StGB § 263 Voraussetzungen der Betrugsstrafbarkeit durch Abschluss von Krankheitskostenversicherungsverträgen

BGH, Urt. v. 23.02.2021 – 1 StR 6/21

1. Ein wirtschaftlich messbarer Wert kommt der Bereitschaft von Vertragspartnern zur „Vertragstreue“ regelmäßig nur dann zu, wenn sie sich auf das prim.re Austauschverhältnis bezieht und damit den Wert von Leistung oder Gegenleistung nachteilig beeinflusst.

2. Die bei Abschluss eines Krankheitskostenversicherungsvertrages bestehende Absicht, künftig unberechtigt Versicherungsleistungen zu beanspruchen, begründet noch keinen Vermögensschaden.

3. Das dem Versicherungsvertrag zugrunde liegende, das Vorliegen eines Vermögensschadens bestimmende Äquivalenzverhältnis besteht nicht in dem Verhältnis der geschuldeten Beitragszahlungen und den vom Versicherungsnehmer tatsächlich vereinnahmten Erstattungszahlungen.

4. Der Abschluss eines Versicherungsvertrages unter Täuschung über die Identit.t des Versicherungsnehmers schafft lediglich eine abstrakte Gefährdungslage, die einem endgültigen Schadenseintritt nicht gleichzusetzen ist.

5. Reicht ein Versicherungsnehmer am selben Tag und bei demselben Versicherer, wenn auch in getrennten Sendungen, unzutreffende Rechnungen über medizinische Behandlungen ein, liegt eine natürliche Handlungseinheit vor.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 23. Februar 2021 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 24. August 2020 mit den Feststellungen aufgehoben

a) in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 sowie II.2. Nr. 28 und Nr. 36 der Urteilsgründe;

b) im gesamten Strafausspruch und

c) im Ausspruch über die Anordnung der Einziehung von Tatmitteln.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 36 Fällen und versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Vielzahl von Gegenständen als Tatmittel (§ 74 Abs. 1 StGB) eingezogen. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Im Zeitraum von Februar 2014 bis September 2017 schloss der Angeklagte mit sieben privaten Krankenversicherungen unter den „Identitäten“ eines tschechischen und eines bulgarischen Staatsangehörigen und Verwendung der diesen abhanden gekommenen Ausweispapiere Krankenversicherungsverträge ab, um dort in der Folgezeit Rechnungen und Rezepte zur Erstattung einzureichen, sich um die ausgezahlten Erstattungsbeträge zu Unrecht zu bereichern und sich so eine nicht unerhebliche Einnahmequelle zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zu verschaffen. Nach Abschluss der Versicherungsverträge nahm der Angeklagte ärztliche Leistungen und Rezepte unter den fremden Personalien entgegen. Die Rechnungen und Rezepte reichte er – teilweise auch mehrfach – ebenso wie Scheinrechnungen, denen keine tatsächliche Behandlung zugrunde lag, bei den Versicherungen ein und machte entsprechende Erstattungsansprüche geltend. Dabei täuschte er über seine Identität, im Falle der Doppeleinreichung und der Einreichung von Scheinrechnungen aber auch darüber, dass die geltend gemachten Kosten noch nicht anderweitig abgerechnet beziehungsweise die in der eingereichten Rechnung ausgewiesenen Leistungen tatsächlich nicht erbracht worden waren. Die beim jeweiligen Versicherer im Bereich der Leistungsabrechnung tätigen Personen veranlasste er hierdurch zu täuschungs- und irrtumsbedingten Erstattungszahlungen, obwohl er auf diese, wie er wusste, keinen Anspruch hatte. Die Krankenversicherer leisteten aufgrund der vom Angeklagten eingereichten Rechnungen und Rezepte im Zeitraum Juni 2014 bis März 2019 in 618 Fällen Zahlungen in Höhe von insgesamt 412.569,36 €; in 49 Fällen blieben entgegen der Vorstellung des Angeklagten Erstattungszahlungen (insgesamt 48.739,44 €) aus (Tatkomplex II.1. Nrn. 1 bis 7 der Urteilsgründe). Im Zeitraum von November 2015 bis Juli 2019 nahm der Angeklagte zudem sowohl unter eigenem Namen als auch unter den verwendeten  Fremdpersonalien in 29 Fällen ärztliche Leistungen als Selbstzahler in Anspruch, wobei er vorhatte, die hierfür anfallenden Honorare nicht zu bezahlen, durch Einreichen der Rechnungen bei seiner privaten Krankenversicherung Erstattungszahlungen zu erlangen und sich auf diese Weise eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen. Die jeweiligen Ärzte erbrachten ihre Leistungen im Vertrauen auf die Zahlungsbereitschaft des Angeklagten, wodurch ihnen entsprechende Schäden entstanden (Tatkomplex II.2. Nrn. 8 bis 37 der Urteilsgründe). In einem der Fälle – Fall II.2. Nr. 28 oder Nr. 36 der Urteilsgründe – erbrachte der Angeklagte nach vorangegangener Täuschung des Personals der Arztpraxis über seine Identität die von ihm geforderte Honorarzahlung, nachdem einer Arzthelferin Unstimmigkeiten aufgefallen waren und er daher nach seiner Vorstellung sein Ziel nicht mehr erreichen konnte.

2. Das Landgericht hat in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 der Urteilsgründe angenommen, bereits im Abschluss eines jeden Krankenversicherungsvertrags liege eine Betrugstat. Den jeweiligen Betrugsschaden hat es auf die Summe der vom einzelnen Versicherer zu Unrecht zur Auszahlung gebrachten Erstattungsbeträge beziffert, wobei es in den späteren Erstattungszahlungen die Realisierung des jeweils bereits zuvor durch den Vertragsabschluss verursachten „Gefährdungsschadens“ gesehen hat.

II.

1. Die Verfahrensrüge ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen bereits unzulässig, wäre aber auch unbegründet.

2. Dagegen führt die Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Schuldspruchs und des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.

a) Der Schuldspruch hält in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 und II.2. Nr. 28 und Nr. 36 der Urteilsgründe revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Das Landgericht hat in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft den Tatbestand des § 263 StGB als durch die einzelnen Abschlüsse von Krankenversicherungsverträgen verwirklicht angesehen. Denn durch die mittels Täuschung herbeigeführten Vertragsschlüsse mit den Versicherungsunternehmen verursachte Vermögensschäden sind nicht den verfassungsrechtlichen

Vorgaben genügend festgestellt (vgl. hierzu BVerfGE 130, 1, 47 ff.). Hierfür wäre nicht nur ein Vergleich der Vermögenslagen des jeweiligen Krankenversicherungsunternehmens unmittelbar vor und nach dem Vertragsschluss sowie die Feststellung einer sich hieraus jeweils ergebenden negativen Vermö- gensbilanz erforderlich gewesen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. Dezember 2019 – 1 StR 171/19 Rn. 31 f. mwN und vom 16. Juni 2016 – 1 StR 20/16 Rn. 33 f.; Beschluss vom 4. Juli 2019 – 4 StR 36/19 Rn. 13 mwN), sondern insbesondere auch eine konkrete Beschreibung und Bezifferung des jeweiligen Vermögensschadens (vgl. BVerfGE 130, 1, 48; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – 1 StR 171/19 Rn. 32; Beschluss vom 26. Juni 2019 – 1 StR 551/18 Rn. 19 mwN). Daran fehlt es indes.

(1) Ein Vermögensschaden des vom Angeklagten jeweils getäuschten Versicherungsunternehmens wurde ausgehend von den getroffenen Feststellungen allein durch den jeweiligen Abschluss des Versicherungsvertrags – unabhängig von einem Zustandekommen eines Vertrags gerade mit dem Angeklagten – nicht verursacht. Insbesondere lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, dass durch den jeweils unter Täuschung herbeigeführten Vertragsschluss eine für das jeweilige Versicherungsunternehmen nachteilige Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses des etwa zustande gekommenen Versicherungsvertrags bewirkt worden wäre. Ein wirtschaftlich messbarer Wert kommt einer vorhandenen oder auch fehlenden Bereitschaft der Vertragspartner zur „Vertragstreue“ regelmäßig nur dann zu, wenn sich diese auf das primäre Austauschverhältnis der Vertragspartner (§ 241 Abs. 1 BGB) bezieht und damit den Wert von Leistung (hier: Gewährung von Versicherungsschutz zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen) oder Gegenleistung (hier: Zahlung der monatlichen Beiträge) nachteilig beeinflusst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 – 1 StR 20/16 Rn. 33 ff.; Beschluss vom 16. Juli 1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 302 f. mwN), nicht aber dann, wenn sie ausschließlich bloße vertragliche Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) – hier: ein redliches Abrechnungsverhalten – betrifft.

(2) Entgegen der Auffassung des Landgerichts wirkt sich die beim Angeklagten schon beim jeweiligen Vertragsschluss fehlende, aber gegenüber dem Versicherer vorgetäuschte Bereitschaft zur „Vertragstreue“ im Sinne eines künftig redlichen Abrechnungsverhaltens weder wertmindernd auf die von ihm versprochene Gegenleistung (Beitragszahlung) noch auf den Wert der versprochenen Leistung (Gewährung von Versicherungsschutz) aus. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe durch Abschluss des jeweiligen Versicherungsvertrags in oder unter falschem Namen zum Ausdruck gebracht, „von vornherein und ausschließlich“ Rechnungen einzureichen, um hierdurch unberechtigte Zahlungen zu erhalten (UA S. 111 f.), ist dabei bereits nicht von den Feststellungen getragen. Denn hieraus ergibt sich weder widerspruchsfrei und eindeutig, ob der Angeklagte die Versicherungsverträge in fremdem Namen (so UA S. 7, 39, 43, 54, 68, 87 und 102) oder unter fremdem Namen (so UA S. 3, 6 und 112) geschlossen hat, noch, dass er ausschließlich nicht leistungsunterlegte oder bereits abgerechnete Rechnungen zur Erstattung einreichen wollte und eingereicht hat (UA S. 6 einerseits und S. 110 ff. andererseits). Ein Vermögensschaden liegt insoweit aber insbesondere auch deshalb nicht vor, weil eine mögliche Absicht des Angeklagten, gegenüber der jeweiligen Versicherung künftig unberechtigte Ansprüche geltend zu machen, den Wert der vom Angeklagten mit Vertragsschluss versprochenen Leistung – die Zahlung der monatlichen Versicherungsbeiträge – ebenso unberührt lässt wie den Wert der Leistung des Versicherers. Der vom Versicherer geschuldete Versicherungsschutz erstreckt sich nämlich von vornherein nicht auf Kosten, die dem Versicherten oder Versicherungsnehmer nicht angefallen sind (Scheinrechnungen) oder aber bereits ausgeglichen wurden (Mehrfachabrechnungen). Eine etwa beim Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss vorhandene Vorstellung oder gar Absicht, das Versicherungsverhältnis für eine spätere unberechtigte Geltendmachung von Versicherungsleistungen zu nutzen, schlägt sich daher nicht wirtschaftlich messbar im vertraglichen Äquivalenzverhältnis nieder.

(3) Aus demselben Grunde verbietet sich auch die weitere – mangels Feststellungen zur Höhe der monatlichen Beitragszahlungen des Angeklagten ohnedies nicht von den Feststellungen getragene – Überlegung der Strafkammer, dass aus dem jeweiligen Vertragsschluss ein Vermögensschaden der Versicherer folge, weil der Angeklagte einen über den monatlichen Beitragsleistungen liegenden Betrag an Erstattungszahlungen habe generieren wollen. Das Landgericht übersieht auch insoweit, dass das dem Versicherungsvertrag immanente Äquivalenzverhältnis in dem Verhältnis der Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge und dem Wert des hierfür gewährten Versicherungsschutzes liegt und nicht etwa in dem Verhältnis der geschuldeten Beitragszahlungen und den vom Versicherungsnehmer tatsächlich vereinnahmten Erstattungszahlungen.

(4) Durch die Vertragsschlüsse herbeigeführte Vermögensschäden der Versicherungsunternehmen liegen schließlich auch nicht etwa deshalb vor, weil der Angeklagte durch die Täuschung über seine persönlichen Daten rein faktisch die Möglichkeit geschaffen oder jedenfalls verbessert hat, später unberechtigte Erstattungsansprüche geltend zu machen. Denn der Angeklagte hat durch den jeweiligen Vertragsschluss lediglich eine abstrakte Gefährdungslage geschaffen, die einem endgültigen Schadenseintritt nicht gleichzusetzen ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. September 2018 – 2 StR 31/18 Rn. 26 mwN; vgl. auch Urteil vom 17. Dezember 2019 – 1 StR 171/19 Rn. 32). Zu dem für den Vermögensvergleich maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des jeweiligen Krankenversicherungsvertrags war nicht nur offen, welche Rechnungen und Rezepte der Angeklagte während der Vertragslaufzeit unberechtigt zur Erstattung einreichen würde, nachdem der Angeklagte diese den Feststellungen zufolge erst nach Abschluss der Versicherungsverträge beschafft hat; es bedurfte für die Herbeiführung konkreter und messbarer Vermögensschäden der Versicherer auch weiterer – dem jeweiligen Vertragsschluss nachfolgender – selbständiger Willensentschlüsse des Angeklagten sowie weiterer Vorbereitungsmaßnahmen, wie insbesondere der Beschaffung der einzureichenden Rechnungen und Rezepte, und auch weiterer Tathandlungen in Form der unter Täuschung vorgenommenen Abrechnungen im konkreten Einzelfall. Gegenüber diesen bei Abschluss des jeweiligen Versicherungsvertrags in ihrer konkreten Gestalt noch ungewissen – allein schadensursächlichen – Kostenabrechnungen, die als selbständige Betrugstaten zu werten sind, stellt sich der jeweilige Abschluss des Versicherungsvertrags lediglich als Vorbereitungshandlung dar.

Anderes würde nur dann gelten, wenn die vom Angeklagten herbeigeführten Abschlüsse von Krankenversicherungsverträgen unter einer weitergehenden, zur Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses führenden Täuschung durch den Angeklagten zustande gekommen wären – etwa einer Täuschung über dessen Zahlungsbereitschaft hinsichtlich der Versicherungsbeiträge oder über dessen körperliche Konstitution und seinen Gesundheitszustand. Hierzu lässt sich den Feststellungen jedoch nichts entnehmen.

bb) Das Urteil hält revisionsgerichtlicher Prüfung auch insoweit nicht stand, als das Landgericht den Angeklagten wegen versuchten Betrugs verurteilt hat. Der Schuldspruch in den Fällen II.2. Nr. 28 und Nr. 36 der Urteilsgründe unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil sich nicht eindeutig erkennen lässt, in welchem der beiden Fälle der Angeklagte nach Entdeckung von Unstimmigkeiten durch die Arzthelferin sofortige Zahlung leistete und das Landgericht daher nur einen Versuch des Betrugs angenommen und ausgeurteilt hat. Während auf Seite 104 der Urteilsgründe mit Blick auf den Versuch von Fall II.2. Nr. 28 der Urteilsgründe die Rede ist, wird auf Seiten 112 und 113 des Urteils im Rahmen der rechtlichen Würdigung und Strafzumessung Fall II.2. Nr. 36 der Urteilsgründe genannt. Dieser Widerspruch wird auch nicht anderweitig aufgelöst.

cc) In den übrigen Fällen (Fälle II.2. Nrn. 8 bis 27 und Nrn. 29 bis 35 sowie Nr. 37 der Urteilsgründe) begegnet der Schuldspruch keinen durchgreifenden Bedenken. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist insbesondere noch hinreichend zu entnehmen, dass der Angeklagte in diesen Fällen die behandelnden Ärzte (auch) über seine Zahlungsbereitschaft täuschte und diese so – irrtumsbedingt – zur Erbringung ihrer ärztlichen Leistungen veranlasste, um sich um den Wert dieser nicht durch eine werthaltige Honorarforderung kompensierten Leistungen rechtswidrig zu bereichern. Die Höhe des jeweils durch die Leistungserbringung ohne Kompensation durch einen werthaltigen Honoraranspruch verursachten Schadens, der hier im Wert der ärztlichen Leistung liegt (vgl. zu Prostitutionsleistungen BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2019 – 1 StR 444/19 Rn. 16 mwN), ermittelt sich dabei mangels ausdrücklicher Preisabsprache gemäß § 630a Abs. 1, §§ 630b, 612 Abs. 2 BGB nach dem objektiven Marktpreis (vgl. BGH, aaO Rn. 17 f.; Urteil vom 16. Juni 2016 – 1 StR 20/16 Rn. 35), der sich bei ärztlichen Leistungen aus den in der Gebührenordnung für Ärzte beziehungsweise der Gebührenordnung für Zahnärzte geregelten Gebührensätzen ergibt.

b) Der Senat ist mangels widerspruchsfreier und auch sonst tragfähiger Feststellungen in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 und II.2. Nr. 28 und Nr. 36 der Urteilsgründe gehindert, den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst zu ändern. Insbesondere lässt sich mangels vollständiger und widerspruchsfreier Feststellungen zu den Umständen der Vertragsschlüsse und den Vertragsinhalten in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 der Urteilsgründe nicht verlässlich beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang durch den jeweiligen Vertragsschluss Versicherungsschutz für den Angeklagten begründet wurde und daher in den einzelnen Fällen der Kostenabrechnung ein Anspruch des Angeklagten auf die geltend gemachten Erstattungsleistungen bestand; entgegen der Auffassung des Landgerichts ist dies bei einem Vertragsschluss unter fremdem Namen nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. Dörner in Beckmann/ Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 9 Rn. 71 mwN; BGH, Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 92/12 Rn. 7 ff. mwN; Palandt/ Ellenberger, BGB, 80. Aufl., § 164 Rn. 11 ff. mwN). Den Feststellungen zu den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 der Urteilsgründe lässt sich auch nicht entnehmen, bei welchen der vielen bei den verschiedenen Versicherern eingereichten von der Anklage umfassten Rechnungen und Rezepten es sich um nicht leistungsunterlegte Belege handelte oder eine wiederholte Abrechnung vorgenommen wurde. Ebenso lässt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht hinreichend erkennen, ob und inwieweit vom Angeklagten am selben Tag bei den Versicherern eingereichte Rechnungen und Rezepte aufgrund eines einheitlichen Willensentschlusses zur Abrechnung versandt wurden, um wie viele Fälle der Leistungsabrechnung es sich somit handelte.

c) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 sowie II.2. Nr. 28 und Nr. 36 der Urteilsgründe nötigt zur Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Um dem neuen Tatgericht eine insgesamt schlüssige und in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat den gesamten Strafausspruch auf, zumal die Strafzumessung auch mit Blick auf die verfehlten Ausführungen zum minder schweren Fall und zur Gewerbsmäßigkeit in den Fällen II.2. Nrn. 8 bis 37 der Urteilsgründe Bedenken begegnet und überdies als Einzelstrafen in den Fällen II.2. Nrn. 8 bis 37 der Urteilsgründe jeweils Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten Dauer verhängt wurden, ohne dass § 47 StGB in den Blick genommen worden wäre.

d) Die Feststellungen sind von den zur Aufhebung führenden Rechtsfehlern betroffen und können daher keinen Bestand haben (§ 353 Abs. 2 StPO).

e) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

aa) Hinsichtlich des Vorwurfs, der Angeklagte habe durch den Abschluss von Krankenversicherungsverträgen den Straftatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) verwirklicht, wird vom neuen Tatgericht in den Blick zu nehmen sein, ob insoweit überhaupt nach §§ 3 ff. StGB deutsches Strafrecht zur Anwendung kommt. Dies drängt sich nach den bisherigen Feststellungen nicht auf, soweit der im Tatzeitraum teilweise im Ausland wohnhafte Angeklagte in den Fällen II.1. Nrn. 2 bis 4, Nr. 6 und Nr. 7 der Urteilsgründe Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland durch Täuschung zum Abschluss eines Krankenversicherungsvertrags veranlasst hat. Insbesondere lässt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen, ob im Sinne von § 9 StGB ein Teil der Tathandlung in der Bundesrepublik begangen wurde. Mit Blick auf etwaige Betrugstaten in Form des Einreichens von Scheinrechnungen oder bereits abgerechneten beziehungsweise sonst nicht erstattungsfähigen Rechnungen oder Rezepten ist hingegen den bislang getroffenen Feststellungen zu entnehmen, dass die Taten im Inland begangen wurden. In einem jeden der Fälle wurde zumindest ein Teilakt der Tathandlung im Inland vollzogen oder ist jedenfalls der Taterfolg im Bundesgebiet eingetreten. So hat der Angeklagte entweder bereits im Bundesgebiet ansässige Versicherungsunternehmen getäuscht und hierdurch zur Zahlung veranlasst (unter II.1. Nr. 1 und 5 der Urteilsgründe aufgeführte Fälle) oder er hat die Täuschung von im Ausland ansässigen Versicherungsunternehmen vom Inland aus vorgenommen (unter II.1. Nrn. 3, 4, 6 und 7 der Urteilsgründe aufgeführte Fälle). In den unter II.1. Nr. 2 der Urteilsgründe aufgeführten Fällen hat der Angeklagte das in Luxemburg ansässige Versicherungsunternehmen durch Täuschung zur Zahlung auf ein inländisches Konto veranlasst.

bb) Für die konkurrenzrechtliche Bewertung wird darüber hinaus in den Blick zu nehmen sein, ob und inwieweit bei der Einreichung von Erstattungsanträgen natürliche Handlungseinheiten vorliegen könnten, was bei am selben Tag beim selben Versicherer eingereichten Rechnungen und Rezepten selbst dann naheliegt, wenn diese in getrennten Sendungen beim Versicherer eingereicht wurden (vgl. zur natürlichen Handlungseinheit bei mehreren gleichartigen Tathandlungen, die in engem zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden: BGH, Urteil vom 20. August 2020 – 3 StR 94/20 Rn. 17 mwN).

cc) In dem als bloßer Versuch ausgeurteilten Fall (Fall II.2. Nr. 28 oder Nr. 36 der Urteilsgründe) wird sich das neue Tatgericht genauer als bisher damit auseinander zu setzen haben, ob die Tat nicht nur versucht, sondern bereits vollendet ist. Dabei ist zu beachten, dass die spätere Bezahlung oder Nichtbezahlung der Honorarforderung des Arztes für die Frage der Tatvollendung ohne Bedeutung ist, weil die vom Täter in Bereicherungsabsicht durch Täuschung über die eigene  Zahlungsbereitschaft veranlasste Vermögensverfügung des Arztes – die Erbringung der ärztlichen Leistung – mangels Kompensation durch eine werthaltige Honorarforderung sogleich mit der Leistungserbringung zu einem Vermögensschaden führt (vgl. allgemein zu Austauschverträgen BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2019 – 1 StR 444/19 Rn. 15 f.); der spätere Ausgleich der Honorarforderung stellt lediglich eine (bei der Strafzumessung zu berücksichtigende) nachträgliche Schadenskompensation dar. Daher bedarf der genauen Feststellung, ob beim Angeklagten die Bereitschaft zur Bezahlung der Honorarforderung des zunächst getäuschten Arztes vor oder nach Erbringung der ärztlichen Leistung eingetreten ist.

f) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 sowie II.2. Nr. 28 und Nr. 36 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Anordnung über die Einziehung von Tatmitteln (§ 74 Abs. 1 StGB) nach sich, weil nach den auch insoweit unzulänglichen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass die eingezogenen Gegenstände ausschließlich bei Begehung der Taten in den Fällen II.1. Nrn. 1 bis 7 sowie II.2. Nr. 28 und Nr. 36 der Urteilsgründe als Tatmittel verwendet wurden.