StGB § 263 Versuchsbeginn
StGB § 263 Versuchsbeginn
BGH, Beschl. v. 12.01.2011 – 1 StR 540/10 - StV 2011, 362
Zum Versuchsbeginn beim Betrug: Handelt es sich um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Verfügungsverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 21. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit er verurteilt worden ist. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und ihn von weiteren Vorwürfen freigesprochen. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Schon die Sachrüge ist erfolgreich. Eines näheren Eingehens auf die zudem erhobene Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
1. Die Verurteilung hat das Landgericht im Wesentlichen auf folgende Feststellungen gestützt: Seit 2002 arbeitete der Angeklagte für die 1923 geborene Frau J. als Hausmeister. Nachdem diese im September 2005 schwer gestürzt war, kümmerte er sich gegen entsprechendes Honorar u.a. auch um deren körperliche Hygiene und Verpflegung. Im August 2008 erklärte sich Frau J. mit dem Vorschlag des Angeklagten einverstanden, ihm das ihr gehörende Grundstück, dessen Verkehrswert das Urteil nicht mitteilt, zu schenken. In dem darauf stehenden Haus sollte sie weiterhin unentgeltlich wohnen dürfen und vom Angeklagten wie bisher gepflegt werden. Bei diesem Gespräch spiegelte der Angeklagte Frau J. „bewusst wahrheitswidrig … vor, dass für die Übertragung des Anwesens Schenkungssteuer in Höhe von 150.000 € anfallen würde“, obwohl er „wusste, dass die“ Steuer „wesentlich niedriger … sein“, nämlich 81.175,40 € betragen würde. Da der Angeklagte sie nicht hätte bezahlen können, willigte Frau J. ein, ihm 150.000 € zusätzlich „zur Begleichung der anfallenden Schenkungssteuer zu schenken“. Mitte September 2008 beauftragte der Angeklagte einen befreundeten Rechtsanwalt, einen Überlassungsvertrag zu entwerfen. Der Entwurf enthielt in § 9folgende Regelung: „Die Überlasserin übergibt dem Übernehmer neben der Überlassung des Grundstücks einen Betrag in Höhe von 150.000 € als Schenkung. Den Betrag in Höhe von 150.000 € übergibt die Überlasserin an den Übernehmer im Ausgleich der mit der Überlassung und auch der Schenkung des Betrages von 150.000 € anfallenden Schenkungssteuer. Sollte die anfallende Schenkungssteuer unter dem Betrag von 150.000 € liegen, ist vom Übernehmer eine teilweise Rückerstattung nicht geschuldet. Ein möglicher Restbetrag wird dem Übernehmer von der Überlasserin geschenkt“. Nachdem der Angeklagte den Vertragsentwurf gebilligt hatte, übersandte ihn sein Rechtsanwalt an einen Notar, der den Beurkundungstermin auf den 1. Oktober 2008 um 17.00 Uhr bestimmte. Zu der Beurkundung kam es nicht mehr, weil der Angeklagte am Vormittag des genannten Tages festgenommen wurde.
2. Diese Feststellungen vermögen die Verurteilung wegen versuchten Betruges nicht zu tragen. Denn sie belegen nicht, dass der Angeklagte nach seinem Tatentschluss zur Verwirklichung des Betruges unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB) und ggf. von dessen Versuch nicht strafbefreiend zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 1 StGB).
a) Der Senat hat Bedenken, ob der Angeklagte die nach § 22 StGB für den Versuchsbeginn maßgebliche Schwelle schon überschritten hat. Zwar trifft die vom Landgericht vertretene Ansicht zu, dass es hierfür regelmäßig genügt, dass ein Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 -1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435). Es hat insofern eine Täuschung bejaht. Jedoch muss das, was der Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens getan hat, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand und dessen beabsichtigter Verwirklichung in Beziehung gesetzt werden. Handelt es sich aber dabei -wie hier - um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Verfügungsverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll (vgl. Satzger in SSW, StGB, 1. Aufl., § 263 Rn. 254). Daher lag es nicht nahe, auf die in dem ersten, im August 2008 geführten Gespräch hinsichtlich der Höhe der Schenkungssteuer gemachte Angabe abzustellen. Denn diese konnte nicht ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung münden, sondern sollte diese nur vorbereiten. Insbesondere bedurfte es auch nach der Vorstellung des Angeklagten noch der Ausarbeitung eines entsprechenden schriftlichen Vertrages und zwingend (§ 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB) dessen notarieller Beurkundung. Angesichts dessen vermag der Senat den Feststellungen ebenfalls nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte gar ohne Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals das Vorbereitungsstadium (hierzu BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 - 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435) bereits verlassen und die Schwelle zum „Jetzt geht es los“, also zum ohne Zwischenakte den Tatbestand verwirklichenden Tun überschritten hatte. Die Frage des unmittelbaren Ansetzens kann er aber letztlich offen lassen.
b) Denn jedenfalls hat das Landgericht nicht geprüft, ob der Angeklagte von dem -angenommenen -Betrugsversuch strafbefreiend zurückgetreten ist. Eventuell ist es im Hinblick auf die einige Stunden vor dem Notartermin erfolgte Festnahme des Angeklagten von einem fehlgeschlagenen Versuch ausgegangen. Hierdurch hat es sich jedoch den Blick auf die Möglichkeit verstellt, dass der Angeklagte bereits zuvor vom Versuch zurückgetreten ist. Insofern wäre es für die Voraussetzungen des für den allein handelnden Täter maßgeblichen § 24 Abs. 1 StGB zunächst darauf angekommen, ob ein beendeter oder ein unbeendeter Versuch vorliegt. Im ersten Fall erlangt der Täter Strafbefreiung nur dann, wenn er durch aktives Tun den Eintritt des Erfolges freiwillig verhindert. Im zweiten Fall genügt es, wenn er während der Ausführung seines Tatplans dessen weitere Durchführung freiwillig aufgibt. Maßgeblich für die Abgrenzung ist der sog. Rücktrittshorizont, d.h. die Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung (BGH, Urteil vom 12. November 1987 - 4 StR 541/87, BGHSt 35, 90, 93 f.). Hierzu enthält das Urteil keinerlei Feststellungen. Diese zu treffen hätte aber schon wegen der Ausgestaltung des dem Notar übermittelten Entwurfseines Übernahmevertrages Anlass bestanden. Denn hierin war nicht nur von der für das zu schenkende Grundstück anfallenden Steuer die Rede, sondern es wurde - was das Landgericht ebenfalls nicht ausdrücklich gewürdigt hat zutreffend auch auf diejenige für die Geldschenkung hingewiesen. Beide zusammen hätten nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7, 10, 16 Abs. 1 Nr. 5, 19 Abs. 1 ErbStG (in der zum Tatzeitraum geltenden Fassung) 128.992 € betragen, wenn man die in der Beweiswürdigung mitgeteilte Annahme des Angeklagten zugrunde legt, „das Haus“ sei 300.000 € wert. Schließlich verwies der Vertragsentwurf auf die Möglichkeit, dass die insgesamt fällig werdende Steuer weniger als 150.000 € ausmachen könnte. Der Umstand, dass diese in Aussicht genommene Regelung keine Täuschung (mehr) enthielt und der Notar verpflichtet gewesen wäre, sie Frau J. vor der Beurkundung vorzulesen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrkG), durfte in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben und hätte zur Prüfung der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 StGB führen müssen.
3. Auf die erhobene Verfahrensrüge, das Recht des Angeklagten auf konfrontative Befragung der Belastungszeugin (Art. 6 Abs. 3 Buchst. b MRK) sei dadurch verletzt worden, dass keine ermittlungsrichterliche Vernehmung Frau J. s durchgeführt wurde, bei der diese zumindest durch einen Verteidiger hätte „konfrontativ“ befragt werden können, kommt es somit nicht mehr an. Der Senat bemerkt jedoch, dass diese nur dann hätte erfolgreich sein können, wenn das Unterlassen der Vernehmung der Justiz zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2006 - 1 StR 493/06, BGHSt 51, 150), die Durchführung der Vernehmung m.a.W. geboten gewesen wäre. Dies war aber nicht schon deshalb so, weil Frau J. im fraglichen Zeitpunkt 85 Jahre alt und infolge ihres Sturzes im Jahr 2005 „körperlich gebrechlich“ war. Insbesondere war nicht vorhersehbar, dass sie Anfang November 2008 einen Schlaganfall mit Hirnblutung erleiden würde, infolge dessen sie bis zu ihrem Tod im Februar 2009 nicht mehr vernehmungsfähig sein würde. Bei ihren im Oktober 2008 durchgeführten polizeilichen Vernehmungen war Frau J. ungeachtet eines „schwankenden Zustandes“ jedenfalls uneingeschränkt zeugentüchtig, wie das Landgericht im Urteil ausführlich dargelegt hat.