§ 263 StGB: Bandenbetrug durch Zahnarzt bei Kick-back-Zahlungen

BGH, Urt. vom 16.11.2006 – 3 StR 204/06

Kick-back-Zahlungen an einen Zahnarzt als bandenmäßiger Betrug.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 26. Oktober 2006 in der Sitzung am 16. November 2006 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 30. August 2005 wird a) das Verfahren in den Fällen 37 bis 41 der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,  b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs-und bandenmäßigen Betruges in 36 Fällen schuldig ist. 
2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 
3. Die Staatskasse hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.  Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer zum Nachteil des Ange­klagten eingelegten, mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründeten Revision erstrebt die Staatsanwalt­schaft eine Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB) und beanstandet im Übrigen die Strafzumessung. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte in den Fällen 37 bis 41 der Urteilsgründe wegen Betruges verurteilt worden ist. Im verbleibenden Umfang führt das Rechtsmittel zu der beantragten Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat es keinen Erfolg. 
I. Nach den Feststellungen bezog der Angeklagte - ein kassenärztlich zugelassener Zahnarzt - für seine Praxis von der Firma G. Dentalhandelsgesellschaft mbH (im Folgenden: Firma G. ) Zahnersatz. Für die Geschäftsbeziehung galt ein Rabattsystem, das er mit den Verantwortlichen dieser Firma - den bereits rechtskräftig abgeurteilten Zeugen T. M. , O. M. und B. - über deren Außendienstmitarbeiter K. vereinbart hatte. Danach hatte der Angeklagte die Rech­nungen der Firma G. , welche die vereinbarten Rabatte nicht auswiesen, in voller Höhe zu bezahlen, erhielt aber nachträglich umsatzbezogene monatliche Rückvergütungen ("kickbacks") in Höhe von 30 % bzw. 25 % der Nettobe­träge (Fälle II. 1 - 34 der Urteilsgründe) oder sollte sie absprachegemäß erhalten. Am Ende jeden Monats oder An­fang des Folgemonats ließ der Angeklagte von seinen Angestellten die Behandlungskosten mit der zuständigen Kas­senzahnärztlichen Vereinigung Nordrhein und/oder -soweit es Eigenanteile oder Privatleistungen betraf -mit den Patienten abrechnen und die Rechnungen der Dentalhandelsgesellschaft zur Erstattung vorlegen. Dabei verschwieg er die mit den Verantwortlichen der Firma G. vereinbarten Rückvergütungen. Die Sachbearbeiter der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und die Patienten, welche die Rechnungen beglichen, gingen irrtümlich davon aus, dass der Angeklagte die in den Rechnungen angegebenen Preise für den Zahnersatz tatsächlich verauslagt hatte und er des­halb Erstattung verlangen konnte. Sie bezahlten daher die geforderten Beträge. Der Angeklagte wollte sich damit eine dauernde zusätzliche Einnahmequelle von erheblichem Umfang verschaffen. In den 41 Monaten von Juni 1999 bis Oktober 2002 betrugen die vereinbarten Rückvergütungen nach Abzug von 6 % für ein dem Angeklagten einge­räumtes Zahlungsziel monatlich zwischen 1.130 € und 9.995 €. Unter Berücksichtigung von Forderungsausfällen ließ sich der Angeklagte insgesamt mindestens ca. 176.398 € erstatten, auf die er keinen Anspruch hatte. Für die Abrechnungsmonate April 1999 bis März 2002 wurden dem Angeklagten der "kickback" in bar ausbezahlt. In den weiteren Monaten kam es zu keinen Auszahlungen mehr, weil der Angeklagte mit seinen Zahlungsverpflichtungen in Verzug geraten war. 
II. Das Landgericht ist davon ausgegangen, der Angeklagte habe gewerbsmäßig, aber nicht als Mitglied einer Bande gehandelt. Zwar hätten die Zeugen T. M. , O. M. und B. als die Verantwortlichen der Firma G. und möglicherweise auch deren Außendienstmitarbeiter K. eine Bande zur fortgesetzten Begehung von Betrugsstraftaten gegründet. Der Angeklagte sei jedoch nicht Mitglied dieser Bande gewesen, weil er Geschäftspartner der Firma G. gewesen sei und deshalb nicht im Lager der Bandenmitglieder gestanden habe. 
III. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in allen Fällen (vgl. BGH NStZ 2004, 568, 569) jeweils unter Annahme des Regelbeispiels der gewerbsmäßigen Begehung (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Meinung des Landgerichts hat der Angeklagte die Betrugsstraftaten indes auch bandenmäßig begangen, so dass er sich in 36 Fällen wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB) strafbar gemacht hat.
1. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Danach unterscheidet sich die Bande von der Mittäterschaft durch das Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung zu zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Ein "ge­festigter Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" ist nicht erforderlich. Es steht der Annahme einer Bande deshalb nicht entgegen, wenn ihre Mitglieder bei der Tatbegehung ihre eigenen Inte­ressen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung sowie Beute- und Gewinnerzielung verfolgen (vgl. BGHSt 46, 321, 325 ff., 329, 330). 
2. Auf der Grundlage der von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haben sich der Angeklag­te, die bereits rechtskräftig abgeurteilten Zeugen T. M. , O. M. und B. sowie der Außendienstmitarbeiter K. zu ban­denmäßiger Begehung der Betrugstaten zusammengeschlossen. Nach den Abreden, die er vor Beginn der Tatserie mit den Verantwortlichen der Firma G. getroffenen hatte, sollte der Angeklagte für eine gewisse Dauer und in einer Vielzahl im Einzelnen noch unbestimmter selbständiger Fälle unter Vorlage der Rechnungen der Dentalhandelsge­sellschaft, die das vereinbarte "kickback" nicht auswiesen, als Täter Betrugstaten zum Nachteil der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und von Patienten begehen. An diesen sollten sich die rechtskräftig abgeurteilten Zeugen sowie der Außendienstmitarbeiter K. durch Erstellung und Übergabe der um die Rückvergütungen überhöhten Rechnungen beteiligen. Ob sich diese Beteiligung rechtlich als Mittäterschaft oder Beihilfe darstellt, ist für die Frage der banden­mäßigen Begehung ohne Belang. Es liegt nahe, zumindest die Zeugen T. M. , O. M. und B. als Mittäter einzuordnen. Dafür spricht schon, dass die Idee und die Initiative zu den Betrugstaten von ihnen ausging und für diese ihre Tatbei­träge zwingend erforderlich waren. Außerdem hatten sie ein erhebliches eigenes Interesse am Taterfolg, weil sie durch das auf Betrug aufgebaute Rabattsystem den Angeklagten als Kunden an sich binden und dadurch ihren eige­nen Gewinn steigern konnten. Aber selbst wenn man die Verantwortlichen der Firma G. nicht als Mittäter ansehen, sondern ihre Beteiligung als die eines Gehilfen einordnen wollte, stünde dies der Annahme einer Bande nicht entge­gen (vgl. BGHSt 47, 214). Soweit das Landgericht meint, der Angeklagte habe die Betrugstaten nicht als Mitglied einer Bande begangen, weil er der Firma G. als Geschäftspartner gegenüber gestanden habe, hat es sich offensicht­lich an der Rechtssprechung zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln orientiert, die es als maßgeb­lich ansieht, ob der Tatbeteiligte in eine Absatzorganisation eingebunden war oder dieser als Käufer auf der Abneh­merseite gegenüber trat (vgl. BGH NStZ 2004, 696). Diese Rechtsprechung betrifft delikts-spezifische Fallgestaltun­gen mit besonderen Umständen, die hier nicht vorliegen. Die für die Annahme bandenmäßiger Begehung gegenüber der Mittäterschaft gesteigerte, über die aktuelle Tat tendenziell hinausreichende deliktische Zusammenarbeit (BGHSt 42, 256, 259) kann - wie der Bundesgerichtshof noch unter der Geltung des alten, lediglich zwei Mitglieder voraus­setzenden Bandenbegriffs ausgeführt hat - beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht schon darin gesehen werden, dass der Verkäufer mit einem Erwerber zusammenwirkt. Ein solches Zusammenwirken ist nämlich durch die Art der Deliktshandlung notwendig vorgegeben und stellt sich grundsätzlich als jeweils selbständige Täterschaft der Beteiligten dar (BGHSt aaO). Dieser Grundgedanke, nach dem es für die Bejahung einer Bande nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 und § 30 a Abs. 1 BtMG nicht allein ausreicht, dass die Täter beim unerlaubten Vertrieb von Betäubungsmit­teln im Rahmen eines "eingespielten Bezugs- und Absatzsystems" handeln (BGHSt aaO), lässt sich auf die hier zu beurteilende Konstellation nicht übertragen. Der Angeklagte und die Verantwortlichen der Firma G. standen sich nämlich, soweit es um die Betrugstaten zum Nachteil der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Patienten ging, nicht als selbständige Täter mit gegenläufigen Interessen gegenüber. Dies war lediglich in Bezug auf die zwischen ihnen abgeschlossenen Verträge über die Lieferung von Zahnersatz der Fall. Mit Blick auf die betrügerische Schädi­gung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Patienten zogen sie aber am selben Strang (BGHSt aaO, 259 f.).
IV. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die Einzelstrafen (Einsatzstrafe von zehn Monaten so­wie Freiheitsstrafen von einmal neun Monaten, zehnmal acht Monaten, sechzehnmal sieben Monaten und achtmal sechs Monaten) sowie die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten können bestehen bleiben, weil die verhängten Rechtsfolgen -trotz der Schuldspruchänderung (vgl. BGH NStZ 2005, 285) und dem dadurch geän­derten Strafrahmen - auf Grundlage der Urteilsfeststellungen nach Abwägung aller für die Strafzumessung erhebli­chen Gesichtspunkte angemessen sind (§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO). Bei den Einzelstrafen hat der Senat neben der jeweiligen Schadenshöhe zu Gunsten des nicht vorbestraften Angeklagten insbesondere sein von Reue und Einsicht getragenes Geständnis, die Schadenswiedergutmachung durch Sicherheitsleistungen, die erheblichen Tatfolgen für ihn sowie den Umstand berücksichtigt, dass er von den Verantwortlichen der Firma G. in die Straftaten verstrickt wurde. Diese Gesichtspunkte sprechen für die Annahme minder schwerer Fälle und Freiheitsstrafen im unteren Be­reich des Strafrahmens von sechs Monaten bis fünf Jahren. Bei der Einsatzstrafe von zehn Monaten erscheint wegen des engen sachlichen Zusammenhangs der 36 Betrugsstraftaten unter Berücksichtigung des verursachten Gesamt­schadens, der Vielzahl der Geschädigten und der eingestellten Taten die vom Landgericht verhängte Gesamtfrei­heitsstrafe als angemessen. Die Voraussetzungen für die Strafaussetzung zur Bewährung liegen aus den Gründen des angefochtenen Urteils vor.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO. Die Revision hat keinen wesentlichen Teil­erfolg, weil sie nur zu einer Schuldspruchänderung führt, die den Angeklagten wenig belastet.
 
Ihr Anwalt Strafrecht Hamburg - Kanzlei Rechtsanwälte Lauenburg & Kopietz