StGB § 332, 334 Verjährungsbeginn
StGB § 332, 334 Verjährungsbeginn
BGH, Beschl. v. 31.03.2011 – 4 StR 657/10
Für den Verjährungsbeginn bei der Bestechung kommt es auf die letzte Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung beziehungsweise auf den Zeitpunkt des letzten den Schaden vertiefenden Ereignisses an.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. März 2011 gemäß § 206a, § 357 Satz 1 StPO, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13. Juli 2010 wird a) das Verfahren gegen ihn und den Angeklagten P. in den Fällen 1 bis 21 der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten R. und P. der Staatskasse zur Last; b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte R. der Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue in 54 Fällen und der Angeklagte P. der Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 54 Fällen schuldig ist; c) das genannte Urteil im Gesamtstrafenausspruch gegen den Beschwerdeführer aufgehoben.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten R. wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue in 75 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten P. wegen Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 75 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten P. verhängten Strafe hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten R., mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war der Angeklagte R. Leiter der Technischen Abteilung des Klinikums M., einer Anstalt des Öffentlichen Rechts. Spätestens ab 1999 ließ er sich von dem Mitangeklagten P., der zwei Krankenhausservicefirmen betrieb, für die Auftragserteilung 10 % des Umsatzes versprechen.
P. erhöhte die Rechnungen der von ihm betriebenen Firmen, indem er die Anzahl der Stunden oder den Materialaufwand heraufsetzte, so dass außer dem Anteil für den Angeklagten R. auch ein Anteil von 5 % für ihn selbst verblieb, was R. nicht wusste. Der Angeklagte R. durfte Rechnungen bis 15.000 € als sachlich und rechnerisch richtig abzeichnen; die Rechnungen wurden dann ohne weitere Überprüfung zur Zahlung angewiesen. Auch soweit 15.000 €geringfügig überschritten wurden, fand eine Überprüfung der vom Angeklagten R. abgezeichneten Rechnungen nicht statt. Der Angeklagte P. erstellte zwischen dem 26. Januar 2002 und dem 5. Oktober 2008 über 600 überhöhte Rechnungen mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 2.383.444,56 €, die der Angeklagte R. abzeichnete und die bezahlt wurden. Der Angeklagte R. notierte sich die Rechnungen sowie die Zahlungen des Angeklagten P. und hielt ihn zur Zahlung an, wenn 10 % des Umsatzes nicht erreicht waren. Der Angeklagte R. erhielt zwischen dem 4. Februar 2002 und dem 25. September 2008 75 Zahlungen des Angeklagten P. über insgesamt 248.929,20 €.
1. Die Revision des Angeklagten R. führt in den Fällen 1 bis 21 der Urteilsgründe zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung auch hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten P. und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs gegen den Beschwerdeführer. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten R. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Januar 2011 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. a) Das Landgericht hat zu Recht 75 Straftaten der Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB) und der Bestechung (§ 334 Abs. 1 StGB) angenommen. Mehrere Vorteilsannahmen stehen untereinander grundsätzlich im Verhältnis der Tatmehrheit. Eine tatbestandliche Handlungseinheit hinsichtlich aller aus einer Unrechtsvereinbarung erlangten Vorteile hat der Bundesgerichtshof nur anerkannt, wenn die Annahme auf eine Unrechtsvereinbarung zurückgeht, die den zu leistenden Vorteil genau festlegt, mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein (BGH, Urteile vom 18. Oktober 1995 – 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 302; 11. Mai 2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 30 und vom 20. August 2003 – 2 StR 160/03, wistra 2008, 29). Eine solche genaue Festlegung des Vorteils bei der Unrechtsvereinbarung ist hier nicht festgestellt. Bei ihrem Zustandekommen war lediglich der Prozentsatz vom Rechnungsbetrag vereinbart, den der Angeklagte R. für die dem Angeklagten P. künftig erteilten Aufträge erhalten sollte. Das genaue Volumen der Aufträge lag noch nicht fest. Dies reicht nicht aus, die späteren Zahlungsannahmen zu einer Tat zu verbinden. Rechtlich zutreffend hat das Landgericht Tateinheit zwischen der Untreue des Angeklagten R. und der Bestechlichkeit bejaht. Die pflichtwidrige Abzeichnung der überhöhten Rechnungen als sachlich und rechnerisch richtig stellte sowohl den Missbrauch der Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen bzw. bei den einen Betrag von 15.000 € überschreitenden Rechnungen den Treubruch gegenüber dem Klinikum M. als auch die Vornahme der vereinbarten pflichtwidrigen Diensthandlung dar. Durch die Annahme von jeweils nur einer tateinheitlichen Untreuehandlung ist der Angeklagte R. nicht beschwert.
b) Nach den rechtsfehlerfrei vom Landgericht getroffenen Feststellungen erhielt der Angeklagte R. die Zahlungen in den Fällen 1 bis 21 bis zum 25. März 2004 einschließlich. Die erste die Verjährung unterbrechende Handlung erfolgte am 31. März 2009 durch den Erlass von Haftbefehlen und Durchsuchungsbeschlüssen gegen die Angeklagten. Damit war hinsichtlich dieser Fälle die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bereits vor den Unterbrechungshandlungen abgelaufen und Verfolgungsverjährung eingetreten. Zugunsten der Angeklagten ist davon auszugehen, dass die Beendigung der 75 Einzeltaten der Bestechlichkeit jeweils mit der Empfangnahme der Zahlungen eintrat und diesen Zahlungen eine vorherige pflichtwidrige Abzeichnung überhöhter Rechnungen zugrunde lag (zur Anwendung des Zweifelssatzes auf die die Verjährung begründenden Tatsachen vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2001 – 5 StR 454/00, BGHR StGB § 78a Satz 1 Betrug 3). Das Landgericht hat die über 600 pflichtwidrig abgezeichneten Rechnungen nicht den einzelnen Zahlungsempfängen des Angeklagten R. zugeordnet. Der Senat schließt jedoch aus, dass sich noch konkrete Feststellungen dahingehend treffen lassen, dass der Angeklagte R. als Gegenleistung für die bis zum 25. März 2004 erhaltenen Zahlungen nach dem 1. April 2004 Rechnungen abgezeichnet hat, so dass die Beendigung der Taten der Bestechlichkeit und der Untreue erst zu diesem Zeitpunkt in nicht verjährter Zeit eingetreten wäre (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300). Für die Beendigung der 75 Taten ist jeweils auf die einzelne Tat, nicht auf die Entgegennahme der letzten Zahlung bzw. der Abzeichnung der letzten überhöhten Rechnung der Tatserie abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 303). Jeweils für die einzelne konkrete Tat gilt, dass sie erst mit der vollständigen Umsetzung der Unrechtsvereinbarung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 927 f.) beziehungsweise mit der vollständigen Realisierung des Schadens (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2004 – 5 StR 412/03, BGHR StGB § 78a Satz 1 Untreue 3) ihren Abschluss findet, so dass es für den Verjährungsbeginn auf die letzte
Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung beziehungsweise auf den Zeitpunkt des letzten den Schaden vertiefenden Ereignisses ankommt.
2. Die Einstellung von 21 von 75 Taten hat die Aufhebung der Gesamtstrafe gegen den Beschwerdeführer zur Folge. Auch wenn die Einzelstrafen für die Taten des Angeklagten R. milde bemessen sind, strafbares verjährtes Vortatverhalten – wenngleich nicht in voller Schwere – strafschärfend berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 1994 – 4 StR 117/94, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 24) und die Gesamtstrafe äußerst straff zusammen gezogen worden ist, kann der Senat letztlich nicht ausschließen, dass der Tatrichter für nur 54 Fälle eine noch geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
3. Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 1 bis 21 ist auf den Angeklagten P. zu erstrecken. Es ist anerkannt, dass § 357 StPO auch dann anzuwenden ist, wenn die Aufhebung des Urteils wegen Fehlens einer von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung oder des Vorliegens von Verfahrenshindernissen erfolgt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335, 340 f., vom 16. September 1971 – 1 StR 284/71, BGHSt 24, 208, 210 f., vom 29. November 1994 – 3 StR 221/94 und vom 29. Juli 1998 – 2 StR 197/98; KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl. § 357 Rn. 7). Der Senat hat davon abgesehen, auch beim Angeklagten P. die Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben, da er ausschließen kann, dass eine neue Verhandlung zu einer milderen Bestrafung führen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01). Das Landgericht hat bei diesem Angeklagten lediglich für 19 Taten Einzelstrafen festgesetzt (UA S. 30). Durch die Einstellung entfallen zwar vier dieser Einzelstrafen. Bei einer Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs müssten aber Einzelstrafen für die Fälle 22 bis 24, 27, 28, 30 bis 37, 40 bis 53, 57 bis 63, 65, 66, 68, 69 und 72 neu festgesetzt werden. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO stünde dem nicht entgegen (st. Rspr., vgl. Urteile vom 22. September 1953 – 1 StR 726/52, BGHSt 4, 346 und vom 26. Februar 1993 – 3 StR 207/92, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe, fehlende 2.)
Ihr Anwalt Hamburg - Kanzlei Rechtsanwälte Lauenburg & Kopietz