StGB § 315d Raserei mit schweren Folgen
BGH, Urt. v. 24.06.2021 – 4 StR 79/20
Für das Absichtsmerkmal des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB reicht es aus, dass der Täter die höchstmögliche Geschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen.
Hier hat die Strafkammer aber nicht dargelegt, dass das vom Angeklagten verfolgte Handlungsziel einer Verängstigung seines Ehemannes aus Sicht des Angeklagten nur durch die Beschleunigung bis zur situativ möglichen Grenzgeschwindigkeit, nicht aber durch ein Fahren mit lediglich sehr hoher Geschwindigkeit und entsprechend gefahrenträchtigen Fahrmanövern zu erreichen war.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Juni 2021 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 19. Juli 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Nachstellens eines nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennens mit der Folge des Todes und der schweren Gesundheitsbeschädigung“ in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe
von sechs Jahren verurteilt. Zudem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von vier Jahren angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Verletzung materiellen Rechts. Sie erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen vollendeten und versuchten Mordes und beanstandet die gewährte Strafmilderung nach § 21 StGB.
Während das Rechtsmittel des Angeklagten Erfolg hat, erweist sich die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte am 3. Januar 2019 gegen 17 Uhr bei bereits fortgeschrittener Abenddämmerung mit einem gemieteten Fahrzeug VW Golf gemeinsam mit seinem Ehemann als Beifahrer die L240 bei E. . Vor Fahrtbeginn hatte er die für ihn übliche Dosis von 3,5 ml Gamma-Butyrolacton (GBL) konsumiert. Während der Fahrt war ein heftiger Streit zwischen dem Angeklagten und seinem Ehemann über die gemeinsame Beziehung entbrannt. Im Zuge dieses Streites entschloss sich der Angeklagte, seine Machtposition als Führer des Kraftfahrzeugs auszunutzen, um seinen Ehemann durch eine besonders rasante und riskante Fahrweise in Angst und Schrecken zu versetzen. Mit diesem Ziel fuhr er bis zur späteren Kollision auf einer Strecke von ca. 4 km durchgängig mit einer der Verkehrssituation nicht angepassten Geschwindigkeit und unternahm mehrere riskante Überholmanöver, durch die andere Verkehrsteilnehmer zum Abbremsen oder Ausweichen gezwungen und in einem Fall die Außenspiegel zweier Fahrzeuge beschädigt wurden. Die hierdurch entstehende erhebliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer war ihm nicht nur gleichgültig, sondern Teil seiner auf Verängstigung seines Ehemanns gerichteten Intention. Kumulierend hiermit kam es ihm darauf an, eine „möglichst hohe“ Geschwindigkeit zu erzielen, um die durch die hochriskante und rücksichtslose Fahrweise entstehende Angst seines Beifahrers zusätzlich zu steigern.
Nachdem ihm bereits zuvor ein ähnliches Überholmanöver gelungen war, beabsichtigte der weiterhin auf der L240 fahrende Angeklagte kurz vor der Abfahrt zur J. Straße erneut, eine vor ihm auf der Geradeausspur fahrende Fahrzeugkolonne unter Ausnutzung des dort befindlichen Linksabbiegerstreifens zu überholen. Hierzu scherte der Angeklagte zunächst von der von ihm befahrenen einspurigen Geradeausspur unter Überfahren von zwei durchgehenden Linien auf die Gegenfahrbahn aus. Anschließend befuhr er die Gegenfahrbahn, auf der ihm kein Fahrzeug entgegenkam, mit angesichts der Verkehrsverhältnisse und des beabsichtigten Fahrmanövers „möglichst hoher“ Geschwindigkeit. Um den Überholvorgang fortzusetzen, wechselte er sodann ca. 200 Meter vor der späteren Unfallstelle auf eine dort in seiner Fahrtrichtung beginnende, durch eine Sperrfläche von der Gegenfahrbahn abgegrenzte Fahrbahnerweiterung, die ab ca. 130 bis 140 Metern vor der späteren Kollisionsstelle in einen Linksabbiegerstreifen überging. Von der Geradeausspur war der Linksabbiegerstreifen zunächst durch Linien, dann durch eine sich verbreiternde Sperrflächenmarkierung und schließlich durch eine Verkehrsinsel getrennt, auf der sich eine Lichtzeichenanlage befand, die ‒ als der Angeklagte sich näherte ‒ für den Linksabbiegerverkehr Rotlicht zeigte. An der Ampel stand der Nebenkläger H. mit seinem Fahrzeug, das aufgrund der eingeschalteten Beleuchtung sowie der aufleuchtenden Bremslichter uneingeschränkt erkennbar war. Der Angeklagte hätte bei gebotener Aufmerksamkeit ab einer Entfernung von 200 Metern, die er in einer Zeitspanne zwischen 5,3 und 6,3 Sekunden zurücklegte, erkennen können, dass auf der von ihm befahrenen Linksabbiegerspur ein Hindernis stand. Spätestens 120 bis 140 Meter vor der Kollisionsstelle wäre erkennbar gewesen, dass es sich bei diesem Hindernis um einen an der Lichtzeichenanlage haltenden Pkw handelte. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Angeklagte bei sofortiger Einleitung einer Vollbremsung sein Fahrzeug noch vor dem an der Ampelanlage haltenden Pkw vollständig zum Stillstand bringen können. Hierzu kam es indes nicht. Vielmehr fuhr der möglicherweise durch das Streitgeschehen mit seinem Ehemann abgelenkte und wegen des beabsichtigten Wiedereinscherens auf den erheblich langsamer fahrenden Verkehr auf der Geradeausspur fokussierte Angeklagte gegen 17.45 Uhr bei trockener Fahrbahn ungebremst mit einer die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um nahezu das Doppelte überschreitenden Geschwindigkeit von mindestens 135 km/h gegen den bereits seit mindestens 5 Sekunden an der Ampelanlage stehenden Pkw des Nebenklägers H., wodurch dieser nach rechts in Richtung der Mittelinsel geschleudert wurde und dort mit mehreren Verkehrszeichen kollidierte. Der Pkw des Angeklagten schleuderte gegen den auf der Gegenfahrbahn in den Kreuzungsbereich einfahrenden Pkw der Zeugin He. . Durch die Kollision erlitt der Ehemann des Angeklagten schwerste Verletzungen, an denen er am Folgetag verstarb. Auch der Angeklagte selbst wurde schwer verletzt, trug jedoch keine bleibenden Schäden davon. Der Nebenkläger H. erlitt schwerste und lebensbedrohliche Verletzungen und ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt. Die Zeugin He. erlitt einen Bruch des rechten Mittelhandknochens und diverse Prellungen.
Bei der Durchführung des äußerst riskanten Überholmanövers vertraute der Angeklagte darauf, dass es nicht zu einem Unfall kommen werde, bei welchem er selbst, sein Ehemann oder andere Verkehrsteilnehmer verletzt oder gar getötet werden. Dass diese Hoffnung angesichts seiner Fahrweise keine tragfähige Grundlage hatte und es letztlich nur von Zufällen abhing, ob er selbst oder andere Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen oder getötet werden, war dem Angeklagten aufgrund des akuten Einflusses von GBL, welcher die ohnehin schon risikogeneigte und zu unbegründetem Optimismus neigende Persönlichkeit des Angeklagten noch verstärkte, nicht in einem Maße zugänglich, dass er die letztlich eingetretenen Folgen seines Fahrverhaltens billigend in Kauf nahm. Vielmehr vertraute er in grober Verkennung der tatsächlich naheliegenden Möglichkeit eines Unfalls mit tödlichem Ausgang darauf, dass ‒ wie bei dem kurz zuvor erfolgreich durchgeführten Überholmanöver ‒ schon alles gut gehen werde. Gleichwohl hätte der Angeklagte bei möglicher Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt die sich aus seinem Fahrverhalten aufdrängende Gefahr der Herbeiführung einer für ihn, seinen Ehemann und andere Verkehrsteilnehmer mit dem Tode oder (schweren) Verletzungen und erheblichen Sachschäden endenden Kollision erkennen können und müssen. Hierbei war die Fähigkeit des ohnehin zu risikobehaftetem Verhalten neigenden Angeklagten, den durch den Streit mit seinem Ehemann ausgelösten Impulsen zur Tatbegehung zu widerstehen und sein Handeln entsprechend der vorhandenen Unrechtseinsicht zu steuern, infolge der akuten GBL-Intoxikation erheblich vermindert, jedoch nicht aufgehoben.
II.
Revision des Angeklagten
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Erörterung der erhobenen Verfahrensbeschwerde nicht bedarf.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge und der Folge einer schweren Gesundheitsbeschädigung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 5 StGB wird von den Feststellungen nicht getragen. Den Urteilsausführungen ist nicht zu entnehmen, dass die Fahrt des Angeklagten während des zur Kollision führenden Überholmanövers von der Absicht getragen war, eine höchstmögliche Geschwindigkeit im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu erreichen.
1. Der Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt als Tathandlung ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Sich-Fortbewegen mit nicht angepasster Geschwindigkeit voraus (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ‒ 4 StR 225/20 Rn. 13 f., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), das in subjektiver Hinsicht im Sinne einer überschießenden Innentendenz von der Absicht getragen sein muss, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Neben den
einschränkenden Merkmalen der groben Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit kommt nach den Intentionen des Gesetzgebers (vgl. Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz [6. Ausschuss], BT-Drucks. 18/12964, S. 6) gerade dem Absichtselement die Aufgabe zu, den für das Nachstellen eines Rennens mit einem Kraftfahrzeug kennzeichnenden Renncharakter tatbestandlich umzusetzen und das nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbare Verhalten von den alltäglich vorkommenden, auch erheblichen Geschwindigkeitsverletzungen abzugrenzen. Wie die verschiedenen in den Gesetzesmaterialien aufgeführten Parameter zur Bestimmung der höchstmöglichen Geschwindigkeit erkennen lassen (vgl. BT-Drucks. 18/12964, S. 5 f.), muss die nach § 315d Abs. 1 Nr. 3StGB strafbarkeitsbegründende Absicht darauf gerichtet sein, die nach den Vorstellungen des Täters unter den konkreten situativen Gegebenheiten ‒ wie Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterungsund Sichtverhältnisse etc. ‒ maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2021 ‒ 4 StR 225/20 Rn. 15; vom 24. März 2021 ‒ 4 StR 142/20 Rn. 18; vom 29. April 2021 ‒ 4 StR 165/20 Rn. 8; vgl. auch OLG Köln, NStZ-RR 2020, 224, 226; KG, DAR 2020, 149, 151; OLG Stuttgart, NJW 2019, 2787; Zieschang, NZV 2020, 489, 491 f.; Zopfs, DAR 2020, 9, 11; Jansen, NZV 2019, 285, 286). Nicht ausreichend ist, dass es dem Täter auf das Erreichen einer „möglichst hohen“ Geschwindigkeit ankommt, die je nach den Vorstellungen und sonstigen Zielen des Täters auch unterhalb der nach den konkreten Gegebenheiten maximal erreichbaren Geschwindigkeit liegen kann (insoweit missverständlich Fischer, StGB, 68. Aufl., § 315d Rn. 17, Pegel in MüKo- StGB, 3. Aufl., § 315d Rn. 26). Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter nach seinen Vorstellungen die situativ mögliche Höchstgeschwindigkeit anstrebt.
Da der Gesetzgeber mit dem Absichtserfordernis dem für das Nachstellen eines Rennens kennzeichnenden Renncharakter Ausdruck verleihen wollte, ist für das Absichtsmerkmal weiterhin zu verlangen, dass sich die Zielsetzung des Täters nach seinen Vorstellungen auf eine unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten
nicht ganz unerhebliche Wegstrecke bezieht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ‒ 4 StR 225/20 Rn. 15) und sich nicht nur in der Bewältigung eines räumlich eng umgrenzten Verkehrsvorgangs erschöpft (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2021 ‒ 4 StR 142/20 Rn. 24). Für das Absichtsmerkmal des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB reicht es aus, dass der Täter die höchstmögliche Geschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2021 ‒ 4 StR 225/20 Rn. 16; vom 24. März 2021 ‒ 4 StR 142/20 Rn. 19; vom 29. April 2021 ‒ 4 StR 165/20, aaO; OLG Stuttgart, NJW 2019, 2787, 2788; König in LK-StGB, 13. Aufl., § 315d Rn. 29; Ernemann in SSW-StGB, 5. Aufl., § 315d Rn. 15; Zieschang, NZV 2020, 489, 493; Zopfs, DAR 2020, 9, 11; Jansen, NZV 2019, 285, 287 f.). Dies erfordert konkrete Feststellungen dazu, dass der Täter sein eigenes Handlungsziel gerade durch die Beschleunigung auf die situativ höchstmögliche Geschwindigkeit erreichen möchte, was sich weder aus dem Willen, eine bestimmte Strecke möglichst schnell zurückzulegen, noch aus dem Fluchtmotiv in sogenannten Polizeifluchtfällen (vgl. dazu OLG Köln, NStZ-RR 2020, 224; OLG Stuttgart, NJW 2019, 2787) ohne Weiteres ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ‒ 4 StR 225/20 Rn. 17; Jansen, NZV 2019, 285, 288).
2. Von diesen rechtlichen Maßstäben ausgehend ergeben die Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht, dass der Angeklagte bei dem zur Kollision führenden Fahrmanöver mit der nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbarkeitsbegründenden Absicht handelte. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass es dem Angeklagten darauf ankam, eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen und er mit einer angesichts der Verkehrsverhältnisse und des
beabsichtigten Fahrmanövers möglichst hohen Geschwindigkeit fuhr. Zu den Bezugsparametern, die aus der subjektiven Perspektive des Angeklagten für die Höhe der angestrebten Geschwindigkeit bestimmend sein sollten, verhalten sich die Urteilsausführungen aber nicht. Dass der Angeklagte gerade bestrebt war, die nach seinen Vorstellungen unter den konkreten situativen Gegebenheiten mögliche Maximalgeschwindigkeit zu erreichen, wird daher durch die Feststellungen nicht getragen. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist das Vorliegen des Absichtserfordernisses des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht zu entnehmen. Soweit das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung darauf verwiesen hat, dass die beim Aufprall gefahrene Geschwindigkeit von 135 km/h „sicherlich“ der Maximalgeschwindigkeit entspreche, mit der das vom Angeklagten beabsichtigte Fahrmanöver bewältigt werden konnte, lassen die beweiswürdigenden Erwägungen des angefochtenen Urteils hierfür einen tragfähigen Beleg vermissen. Die Strafkammer hat schon nicht aufklären können, ob der Angeklagte bereits vor dem Überholvorgang mit einer Geschwindigkeit von 135 km/h fuhr oder er das Fahrzeug erst nach dem Ausscheren zum Überholen auf diese Geschwindigkeit beschleunigte. Unabhängig davon ist das objektive Erreichen der maximal möglichen Geschwindigkeit ‒ unbeschadet der diesem Umstand zukommenden indiziellen Bedeutung für Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite ‒ nicht ohne Weiteres gleichzusetzen mit dem zielgerichteten Willen des Täters, die gefahrene Geschwindigkeit nach seinen subjektiven Vorstellungen bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern. Die Annahme einer entsprechenden Absicht hätte daher weiterer tatrichterlicher Ausführungen bedurft. Dies gilt umso mehr, als die Strafkammer nicht dargelegt hat, dass das vom Angeklagten verfolgte Handlungsziel einer Verängstigung seines Ehemannes aus Sicht des Angeklagten im Sinne eines notwendigen Zwischenziels nur durch die Beschleunigung bis zur situativ möglichen Grenzgeschwindigkeit, nicht aber durch ein Fahren mit lediglich sehr hoher Geschwindigkeit und entsprechend gefahrenträchtigen Fahrmanövern zu erreichen war.
3. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge und der Folge einer schweren Gesundheitsschädigung kann daher nicht bestehen bleiben. Wegen des tateinheitlichen Zusammentreffens unterliegt der Schuldspruch insgesamt der
Aufhebung.
III.
Revision der Staatsanwaltschaft
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig. Die Beschwerdeführerin hat es zwar entgegen der gesetzlichen Regelung des § 344 Abs. 1 StPO und im Widerspruch zu der in Nr. 156 Abs. 2 RiStBV vorgesehenen Verfahrensweise versäumt, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist einen die Reichweite des Revisionsangriffs konkretisierenden Revisionsantrag zu stellen. Da das angefochtene Urteil lediglich die Verurteilung eines Angeklagten wegen einer Tat zum Gegenstand hat, unterliegt aber die umfassende Anfechtung des Urteils keinerlei Zweifeln (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 ‒ 4 StR 558/11 Rn. 21 mwN, insoweit in BGHSt 57, 183 nicht abgedruckt).
2. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil weist keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Darauf, dass Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zugunsten des Angeklagten wirken (§ 301 StPO), kommt es angesichts des Erfolgs der Revision des Angeklagten nicht mehr an (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2014 ‒ 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 268 mwN).
a) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin halten die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 2018 ‒ 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88, 93; vom 5. Dezember 2017 ‒ 1 StR 416/17, NStZ 2018, 206, 207; vom 27. Juli 2017 ‒ 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38 f.) einer rechtlichen Überprüfung stand.
aa) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 18. Juni 2020 ‒ 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 Rn. 22; vom 1. März 2018 ‒ 4 StR 399/17, aaO). Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Vorsatzelemente in jedem Einzelfall umfassend zu prüfen und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Die Prüfung, ob Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich das Tatgericht mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivlage und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände ‒ insbesondere die konkrete Angriffsweise ‒ mit in Betracht zieht. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 18. Juni 2020 ‒ 4 StR 482/19, aaO, Rn. 23; vom 1. März 2018 ‒ 4 StR 399/17, aaO, S. 93 f.; vom 22. März 2012 ‒ 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f.). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts
sind aber nicht allein maßgeblich für die Entscheidung, ob ein Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalls an. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls ausgelegt sind, kann eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraute. Beim Vorliegen einer solchen Konstellation hat das Tatgericht daher mögliche Gefahren für die eigene körperliche Integrität des Täters in den Blick zu nehmen und sich als vorsatzkritischen Gesichtspunkt mit derjenigen Eigengefährdung auseinanderzusetzen, die nach dem Vorstellungsbild des Täters mit seiner erkanntermaßen das Leben des Tatopfers gefährdenden Vorgehensweise verbunden ist (vgl. BGH, Urteile vom 18. Juni 2020 ‒ 4 StR 482/19,
aaO, Rn. 23, 32 ff.; vom 1. März 2018 ‒ 4 StR 399/17, aaO, S. 94 f.).
bb) Gemessen an diesen Anforderungen begegnet die Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes durch das Landgericht keinen rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht hat sich mit ausführlicher Begründung von einer unmittelbar vor der Kollision spontan gefassten Suizidabsicht des Angeklagten nicht überzeugen können. Es ist ferner trotz der in seine Überlegungen miteinbezogenen uneingeschränkten Erkennbarkeit des Fahrzeugs des Nebenklägers aus einer Entfernung von 120 bis 140 Metern davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht ausschließbar das Fahrzeug bis unmittelbar vor der Kollision nicht wahrnahm, und hat diese Annahme neben der Einlassung des Angeklagten auf eine mit Blick auf das beabsichtigte Wiedereinscheren in den Geradeausverkehr naheliegende Fokussierung der Aufmerksamkeit des Angeklagten auf den Geradeausverkehr sowie auf eine von einem Zeugen kurz vor der Kollision beobachtete Schwenkbewegung des Fahrzeugs des Angeklagten gestützt. Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei angenommenen tatsächlichen Umstände hat die Strafkammer zwar das kognitive Element eines bedingten Tötungsvorsatzes bejaht, hinsichtlich des Vorliegens des Wollenselements aber Zweifel nicht überwinden können. Dabei ist sie von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen und hat eine sorgfältige Gesamtschau aller maßgeblichen vorsatzrelevanten Umstände des Einzelfalls unter Einschluss der enormen Gefährlichkeit der Fahrweise des Angeklagten vorgenommen. In die Gesamtbetrachtung hat sie als vorsatzkritische Gesichtspunkte die Eigengefährdung des Angeklagten, seine zu Risikobereitschaft bei gleichzeitiger Bagatellisierung möglicher Folgen neigende Persönlichkeit, die Wirkung der akuten GBL-Intoxikation sowie den Umstand eingestellt, dass die vorangegangenen Fahrmanöver aus Sicht des Angeklagten insoweit glimpflich verliefen, als sie zu keinem die Fahrt beendenden Zusammenstoß führten. Diese Erwägungen des Landgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsfehler zeigt auch die Revision nicht auf. Dass Zusammenstöße mit dem Gegenverkehr im vorangegangenen Verlauf der Fahrt gerade auch aufgrund der Reaktion anderer Verkehrsteilnehmer ausblieben, hat das Landgericht ausweislich seiner Ausführungen zu einer möglichen Suizidabsicht des Angeklagten nicht übersehen. Schließlich ist auch nicht zu besorgen, dass die Strafkammer zu hohe Anforderungen an die für die Bejahung des voluntativen Vorsatzelements erforderlichen Gewissheit gestellt hat.
b) Die Annahme einer bei Tatbegehung nicht ausschließbaren erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB durch das Landgericht weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht ist ‒ nach Beratung durch einen toxikologischen und einen psychiatrischen Sachverständigen ‒ in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur ohnehin zu risikobehaftetem Verhalten neigende Angeklagte infolge der akuten GBL-Intoxikation bei Tatbegehung nur eingeschränkt in der Lage war, den durch den Streit mit seinem Ehemann ausgelösten Impulsen zu begegnen, und sich dies in dem hochriskanten und enthemmten Fahrverhalten zeigte, welches nicht seiner üblichen Fahrweise entsprach. Aufgrund der Verminderung der Hemmungsund Entaktualisierungsfähigkeit des Angeklagten könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei. Bei dieser Beurteilung hat das Landgericht zutreffend nicht allein auf die akute GBL-Intoxikation abgestellt, sondern diese im Zusammenhang mit der risikogeneigten Persönlichkeit des Angeklagten und den Auswirkungen des Streitgeschehens im Pkw betrachtet (zur erforderlichen Gesamtbetrachtung vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2004 ‒ 1 StR 359/04, NStZ-RR 2004, 360, 361; vom 1. September 1988 ‒ 4 StR 384/88, BGHR StGB § 21Ursachen, mehrere 9). Diese tatrichterliche Bewertung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Zu weiteren Ausführungen zum Leistungsverhalten des Angeklagten im Verlauf der Fahrt hat sich das Landgericht aus Rechtsgründen nicht gedrängt sehen müssen.
c) Auch im Übrigen weist der Strafausspruch des angefochtenen Urteils keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Allerdings hat die Strafkammer den Schuldumfang der abgeurteilten Tat nicht in jeder Hinsicht zutreffend erfasst. Soweit das Landgericht den Angeklagten auch wegen tateinheitlich begangener vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 2d, Abs. 3 Nr. 1 StGB verurteilt hat, ist es - gestützt auf die Feststellungen, wonach der Angeklagte die Gefahr eines Zusammenstoßes bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können ‒ davon ausgegangen, dass der Angeklagte die konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer lediglich fahrlässig verursachte. Im Rahmen ihrer Ausführungen zur Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes hat die Strafkammer demgegenüber angenommen, dass der Angeklagte sich der Möglichkeit einer Kollision mit tödlichen Folgen bewusst war, nicht ausschließbar aber darauf vertraute, die erkannte Gefahrenlage werde sich nicht realisieren. Danach hätte der Angeklagte auch die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vorsätzlich herbeigeführt und den Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung in der Vorsatz-Vorsatzkombination des § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB verwirklicht. Ferner hat das Landgericht übersehen, dass das zur Kollision führende Fahrverhalten des Angeklagten den Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung auch in der Begehungsvariante des § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB erfüllt. Ein falsches Fahren beim Überholen liegt vor, wenn der Täter eine der in § 5 StVO normierten Regeln verletzt oder einen anderweitigen Verkehrsverstoß begeht, der das Überholen als solches gefährlicher macht, sodass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verkehrsverstoß und der spezifischen Gefahrenlage des Überholens besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. März 2018 ‒ 4 StR 469/17, VRS 134, 287, 289; vom 22. November 2016 ‒ 4 StR 501/16, NZV 2017, 135, 136 mwN). Nach diesen Maßstäben ist hier ein falsches Überholen gegeben, weil der Angeklagte zur Durchführung des Überholmanövers verbotswidrig die durchgehende Fahrstreifenbegrenzung zur Gegenfahrbahn sowie eine Sperrfläche überfuhr und die durch Verkehrszeichen angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit massiv überschritt. Die unzutreffende Bestimmung des der Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zukommenden Schuldumfangs hat sich aber im Rahmen der Strafzumessung nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt. Das Landgericht hat die verhängte Freiheitsstrafe dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 315d Abs. 5 StGB entnommen. Bei der Strafzumessung hat es zu Lasten des Angeklagten maßgeblich auf die zweifache Verwirklichung der Qualifikationsnorm des § 315d Abs. 5 StGB sowie die erheblichen mit einem hohen Grad an Fahrlässigkeit verursachten Tatfolgen abgestellt und darüber hinaus die tateinheitlichen Verurteilungen nach § 315c StGB und § 229 StGB strafschärfend berücksichtigt. Da das Landgericht keine weiter gehende strafzumessungsrechtliche Bewertung der Straßenverkehrsgefährdung vorgenommen hat, ist auszuschließen, dass es bei zutreffender rechtlicher Bewertung auf eine höhere Freiheitsstrafe erkannt hätte.