StGB § 25 Abs. 2 kein Handeltreiben durch bloßen Transport

BGH, Beschl. v. 10.05.2016 – 4 StR 170/16 – BeckRS 2016, 11405

Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, besteht in der Regel auch dann keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit, wenn Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben, sodass von einer Beihilfe auszugehen ist. Anderes kann nur gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des

Beschwerdeführers am 10. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. November 2015

a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

b) im Ausspruch über die im Fall 1 verhängte Einzelstrafe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den zu Fall 1 getroffenen Feststellungen bestellte eine Person namens „T. “ am 6. August

2014 bei dem in D. ansässigen Rauschgifthändler „K. “ telefonisch 100 Gramm Heroin und 160 Gramm Streckmittel. Kurz darauf begaben sich der Angeklagte und „T. “ mit dem Pkw des Angeklagten nach D., um die zuvor bestellten Betäubungsmittel abzuholen. Nach mehreren zwischen „T. “ und „K. “ geführten Telefonaten kam es auf dem Parkplatz eines Supermarkts zu einem Treffen zwischen dem Angeklagten, der Person namens „T. “ und dem Zeugen R. , der für den Rauschgifthändler „K. “ tätig war. Der Zeuge R. und der Angeklagte setzten sich in den Pkw des Angeklagten, während „T. “ draußen wartete. Im Pkw übergab der Zeuge R. dem Angeklagten „die Bestellung“ und erhielt von diesem das Kaufgeld. Der Angeklagte verbrachte das übernommene Heroin anschließend mit seinem Pkw nach O. , während „T. “ in D. verblieb. Das Heroin hatte einen Heroinhydrochlorid-Anteil von 25 % und gelangte – wie mit „T. “ verabredet – in gestreckter Form in den Handel. Von dem Erlös erhielt der Angeklagte einen unbekannt gebliebenen Anteil.

2. Entgegen der Annahme des Landgerichts hat sich der Angeklagte nach diesen Feststellungen nur einer Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB und eines hierzu in Tateinheit stehenden unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, nicht aber eines täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht.

a) Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2015 – 3 StR 287/15, Rn. 4; Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375 mwN). Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, besteht in der Regel auch dann keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit, wenn Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben, sodass von einer Beihilfe auszugehen ist. Anderes kann nur gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An-und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll (BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012,375 mwN).

b) Unter Anwendung dieses Maßstabes hätte die Strafkammer den Angeklagten lediglich wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilen dürfen.

Die Tätigkeit des Angeklagten beschränkte sich auf die Fahrt mit „T. “ zum Übergabeort nach D., die Übergabe des Kaufgeldes, die Entgegennahme des Rauschgifts sowie den ohne Begleitung des „T. “ erfolgenden Transport der Betäubungsmittel. Dass er am Zustandekommen des Geschäfts oder am Verkauf der Betäubungsmittel beteiligt war, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

Die Bestellung erfolgte durch „T. “. Eine Kommunikation zwischen dem Angeklagten und dem Rauschgiftverkäufer „K. “ ist nicht belegt.

Mit dem Wegfall der Verurteilung wegen täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge lebt der gleichfalls verwirklichte Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wieder auf, da Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und täterschaftlicher Besitz derselben zueinander in Tateinheit im Sinne von § 52 StGB stehen(BGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 – 3 StR 447/13, NStZ-RR 2014, 111 mwN. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Es ist auch auszuschließen, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen kann, welche die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tragen könnten.

3. Die im Fall 1 verhängte Einzelstrafe (zwei Jahre Freiheitsstrafe) kann nicht bestehen bleiben.

Zwar bestimmt sich auch für den geänderten Schuldspruch der gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB anzuwendende Strafrahmen weiter nach § 29a Abs. 1 BtMG, da der Gesetzgeber Besitz und Handeltreiben unter dieselbe Strafandrohung gestellt hat. Den Strafzumessungserwägungen des Landgerichts kann aber nicht entnommen werden, dass es die untergeordnete Rolle des Angeklagten im Blick hatte. Der Senat vermag daher nicht auszuschließen, dass es auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs zur Verhängung einer niedrigeren Einzelstrafe gekommen wäre.

Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.