StGB § 266 Abs. 1; § 14 I Nr. 1, § 15; GmbHG § 64 3; AktG § 76 I - Untreue Vermögensverschiebung im Konzern, Überschuldung Untergesellschaft; existenzvernichtender Eingriff

StGB § 266 Abs. 1; § 14 I Nr. 1, § 15; GmbHG § 64 3; AktG § 76 I - Untreue Vermögensverschiebung im Konzern, Überschuldung Untergesellschaft; existenzvernichtender Eingriff

BGH, Beschl. v. 31.07.2009 – 2 StR 95/09 - BGHSt 54, 52 = NJW 2009, 3666 = NStZ 2010, 89 = StV 2010, 74 =

LS:  1. Zur Pflichtwidrigkeit bei Untreuehandlungen zu Lasten konzernintegrierter GmbHs bei Zustimmung der Alleingesellschafterin.
2. Anforderungen an die Feststellungen zur vermögensschädigenden Überschuldung konzernabhängiger Gesellschaften durch Darlehensgewährung bei zentralem Cash-Management.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 25. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:           

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und angeordnet, dass für den Fall des Widerrufs der Strafaussetzung vier Monate der Strafe als bereits vollstreckt gelten. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.

A. Das Landgericht hat festgestellt:

I. Der Angeklagte war seit dem 1. Juni 1999 Vorstand der börsennotierten R. AG (im Folgenden: R. AG). Der R.-Konzern befasste sich mit dem Betrieb von Seniorenheimen und einer Klinik. Operativ tätig auf diesem Gebiet waren verschiedene von der Holding beherrschte Untergesellschaften. Die R. AG selbst konnte Deckungsbeiträge zu ihren Betriebskosten, abgesehen von Einmaleffekten, nur aus den Gewinnen der Untergesellschaften erzielen. Die Bestellung des Angeklagten war erfolgt, nachdem sich bei einer Sonderprüfung Unregelmäßigkeiten in der Amtsführung des bisherigen Vorstands ergeben hatten, die zu dessen Abberufung führten. Der Angeklagte sollte den Konzern sanieren. Dies gelang letztlich nicht; mit Beschluss vom 1. August 2001 wurde über das Vermögen der R. AG das Insolvenzverfahren eröffnet.

II. Die R. AG hatte den überwiegenden Teil der Betriebsgrundstücke des Konzerns von der P. AG gemietet, die von dem abgelösten früheren Vorstand der R. AG beherrscht wurde, und sie ihrerseits an die jeweiligen Betreibergesellschaften (unter-)verpachtet. Bei den Betreibergesellschaften handelte es sich um die R. B. GmbH (B.), deren alleinige Gesellschafterin die R. AG war, sowie um eine Anzahl von Tochter- und Enkelgesellschaften der B.. Geschäftsführer der B. und ihrer Untergesellschaften war bis zum Mai 2001 der Zeuge L.. Die R. AG hatte an die P. AG höhere Pachtzinsen zu zahlen, als sie selbst von ihren eigenen Pächterinnen aus der Unterverpachtung erlangte. Die Betreibergesellschaften finanzierten die von ihnen zu zahlende Pacht aus Zahlungen der Sozialkassen und wären zu höheren Leistungen nur in der Lage gewesen, wenn eine Steigerung der Investitionskostenanteile durch Nachverhandlungen der vereinbarten Pflegesätze gegenüber den Kostenträgern geltend gemacht worden wäre. Pflegesatzverhandlungen, die branchenüblich in einem Abstand von 12 bis 15 Monaten erfolgen, waren für die Betreibergesellschaften der R. -Gruppe aber seit 1998 nicht mehr geführt worden und wurden auch nach Amtsübernahme des Angeklagten nicht geführt, da dieser mit anderen im Zuge der Sanierung vorgefundenen Problemen ausgelastet war. Das Kerngeschäft der Gruppe war durchgehend defizitär; die R. AG erwirtschaftete im Sommer 2000 monatliche Verluste von 2 bis 2,5 Mio. DM. Die P. AG hatte sich die Pachtansprüche der R. AG gegen die Betreibergesellschaften sicherungshalber abtreten lassen. Die Abtretung war gegenüber deren Geschäftsführer L. offengelegt worden. Dennoch zahlten die B. sowie vier der von ihr beherrschten Gesellschaften bis einschließlich Mai 2001 weiter an die R. AG. Die R. AG leitete erstmals im August 2000 und dann fortlaufend ab November 2000 diese Pachtzahlungen nicht an die P. AG weiter, da sie angesichts ihrer sich verschlechternden Liquiditätslage die Gelder anderweit benötigte, insbesondere zur Zahlung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung sowie zur Lohnzahlung. Die P. AG kündigte wegen der Zahlungsrückstände das Mietverhältnis mit Datum vom 11. April 2001 fristlos. Dass die Pachtzahlungen der Betreibergesellschaften an die Konzernmutter in Folge der Sicherungsabtretung keine schuldbefreiende Wirkung hatten, war dem Angeklagten nicht bewusst.

III. Bereits seit 1999 hatte sich die R. AG von fünf der von der B. beherrschten Untergesellschaften Darlehen zur Schließung von Liquiditätslücken gewähren lassen. Die Rückzahlungsansprüche waren angesichts der sich verschlechternden Liquiditätslage der Holdinggesellschaft seit Herbst 2000 nicht mehr werthaltig und gefährdeten die Liquidität der Darlehensgeberinnen selbst. Dennoch ließ sich die R. AG auch in dieser Lage noch mehrmals weitere Darlehen gewähren. Der Angeklagte war über diese Form der Liquiditätsbeschaffung informiert und billigte sie; mitunter forderte er die Darlehen persönlich an und unterzeichnete die Vertragsurkunden.

IV. Die nach Ablösung von L. neu bestellte Geschäftsführerin der B. und der fünf Untergesellschaften stellte am 29. Juni und 4. Juli 2001 für alle sechs Unternehmen Insolvenzanträge. In der Folge wurde über das Vermögen der Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet.

V. Der privat verschuldete Zeuge L. war neben seinen Ämtern als Geschäftsführer verschiedener Konzerngesellschaften auch Leiter der Rechtsabteilung der Holding. Er bemühte sich bei dieser im April 2000 um ein Arbeitnehmerdarlehen, da er eine Umschuldung vornehmen wollte. Am 10. April 2000 vereinbarte der Angeklagte namens der R. AG mit ihm einen Vertrag über die Gewährung eines unverzinslichen Darlehens über 180.000 DM, das am 10. Oktober2000 ineiner Summe zur Rückzahlung fällig werden sollte. Nach dem Vertrag hatte L. auf erstes Anfordern der Darlehensgeberin eine näher bezeichnete dingliche Sicherheit zu stellen. Die R. AG, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit Liquiditätsproblemen belastet war, finanzierte die Darlehenssumme, indem sie ihrerseits einen Darlehensvertrag mit der D. GmbH schloss, einer weiteren von ihr beherrschten Gesellschaft, deren Geschäftsführer ebenfalls L. selbst war. Das Darlehen gelangte am 13. April 2000 unmittelbar von der D. GmbH zur Auszahlung an L. Eine Sicherheit wurde in der Folge weder angefordert noch gestellt. L. zahlte den Darlehensbetrag zum Fälligkeitszeitpunkt nicht an die Darlehensgeberin zurück. Bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der R. AG wurde mit einer Aufhebungsvereinbarung vom 25. Juni 2001 ein Teil des Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 50.000 DM mit einem Prämienanspruch L.s für das Jahr 1999 verrechnet. Im Übrigen wurde das Darlehen nachträglich um drei Jahre prolongiert und verzinslich gestellt. L. zahlte auch in der Folge die verbleibende Hauptforderung nebst Zinsen nicht; er fiel im Jahr2004 inInsolvenz.

B. Das Landgericht hat die Gewährung des Darlehens an L. als Untreue des Angeklagten zum Nachteil der R. AG gewürdigt. Es hat den Angeklagten zudem wegen Untreue zum Nachteil der fünf von der B. beherrschten Untergesellschaften durch Entgegennahme der Pachtzinszahlungen sowie durch die Darlehensanforderungen zugunsten der R. AG verurteilt, während es ihn - neben weiteren Vorwürfen - vom Vorwurf der Untreue zum Nachteil der B. selbst freigesprochen hat.

C. Die Verurteilung hält in keinem der sechs Fälle rechtlicher Überprüfung stand. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind lückenhaft und nicht frei von Widersprüchen; sie tragen die rechtliche Würdigung des Handelns des Angeklagten als Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB nicht.

I. Untreue zum Nachteil der R. AG

Während in den Urteilsgründen die Entscheidung des Angeklagten zur Gewährung des Arbeitnehmerdarlehens einerseits als Freundschaftsdienst dargestellt wird, mit dem der Angeklagte L. habe helfen wollen (S. 22 UA), weist das Landgericht andererseits darauf hin, dass der Angeklagte die Dienste L.s wegen seiner umfassenden Kenntnisse über die Konzernverhältnisse und zur Führung der Schadensersatzprozesse gegen den früheren Vorstand unbedingt benötigt habe (S. 19/20 UA). Traf Letzteres zu, so war die Gewährung eines zusätzlichen finanziellen Vorteils für L. aber in Ansehung der dem Angeklagten zustehenden Leitungsbefugnis aus § 76 Abs. 1 AktG selbst unter Berücksichtigung der angespannten Liquiditätslage des Unternehmens nicht ohne Weiteres pflichtwidrig. Dies gilt um so mehr, als sich wegen der Refinanzierung des Darlehens über die D. GmbH die Liquidität der R. AG selbst nicht unmittelbar verschlechterte. Formulierungen der Urteilsgründe deuten allerdings darauf hin, dass das Landgericht aus den Umständen der Tatbegehung gefolgert hat, es habe sich nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten tatsächlich gar nicht um ein Darlehen gehandelt, sondern um eine vor dem Aufsichtsrat verschleierte Sonderzahlung (S. 22 u. 104/105 UA), der Darlehensvertrag mit L. sei daher ein Scheingeschäft gewesen. In einem solchen Fall, in dem der Angeklagte den Ausfall der R. AG mit dem Rückzahlungsanspruch - entgegen der Würdigung der Strafkammer - nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern mit direktem Vorsatz gehandelt hätte, drängte sich die Annahme einer strafbaren Untreue allerdings auf, auch wenn selbst im Fall einer Sonderzuwendung an einen Arbeitnehmer durch den Vorstand die Pflichtwidrigkeit seines Handelns nicht ohne jede weitere Begründung auf der Hand läge. Die - insgesamt unklare - Würdigung des Landgerichts lässt aber eine Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass bei L.s Ausscheiden die Verrechnung eines Teils des Rückzahlungsanspruchs mit einem Prämienanspruch vereinbart wurde; dies könnte gegen das Vorliegen eines Scheingeschäfts sprechen. Die Feststellung des Landgerichts schließlich, der Angeklagte habe in Kenntnis der finanziellen Probleme L. s gehandelt, über die er bereits 1999 durch den Zeugen Ba., möglicherweise gemeinsam mit dem Zeugen Be., informiert worden sei (S. 19 UA), wird durch die Beweiswürdigung nicht belegt (S. 70 ff. UA).

II. Untreue in fünf Fällen zum Nachteil der Untergesellschaften

1. Die Würdigung der Kammer, bei der Unkenntnis des Angeklagten von der rechtlichen Wirkung der gegenüber dem Geschäftsführer der Untergesellschaften offen gelegten Sicherungsabtretung habe es sich nur um eine unbedeutende Abweichung im Kausalverlauf gehandelt, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. War dem Angeklagten nicht bekannt, dass die Pachtzahlungen der Untergesellschaften für November 2000 bis Mai 2001 an die R. AG nicht zur Befreiung von ihrer entsprechenden vertraglichen Verbindlichkeit führen konnten, so fehlte ihm der Vorsatz, ihnen durch die Entgegennahme der Zahlungen jeweils einen Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zuzufügen. Auch wenn Mitarbeiter der Untergesellschaften gegen Geldabflüsse protestiert und auf Liquiditätsprobleme hingewiesen hatten, waren die Fälle insofern rechtlich nicht anders zu beurteilen als in Bezug auf die Pachtzahlungen der B. an die R. AG, hinsichtlich derer das Landgericht den Angeklagten wegen Fehlen des Schädigungsvorsatzes vom Vorwurf der Untreue freigesprochen hat (UA S. 108).

2. Als Anknüpfungspunkte für den Vorwurf einer Untreue zum Nachteil der Untergesellschaften kamen mithin nur die Darlehensabforderungen zu Gunsten der Konzernmutter in Betracht. Das Landgericht ist im rechtlichen Ansatz im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass „existenzgefährdende“ Abforderungen durch den Vorstand einer herrschenden Gesellschaft den Vorwurf der Untreue zum Nachteil der beherrschten Gesellschaft begründen können.

a) Zwar können der GmbH mit Zustimmung ihrer Gesellschafter grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Deshalb sind solche Verfügungen, die in Übereinstimmung mit dem Vermögensinhaber erfolgen, grundsätzlich nicht pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. In der zivil- wie strafgerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass es Fallkonstellationen gibt, in denen der Geschäftsführer als für das Vermögen einer Gesellschaft Treupflichtiger seine Pflichten nach § 266 Abs. 1 StGB auch dann verletzt, wenn er mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter handelt; danach gibt es einen Bereich, der einer Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter entzogen ist. Die Rechtsprechung hat eine Vermögensverfügung als gegenüber der Gesellschaft treuwidrig und damit wirkungslos angesehen, wenn sie geeignet ist, das Stammkapital der Gesellschaft zu beeinträchtigen, wenn der Gesellschaft durch die Verfügung ihre Produktionsgrundlagen entzogen werden oder wenn ihre Liquidität gefährdet wird, indem ihr das zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigte Vermögen entzogen wird (vgl. BGHSt 49, 147, 157 ff. m. w. Nachw.). Hieran hält der Senat trotz der in der Literatur erhobenen, auf den Schutzzweck des § 266 StGB abstellenden Einwendungen (vgl. die Nachw. bei Fischer StGB 56. Aufl. § 266 Rn. 52e) fest.

b) Ob allein die Rücksichtnahme des Gesellschafters auf das Eigeninteresse der GmbH schon für die Annahme einer eigenen Vermögensbetreuungspflicht und damit für die Erfüllung des Treubruchstatbestands ausreichen kann (so BGHZ 149, 10,17 f.) oder ob die Pflicht zur Rücksichtnahme nicht lediglich die Schranke eigener Dispositionsbefugnis des Gesellschafters aufzeigt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls in Fällen, in denen wie hier die den Untergesellschaften entzogenen Vermögenswerte in der ausschließlichen Einflusssphäre des Konzerns verbleiben, kommt die besondere, auf die Wahrung fremder Vermögensinteressen gerichtete Betreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zum Ausdruck. Werden Vermögenswerte der beherrschten Gesellschaften hier in einem solchen Ausmaß transferiert, dass die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeiten der einlegenden Konzernmitglieder im Falle eines Verlusts der Gelder gefährdet wird, so verletzt der Vorstand der herrschenden Gesellschaft hierdurch seine Vermögensbetreuungspflicht, sofern nicht die Rückzahlung, etwa durch ausreichende Besicherung, gewährleistet ist (BGHSt 49, 147,160 f.). Diese Verpflichtung trifft im mehrstufigen Beherrschungsverhältnis nicht nur die Alleingesellschafterin der geschädigten Gesellschaft, sondern sämtliche die Untergesellschaft beherrschenden Konzernebenen über dieser (so in der Sache schon BGHSt 49, 147,160 f.; im Ergebnis auch Ransiek wistra 2005, 121,124 f.). Sie wird den Mitgliedern der vertretungsberechtigten Organe der herrschenden Gesellschaften nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zugerechnet.

c) Diese rechtliche Beurteilung wird durch die neuere zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Haftungsgrundlage in Fällen des "existenzvernichtenden Eingriffs" (vgl. zur Irrelevanz des Unterschiedes zwischen straf- und zivilgerichtlicher Terminologie BGHSt 49, 147,159 f.) nicht in Frage gestellt. Zwar hat sich der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seit 2007 vom bisherigen Konzept der Existenzvernichtungshaftung als Durchgriffshaftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gelöst, die an den Missbrauch der Rechtsform der GmbH anknüpfte. Er hat stattdessen die Existenzvernichtungshaftung an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens angeknüpft und sie in Gestalt einer Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft als Fallgruppe der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB eingeordnet (vgl. BGHZ 173, 246, 251 ff.; 176, 204, 209 ff.; BGH NJW 2009, 2127,2128 f.). Daraus ist im Schrifttum gefolgert worden, an einer Untreuestrafbarkeit des Vorstands der herrschenden Gesellschaft könne in derartigen Fällen nicht festgehalten werden, da die deliktsrechtlich fundierte Pflicht, die Existenz der beherrschten Gesellschaft gefährdende Eingriffe zu unterlassen, nicht als Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB angesehen werden könne (Weller ZIP 2007, 1681, 1688; Livonius wistra 2009, 91,93 f.). Diese Auffassung verkennt jedoch, dass die Einschränkung der zivilrechtlichen Dispositionsbefugnis des Alleingesellschafters und der Umfang seiner eigenen straf-rechtlichen Vermögensbetreuungspflicht nicht deckungsgleich sind. Die neuere Rechtsprechung des II. Zivilsenats stellt zwar die Reichweite der Einschränkung der Dispositionsbefugnis auf eine neue rechtliche Grundlage. Von dem Wechsel zu einer deliktsrechtlichen Haftungskonstruktion unberührt ist aber die Frage, in welchen Fällen die Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft - die nunmehr auch nach zivilrechtlicher Betrachtungsweise als unmittelbar Geschädigte eines ihre Existenz gefährdenden Eingriffs angesehen wird, während die Gesellschaftsgläubiger nur mittelbar betroffen werden (BGHZ 173, 246, 260; vgl. dazu auch Radtke/Hoffmann GA 2008, 535,548 f. u.550 f.) - zur eigenen Vermögensbetreuungspflicht erstarkt. Jedenfalls in dem bereits oben dargelegten, erstmals durch die Entscheidung des 5. Strafsenats vom 13. Mai 2004 (BGHSt 49, 147,160 f.) entwickelten Umfang ist aber auch im Licht der neuen zivilrechtlichen Haftungskonstruktion an der Annahme einer solchen Pflicht festzuhalten. 

d) Auch die Änderungen des GmbH-Gesetzes durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (Mo-MiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I 2026) geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Insbesondere ist aus § 64 Satz 3 GmbHG n.F., wonach Geschäftsführer einer GmbH dieser grundsätzlich zum Ersatz von Zahlungen an Gesellschafter verpflichtet sind, wenn diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, das Gesetz nehme nicht mehr den Gesellschafter, sondern nur noch den Geschäftsführer als den für den Erhalt der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft Verantwortlichen in die Pflicht (so aber Livonius wistra 2009, 91,94 f.). Die Regelung erfasst nach gesetzgeberischer Intention nur einen Teilbereich der Haftung für existenzbedrohende Vermögensverfügungen, indem sie nicht beim Gesellschafter als Empfänger der Zahlung ansetzt, sondern beim Geschäftsführer als deren Auslöser oder Gehilfe, und indem sie dort auch nur Zahlungen, nicht aber die Aushöhlung der Existenzfähigkeit durch andere Eingriffe erfasst. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei § 64 Satz 3 GmbHG nicht um eine abschließende Regelung der Existenzvernichtungshaftung; die Vorschrift berührt die bisherige straf- wie zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Haftung des Gesellschafters für existenzgefährdende bzw. -vernichtende Eingriffe nicht (so schon der Gesetzentwurf des MoMiG BT-Drucks. 16/6140, S. 46; ebenso Bittmann NStZ 2009, 113, 118).

3. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts tragen den Vorwurf einer Untreue des Angeklagten zum Nachteil der fünf Untergesellschaften indes nicht.

a) In vier der fünf Fälle nötigt bereits die rechtsfehlerhafte Berücksichtigung der Entgegennahme der Pachtzahlungen zur Aufhebung, da die Feststellungen des Landgerichts zum Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Gefährdungslage der Untergesellschaften nicht ausschließbar auf dem Rechtsfehler beruhen.

b) Aber auch darüber hinaus lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, dass die Strafkammer den rechtlichen Ansatzpunkt für die Herbeiführung eines Vermögensnachteils bei den Untergesellschaften aus dem Blick verloren hat. Anstatt an die Vermögensverfügungen in Gestalt der einzelnen Darlehensabforderungen anzuknüpfen, führt die Kammer aus, dass sich die Gefahr einer Insolvenz, in die der Angeklagte die Gesellschaften gebracht habe, im Juni 2001 (also wohl mit dem Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung) realisiert habe (S. 34 u. 105 UA). Bei der konkreten Strafzumessung knüpft sie demgegenüber vornehmlich an den Nominalbetrag des eingetragenen Stammkapitals der jeweiligen Gesellschaft an (S.114 f. UA).

c) Dass das Landgericht als maßgeblichen Tatzeitraum einerseits die Zeit von Ende Oktober (S. 34 UA) oder November 2000 (S. 81 UA) oder ab Herbst 2000 (S. 53 UA) bis Juni 2001 bezeichnet, andererseits aber auch Darlehen in bedeutender Gesamthöhe, die einige der Untergesellschaften bereits vor dem 6. November 2000 geleistet hatten, ausdrücklich als für die Insolvenzen ursächlich angesehen hat, lässt ebenfalls nicht erkennen, an welche tatbestandlichen Ausführungshandlungen im Einzelnen die rechtliche Würdigung anknüpft.

4. Da die rechtliche Würdigung der Fälle auf Grund dieser Mängel der Feststellungen einer näheren Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen ist, bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zur neuen Verhandlung berufene Wirtschaftsstrafkammer wird festzustellen haben, durch welche Handlungen im Einzelnen der Angeklagte Einfluss auf die verschiedenen Darlehensgewährungen der Untergesellschaften an die R. AG nahm, ab wann eine schädigende Gefährdung ihrer Existenz vorlag und ob und ab wann der Angeklagte dies auch erkannt hatte. Was die Bestimmung des Schuldumfangs angeht, so wird der neue Tatrichter, sofern eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht nicht auf die Gefährdung des Stammkapitals, sondern auf die Gefährdung der Fähigkeit zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten der Untergesellschaften zu stützen sein sollte, in wertender Betrachtung den Anteil des entzogenen Vermögens zu bestimmen haben, den die Untergesellschaften zur Erfüllung ihrer eigenen Verbindlichkeiten benötigt hätten (vgl. BGHSt 49, 147,165 f.). Er wird dabei zu beachten haben, dass das Landgericht bislang keine Feststellungen dazu hat treffen können, dass außer der Vermieterin P. AG noch andere Gläubiger der betreffenden fünf Gesellschaften mit ihren Forderungen ausgefallen waren (S. 61 UA). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Feststellungen des aufgehobenen Urteils die Bewertung nahe legen, dass die Insolvenzen der S GmbH (S.), der Seniorenwohnsitz H. GmbH (H) und der V. GmbH nicht auf den Ausfall mit Darlehensrückzahlungsansprüchen gegen die R. AG, sondern ausschließlich oder doch im Wesentlichen auf die Verpflichtung zur erneuten Zahlung der zuvor bereits in gleicher Höhe an die Konzernmutter abgeführten Pachtzahlungen an die Zessionarin P. AG zurückzuführen waren. Das Landgericht durfte in diesem Zusammenhang nicht offenlassen, ob der R. AG gegen die H. ein von der B. abgetretener Gewinnabführungsanspruch in Höhe von über 252.000 DM zustand (S. 37/38, 89 UA). Die Ausführungen auf S. 39 UA einerseits und S. 56 UA in Verbindung mit der tabellarischen Aufstellung S. 41 UA andererseits lassen zudem vermuten, dass die Darlehenszahlung der S. über 100.000 DM vom 6. November 2000 nach der Vorstellung der Beteiligten letztlich in voller Höhe mit den Pachtverbindlichkeiten gegenüber der Konzernmutter für Dezember 2000 und Januar 2001 verrechnet worden war.

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