StGB § 27 Abs. 1: Anforderung an das Hilfeleisten beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
BGH, Beschl. v. 23.02.2016 – 3 StR 503/15 – BeckRS 2016, 05737
Nach ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich. Eine solche Unterstützung kann auch in der Form der psychischen Beihilfe geleistet werden.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. und 3. auf dessen Antrag -am 23. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 4. August 2015, soweit es ihn betrifft,
a) aufgehoben,
aa) und der Angeklagte freigesprochen, soweit er im Fall 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit fallen die ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) in der Urteilsformel dahin geändert, dass der Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt ist.
2. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, dahin abgeändert, dass die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe vor der Maßregel auf ein Jahr, zehn Monate und zwei Wochen festgesetzt wird.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Der Beschwerdeführer S. hat die verbleibenden, der Beschwerdeführer E. hat die gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten E. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen erpresserischen Menschenraubes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor der Maßregel ein Jahr und zehn Monate der Strafe zu vollstrecken sind.
Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte E. macht zudem ein Verfahrenshindernis geltend. Die Rechtsmittel haben den jeweils aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg;im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten S. im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
3 a) Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte E. und der gesondert Verfolgte B. übereingekommen, im großen Umfang mit Amphetamin Handel zu treiben. Das Angebot seines Verwandten B., sich an diesem Handel dadurch zu beteiligen, dass er sich "stark" machen solle, etwa wenn Abnehmer nicht zahlen wollten oder wenn ähnliche Probleme auftreten würden, lehnte der durchtrainiert und muskulös wirkende Angeklagte S. ab. Mitte September des Jahres 2014 hielten E. und B. in der Wohnung des Angeklagten E. etwa zwei Kilogramm Amphetamin zum gewinnbringenden Verkauf vorrätig, das sie im Gefrierfach des Kühlschranks versteckt aufbewahrten. Am Tattag erwartete der Angeklagte E. den als betrügerisch geltenden "Kleindealer" F. , der ihm aus einem vorangegangenen Betäubungsmittelgeschäft noch Geld schuldete und mit dem er und der gesondert Verfolgte B. keine Geschäfte -jedenfalls keine "größeren Umfangs" - mehr machen wollten. F. erschien gegen Mittag in Begleitung von zwei weiteren Betäubungsmittelkonsumenten in der Wohnung und verbrachte dort die nächsten Stunden, in denen die Anwesenden Betäubungsmittel konsumierten und F. versuchte, E. zum Abschluss von Betäubungsmittelgeschäften zu überreden. Am Nachmittag rief der gesondert Verfolgte B., der die Wohnung verlassen hatte, bei dem Angeklagten S. an und bat ihn zur Wohnung des Angeklagten E. zu fahren und nach dem Rechten zu sehen, weil F. und seine Begleiter dort "Ärger machten". S. kam dem nach, um dem Angeklagten E. Schutz anzubieten; dieser versicherte ihm jedoch, dass es keinen Streit gebe, woraufhin der Angeklagte S. die Wohnung nach wenigen Minuten wieder verließ.
b) Das Landgericht hat eine Unterstützung der "Betäubungsmittelgeschäfte" von E. und B. ausweislich der rechtlichen Würdigung darin gesehen, dass der Angeklagte S. dem Angeklagten E. "bei -den von B. befürchteten -Schwierigkeiten mit F. " beistand.
Ein Hilfeleisten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB wird dadurch indes nicht belegt, vielmehr ist der Tatbestand der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten S. auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Insoweit gilt:
Nach ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich. Eine solche Unterstützung kann auch in der Form der psychischen Beihilfe geleistet werden. Voraussetzung dafür ist allerdings ein konkreter Tatbeitrag des Gehilfen, durch den der Haupttäter in seinem Tatentschluss bestärkt wird (s. etwa BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 -3 StR 206/11, NStZ 2012, 316 mwN). Eine den konkreten Handel mit den im Kühlschrank versteckten zwei Kilogramm Amphetamin objektiv fördernde Handlung des Angeklagten S. lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die beiden Haupttäter mit dem schlecht beleumundeten F. keine (weiteren) Rauschgiftgeschäfte tätigen wollten; ein konkreter Betäubungsmittelumsatz stand mithin nicht im Raum. Aber auch eine Hilfeleistung dergestalt, dass der Angeklagte S. die Haupttäter dabei unterstützte, sich im Besitz der Betäubungsmittel zu halten bzw. den Besitz gegen Übergriffe von F. und seinen Begleitern zu verteidigen, ist nicht zu erkennen, denn tatsächlich hatte der Angeklagte E. - entgegen den Befürchtungen des gesondert Verfolgten B. - keine "Schwierigkeiten" mit F., bei denen er objektiv der Unterstützung durch den Angeklagten S. bedurft hätte. Schließlich ergeben die Feststellungen auch nicht das Vorliegen der Voraussetzungen einer psychischen Beihilfe, weil es an der erforderlichen Bestärkung des Tatentschlusses fehlt: Im Vorfeld der von den Haupttätern aufgenommenen Handelstätigkeit hatte der Angeklagte eine Beteiligung an deren Geschäften gerade abgelehnt. Dessen ungeachtet hatten sich E. und B. gleichwohl zum Amphetaminhandel entschlossen und diesen Entschluss bereits durch Beschaffung der Drogen und deren Vorrätighalten zum gewinnbringenden Verkauf in die Tat umgesetzt. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass sich das - zeitlich danach liegende Aufsuchen der Wohnung des Angeklagten E. noch bestärkend auf den Tatentschluss der beiden Haupttäter ausgewirkt haben könnte.
c) Nach alledem kann die Verurteilung des Angeklagten S. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 1 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Der Senat schließt aus, dass insoweit noch weitere Feststellungen getroffen werden können, aufgrund derer gleichwohl ein dahingehender Schuldspruch ergehen könnte, und spricht den Angeklagten deshalb in diesem Anklagepunkt frei (§ 354 Abs. 1 StPO). Der daraus resultierende Wegfall der für diese Tat verhängten Einzelstrafe bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
Es verbleibt bei der im Fall 2 der Urteilsgründe verhängten, von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Einzelstrafe von sechs Jahren wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
2. a) Das Rechtsmittel des Angeklagten E. zeigt zum Schuld-und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten auf, insbesondere besteht das geltend gemachte Verfahrenshindernis - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - nicht. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Strafzumessung des angefochtenen Urteils wendet, bemerkt der Senat ergänzend: Die beanstandete Wendung, nach der das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass er mehrfach - wenn auch nicht durchweg einschlägig - vorbestraft ist, lässt einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar ist es zutreffend, dass der Bundeszentralregisterauszug - anders als die Formulierung im Urteil verstanden werden könnte - nur eine einschlägige Vorstrafe aufweist. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte insgesamt neunmal vorverurteilt ist und die Vollstreckung der zuletzt wegen Betäubungsmittelbesitzes verhängten Freiheitsstrafe zur Tatzeit noch zur Bewährung ausgesetzt war, kann der Senat indes jedenfalls ausschließen, dass die Strafkammer - sollte sie entsprechend dem Revisionsvorbringen tatsächlich eine mehrfache Vorverurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten "impliziert" haben - auch mit Blick auf die den Unrechtsgehalt der Tat wesentlich prägende Menge der Betäubungsmittel zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt wäre, wenn sie zutreffend nur eine einschlägige Vorstrafe in ihre Erwägungen einbezogen hätte.
b) Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Als rechtsfehlerhaft erweist sich insoweit aber die Bestimmung des vor der Maßregel zu vollziehenden Teils der Gesamtfreiheitsstrafe. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, beträgt die Dauer des nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB zu bestimmenden Vorwegvollzugs mit Blick auf den gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB zu berücksichtigenden Halbstrafenzeitpunkt und die voraussichtliche Therapiedauer von 18 Monaten hier ein Jahr, zehn Monate und zwei Wochen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 26. Mai 2015 -3 StR 110/15, juris).
3. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Angeklagten S. beruht auf § 467 Abs. 1, § 473 Abs. 1 StPO. Betreffend den Angeklagten E. folgt sie aus § 473 Abs. 4 StPO: Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.