassen, sondern in kleine Becher umgefüllt. Die Mitangeklagte D. stellte die Becher in Anwesenheit der Angeklagten jeweils auf das Essenstablett. Wer von beiden letztlich die Medikamente verwechselte, konnte das Landgericht nicht klären. Die Verwechslung wurde dadurch bemerkt, dass die Patientin H. die Angeklagte alsbald nach der Essensausgabe darauf hinwies, dass sie die falschen Medikamente erhalten habe. Der Geschädigte hatte die Medikamente zu diesem Zeitpunkt bereits eingenommen.
Der Angeklagten und der Mitangeklagten D. war bewusst, dass sie bei einer Medikamentenverwechslung sofort einen Arzt hätten informieren müssen, damit dieser gegebenenfalls Gegenmaßnahmen in die Wege hätte leiten können. Sie unterließen jedoch die Benachrichtigung eines Arztes. Bei der Schichtübergabe gegen 13.30 Uhr unterrichtete die Angeklagte den nicht revidierenden weiteren Mitangeklagten P. über die Medikamentenverwechslung. Die Frage des Mitangeklagten P. , ob schon ein Arzt informiert sei, verneinte die Angeklagte und äußerte, dass dies nicht nötig sei; man solle zunächst abwarten und er solle öfter nach dem Gesundheitszustand des Geschädigten sehen. Nach einem weiteren Gespräch zwischen der Angeklagten und dem Mitangeklagten P. informierte sich dieser selbst über den Gesundheitszustand des Geschädigten und stellte fest, dass der Geschädigte insbesondere an einem auffallend niedrigen Blutdruck litt. In einem anschließenden Telefonat mit der Angeklagten berichtete er von dem verschlechterten Zustand und über seine Pflicht, jetzt einen Arzt zu informieren. Die Angeklagte entgegnete: „Spinnst du, die sperren mich ein“ und bemerkte zudem, sie hoffe, dass der Geschädigte endlich sterben könne. Gegen 15.21 Uhr informierte der Mitangeklagte P. die spezialisierte ambulante Palliativversorgung und berichtete der Krankenschwester über die Zustandsverschlechterung des Patienten, ohne die Medikamentenverwechslung zu erwähnen. Am 9. Mai 2016 unterrichtete der Mitangeklagte P. eine Arztpraxis über den schlechten Gesundheitszustand des Geschädigten. Bei der nachfolgenden Untersuchung erfolgte wiederum kein Hinweis auf die Falschmedikation. Erst am 11. Mai 2016 informierte der Mitangeklagte P. den zuständigen Hausarzt T . bei einem Besuch über die Medikamentenverwechslung.
T. entschied aufgrund des schlechten Zustands des Geschädigten, diesem lediglich eine Palliativversorgung – vor allem mit schmerzlindernden Medikamenten – zukommen zu lassen. Der Geschädigte verstarb am 14. Mai 2016.
Die Todesursache konnte im Nachhinein nicht geklärt werden, da der Leichnam des Geschädigten bereits verbrannt war. Plausible Todesursache ist aufgrund der Vorerkrankungen und der Krankheitssymptome in der Zeit vom 7. bis 14. Mai 2016 ein Nierenoder Herzversagen aufgrund eines am 9. Mai 2016 erlittenen Herzinfarkts. Naheliegend ist, dass die am 7. Mai 2016 fehlerhaft verabreichten Medikamente maßgeblichen Einfluss auf den Todeseintritt hatten, wobei eine derartige Kausalität nicht nachgewiesen werden konnte.
II. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen versuchten Mordes durch Unterlassen angenommen. Die Angeklagte habe – wie ihr bewusst gewesen sei – keine Kenntnis davon gehabt, welche konkreten Wirkungen und Nebenwirkungen die falschen Medikamente auf den Gesundheitszustand des Geschädigten entfalten konnten. Sie habe seit Kenntniserlangung von der Medikamentenverwechslung jedoch damit gerechnet, dass diese den Tod beschleunigen oder gar verursachen könnte und der Tod möglicherweise nur durch schnelle, ärztlich eingeleitete Gegenmaßnahmen zu verhindern wäre. Die Angeklagte habe einen tödlichen Verlauf billigend in Kauf genommen, um die Fehlmedikation, die zudem pflichtwidrig nicht in der Krankenakte des Geschädigten dokumentiert wurde, zu vertuschen.
B. I. Da die Revision mit der Sachrüge vollumfänglich Erfolg hat, kommt es auf die ebenfalls erhobene Verfahrensrüge nicht an.
II. Der Schuldspruch wegen versuchten Mordes durch Unterlassen hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Bereits die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement).
Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urteile vom 18. Juni 2020 – 4 StR 482/19 Rn. 22 und vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07 Rn. 11, jeweils mwN). Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht. Bei der Gesamtwürdigung hat das Tatgericht auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. insgesamt BGH, Urteile vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88 Rn. 19 mwN und vom 26. November 2014 – 2 StR 54/14 Rn. 20 f.; Beschluss vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13 Rn. 11).
b) Diese Grundsätze gelten sowohl für Begehungsdelikte als auch für Unterlassungstaten (vgl. LK-StGB/Weigend, 13. Aufl., § 13 Rn. 73; SSW-StGB/Kudlich, 4. Aufl., § 13 Rn. 37 mwN). Gegenstand des Vorsatzes müssen bei Unterlassungen neben der Untätigkeit die physisch-reale Handlungsmöglichkeit, der Eintritt des Erfolges, die Quasi-Kausalität sowie die die objektive Zurechnung begründenden Umstände sein (vgl. SSW-StGB/Kudlich, 4. Aufl., § 13 Rn. 38). Hinsichtlich der hypothetischen Kausalität genügt bedingter Vorsatz dahingehend, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, sein Eingreifen könne den Erfolg abwenden (vgl. BGH, Urteile vom 4. Juli 1984 – 3 StR 96/84, BGHSt 32, 367, 370; vom 16. Februar 2000 – 2 StR 582/99 Rn. 18 f. und vom 11. April 2001 – 3 StR 456/00, BGHSt 46, 373, 379; implizit auch Urteil vom 6. Mai 1960 – 4 StR 117/60, BGHSt 14, 282, 284; Beschlüsse vom 3. Mai 1984 – 4 StR 266/84 Rn. 4 und vom 13. Juni 2002 – 4 StR 51/02 Rn. 6; Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 2003, § 31 Rn. 186; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 13 Rn. 87; LK-StGB/Weigend, 13. Aufl., § 13 Rn. 73; SSWStGB/ Kudlich, 4. Aufl., § 13 Rn. 38).
c) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beweiswürdigung der Schwurgerichtskammer zur Frage einer bedingt vorsätzlichen Tötung rechtsfehlerhaft. Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näher liegend gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 31. Oktober 2019 – 1 StR 219/17 Rn. 49 und vom 16. August 2012 – 3 StR 237/12 Rn. 6).
d) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, da sich das Landgericht nicht hinreichend mit den für die Feststellung eines bedingten Vorsatzes der Angeklagten wesentlichen Umständen auseinandergesetzt hat.
aa) Hinsichtlich des Wissenselements des bedingten Vorsatzes hat das Landgericht allerdings ohne Rechtsfehler maßgeblich darauf abgestellt, dass die Angeklagte wusste, dass es sich um einen schwerstkranken Patienten handelte. Die Angeklagte sei eine äußerst erfahrene Pflegekraft, der sich – auch in dem Bewusstsein, dass sie mangels medizinischer Kenntnisse die Gefahr im Konkreten nicht zutreffend erfassen konnte – die abstrakte Gefahrenlage für das Leben des Patienten durch die Medikamentenverwechslung geradezu aufdrängen musste. Soweit der Generalbundesanwalt die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Wissenselement des bedingten Vorsatzes beanstandet, nimmt er letztlich eine eigene Beweiswürdigung unter abweichender Gewichtung der Beweisumstände vor, die revisionsrechtlich unbehelflich ist. Die Schwurgerichtskammer hat den Umstand gesehen, dass die Standardmedikation des Geschädigten bereits blutdrucksenkende Mittel umfasste, da es ausgeführt hat, dass nach den Angaben der toxikologischen Sachverständigen die blutdrucksenkende Wirkung des Medikaments „Valsartan“ im Zusammenwirken mit der Standardmedikation deutlich verstärkt worden sei (UA S. 72). Ausgehend von dem äußerst kritischen Gesundheitszustand des Geschädigten („Terminalphase seiner Erkrankung“, UA S. 14) konnte das Landgericht aufgrund der Gabe der nicht indizierten Medikamente ohne Rechtsfehler annehmen, dass die Angeklagte als sehr erfahrene Pflegekraft mit einem möglichen Todeseintritt rechnete.
bb) Zu Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht auf die Maßstäbe abgehoben, die der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung zum sog. Göttinger Organspende- Fall aufgestellt hat. Der 5. Strafsenat hat in dieser Entscheidung für die Konstellation der hypothetischen Kausalität – hinsichtlich des Wissenselements des Vorsatzes – verlangt, dass dem Täter bewusst sein muss, dass der (Rettungs-)Erfolg mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit eintreten würde (BGH, Urteil vom 28. Juni 2017 – 5 StR 20/16, BGHSt 62, 223 Rn. 55). Mit diesen Anforderungen formuliert der 5. Strafsenat im Ergebnis eine Änderung der Rechtsprechung zum Vorsatz in allen Fällen, in denen – wie bei pflichtwidrigem Unterlassen oder einem Eingriff in einen rettenden Kausalverlauf – bei der rechtlichen Bewertung ein hypothetischer Kausalverlauf an die Stelle einer durch aktives Tun tatsächlich in Gang gesetzten Kausalkette tritt. Die Verengung des Vorsatzes auf sicheres Wissen über hypothetische Kausalverläufe bedeutet eine grundlegende Abkehr von der bisher geltenden Dogmatik insbesondere in Unterlassungsfällen (vgl. Rissingvan Saan/Verrel, NStZ 2018, 57, 65 f.; Hoven, NStZ 2017, 707, 708). Insoweit reicht nach der bisherigen Rechtsprechung bei dem Versuch eines Totschlags nach § 212 StGB bei einer Tatbegehung durch aktives Tun ebenso wie durch Unterlassen aus, dass der Täter den Eintritt des Todes nur für möglich hält.
Einen Grund für eine Modifikation der Anforderungen an den Vorsatz bei hypothetischen Kausalverläufen und damit auch für eine Differenzierung der Vorsatzerfordernisse bei aktivem Tun und bei Unterlassen nennt der 5. Strafsenat nicht; ein solcher ist auch nicht erkennbar. Die vom 5. Strafsenat zitierten Entscheidungen stützen nicht seine These, der Vorsatz verlange in Fällen der „Quasi-Kausalität“ ein sicheres Wissen des Täters dahingehend, dass der (Rettungs-)Erfolg mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit eintreten würde (BGH, Urteil vom 28. Juni 2017 – 5 StR 20/16, BGHSt 62, 223 Rn. 55 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 28. Juli 1970 – 1 StR 175/70, MDR 1971, 361, 362 [bei Dallinger] und „wohl auch“ Beschluss vom 6. März 2007 – 3 StR 497/06, NStZ 2007, 469; siehe im Einzelnen dazu Hoven, NStZ 2017, 707 f.; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 22 Rn. 31a f.). Der 5. Strafsenat vermischt vielmehr Fragen des Vorsatzes mit Fragen des Beweismaßes für die Feststellung der – dem objektiven Tatbestand zuzuordnenden – (hypothetischen) Kausalität (vgl. nur Rissing-van Saan/Verrel, NStZ 2018, 57, 65 f.; Haas, HRRS 2016, 384, 395 f.; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 13 Rn. 87; § 22 Rn. 31a f.; LK-StGB/Weigend, 13. Aufl., § 13 Rn. 73; Hoven, NStZ 2017, 707, 708; Greco, GA 2018, 539 ff.).
Da der bedingte Tötungsvorsatz – wie nachfolgend ausgeführt – bereits auf der Grundlage der Definition der bisherigen Rechtsprechung nicht ausreichend begründet ist, bedarf es einer Anfrage bei dem 5. Strafsenat gemäß § 132 GVG nicht.
cc) Die Beweiswürdigung zum Willenselement des bedingten Vorsatzes begegnet rechtlichen Bedenken. Die Schwurgerichtskammer hat bei der Gesamtwürdigung nicht berücksichtigt, dass die Angeklagte den Mitangeklagten P. bei der Schichtübergabe gegen 13.30 Uhr über die Medikamentenverwechslung unterrichtete und diesen aufforderte, öfter nach dem Gesundheitszustand des Geschädigten zu sehen. Dieser Gesichtspunkt könnte – auch vor dem Hintergrund, dass ein weiterer Mitwisser geschaffen wurde – gegen die billigende Inkaufnahme eines Todeseintritts durch die Angeklagte sprechen. Zudem wäre in den Blick zu nehmen, dass für ein Kaschieren der Medikamentenverwechslung das Eintreten des Todes des Geschädigten nicht erforderlich war, der Angeklagten vielmehr daran gelegen sein konnte, dass der Tod gerade nicht eintritt. Mit diesen vorsatzkritischen Umständen hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt, vielmehr maßgeblich auf das Erkennen der Gefährlichkeit der eingetretenen Situation sowie die – spätere – Äußerung gegenüber dem Mitangeklagten P. , „sie hoffe, dass der Geschädigte endlich sterben könne“ (UA S. 17) abgehoben. Bei einer Gesamtschau dieser Umstände wird deutlich, dass Anhaltspunkte für eine ambivalente Haltung der Angeklagten zu dem Eintritt des Todes des ihrer Obhut und Pflege anvertrauten Patienten vorliegen könnten, die das Landgericht nicht erörtert hat.
2. Auch die Annahme des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht gemäß § 211 Abs. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter die Tötungshandlung vornimmt oder – im Falle des Unterlassens – die ihm zur Abwendung des Todeseintritts gebotene Handlung unterlässt, um dadurch eine „andere“ Straftat zu verdecken. Dabei schließen sich Verdeckungsabsicht und bedingter Tötungsvorsatz nicht grundsätzlich aus. So kommt die Annahme von Verdeckungsabsicht im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Tod des Opfers nicht mit direktem Vorsatz angestrebt, sondern nur bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wird, wenn nicht im Einzelfall der Tod des Opfers sich als zwingend notwendige Voraussetzung einer Verdeckung darstellt (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 1 StR 160/18 Rn. 12 mwN). Voraussetzung ist aber stets, dass die Verdeckungshandlung selbst nach der Vorstellung des Täters Mittel der Verdeckung sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 1 StR 160/18 Rn. 12; MükoStGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 245 f.). Nach den Feststellungen unterließ es die Angeklagte, einen Arzt herbeizurufen, um die Fehlmedikation zu vertuschen, da sie deshalb arbeitsrechtliche Konsequenzen für sich und die Mitangeklagte D. befürchtete. Dabei war ihr bewusst, dass die Medikamentenverwechslung den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt. Demgemäß war das Unterlassen selbst Mittel der Verdeckung, wobei für die Verdeckung der Fehlmedikation und damit der fahrlässigen Körperverletzung der Eintritt des Todes nicht zwingend notwendig war.
b) Allerdings liegt ein Rechtsfehler darin, dass das Landgericht andere Beweggründe für das Unterlassen der Angeklagten nicht gesehen und erörtert hat, die der Annahme des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht entgegenstehen. Kommen bei der Prüfung der subjektiven Mordmerkmale verschiedene, möglicherweise zusammenwirkende Motive des Täters in Betracht (sogenanntes Motivbündel), hat das Tatgericht sämtliche wirkmächtigen Elemente in seine Würdigung einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2004 – 1 StR 286/04 Rn. 16; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 211 Rn. 68c). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den Verdeckungsmord anerkannt, dass auch die Absicht, durch Tötung eine Entdeckung früherer Straftaten zu vermeiden, mit anderen Beweggründen zusammenfallen kann; sie muss aber für sich gesehen Triebfeder des Täterhandelns sein (vgl. BGH, Urteile vom 6. Oktober 2004 – 1 StR 286/04 Rn. 16; vom 8. Juli 1975 – 5 StR 257/75, MDR bei Dallinger 1976, 15 und vom 8. November 1983 – 5 StR 517/83 Rn. 14). Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte in einem Telefonat am 7. Mai 2016 gegen 15.00 Uhr gegenüber dem Mitangeklagten P. bemerkte, sie hoffe, dass der Geschädigte endlich sterben könne (UA S. 17). Darin kann ihre – möglicherweise altruistische – Haltung zum Ausdruck kommen, letztlich dem Willen des Geschädigten nachzukommen, der nach den Feststellungen nur noch eine palliativmedizinische Behandlung wünschte. Damit hat die Schwurgerichtskammer ein weiteres mögliches Motiv für das Nichtunterrichten eines Arztes von der Fehlmedikation festgestellt. Das Landgericht hat dieses Motiv jedoch nicht bei der Prüfung der Verdeckungsabsicht erwähnt (UA S. 93). Vielmehr hat es ausgeführt, dass letztlich keine anderen überzeugenden Motive für das Verhalten der Angeklagten ersichtlich seien. Damit ist die Würdigung des Landgerichts hinsichtlich eines möglichen Motivbündels und des tatbeherrschenden Ziels lückenhaft.
3. Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zum Tatgeschehen zu ermöglichen.
4. Die Urteilsaufhebung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die Mitangeklagten D. und P. zu erstrecken, die kein Rechtsmittel eingelegt haben. Sie sind von der Gesetzesverletzung ebenso betroffen. Da das Landgericht die Annahme eines Tötungsvorsatzes bei diesen Mitangeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung vom Vorliegen des Tötungsvorsatzes bei der Angeklagten ableitet, fehlt den Feststellungen des Landgerichts auch insoweit eine tragfähige Beweisgrundlage (vgl. zu diesem Erstreckungsgrund BGH, Beschlüsse vom 15. April 2013 – 3 StR 35/13 Rn. 11 mwN und vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13 Rn. 17; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 357 Rn. 5; LRStPO/ Franke, 26. Aufl., § 357 Rn. 14).
III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Das neue Tatgericht wird den Umstand, dass die Angeklagte nach den Feststellungen die gebotene Handlung auch deshalb unterließ, damit der Geschädigte endlich sterben könne (UA S. 17), – gegebenenfalls auch unter Irrtumsgesichtspunkten – näher in den Blick zu nehmen haben. In diesem Zusammenhang könnte auch die vom Landgericht zwar erwähnte, aber nicht näher dargestellte Patientenverfügung des Geschädigten vom 11. Juli 2013 Bedeutung erlangen. Insoweit wäre allerdings zu bedenken, dass Festlegungen in einer Patientenverfügung oder – bei nicht hinreichendem Situationsbezug der Anordnungen – weitergehend ein Handeln in Übereinstimmung mit dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen nur bei dessen Einwilligungsunfähigkeit relevant werden (vgl. MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl., Vorbem. zu § 211 Rn. 135 ff.). Eine erhalten gebliebene Einwilligungsfähigkeit des Geschädigten liegt hier nach den Feststellungen aber nicht fern, da der Geschädigte, bei dem geistige Einschränkungen durch die Erkrankungen nicht vorlagen, noch am 20. April 2016 selbst entschieden hat, in das Alten und Pflegeheim zurückzukehren und sich dort palliativ versorgen zu lassen, und überdies noch in der Lage war, die ihm übergebenen Medikamente selbständig zu nehmen.
Nur dann, wenn eine selbstbestimmte Entscheidung des Geschädigten nicht mehr erreichbar gewesen wäre, stellt sich die Frage, ob eine Rechtfertigung nach den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof für einen rechtfertigenden Behandlungsabbruch in Übereinstimmung mit dem (mutmaßlichen) Patientenwillen entwickelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 – 2 StR 454/09, BGHSt 55, 191 Rn. 12 ff.; Beschluss vom 10. November 2010 – 2 StR 320/10 Rn. 10 ff.; Eser/ Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, in StGB, 30. Aufl., Vorbem. zu §§ 211 ff. Rn. 28 ff.; Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, 3. Aufl., § 216 StGB Rn. 6 ff.), für Fälle der Zustandsverschlechterung nach einer Medikamentenverwechslung überhaupt in Betracht kommen kann. Dies ist für solche Situationen, in denen der Betroffene bereits palliativ-medizinisch versorgt wird, zu bejahen, so dass es auf die Festlegungen in der Patientenverfügung ankäme, die grundsätzlich auch das Pflegepersonal binden (vgl. Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, 3. Aufl., § 216 StGB Rn. 19; Palandt/Götz, BGB, 79. Aufl., § 1901a Rn. 24). Jedenfalls ist der Senat für die hier vorliegende Sachverhaltsgestaltung – unabhängig von der weiteren umstrittenen Frage, ob die Einhaltung des in § 1901a Abs. 1 und 2, § 1901b, § 1904 BGB vorgesehenen Verfahrens, welches ein bestimmtes Vorgehen zwischen Arzt und Bevollmächtigtem oder Betreuer vorsieht, Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Strafbefreiung ist (vgl. wohl zu Recht ablehnend etwa Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., Vorbem. zu §§ 211 ff. Rn. 28j; Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, 3. Aufl., § 216 StGB Rn. 22 und § 223 StGB Rn. 61 jeweils mwN zum Streitstand; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2017 – XII ZB 604/15, NJW 2017, 1737, 1738 Rn. 14 f.; anderer Auffassung BGH, Beschluss vom 10. November 2010 – 2 StR 320/10 Rn. 12; offen gelassen BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 – 2 StR 454/09, BGHSt 55, 191 Rn. 25) – der Auffassung, dass eine Pflegekraft die Entscheidung, dass keine weitere Behandlung stattfindet, nur in Absprache mit einem Arzt, der allein die medizinische Indikation von möglichen Behandlungsmaßnahmen nach der Medikamentenverwechslung zu bestimmen hat, treffen durfte.