StGB § 299 Vorteil

StGB § 299 Vorteil 

BGH, Beschl. v. 14.07.2010 – 2 StR 200/10 - BeckRS 2010, 21226, NStZ-RR 2010, 376 (L)

Der Tatrichter ist bei (nachträglicher) Gewährung/Annahme eines Vorteils für in der Vergangen­heit liegende Bevorzugungen i.S.d. § 299 StGB - schon zur Bestimmung des Unrechts- und Schuld­gehalts der Tat, die nicht allein durch Art und Umfang des Vorteils, sondern auch durch Art und Außmaß der unlauteren Bevorzugung geprägt ist - grundsätzlich gehalten, die jeweiligen Bevorzu­gungshandlungen konkret nach Zeit, Ort und Begehungsweise festzustellen und sich nicht nur auf allgemeine Beschreibungen, etwa orientiert an der getroffenen Unrechtsvereinbarung, zu beschrän­ken.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 14. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. September 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 33 Fällen, den Angeklag­ten R. wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 33 Fällen jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge vollen Erfolg.

1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts standen die Angeklagten, die sich auch privat kannten, seit 1996 miteinander im geschäftlichen Kontakt. Der Angeklagte G. ist (heute) Alleingesellschafter der Firma G. GmbH, an der die Ehefrau des Angeklagten R. zeitweilig beteiligt war; geschäftlicher Schwerpunkt dieser Firma war ursprüng­lich die Belieferung von Baustellen mit Bau- und Dämmstoffen. Er ist darüber hinaus Alleininhaber eines weiteren Unternehmens, der Firma GI. GmbH, die die Belieferung von Baumarktketten mit Holzprodukten zum Geschäftsge­genstand hat (UA S. 5 f.). Der Angeklagte R. ist seit vielen Jahren bei verschiedenen Baumärkten tätig, im Tatzeit­raum war er bei der Firma H. als Einkäufer im Geschäftsführungsbereich Einzelhandel/Baumarkt beschäftigt. Im Bereich Holz/Elemente gehörte zu seinen Aufgaben u.a. die Lieferantenauswahl, die Führung von Preis-, Sortiments­ und Jahresgesprächen mit den Lieferanten, Artikelauswahl und Präsentation in der Werbe- und Sortimentskommissi­on, eine eigenständige Sortimentsbestimmung, die Findung neuer Artikel-und Sortimentsbereiche, Qualitätskontrol­le und Sortimentssichtung bei den Lieferanten sowie die Markt-und Wettbewerbsbeobachtung hinsichtlich der Sor­timents- und Preisgestaltung. Zu den Entscheidungsbefugnissen des Angeklagten R. bei der Firma H. zählten nach der Stellenbeschreibung insbesondere die Lieferantenein- und -auslistung sowie die Lieferanten- und Artikelauswahl bei der Werbung (UA S. 6 f.). Anfang des Jahres 1999 schlossen der Angeklagte G. als Geschäftsführer der Firma G. und der Angeklagte R. eine "Vertriebsvereinbarung", die rückwirkend ab dem 1. Januar 1998 gelten sollte. Sie diente der weiteren Stärkung der Firma G. im überregionalen Geschäft. Dazu verpflichtete sich der Angeklagte R., der Firma G. seine Kenntnisse, insbesondere in den Bereichen Warenbeschaffung, Marketing, Kundenwerbung, Pro­duktkenntnisse und Vertriebsstrategien, zur Verfügung zu stellen. Als Gegenleistung sollte er eine Provision von 2% auf den fakturierten Nettoumsatz mit den Kunden S., M., R. -D., H. und O. erhalten, wobei die Produktgruppen Holz im Garten, Schnittholz, Regalsysteme sowie Fußböden und Massivholzplatten zum Umsatzpotential zählten (UA S. 8-10). In Erfüllung dieser Vertriebsvereinbarung beriet der Angeklagte R. den Angeklagten G. im Folgenden bei der Produktauswahl und der Preisgestaltung, wobei er ihn über Preise der Mitkonkurrenten und von der Firma H. benö­tigte Produkte informierte (UA S. 21). Zu diesem Zweck fuhren beide Angeklagte zu Lieferanten der Firmen G. und GI. und bestimmten Entwicklung, Produktion und Preisgestaltung von künftig an die Firma H. zu liefernden Waren ab, die genau in deren Bedarf passten (UA S. 11, 20). Aufträge der H. gruppe wurden entweder über eine zentrale "Listung" von Produkten, die Voraussetzung für einen Erwerb von Produkten durch einzelne lokale Baumärkte ist, oder im Rahmen von Werbemaßnahmen vergeben (UA S. 7). Die Listen enthielten für jeden Artikel regelmäßig verschiedene Lieferanten; über die Aufnahme in die Listen entschied auf Vorschlag des jeweiligen Einkäufers, der mehrere Anbieter unter Beifügung eines Preisvergleichs präsentierte, ausschließlich die zuständige Sortimentskom­mission. Der Angeklagte R. unterbreitete regelmäßig für sein Tätigkeitsfeld entsprechende Empfehlungen, denen die Kommission aber nicht immer folgte. In keinem Fall setzte sich der Angeklagte R. dabei offen für die Firmen G. und GI. ein. Auch bei Vergaben im Rahmen von Werbemaßnahmen, die durch die Werbekommission auf Vorschlag des Einkäufers erfolgte, verwandte sich der Angeklagte R. nicht direkt für die Firmen des Angeklagten G. (UA S. 19). Allerdings beschränkte sich seine Empfehlung in der Werbekommission - wie üblich - auf einen einzigen Vorschlag ohne Alternativlieferanten. So erhielten die Firma GI. und G. im Rahmen von Werbemaßnahmen eine Vielzahl von Aufträgen durch die H. gruppe (UA S. 11). Aufgrund der Informationen und Beratungsleistungen durch den Ange­klagten R. war der Angeklagte G. in der Lage, in einer nicht näher bekannten Zahl von Fällen für die Firmen G. und GI. im Vergleich zu Mitbewerbern günstigere Angebote zu erstellen (UA S. 11). Dies führte nach Listung zu Beauf­tragungen durch Baumärkte der H. gruppe, obwohl es in den entsprechenden Listen während des gesamten Tatzeit­raums Alternativlieferanten zu den Firmen GI. und G. gab. In den Jahren 2002 – 2004 erzielten die Firmen des An­geklagten G. rund die Hälfte ihrer Umsätze mit der Firma H.. Im Jahre 2002 waren es ca. 2,7 Mio. €, im Jahre 2003 ca. 2,5 Mio. € und im Jahre 2004 ca. 3,18 Mio. € (UA S. 12). Als Gegenleistung erhielt der Angeklagte R. für seine Tätigkeit in den Jahren 2002 – 2004 183.504 € (UA S. 13). Nach Bekanntwerden der Tätigkeit des Angeklagten R. für den Angeklagten G. wurde die Zusammenarbeit der Firma H. mit den Firmen G. und GI. im Jahre 2005 einge­stellt.

b) Nach Ansicht des Landgerichts hat sich der Angeklagte R. wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, der Angeklagte G. wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr strafbar gemacht (UA S. 23). Der Angeklagte R. hat danach in den festgestellten 33 Fällen einer Provisionszahlung im Tatzeitraum zwischen 2002 - 2004 einen Vorteil angenommen. Hierfür hat er als Gegenleistung den Angeklagten G. bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen bevorzugt (UA S. 24). Das Bevorzugen sah das Landgericht darin, dass der Angeklagte R. mit dem An­geklagten G. Entwicklung, Produktion und Preisgestaltung (schon bei den Einkaufspreisen der Firmen G. und GI.) von künftig an die Firma H. zu liefernden Waren abgestimmt habe. Der Angeklagte G. sei über Preise der Mitkon­kurrenten und von der Firma H. benötigte Produkte informiert worden. Diese Informationen haben anderen Mitbe­werbern nicht zur Verfügung gestanden. Schließlich habe der Angeklagte R. den Mitangeklagten G. gezielt im Rah­men von Werbemaßnahmen vorgeschlagen. Diese Bevorzugung sei im Wettbewerb erfolgt und sei auch unlauter; Ziel sei eine Steigerung der Umsätze der Firmen des Angeklagten bei der H. gruppe zu Lasten der Mitbewerber gewesen. Hierfür seien dem Angeklagten R. 2% des in den Jahren 2002 - 2004 erzielten Umsatzes, insgesamt 168.800 €, zugeflossen. Lediglich 14.704 € seien - da sich aus den Rechnungen des Angeklagten R. keine konkreten Beratungsleistungen ergeben hätten -auf sonstige, nicht Geschäfte mit der H. gruppe betreffende Beratungsleistun­gen entfallen (UA S. 26). Spiegelbildlich habe sich der Angeklagte G. wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr strafbar gemacht.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Schuldspruch wird nicht von den Feststellungen getragen. 

a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der in Bezug auf den empfangenen Vorteil versprochenen/erbrachten Leistungen des Angeklagten R.. § 299 StGB setzt eine Unrechtsvereinbarung dergestalt voraus, dass der Vorteil als Gegenleis­tung für eine künftige unlautere Bevorzugung gefordert, angeboten, versprochen oder angenommen wird. Da oftmals noch keine genaue Vorstellung darüber besteht, wann, bei welcher Gelegenheit und in welcher Weise die Unrechts­vereinbarung eingelöst werden soll, lässt der Bundesgerichtshof es in ständiger Rechtsprechung genügen, dass die ins Auge gefasste Bevorzugung nach ihrem sachlichen Gehalt in groben Umrissen erkennbar und festgelegt ist (vgl. BGHSt 32, 290, 291). Kommt es dagegen ausnahmsweise wie in den hier abgeurteilten Fällen zu einer Strafbarkeit wegen (nachträglicher) Gewährung/Annahme eines Vorteils für in der Vergangenheit liegende Bevorzugungen (vgl. zur tatbestandsmäßigen Erfassung insoweit Fischer, StGB, 57. Aufl., § 299, Rn. 13), stellt sich das Problem der schwierigen Bestimmbarkeit einer (künftigen) Bevorzugungshandlung naturgemäß nicht. Der Tatrichter ist deshalb ­schon zur Bestimmung des Unrechts-und Schuldgehalts der Tat, die nicht allein durch Art und Umfang des Vorteils, sondern auch durch Art und Ausmaß der unlauteren Bevorzugung geprägt ist - grundsätzlich gehalten, die jeweiligen Bevorzugungshandlungen konkret nach Zeit, Ort und Begehungsweise festzustellen und sich nicht nur auf allgemei­ne Beschreibungen, etwa orientiert an der getroffenen Unrechtsvereinbarung, zu beschränken. Feststellungsschwie­rigkeiten bei Serienstraftaten über einen längeren Zeitraum, die auch in Fällen immer wiederkehrender Bestechungs­taten auftreten können, lässt sich entsprechend der hierzu bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Rechnung tragen (vgl. nur BGHSt 42, 107 ff.; st. Rspr.; zur Möglichkeit der Schätzung des Schuldumfangs bei Ver­mögensstraftaten im Falle nicht möglicher Zuordnung von bestimmten strafbaren Einzelakten s. BGH wistra 2007, 143 f.). Sie befreien aber grundsätzlich nicht von der notwendigen Individualisierung der einzelnen Tathandlungen und entbinden zudem nicht davon, die einzelnen Bevorzugungshandlungen möglichst genau aufzuklären. Diesen Maßstäben ist das Landgericht nicht gerecht geworden. Es beschreibt zwar die nach der Vertriebsvereinbarung von dem Angeklagten R. zu erbringenden Leistungen, legt auch allgemein dar, wie er in der Folgezeit den Angeklagten G. beraten und unterstützt hat. Es werden dabei auch die möglichen Bevorzugungshandlungen sichtbar, die eine Strafbarkeit nach § 299 StGB begründen können. Zuordnungen oder Konkretisierungen dieser Handlungen nach Zeit, Ort, Produktgegenstand oder nach der Art und Weise, wie sie in die entsprechenden Entscheidungsgremien der H. gruppe eingebracht und dort behandelt worden sind, werden allerdings nicht vorgenommen. Soweit Einzelheiten genannt werden, werden sie nicht konkreten Taten zugeordnet, obwohl sie zur Individualisierung einzelner Taten hätten genutzt werden können. Es bleibt so bei einer allgemeinen Beschreibung der Organisationsabläufe und des (vermeintlichen) Tatunrechts, obwohl eine Konkretisierung unter Zugriff auf Daten zu den Vertragsabschlüssen bei dem Angeklagten G. und der Firma H. sicher möglich gewesen wäre. Soweit sie schließlich in die Feststellung mün­det, der Angeklagte G. sei aufgrund ihm von dem Angeklagten R. gelieferter Informationen in der Lage gewesen, in einer nicht näher bekannten Zahl von Fällen im Vergleich zu Mitbewerbern günstigere Angebote zu erstellen und so Aufträge zu bekommen (UA S. 11), genügt auch dies zur Konkretisierung nicht. Die fehlende Individualisierung der Bevorzugungshandlungen wird im Übrigen auch nicht dadurch ausgeglichen, dass für die einzelnen Taten mit der Bezugnahme auf die monatlichen Provisionszahlungen jedenfalls eine zeitliche Einordnung vorgenommen wird. Dies ändert nichts daran, dass Zahl, Art und Ausgestaltung der Bevorzugungshandlungen weiter im Dunkeln bleiben. Schließlich gewährleistet auch die Anknüpfung an die Höhe der jeweils geleisteten Provision keine zuverlässige Bestimmung des Unrechts-und Schuldgehalts einer Tat nach § 299 StGB, der maßgeblich auch von Art und Umfang des Eingriffs in den Wettbewerb bestimmt wird.

b) Auch mit Blick auf den angenommenen und gewährten Vorteil, den das Landgericht im Ausgangspunkt zutref­fend in den in den Jahren 2002 - 2004 geflossenen Provisionszahlungen gesehen hat, ist das Urteil lückenhaft. Es hat ihn unter Bezugnahme auf die getroffene Vertriebsvereinbarung mit 2% des in diesen Jahren festgestellten Umsatzes der Firmen des Angeklagten G. mit der H. gruppe bemessen und ist dabei insgesamt zu einem Betrag von 168.800 € gelangt, der 14.704 € unter den tatsächlich an den Angeklagten R. geflossenen, auch die Beratung anderer Kunden betreffenden Leistungen von 183.504 € liegt. Dabei hat das Landgericht allerdings nicht nur übersehen, dass sich die ursprüngliche Vereinbarung nur auf Umsätze der Firma G. bezogen hat, diese also solche der Firma GI. nicht erfasst. Feststellungen zur Erstreckung der Vereinbarung auf die Firma GI. finden sich in den Urteilsgründen nicht. Die Kammer hat auch nicht berücksichtigt, dass sich die Ursprungsvereinbarung nur auf bestimmte Artikelgruppen be­zog, der Umsatz der Firmen G. und GI. sich aber auch - wie sich den Urteilsgründen entnehmen lässt - aus der Ver­äußerung von darin nicht aufgeführten Produkten zusammengesetzt hat (vgl. z.B. UA S. 21: Dämmstoffe). Ob inso­weit eine Provisionspflicht nachträglich begründet worden ist, erörtern die Urteilsgründe nicht. Anhand der im Urteil enthaltenen Angaben lässt sich deshalb schon nicht nachvollziehen, ob tatsächlich ein Betrag von 168.800 € für Be­ratungsleistungen betreffend die Firma H. geflossen oder ob nicht vielmehr eine viel größere Summe als von der Kammer angenommen für eine Tätigkeit hinsichtlich nicht zur Firma H. gehörender Kunden der Firmen GI. und G. angefallen ist. 

3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung und Zurückverweisung, da die Nachholung der notwendigen Feststellungen möglich erscheint. Der Senat hebt das Urteil insgesamt auf, auch wenn sich den Urteilsgründen durch den Abschluss der Vertriebsvereinbarung zumindest eine Strafbarkeit im Hinblick auf das Versprechen bzw. Versprechenlassen eines Vorteils mit Blick auf eine künftige unlautere Bevorzugung im Wettbewerb entnehmen lässt. Für diese Tat, die dann, wenn wie hier der Vorteil in der Unrechtsvereinbarung nicht genau festgelegt ist, auch bei späterer Vorteilsgewährung bestehen bleibt (vgl. BGH NStZ 1995, 92), bedarf es nicht der konkreten Feststel­lung der ins Auge gefassten späteren Bevorzugung. Mit der Aufhebung der gesamten Entscheidung erhält der Tat­richter Gelegenheit, widerspruchsfreie Feststellungen zum gesamten Tatkomplex zu treffen und so den Unrechts­und Schuldgehalt vollständig zu erfassen.

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