StGB § 283 ff.; § 266 Abgrenzung nach Interessenformel
StGB § 283 ff.; § 266 Abgrenzung nach Interessenformel
BGH, Beschl. v. 01.09.2009 - 1 StR 301/09
Der Senat neigt dazu, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. September 2009 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13. März 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Hinsichtlich der Tat vom 18. Februar 1999 (Fall II 4 der Urteilsgründe) ist keine Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Denn die Verjährung ruhte gemäß § 78b Abs. 4 i.V.m. § 266 Abs. 2 und § 263 Abs. 3 StGB seit Eröffnung des Hauptverfahrens am 12. Januar 2009. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue erfolgte somit zu Recht. Ob der Angeklagte in diesem Fall - ebenso wie in den Fällen II 5 bis 41 der Urteilsgründe - neben Untreue zum Nachteil der von ihm als Geschäftsführer geleiteten GmbH auch wegen tateinheitlich begangenen Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 8 StGB zu verurteilen gewesen wäre, bedarf daher keiner Entscheidung mehr. Denn der Angeklagte ist in diesen Fällen durch die Verurteilung allein wegen Untreue nicht beschwert. Allerdings geben die Ausführungen des Landgerichts zur Anwendbarkeit des Straftatbestands des Bankrotts (§ 283 StGB) auf Geschäftsführer einer GmbH Anlass zu folgenden Bemerkungen: Die Strafkammer hat die Verwirklichung des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint, weil der Angeklagte eigennützig gehandelt habe. Sie ist dabei der bisherigen Auffassung des Bundesgerichtshofs gefolgt, dass nach § 283 StGB Voraussetzung für die Strafbarkeit eines Vertreters ist, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn gehandelt hat. Liegen ausschließlich eigennützige Motive vor, so kann nach dieser Auffassung zwar Untreue nach § 266 StGB in Betracht kommen; eine Verurteilung wegen Bankrotts scheidet hingegen aus (sog. Interessentheorie; vgl. nur BGHSt 30, 127,128 f.; 34, 221, 223; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 2000, 206, 207). Mit Beschluss vom 10. Februar 2009 im Verfahren 3 StR 372/08 hat nun der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs gewichtige Argumente angeführt, die für ein Abweichen der Rechtsprechung von der „Interessentheorie“ sprechen könnten (BGH NStZ 2009, 437, 439). Namentlich im Hinblick auf die bei Anwendung der Interessentheorie entstehende Ungleichbehandlung von Einzelkaufleuten und GmbH-Geschäftsführern sowie auf den Umstand, dass die Anwendung der „Interessenformel“ zu einer dem Schutzzweck zuwiderlaufenden Zurückdrängung der Delikte des Insolvenzstrafrechts bei vermögensschädigenden und damit in der Regel masseschmälernden Verhaltensweisen zum Nachteil von Handelsgesellschaften führt (vgl. Radtke GmbHR 2009, 875), hat auch der Senat Bedenken gegen die weitere Anwendung der „Interessenformel“ zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Bankrotttatbestands bei Handelsgesellschaften. Der Senat neigt daher ebenfalls dazu, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen (zu alternativen Abgrenzungskriterien vgl. Radtke aaO).
2. Der Senat kann trotz der vom Generalbundesanwalt - im Hinblick auf die von ihm angenommene Strafverfolgungsverjährung im Fall II 4 der Urteilsgründe - beantragten Änderung des Schuldspruchs gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss entscheiden. Denn der Generalbundesanwalt hat nur die Änderung des Schuldspruchs, nicht aber die Aufhebung des Strafausspruchs beantragt (BGH NJW 2007, 2647).
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