StGB § 22, § 243, 244 Versuchsbeginn beim Wohnungseinbruchsdiebstahl. BGH, Urt. v. 19.05.21 – 6 StR 28/21
Beim Wohnungseinbruchdiebstahl liegt regelmäßig ein Versuchsbeginn vor, wenn der Täter beim Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens (hier: Einwerfen einer Fensterscheibe) beabsichtigt, sich in direktem Anschluss daran in die Wohnung zu begeben und daraus stehlenswerte Gegenstände zu entwenden.
Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2021 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 8. Oktober
2020 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit Diebstahl und mit Sachbeschädigung sowie wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls im Fall 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung stand.
1. Nach den dazu getroffenen Feststellungen entschloss sich der Angeklagte in der Tatnacht, gewaltsam in ein Wohnhaus einzudringen, um daraus Wertgegenstände zu entwenden. Er warf mit einem Stein ein Loch in eine Glasscheibe des von dem Haus frei zugänglichen Wintergartens, um
durch das Loch hineinzugreifen, die Klinke des Fensters herunterzudrücken, über den Wintergarten in die angrenzenden Wohnräume zu gelangen und diese nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Das Einwerfen der Scheibe verursachte einen lauten Knall, durch den die im Obergeschoss schlafenden Hausbewohner aufwachten. Sie schalteten das Licht im Treppenhaus an, wodurch das ganze Haus erleuchtet wurde. Der Angeklagte bemerkte, dass die Hausbewohner aufgewacht waren und er das Haus nicht mehr ungestört durchsuchen konnte. Um nicht entdeckt zu werden, entfernte er sich.
2. Diese Feststellungen tragen die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs des Wohnungseinbruchdiebstahls.
a) Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Ein unmittelbares Ansetzen besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestands entsprechende Handlung vornimmt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2020 - 4 StR 397/19, NStZ 2020, 353, 354; vom 28. April 2020 - 5 StR 15/20, NJW 2020, 2570, jeweils mwN). Das von dem Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens Unternommene muss zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht es im Allgemeinen, wenn es zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges noch eines neuen Willensimpulses bedarf. Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist, inwieweit das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters konkret gefährdet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2020 - 5 StR 15/20 aaO, S. 2571 mwN).
Diese Grundsätze gelten auch für die Prüfung des Versuchsbeginns bei Qualifikationstatbeständen oder Tatbeständen mit Regelbeispielen. Maßgeblich ist insoweit, ob das Verhalten des Täters nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenschritte zur Verwirklichung des Grunddelikts führen soll. Das kann auch in diesen Fällen bereits gegeben sein, bevor der Täter beginnt, die tatbestandliche Ausführungshandlung vorzunehmen; es kann genügen, dass er im Begriff ist, ein qualifizierendes Merkmal oder ein Regelbeispiel zu verwirklichen. Für den Versuchsbeginn kommt es den allgemeinen Grundsätzen entsprechend darauf an, ob das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters schon dadurch konkret gefährdet wird, weil sein Handeln nach seinem Tatplan in die Tatbestandsverwirklichung münden soll, ohne dass es eines neuen Willensimpulses bedarf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2020 - 4 StR 397/19 aaO; vom 28. April 2020 - 5 StR 15/20 aaO, jeweils mwN). Das ist beim Wohnungseinbruchdiebstahl regelmäßig der Fall, wenn der Täter beim Beginn des
Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB beabsichtigt, sich in direktem Anschluss daran in die Wohnung zu begeben und daraus stehlenswerte Gegenstände zu entwenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2020 - 4 StR 397/19 aaO; vom 28. April 2020 - 5 StR 15/20 aaO). Er setzt dann bereits dadurch nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar an.
b) So verhält es sich hier. Der Angeklagte hatte beim Einschlagen des Fensters die Vorstellung, in unmittelbarem Anschluss daran in das Haus einzudringen, es nach Wertgegenständen zu durchsuchen und diese zu entwenden, ohne dass es insoweit eines weiteren Willensimpulses bedurfte. Wenngleich er zu diesem Zweck noch das Fenster öffnen und sich durch den Wintergarten in die angrenzenden Wohnräume begeben musste, war das geschützte Rechtsgut aus seiner Sicht mithin schon mit dem Beginn des Einbrechens konkret gefährdet.