StGB § 242, 21 Gewahrsamslage beim Diebstahl
BGH, Urt. v. 28.07.20 – 2 StR 229/20
1. Diebstahl begeht gemäß § 242 I StGB, wer eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sich oder einem Dritten dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Unter Wegnahme wird der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams durch den Täter verstanden. Der Gewahrsam ist ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache, das von deren Herrschaftswillen getragen ist. Dafür ist die Sachherrschaft wesentlich, der unter Ausschluss fremder Einwirkungsmöglichkeiten kein Hindernis entgegenstehen darf.
2. Der einmal begründete Gewahrsam bleibt als tatsächliches Verhältnis, das dem Inhaber die Sachherrschaft ermöglicht, solange bestehen, bis dessen tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit verloren geht. Selbst der Gewahrsam eines Verletzten an seinen neben ihm liegenden Sachen ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil er nicht mehr fähig ist, etwas zu deren Schutz zu unternehmen. Jedoch endet der Gewahrsam mit einem Verlieren der Sache.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. Juli 2020 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO beschlossen:
II. Die Revision ist begründet, weil die Strafkammer die Verurteilung wegen Diebstahls nicht ausreichend belegt und vom Tatbestand der Unterschlagung abgegrenzt hat. Deshalb kann auch die für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung keinen Bestand haben.
1. Diebstahl begeht gem. § 242 Abs. 1 StGB, wer eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sich oder einem Dritten dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Unter Wegnahme wird der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams durch den Täter verstanden. Der Gewahrsam ist ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache, das von deren Herrschaftswillen getragen ist. Dafür ist die Sachherrschaft wesentlich, der unter Ausschluss fremder Einwirkungsmöglichkeiten kein Hindernis entgegenstehen darf (vgl. Senat Urt. v. 28.10.1955 – 2 StR 171/55, BGHSt 8, 273, 274 f.). Der einmal begründete Gewahrsam bleibt als tatsächliches Verhältnis, das dem Inhaber die Sachherrschaft ermöglicht, solange bestehen, bis dessen tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit verloren geht (vgl. BGH Urt. v. 21.5.1953 – 4 StR 787/52, BGHSt 4, 210, 211). Selbst der Gewahrsam eines Verletzten an seinen neben ihm liegenden Sachen ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil er nicht mehr fähig ist, etwas zu deren Schutz zu unternehmen (vgl. Senat Urt. v. 20.3.1985 – 2 StR 44/85, NJW 1985, 1911). Jedoch endet der Gewahrsam mit einem Verlieren der Sache (vgl. Schönke/Schröder/Bosch 30. Aufl. 2019, StGB § 242 Rn. 28; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., StGB § 242 Rn. 36; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl., StGB § 242 Rn. 40; SSW-StGB/Kudlich, 4. Aufl., StGB § 242 Rn. 22; Matt/Renzikowski/ Schmidt, 2. Aufl., StGB § 242 Rn. 14; MüKoStGB/Schmitz, 3. Aufl., StGB § 242 Rn. 52; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., StGB § 242 Rn. 66).
2. Daran gemessen hat das LG den Gewahrsam des Geschädigten zurzeit der Zueignung der Armbänder und der Uhr durch die Angekl. nicht ausreichend begründet. Die Urteilsgründe sind insoweit lückenhaft. Nach der Einlassung des Angekl. Se lagen die Gegenstände am Boden, „nachdem der Geschädigte den Tatort verlassen hatte“; dann habe er ein Armband an sich genommen, während der Angekl. S das andere Armband und die Uhr eingesteckt habe. Danach kommt in Betracht, dass der Geschädigte den Gewahrsam an den Sachen vor der Zueignung durch die Angekl. verloren hatte. Dieser Ablauf steht allerdings in Widerspruch zu der Feststellung der StrK, der Angekl. Se habe den Tatort zur Distanzierung von dem weiteren Geschehen bereits verlassen, als der Angekl. S seinen Hund auf den Geschädigten hetzte. Der Geschädigte hat demgegenüber bekundet, einer der Angekl. habe ihm „das Pandora-Armband und die Uhr von seinem Handgelenk gelöst“; nach der Tat hätten ihm aber „definitiv drei Gegenstände gefehlt“. Die StrK hat die Widersprüche zwischen diesen Aussagen nur dahin aufgelöst, dass dem Geschädigten nach ihrer Überzeugung „3 Schmuckstücke abhandengekommen sind und die Angekl. diese eingesteckt haben“. Das reicht jedoch nicht aus, um Raub oder Diebstahl rechtsfehlerfrei von Unterschlagung abzugrenzen.
3. Eine Schuldspruchänderung durch den Senat in Unterschlagung kommt nicht in Betracht, weil nicht auszuschließen ist, dass der neue Tatrichter Feststellungen treffen kann, die eine Verurteilung der Angekl. wegen Raubes oder Diebstahls ermöglichen.
4. Der sachlich-rechtliche Fehler, der zur Aufhebung der Verurteilung des Angekl. S führt, betrifft in gleicher Weise die Verurteilung des Angekl. Se; daher ist die Aufhebung auf ihn zu erstrecken (§ 357 StPO).