StGB § 306a Abs. 2 Schwere Brandstiftung bei Mischgebäuden
StGB § 306a Abs. 2 Schwere Brandstiftung bei Mischgebäuden
BGH, Urt. v. 17.11.2010 – 2 StR 399/10 - NJW 2011, 1090
LS: Ist das "Gebäude" im Sinne von §§ 306a Abs. 2, 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Einzelfall zugleich ein "Wohngebäude", dann müssen zur Vollendung des Auffangtatbestands der schweren Brandstiftung nicht notwendigerweise auch Wohnräume von der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung betroffen sein.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. November 2010 für Recht erkannt: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 15. April 2010 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechts-mittel hat keinen Erfolg.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte unter Schizophrenie. Er setzte am 22. Oktober 2009 kurz nach 11.30 Uhr in einem Wohnblock in Erfurt in zwei Kellerräumen auf dem Boden liegende Textilien
und andere herumliegende Gegenstände in Brand. Er wusste, dass sich Mieter im Hause aufhielten, die durch Rauchentwicklung gefährdet oder verletzt werden konnten; dies nahm er jedoch billigend in Kauf. Er wollte das Gebäude zumindest teilweise zerstören. Tatsächlich kam es zur Verbrennung von Teilen der Kellerboxen und ihres Inhalts, zur Verschmorung von Stromleitungen im Keller, zur Zerstörung von Kellertüren und zur Verrußung von Kellerräumen. Dadurch entstand ein Sachschaden im Wert von mehr als 10.000 Euro. Acht Personen in den Wohnräumen des Hauses erlitten Rauchvergiftungen und mussten deswegen behandelt werden. Ein konkretes Motiv des Angeklagten bei der Brandlegung konnte nicht festgestellt werden. Er litt aber zur Tatzeit nicht an Wahnvorstellungen, sondern handelte möglicherweise zur Entlastung von inneren Anspannungen. In dieser Handlung hat das Landgericht eine schwere Brandstiftung des Angeklagten in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen gesehen. Es hat die §§ 306a Abs. 2, 306 Abs. 1 Nr. 1, 223 StGB angewendet. Eine weiter gehende Qualifikation nach § 306b Abs. 1 StGB wegen Verursachung einer Gesundheitsbeschädigung bei einer großen Zahl von Menschen hat es nicht angenommen. Zugunsten des Angeklagten ist die Strafkammer von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit gemäß § 21 StGB ausgegangen. Seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat sie nicht angeordnet, weil die paranoide Schizophrenie mit Erfolg medikamentös behandelt werde. Die Revision des Angeklagten beanstandet mit der Sachbeschwerde vor allem die Beweiswürdigung des Landgerichts.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist bereits aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom
10. August 2010 genannten Gründen rechtsfehlerfrei. Die rechtliche Wertung des Landgerichts ist im Ergebnis zutreffend.
a) Die Strafkammer ist zu Recht vom Vorliegen einer schweren Brandstiftung ausgegangen. § 306a Abs. 2 StGB greift ein, wenn ein Objekt im Sinne von § 306 Abs. 1 StGB in Brand gesetzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wird und der Täter dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt. Dies ist nach den Feststellungen geschehen. Durch Brandlegung wird die gänzliche oder teilweise Zerstörung des Objektes verursacht, wenn diese auf einer tatbestandsrelevanten Handlung beruht. Es muss sich ein mit der Brandlegung typischerweise geschaffenes Risiko im Zerstörungserfolg verwirklicht haben, wozu auch Verrußungsschäden am Brandstiftungsobjekt zu zählen sind, wie sie hier vom Angeklagten verursacht wurden. Dadurch liegt im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes auch ein teilweises Zerstören des Gebäudes vor. Der Normzweck gestattet hier ebenfalls die Anwendung von § 306a Abs. 2 StGB, obwohl für die Vollendung von § 306a Abs. 1 StGB für den Fall des Zerstörens eines Wohngebäudes vorauszusetzen ist, dass auch Wohnräume von der Zerstörungswirkung der Brandlegung betroffen sind. § 306a Abs. 2 StGB besitzt durch die Verweisung auf Objekte nach § 306 Abs. 1 StGB einen anderen Bezugspunkt als § 306a Abs. 1 StGB. Dies wirkt sich auf die Auslegung des Begriffes des teilweisen Zerstörens des Objektes aus. Im Hinblick auf die hohe Strafdrohung des § 306a StGB muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein "teilweises Zerstören" von Gewicht vorliegen (vgl. BGH, Urt. vom 12. September 2002 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 19 f.; Beschl. vom 10. Januar 2007 -5 StR 401/06, NStZ 2007, 270; Beschl. vom 6. Mai 2008 - 4 StR 20/08, NStZ 2008, 519). Dies ist nur dann der Fall, wenn das Tatobjekt für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für einzelne seiner Zweckbestimmungen unbrauchbar gemacht wird, ferner wenn ein für die ganze Sache nötiger Teil unbrauchbar wird oder wenn einzelne Bestandteile der Sache, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt und eingerichtet sind, vollständig vernichtet werden. Auch für die Qualifikation des § 306a Abs. 2 StGB ist diese einschränkende Auslegung des Merkmals des teilweisen Zerstörens von Gewicht vorauszusetzen; allerdings ist sie mit Blick auf die Bezugsobjekte des § 306 Abs. 1 StGB rechtsgutsspezifisch zu verstehen. Einerseits ist der von § 306a Abs. 2 StGB in Bezug genommene Katalog der Brandstiftungsobjekte nach § 306 Abs. 1 StGB von demjenigen in § 306a Abs. 1 StGB qualitativ zu unterscheiden; andererseits nennt § 306a Abs. 2 StGB das zusätzliche Merkmal der Gefahr einer Gesundheitsschädigung für einen anderen Menschen. Lässt § 306a Abs. 1 StGB bereits die Verursachung einer abstrakten Gefahr für Leib oder Leben von Menschen im Einzelfall genügen, weil die teilweise Zerstörung u.a. von Wohngebäuden ein generell hohes Gefährdungspotenzial für Menschen einschließt, so wird in § 306a Abs. 2 StGB bei der teilweisen Zerstörung von Objekten, die nicht zum Wohnen oder zum ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind, zusätzlich eine konkrete Gefahr für die Gesundheit von Menschen vorausgesetzt (vgl. Fischer, StGB 58. Aufl. § 306a Rn. 10, 11). Gesetzgeberischer Zweck der Auffangregelung ist es, auch bei Brandlegungen mit geringeren Objektschäden, im Fall einer konkreten Gesundheitsgefährdung für Menschen dieselbe Strafdrohung auszusprechen, wie sie in § 306a Abs. 1 StGB bereits für Fälle einer abstrakten Gefährdung genannt wird (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 19 f.; 13/9064 S. 22). Ist das betroffene "Gebäude" im Sinne von § 306a Abs. 2 in Verbindung mit § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB zugleich ein "Wohngebäude", wie es der insoweit enger gefasste § 306a Abs. 1 StGB als Brandstiftungsobjekt voraussetzt, dann müssen zur Vollendung des Auffangtatbestands nicht notwendigerweise auch Wohnräume von der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung betroffen sein. Es genügt hier, wenn ein anderer funktionaler Gebäudeteil, wie ein Kellerraum, für nicht unerhebliche Zeit nicht bestimmungsgemäß gebraucht werden kann, sofern durch die typischen Folgen der Brandlegung, wie Rauch- und Russentwicklung, auch eine konkrete Gefährdung der Gesundheit eines Menschen verursacht wird. Nach der Brandlegung in dem Wohnblock durch den Angeklagten wurden mehrere Kellerräume durch Verrußung für nicht unerhebliche Zeit in dem bestimmungsgemäßen Zweck als Versorgungs- und Aufbewahrungsräume unbrauchbar. Die Stromleitungen mussten erneuert werden, die Russschäden waren zu beseitigen und die verbrannten Kellertüren zu ersetzen; der Reparaturaufwand verursachte erhebliche Kosten. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen, dass die Schadensbeseitigung nicht unerhebliche Zeit in Anspruch nahm. Dieser Objektschaden, zu dem eine konkrete Gefährdung von Menschen durch die Folgen der Brandlegung hinzukam, genügt zur Anwendung von § 306a Abs. 2 StGB.
b) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe tateinheitlich mit der schweren Brandstiftung eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB in acht tateinheitlichen Fällen begangen, ist rechtsfehlerfrei. c) Auch soweit das Landgericht einen Ausschluss der Unrechtseinsichtsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit gemäß § 20 StGB verneint hat, ist dies nicht zu beanstanden. Eine paranoide Schizophrenie führt nicht generell zum Ausschluss der Schuldfähigkeit. Dies ist zwar bei akuten Schüben in der Regel anzunehmen (vgl. Senat, Beschl. vom 24. März 1995 -2 StR 707/94, StV 1995, 405, 406; BGH, Beschl. vom 16. Januar 2003 -1 StR 531/02). In lichten Momenten können aber Unrechtseinsicht und Steuerungsfähigkeit vorhanden gewesen sein. Das Landgericht hat aufgrund der Einlassung des Angeklagten angenommen, dass der Angeklagte nicht aufgrund von Wahnvorstellungen gehandelt hat. Dagegen ist nichts zu erinnern.
2. Schließlich ist es im Ergebnis auch nicht zu beanstanden (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO), dass das sachverständig beratene Landgericht keine Maßregel nach § 63 StGB angeordnet hat. Ob die Gefährlichkeit des Angeklagten nach erstmaliger Diagnose und medikamentöser Therapie der Schizophrenie im Januar 2010 auszuschließen ist, kann offen bleiben. Jedenfalls ist ein Symptomzusammenhang zwischen der Erkrankung und der Brandlegung nicht festgestellt worden.
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