StGB § 261; 281 Gebrauchen eines Ausweispapiers
BGH, Urt. v. 21.07.2020 – 5 StR 146/19
1. Auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises zur Identitätstäuschung kann ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden.
2. Zur Fälschung beweiserheblicher Daten durch Anmeldung bei einer Auktionsplattform und durch Verkaufsangebote unter falschem Namen.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. Juli 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Dezember 2018 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Fälschung beweiserheblicher Daten im Fall 38 entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Adhäsionsklägern hierdurch im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Kostenbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 38 Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in neun Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, in drei Fällen in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Ausweispapieren und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren und Fälschung beweiserheblicher Daten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
I.
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
1. Der mittel- und wohnungslose einschlägig vorbestrafte Angeklagte mietete sich Anfang 2017 in einem H. Luxushotel ein. Um sich das dafür notwendige Geld zu beschaffen und weil er Gefallen an einem luxuriösen Lebensstil gefunden hatte, beging er ab Januar 2017 zahlreiche Straftaten. In einem ersten Tatkomplex (Fälle 1 bis 26) bot er über das Internet Luxusgüter – zumeist hochwertige Armbanduhren – zum Kauf an, obwohl er diese weder liefern konnte noch wollte. Im Vertrauen auf seine falschen Versprechen überwiesen zahlreiche Käufer den vereinbarten Kaufpreis vorab, erhielten jedoch nicht den gekauften Gegenstand (gewertet als Betrug in 26 Fällen). In einigen dieser Fälle hatte der Angeklagte kurz zuvor auf Online-Verkaufsplattformen einen Account auf nicht existierende Personen unter Angabe fingierter Kontaktdaten angelegt oder trat bei den Verkaufsverhandlungen unter falschem Namen auf, um über seine Identität zu täuschen (gewertet als tateinheitliche Fälschung beweiserheblicher Daten). In einem zweiten Tatkomplex (Fälle 27 bis 38) schloss er mit der Telekom eine Reihe von Mobilfunk- Rahmenverträgen mit einer Laufzeit von 24 Monaten ab und spiegelte dabei wahrheitswidrig vor, die Verträge würden nach Vertragsschluss von zahlungsfähigen und -willigen Dritten übernommen. Selbst zahlungswillig oder -fähig war er nicht. In diesem Zusammenhang legte er Mitarbeitern der Telekom gefälschte Dokumente und Kopien von gefälschten Dokumenten vor und fälschte Unterschriften. Er erhielt zahlreiche hochwertige Mobiltelefone, ohne dass der Telekom ein entsprechender Gegenwert zufloss. Bei einer Durchsuchung wurden in dem vom Angeklagten genutzten Hotelzimmer diverse für seine Taten genutzte, teils gefälschte Identitätsdokumente gefunden.
2. Soweit ein tateinheitlicher Schuldspruch wegen Missbrauchs von Ausweispapieren erfolgt ist, hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen:
a) Am 28. Mai 2017 trat der Angeklagte auf dem Online-Markt „Uhrforum“ unter dem Namen „ M. “ auf und übersandte im Rahmen von Verkaufsgesprächen über eine Herrenarmbanduhr „Rolex Submariner“ an den Kaufinteressenten die elektronische Datei des Personalausweises von M. , um über seine Identität zu täuschen. M. hatte seinen Ausweis einige Monate zuvor verloren; wie der Angeklagte in den Besitz des Ausweises kam, ließ sich nicht aufklären. Der Geschädigte überwies an den Angeklagten 7.800 Euro (Fall 6).
b) Am 13. Januar 2018 trat der Angeklagte gegenüber einem Kaufinteressenten als „ S. “ auf und übersandte zur Täuschung über seine Identität eine digitale Lichtbilddatei des Personalausweises von S., woraufhin ihm der Käufer 6.750 Euro für eine Herrenarmbanduhr „Rolex Submariner“ überwies. S. hatte dem Angeklagten rund zwei Monate zuvor im Rahmen von Verkaufsverhandlungen eine digitale Lichtbilddatei seines Ausweises übersandt (Fall 23).
c) Am 7. Februar 2018 trat der Angeklagte gegenüber einem weiteren Kaufinteressenten wiederum als „ S. “ auf und übersandte zur Täuschung über seine Identität eine digitale Lichtbilddatei des Personalausweises von S. , woraufhin ihm der Käufer 3.500 Euro für eine Herrenarmbanduhr „Rolex Submariner“ überwies (Fall 25). d) Mit Rahmenvertrag vom 8. Mai 2018 erhielt der Angeklagte von der Telekom fünf iPhone X im Wert von 5.749,75 Euro, für die er 999,75 Euro in bar zahlte. Später reichte er fünf Übernahmeverträge ein, die angeblich von „ C. “, tatsächlich aber vom Angeklagten unterschrieben waren. Dabei legte er ohne dessen Wissen und Billigung die Kopie einer echten rumänischen Identitätskarte des C. vor (Fall 37).
e) Mit Rahmenvertrag vom 11. Mai 2018 erhielt der Angeklagte von der Telekom fünf iPhone X im Wert von 5.749,75 Euro, für die er 999,75 Euro in bar zahlte. Später reichte er fünf Übernahmeverträge online ein, die angeblich von „ S. “, tatsächlich aber von ihm unterschrieben worden waren. Neben einer gefälschten Meldebestätigung übersandte er online ohne Wissen und Billigung des Betroffenen eine Bilddatei der echten rumänischen Identitätskarte von S. (Fall 38). Der mittel- und wohnungslose einschlägig vorbestrafte Angekl. mietete sich Anfang 2017 in einem H Luxushotel ein. Um sich das dafür notwendige Geld zu beschaffen und weil er Gefallen an einem luxuriösen Lebensstil gefunden hatte, beging er ab Januar 2017 zahlreiche Straftaten. In einem ersten Tatkomplex (Fälle 1 bis 26) bot er über das Internet Luxusgüter – zumeist hochwertige Armbanduhren – zum Kauf an, obwohl er diese weder liefern konnte noch wollte. Im Vertrauen auf seine falschen Versprechen überwiesen zahlreiche Käufer den vereinbarten Kaufpreis vorab, erhielten jedoch nicht den gekauften Gegenstand (gewertet als Betrug in 26 Fällen).
In einigen dieser Fälle hatte der Angekl. kurz zuvor auf Online-Verkaufsplattformen einen Account auf nicht existierende Personen unter Angabe fingierter Kontaktdaten angelegt oder trat bei den Verkaufsverhandlungen unter falschem Namen auf, um über seine Identität zu täuschen (gewertet als tateinheitliche Fälschung beweiserheblicher Daten).
In einem zweiten Tatkomplex (Fälle 27 bis 38) schloss er mit der Telekom eine Reihe von Mobilfunk- Rahmenverträgen mit einer Laufzeit von 24 Monaten ab und spiegelte dabei wahrheitswidrig vor, die Verträge würden nach Vertragsschluss von zahlungsfähigen und -willigen Dritten übernommen. Selbst zahlungswillig oder -fähig war er nicht. In diesem Zusammenhang legte er Mitarbeitern der Telekom gefälschte Dokumente und Kopien von gefälschten Dokumenten vor und fälschte Unterschriften. Er erhielt zahlreiche hochwertige Mobiltelefone, ohne dass der Telekom ein entsprechender Gegenwert zufloss. Bei einer Durchsuchung wurden in dem vom Angekl. genutzten Hotelzimmer diverse für seine Taten genutzte, teils gefälschte Identitätsdokumente gefunden.
Soweit ein tateinheitlicher Schuldspruch wegen Missbrauchs von Ausweispapieren erfolgt ist, hat die StrK folgende Feststellungen getroffen:
Am 28.5.2017 trat der Angekl. auf dem Online-Markt „Uhrforum“ unter dem Namen „M“ auf und übersandte im Rahmen von Verkaufsgesprächen über eine Herrenarmbanduhr „Rolex Submariner“ an den Kaufinteressenten die elektronische Datei des Personalausweises von M, um über seine Identität zu täuschen. M hatte seinen Ausweis einige Monate zuvor verloren; wie der Angekl. in den Besitz des Ausweises kam, ließ sich nicht aufklären. Der Geschädigte überwies an den Angekl. 7.800 Euro (Fall 6).
Am 13.1.2018 trat der Angekl. gegenüber einem Kaufinteressenten als „S“ auf und übersandte zur Täuschung über seine Identität eine digitale Lichtbilddatei des Personalausweises von S, woraufhin ihm der Käufer 6.750 Euro für eine Herrenarmbanduhr „Rolex Submariner“ überwies. S hatte dem Angekl. rund zwei Monate zuvor im Rahmen von Verkaufsverhandlungen eine digitale Lichtbilddatei seines Ausweises übersandt (Fall 23).
Am 7.2.2018 trat der Angekl. gegenüber einem weiteren Kaufinteressenten wiederum als „S“ auf und übersandte zur Täuschung über seine Identität eine digitale Lichtbilddatei des Personalausweises von S, woraufhin ihm der Käufer 3.500 Euro für eine Herrenarmbanduhr „Rolex Submariner“ überwies (Fall 25). Mit Rahmenvertrag vom 8.5.2018 erhielt der Angekl. von der Telekom fünf iPhone X im Wert von 5.749,75 Euro, für die er 999,75 Euro in bar zahlte. Später reichte er fünf Übernahmeverträge ein, die angeblich von „C“, tatsächlich aber vom Angekl. unterschrieben waren. Dabei legte er ohne dessen Wissen und Billigung die Kopie einer echten rumänischen Identitätskarte des C vor (Fall 37).
Mit Rahmenvertrag vom 11.5.2018 erhielt der Angekl. von der Telekom fünf iPhone X im Wert von 5.749,75 Euro, für die er 999,75 Euro in bar zahlte. Später reichte er fünf Übernahmeverträge online ein, die angeblich von „S“, tatsächlich aber von ihm unterschrieben worden waren. Neben einer gefälschten Meldebestätigung übersandte er online ohne Wissen und Billigung des Betroffenen eine Bilddatei der echten rumänischen Identitätskarte von S. (Fall 38).
Das LG hat den Angekl. wegen Betruges in 38 Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in neun Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, in drei Fällen in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Ausweispapieren und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren und Fälschung beweiserheblicher Daten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angekl. erzielt lediglich einen Teilerfolg.
Aus den Gründen:
II. Rechtsfolgenentscheidungen weisen keinen den Angekl. beschwerenden Rechtsfehler auf. Der Erörterung bedarf nur Folgendes: 1. Die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen Missbrauchs von Ausweispapieren ist rechtsfehlerfrei. Der Angekl. hat in allen fünf Fällen jeweils zur Täuschung über seine Identität (vgl. hierzu BGH Urt. v. 5.4.1961 – 2 StR 71/61, BGHSt 16, 33, 34; v. 15.11.1968 – 4 StR 190/68, bei Dallinger MDR 1969, 360; v. 3.11.1981 – 5 StR 435/81) ein für einen anderen ausgestelltes echtes Ausweispapier gebraucht, um einen Vertragspartner zu einem rechtserheblichen Verhalten zu veranlassen.
a) Der Begriff des Gebrauchens ist nach Auffassung des Senats in § 281 Abs. 1 S. 1 StGB wie in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen. Nach ständiger Rspr. des BGH macht von einer Urkunde Gebrauch, wer dem zu täuschenden Gegenüber die sinnliche Wahrnehmung der Urkunde ermöglicht (vgl. nur BGH Urt. v. 20.3.1951 – 2 StR 38/51, BGHSt 1, 117, 120; v. 11.12.1951 – 1 StR 567/51, BGHSt 2, 50, 52; v. 21.12.1988 – 2 StR 613/88, BGHSt 36, 64, 65; vgl. bereits RGSt 41, 144, 146 f.; 66, 298, 312 f.). Dies kann nicht nur durch Vorlage der Urkunde selbst, sondern auch dadurch geschehen, dass der Täter dem zu Täuschenden eine Fotokopie oder ein Lichtbild einer – in dieser Weise körperlich tatsächlich vorhandenen – Urkunde zugänglich macht, denn hierdurch wird die sinnliche Wahrnehmung der abgebildeten Urkunde selbst ermöglicht (st. Rspr., vgl. nur BGH Urt. v. 30.11.1953 – 1 StR 318/53, BGHSt 5, 291, 292; v. 11.5.1971 – 1 StR 387/70, BGHSt 24, 140, 142; v. 23.9.2015 – 2 StR 434/14, NJW 2016, 884 (886); Beschl. v. 2.5.2001 – 2 StR 149/01, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Gebrauchmachen 4; vgl. bereits RGSt 69, 228). Auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises zur Identitätstäuschung kann deshalb ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 S. 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden.
b) Nach diesen Maßstäben erfüllen die Übersendung einer Lichtbilddatei (Fälle 1 bis 3 und 5) und die Vorlage der Kopie eines echten Ausweises (Fall 4) jeweils die Alternative des Gebrauchens. Die übrigen Voraussetzungen von § 281 Abs. 1 S. 1 StGB sind in diesen Fällen ebenfalls erfüllt.
c) An dieser Entscheidung ist der Senat nicht durch abweichende Rspr. anderer Senate gehindert. Zwar hat der 4. Strafsenat des BGH im Jahr 1964 entschieden, dass ein Gebrauchen im Sinne von § 281 Abs. 1 S. 1 StGB nur durch Vorlage des Originals erfolgen kann (BGH Urt. v. 4.9.1964 – 4 StR 324/64, BGHSt 20, 17). Auf die Anfrage des Senats nach § 132 Abs. 3 S. 1 GVG, ob er an dieser Auffassung festhält (vgl. Beschl. v. 8.5.2019 – 5 StR 146/19), hat der 4. Strafsenat entschieden, dass er unter Aufgabe abweichender Rspr. der Rechtsauffassung des erkennenden Senats folgt (Beschl. v. 4.12.2019 – 4 ARs 14/19). Die übrigen mit der Anfrage befassten Strafsenate haben erklärt, dass eigene Rspr. der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegensteht (1. Strafsenat Beschl. v. 3.9.2019 – 1 ARs 13/19, 2. Strafsenat Beschl. v. 13.5.2020 – 2 ARs 228/19, 3. Strafsenat Beschl. v. 2.10.2019 – 3 ARs 14/19). Von einer – das Verfahren weiter verzögernden – Befragung des zum 15.2.2020 neu eingerichteten 6. Strafsenats hat der Senat abgesehen, weil dessen bislang noch übersichtliche Rspr. der beabsichtigten Entscheidung ersichtlich nicht entgegensteht.
d) Der Senat hält an seiner gemäß Beschluss vom 8.5.2019 (5 StR 146/19) beabsichtigten Entscheidung ungeachtet der vom 2. Strafsenat (aaO) und im Schrifttum (vgl. Erb JR 2020, 450; Dehne-Niemann HRRS 2019, 405 (407)) erhobenen Einwände fest (im Sinne der bisherigen Rspr. auch die h. L., vgl. LK-StGB/Zieschang, 12. Aufl. 2012, StGB § 281 Rn. 9; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 281 Rn. 5; MüKo-StGB/Erb, 3. Aufl. 2017, StGB § 281 Rn. 8; NK-StGB/Puppe/Schumann, 5. Aufl. 2017, StGB § 281 Rn. 7; SSW StGB/Wittig, 4. Aufl. 2018, StGB § 281 Rn. 6; Lackner/Kühl/Heger, 29. Aufl. 2018, StGB § 281 Rn. 3; Matt/Renzikowski/Maier, 2. Aufl. 2020, StGB § 281 Rn. 5; AnwKStGB/ Krell, 3. Aufl., StGB § 281 Rn. 5; Hecker GA 1997, 525 (535 f.); Preuß JA 2013, 433 (436); aA Putzke/Prechtl ZJS 2019, 522 (524); BeckOK StGB/Weidemann, 46. Ed. 2020, StGB § 281 Rn. 6.2). Hierfür sind folgende Gründe maßgebend:
aa) Aus dem Wortlaut von § 281 Abs. 1 S. 1 StGB ergibt sich keine Einschränkung der Tathandlung auf besondere Formen des Gebrauchs eines Ausweispapiers. Wie bereits das Reichsgericht – und ihm folgend der BGH – überzeugend herausgearbeitet hat, gebraucht eine Urkunde, wer deren sinnliche Wahrnehmung ermöglicht, also die Urkunde zur Kenntnis der zu täuschenden Person bringt (RGSt 41, 144, 146 f.; 66, 298, 312 f.; BGH Urt. v. 20.3.1951 – 2 StR 38/51, BGHSt 1, 117, 120; v. 11.12.1951 – 1 StR 567/51, BGHSt 2, 50, 52; v. 21.12.1988 – 2 StR 613/88, BGHSt 36, 64, 65). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann dies auch vermittelt wie etwa durch Vorlage eines Abbildes geschehen, denn dass die Urkunde unmittelbar dem zu Täuschenden in die Hand gegeben werden muss, setzt der Begriff des Gebrauchens als solcher nicht voraus (vgl. RGSt 69, 228, 230 f.; BGH Urt. v. 30.11.1953 – 1 StR 318/53, BGHSt 5, 291, 292; v. 11.5.1971 – 1 StR 387/70, BGHSt 24, 140, 142). Eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Auslegung der Tathandlung lässt sich nicht lediglich am Tatobjekt festmachen (vgl. demgegenüber 2. Strafsenat Beschl. v. 13.5.2020 – 2 ARs 228/19). Die Unterschiede hinsichtlich des Tatobjekts machen lediglich verständlich, weshalb von § 281 Abs. 1 StGB auch das Überlassen eines Ausweispapiers an einen anderen erfasst wird (vgl. 2. Strafsenat aaO). Schon das Gesetz macht damit deutlich, dass bereits der Zuordnung eines Ausweispapiers zum berechtigten Inhaber ein hoher Stellenwert zum Schutz des Rechtsverkehrs zukommt.
Soweit sich die in der Literatur erhobenen Einwände ganz grundsätzlich gegen eine auch mittelbare Formen der Wahrnehmungsverschaffung erfassende Auslegung des Begriffs „gebrauchen“ in § 267 Abs. 1 StGB richten und aus diesem Grund eine Änderung der Rspr. zu § 281 Abs. 1 StGB abgelehnt wird (vgl. nur Erb JR 2020, 450), vermag der Senat dem angesichts des abweichenden Ansatzes der Rspr. schon im Ausgangspunkt nicht zu folgen.
bb) Nach der Gesetzessystematik und dem Willen des Gesetzgebers ist der Begriff „gebraucht“ in § 281 Abs. 1 S. 1 StGB wie in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen. Die gleichlautende Verwendung desselben Begriffs in zwei Strafnormen im selben Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs spricht dafür, dass der Begriff in beiden Tatbeständen gleich ausgelegt werden muss (vgl. BGH Beschl. v. 4.12.2019 – 4 ARs 14/19). Zudem führt es – wie der 4. Strafsenat im Einzelnen dargelegt hat (aaO) – zu schwer verständlichen Wertungswidersprüchen, wenn die Tathandlung des Gebrauchens in § 267 Abs. 1 und § 281 Abs. 1 StGB bezogen auf Kopien echter oder verfälschter Ausweise bzw. Ausweisersatzpapiere unterschiedlich ausgelegt wird. Eine solche mit dem Wortlaut und der Gesetzessystematik in Einklang stehende Auslegung entspricht auch dem Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. dazu näher Senat Beschl. v. 8.5.2019 – 5 StR 146/19).
cc) Diese Auslegung wird auch dem Sinn und Zweck von § 281 StGB gerecht. Dieser dient dem Schutz des Rechtsverkehrs durch Identitätsschutz. Wer ein für einen anderen ausgestelltes echtes Ausweispapier (oder ein diesem gleichgestelltes Papier) im Rechtsverkehr zur Täuschung über seine Identität nutzt, macht sich die besondere Beweiswirkung des Identitätspapiers zunutze. Dies geschieht nicht nur bei Vorlage des Originals (so aber 2. Strafsenat Beschl. v. 13.5.2020 – 2 Ars 228/19), sondern auch bei der vom Rechtsverkehr heutzutage weitgehend akzeptierten Nutzung (digitaler) Kopien. Der Rechtsverkehr vertraut besonders darauf, dass nur derjenige zum Identitätsnachweis ein amtliches (oder gleichgestelltes) Ausweispapier nutzt, der berechtigter Inhaber ist (vgl. auch § 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB). Dieses besondere – von § 267 StGB abweichende – Vertrauen wird ebenfalls beeinträchtigt, wenn der Täter als angeblich berechtigter Inhaber das Ausweispapier eines anderen durch Übersendung oder Vorlage einer elektronischen Bilddatei oder einer Kopie nutzt und in dieser Weise über seine Identität in einer Weise täuscht, die aufgrund der veränderten technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen (vgl. dazu Senat Beschl. v. 8.5.2019 – 5 StR 146/19) der Vorlage des Originals nach der Auffassung des Rechtsverkehrs weithin gleichsteht. Heute ist – auch im Verkehr mit Behörden – ganz weitgehend die elektronische Kommunikation üblich, bei der verbreitet digitale Kopien von Urkunden verwendet werden (vgl. nur BGH Beschl. v. 19.6.2018 – 4 StR 484/17, NStZ-RR 2018, 308). Dies betrifft gerade auch die Verwendung von Ausweispapieren, an deren Übermittlung zur Identitätsprüfung der Rechtsverkehr ein besonderes Interesse hat. Schon das RG hat darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, in der ein Gegenstand sinnlich wahrnehmbar gemacht werden kann, von den Hilfsmitteln abhängt, die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik zur Verfügung stehen (RGSt 69, 228, 230). Die Gefahr des Missbrauchs von Urkunden im Rechtsverkehr durch bildgebende Medien besteht im Zeitalter der Digitalisierung mehr denn je (BGH Beschl. v. 4.12.2019 – 4 ARs 14/19). Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen sieht der Senat die Erwägung, den Schutz des § 281 StGB verdiene angesichts seiner besonderen Beweiswirkung nur das im Original vorgelegte Ausweispapier, als weitgehend überholt an. Da seine Auslegung mit dem Wortlaut, der Systematik, dem Schutzzweck der Norm und dem Willen des historischen Gesetzgebers übereinstimmt, besteht für den Senat kein Anlass, von der gebotenen Vereinheitlichung bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „gebrauchen“ im Rahmen der Urkundendelikte abzusehen und die Klärung dieser Frage etwa dem Gesetzgeber zu überlassen (so aber 2. Strafsenat Beschl. v. 13.5.2020 – 2 ARs 228/19).
2. Auch der tateinheitliche Schuldspruch wegen Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) durch Anmeldung eines eBay-Kontos unter falschen Personalien und Verwendung dieser Personalien im Fall 13 hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Nach § 269 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder derartige Daten gebraucht. Nicht nur Veränderungen an einem bestehenden eBay-Konto unterfallen diesem Straftatbestand (näher BGH Beschl. v. 21.4.2015 – 4 StR 422/14, NStZ 2015, 635), sondern auch die Einrichtung eines eBay-Mitgliedskontos unter falschen Personalien (vgl. KG NStZ 2010, 576; Willer NStZ 2010, 553; Singelnstein JR 2011, 375; Petermann JuS 2010, 774 (777 f.); vgl. auch Puppe JuS 2012, 961; aA OLG Hamm MMR 2009, 775).
b) Mit dem Einrichten des Mitgliedskontos bei eBay durch Ausfüllen und Absenden des entsprechenden online-Formulars gibt der Kunde die Gedankenerklärung ab, dass die angegebene Person mit den angegebenen Personalien einen Nutzungsvertrag mit eBay abschließen möchte, die AGB des Unternehmens anerkennt und beim Handel auf der Plattform unter dem gewählten Mitgliedsnamen auftritt (Singelnstein JR 2011, 375 (376); Willer NStZ 2010, 553 (555); Ceffinato JuS 2019, 337 (340). Diese Erklärung ist zum Beweis geeignet und bestimmt. Die Beweisbestimmung folgt aus dem rechtlichen Interesse des Betreibers, gegenüber seinem Vertragspartner etwaige Ansprüche durchsetzen und ihn in Ausfluss der Störerhaftung des Diensteanbieters (vgl. § 10 TMG) effektiv sanktionieren zu können (Willer NStZ 2010, 553). Der Beweiseignung, also der objektiven Eignung des Mittels, auf die Überzeugungsbildung im rechtserheblichen Kontext mitbestimmend einzuwirken (vgl. Fischer, 67. Aufl. 2020, StGB § 267 Rn. 14 mwN), steht nicht entgegen, dass der Nutzer selbst seine Daten eingibt; dies ist lediglich eine Frage des Beweiswerts (Singelnstein JR 2011, 375 (377); Willer NStZ 2010, 553). Eine besondere Gewährleistung der Authentizität der Erklärung ist dafür nicht erforderlich (Willer NStZ 2010, 553).
c) Auch die übrigen Voraussetzungen des § 269 Abs. 1 StGB liegen vor. Die Daten wurden bei der Anlegung des Mitgliedskontos so gespeichert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte Urkunde vorliegen würde. Denn der aus der Datenurkunde ersichtliche Aussteller der Erklärung stimmte nicht mit dem wirklichen Aussteller überein, obwohl für den Vertragspartner gerade die Identität des Ausstellers relevant war (vgl. Singelnstein JR 2011, 375 (377); Willer NStZ 2010, 553 (556); vgl. zur Täuschung über die Identität durch Angabe eines falschen Geburtsdatums und einer falschen Anschrift auch BGH Urt. v. 29.6.1994 – 2 StR 160/94, BGHSt 40, 203; kritisch dazu Sander/Fey JR 1995, 209). Der Angekl. hat auch zur Täuschung im Rechtsverkehr gehandelt, weil er nicht nur den Betreiber eBay bei Vertragsschluss über seine Identität täuschen, sondern über die unter falschen Personalien angelegten Konten auch betrügerische Verkäufe abwickeln wollte.
d) Das LG hat zutreffend angenommen, dass § 269 StGB mit § 263 StGB im Fall 13 in Tateinheit steht, denn der Angekl. hat plangemäß für seine Betrügerei den unter falschen Personalien angelegten eBay-Account genutzt (vgl. BGH Beschl. v. 21.4.2015 – 4 StR 422/14, aaO).
3. Auch in den Fällen 4, 8, 9, 12, 22 und 24 ist der tateinheitliche Schuldspruch wegen Fälschung beweiserheblicher Daten rechtsfehlerfrei.
a) Soweit sich der Angekl. in diesen Fällen nicht bei der Auktionsplattform eBay, sondern bei der Verkaufsplattform eBay-Kleinanzeigen unter falschen Personalien angemeldet hat, fällt zwar nicht schon die Einrichtung eines entsprechenden Nutzerkontos unter § 269 Abs. 1 StGB. Denn bei der Auktionsplattform eBay und der davon zu unterscheidenden Anzeigenplattform eBay- Kleinanzeigen handelt es sich um rechtlich und tatsächlich getrennte Anbieter mit unterschiedlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (näher Rathsack jurisPR-ITR 19/2014 Anm. 6). Bei eBay-Kleinanzeigen werden die persönlichen Daten zunächst nicht abgefragt, sondern zur Registrierung genügen eine E-Mail-Adresse und ein Passwort. Die Übermittlung der persönlichen Angaben erfolgt zwischen den Vertragspartnern selbst und in der Regel erst dann, wenn sich die Parteien über die Abwicklung des Geschäftes einig geworden sind (Rathsack jurisPR-ITR 19/2014 Anm. 6).
b) Der Angekl. hat aber in jedem dieser Fälle spätestens durch sein an die einzelnen Geschädigten unter falschem Namen kommuniziertes konkretes Verkaufsangebot eine unechte Datenurkunde im Sinne von § 269 Abs. 1 StGB hergestellt bzw. gebraucht. Die Erklärung, wer Vertragspartner eines über eine Online-Plattform vermittelten Kaufs wird, ist in derartigen Fällen zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt. Denn der Käufer kann und soll davon ausgehen, sich im Falle von Schwierigkeiten bei der Verkaufsabwicklung an den benannten Vertragspartner wenden und unter Umständen auch rechtlich gegen ihn vorgehen zu können (Willer NStZ 2010, 553 (557)). Diese Datenurkunde ist in Fällen wie dem vorliegenden auch unecht, weil nicht die unter ihrem angeblichen „Klarnamen“ auftretende Person die Erklärung abgegeben hat, sondern eine andere Person, die sich gerade nicht an der Erklärung festhalten lassen will; eine straflose bloße „Namenstäuschung“ liegt darin nicht (ausführlich Singelnstein JR 2011, 375 (378)). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 269 Abs. 1 StGB liegen in diesen Fällen vor.
4. Was für die Verkaufsplattform eBay-Kleinanzeigen gilt, trifft auch für die vom Angeklagten in den Fällen 5 und 7 genutzte Online-Plattform chrono24 zu, bei der nach den (seit 30.5.2017 geltenden) Plattformbedingungen zur Anmeldung ebenfalls eine E-Mail-Adresse und ein Passwort ausreichen.
5. Im Fall 38 muss allerdings die tateinheitliche Verurteilung wegen Fälschung beweiserheblicher Daten entfallen. Denn die Speicherung der falschen Personaldaten durch die Telekom war lediglich Folge der zuvor begangenen (und tateinheitlich verurteilten) Urkundenfälschung und führte nicht selbst zu einer unechten Datenurkunde (vgl. zu den Konkurrenzen auch Fischer aaO, § 281 Rn. 6). Dies stellt den Strafausspruch in diesem Fall nicht in Frage, weil sich das LG bei der Zumessung der Einzelstrafen lediglich an den Schadensbeträgen der Betrugstaten orientiert hat, nicht aber daran, ob zusätzlich tateinheitlich weitere Delikte verwirklicht wurden. Der Senat kann deshalb ausschließen, dass die StrK bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.
III.
Die Kostenbeschwerde des Angeklagten hat keinen Erfolg, weil die Kostenentscheidung dem Gesetz entspricht (vgl. § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO).