StGB § 352 – Keine Gebührenüberhebung bei vereinbarter Vergütung
BGH, Urt. vom 06.09.2006 – 5 StR 64/06 - NJW 2006, S. 3219 ff. = JR 2007, S. 202 ff. m. Anm. Kuhlen
LS: Zum Anwendungsbereich des § 352 StGB bei Honorarvereinbarungen.
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 30. März 2005 wie folgt abgeändert:
1. Der Angeklagte wird auch hinsichtlich der nachstehend unter A. I (2) (Fall Abschnitt A II Ziffer 2.2 der Urteilsgründe) und A. I (3) (Fall Abschnitt A II Ziffer 2.3 der Urteilsgründe) genannten Tatvorwürfe auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Seine insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
2. Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, wird das Urteil im Übrigen mit den Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen sind die Feststellungen zu den einzelnen Honorarvereinbarungen und ihrer Vorgeschichte (Abschnitt A II der Urteilsgründe), die aufrechterhalten bleiben. Insoweit wird die weitergehende Revision des Angeklagten verworfen. II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Untreue freigesprochen worden ist (Abschnitt C der Urteilsgründe).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbliebenen Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Gebührenüberhebung in Tatmehrheit mit vier tateinheitlichen Vergehen der Gebührenüberhebung, diese in Tateinheit mit Betrug und versuchtem Betrug, zu einer Gesamtgeldstrafe von170 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Der Angeklagte greift seine Verurteilung mit seiner auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützten Revision an. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem Rechtsmittel, das die Bundesanwaltschaft vertritt, insoweit gegen den Teilfreispruch des Angeklagten, als dieser nicht wegen Untreue zu Lasten von Alexander H. verurteilt worden ist. Im Übrigen ist die Revision zurückgenommen worden. Die Rechtsmittel haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
Revision des Angeklagten
Nach den Feststellungen des Landgerichts vertrat der Angeklagte, der in Torgau eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt, die von Sozialhilfe lebende Angela H. . Angela H. , eine allein erziehende Mutter dreier Kinder, war sorgeberechtigt für ihren 2 ½-jährigen Sohn Alexander H. , der bei einem Treppensturz schwerste Verletzungen erlitten hatte, in deren Folge er später verstorben ist. Im Zusammenhang mit diesem Unfall, der im Haushalt seiner Pflegemutter stattgefunden hatte, entwickelte sich eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten, in denen der Angeklagte auch Alexander H. vertrat. In diesem Zusammenhang wusste der Angeklagte ab April 2001, dass aus einer Unfallversicherung eine erhebliche Summe zu erwarten war. Tatsächlich überwies die Debeka am 17. September 2001 einen Betrag in Höhe von etwa 330.000 DM auf das Konto des Angeklagten, der von Angela H. namens ihres Sohnes Alexander mandatiert war. Der Angeklagte schloss mit Angela H. , teilweise als Vertreterin ihres Sohnes Alexander, in folgenden Fällen Honorarvereinbarungen, in denen er sich höhere als die gesetzlich geschuldeten Gebühren zusichern ließ:
(1) Für eine Strafanzeige, die der Angeklagte für Angela H. gegen L. wegen Beleidigung stellen sollte, vereinbarte der Angeklagte am 21. Mai 2001 eine Gebühr in Höhe von 1.500 DM, obwohl nach Auffassung des Landgerichts hier nur eine Gebühr von 315 DM (netto) geschuldet gewesen wäre.
(2) Im Widerspruchsverfahren vor dem Versorgungsamt Leipzig ließ sich der Angeklagte von Angela H. , die insoweit als Vertreterin für ihren Sohn Alexander handelte, am 1. Juni 2001 eine Gebühr in Höhe von 1.500 DM zusichern, obwohl die gesetzliche Gebühr nur 630 DM betragen hätte.
(3) Für die Erstattung einer Strafanzeige gegen St. , die als Verantwortliche für den Unfall des Alexander H. bezeichnet wurde, und die sich hieran anschließende Nebenklagevertretung vereinbarte der Angeklagte am 9. August 2000 eine Gebühr in Höhe von 2.500 DM bei einer Erledigung des Vorgangs ohne und eine Gebühr in Höhe von 3.000 DM bei einer Erledigung mit Hauptverhandlung. Die gesetzliche Gebühr für das später ohne Hauptverhandlung nach § 153a StPO erledigte Strafverfahren gegen St. betrug nach Auffassung des Landgerichts 315 DM.
(4) Der Angeklagte, der nach einer Überleitungsanzeige durch die Sozialbehörde für das Überleitungsverfahren nach § 90 BSHG wegen erbrachter Sozialhilfeleistungen mandatiert wurde, schloss für dieses Verfahren am 25. Juli 2001 eine Honorarvereinbarung über 2.000 DM ab. Mit der Bezifferung des übergeleiteten Antragsanspruchs auf nunmehr etwa 2.000 DM durch die Sozialbehörde legte der Angeklagte einen neuen Vorgang an und traf mit Angela H. am 18. September 2001 eine weitere Gebührenvereinbarung über 500 DM, obwohl es sich – wie er auch wusste – um eine identische Angelegenheit handelte und deshalb kein neuer Gebührenanspruch entstehen konnte.
(5) Der Angeklagte hatte am 23. August 2000 eine Strafanzeige im Auftrag von Angela H. gegen Mitarbeiter des Jugendamtes Torgau gefertigt. Hierfür schloss er am 25. September 2001 eine Honorarvereinbarung über 2.000 DM mit Angela H. ab. Die gesetzliche Gebühr hätte nur etwa 300 DM betragen.
(6) Im Hinblick auf die Vertretung von Angela H. in einem vor dem Amtsgericht in Torgau anhängigen Sorgerechtsverfahren vereinbarte der Angeklagte am 18. Oktober 2001 mit Angela H. ein Honorar in Höhe von 2.000 DM. Tatsächlich hätte sich die gesetzliche Gebühr nur auf ca. 870 DM belaufen.
(7) Angela H. beauftragte den Angeklagten mit der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Landkreis Torgau, weil diesen bei der Bestellung der Pflegemutter ein Auswahlverschulden getroffen habe. Das hierfür vereinbarte Honorar betrug 10.000 DM netto. Nachdem der Landkreis die Angelegenheit an den „Kommunalen Schadenausgleich“ weitergeleitet hatte, legte der Angeklagte einen neuen Vorgang an und spiegelte so Angela H. vor, dass es sich um eine neue Sache handele. Im Vertrauen hierauf schloss Angela H. am 26. Oktober 2001 mit dem Angeklagten eine erneute Gebührenvereinbarung über 2.000 DM ab. Zu einer Zahlung dieser Gebühr kam es im Folgenden jedoch nicht mehr. Mit Ausnahme des letztgenannten Falles wurden sämtliche Forderungen aus den Honorarvereinbarungen beglichen. Dies erfolgte in der Regel durch Verrechnungen oder auch durch Überweisungen von Angela H. Das Landgericht hat in fünf der vorgenannten Fälle eine Gebührenüberhebung im Sinne des § 352 StGB gesehen. Hinsichtlich der Fälle (4) und (7) hat es einen Betrug nach § 263 StGB darin erblickt, dass der Angeklagte durch Anlage eines gesonderten Vorgangs der Zeugin H. wahrheitswidrig vorgespiegelt habe, es handele sich jeweils um einen neuen Vorgang, der einen gesonderten Honoraranspruch auslöse. Im Fall (7) sei es beim Versuch geblieben, weil eine Auszahlung des Honorars nicht mehr erfolgt sei. Den Tatbestand des Wuchers nach § 291 StGB hat das Landgericht verneint, weil die hierfür notwendige besondere Lage des Opfers nicht vorgelegen hätte. Mit Ausnahme der unter (3) genannten Honorarvereinbarung, die längere Zeit davor abgeschlossen worden sei, habe der Angeklagte ab dem 24. April 2001 mit einheitlichem Vorsatz gehandelt, weil er nach Kenntnis von der zu erwartenden Auszahlung der Debeka den einheitlichen Vorsatz gefasst habe, Gebührenüberhebungen oder Betrugstaten zu Lasten des Vermögens des Alexander H. zu begehen. Insoweit geht das Landgericht von einer tateinheitlichen Verwirklichung dieser Tatbestände aus.
II. Die Revision des Angeklagten hat weitgehend Erfolg.
1. Die Verurteilungen wegen Gebührenüberhebung (§ 352 StGB) halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht begründet die Strafbarkeit des Angeklagten nach § 352 StGB mit der Erwägung, dass bei unwirksamen Honorarvereinbarungen der Rechtsanwalt nur auf der Grundlage der Gebührenordnung hätte abrechnen dürfen. In den Verurteilungsfällen seien die Gebührenvereinbarungen sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB, weil sowohl Angela H. als auch – bis zur Auszahlung der Versicherungssumme – Alexander H. Anspruch auf Sozialhilfe gehabt hätten. Solche die gesetzlichen Gebühren übersteigenden Honorarvereinbarungen, die mit Sozialhilfeempfängern geschlossen würden, verstießen gegen § 138 Abs. 1 BGB. Da der Angeklagte sich Honorare habe zusichern lassen, die mindestens das Doppelte der gesetzlichen Gebühr betrügen, habe er sich nach § 352 StGB strafbar gemacht, zumal er die Sittenwidrigkeit erkannt habe.
b) Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat vermag dem Landgericht schon im Ausgangspunkt nicht zu folgen. Rechnet der Rechtsanwalt, dem ein Vergütungsanspruch zusteht, diese auf Grund einer Honorarvereinbarung und nicht nach der Gebührenordnung (BRAGO, jetzt RVG) ab, fällt sein Verhalten grundsätzlich nicht unter den Tatbestand des § 352 StGB. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich aus der anzuwendenden Vergütungsordnung jedenfalls dem Grunde nach ein Anspruch ergibt (vgl. dagegen die Fälle I. (4) und I. (7), unten 2 d). Schließt der Rechtsanwalt dann hierüber eine Honorarvereinbarung und macht er aus dieser seine Vergütungsansprüche geltend, erfüllt dies nicht den Tatbestand der Gebührenüberhebung nach § 352 StGB, unabhängig davon, ob die Honorarvereinbarung wirksam zustande gekommen ist oder nicht. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut wie auch aus dem Zweck der Vorschrift.
aa) Nach § 352 StGB wird ein Rechtsanwalt wegen Gebührenüberhebung bestraft, wenn er Vergütungen erhebt, von denen er weiß, dass der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Maße schuldet. Die Bestimmung grenzt den Täterkreis auf solche Personen ein, die Vergütungen zu ihrem Vorteil „zu erheben haben“. Vergütungen im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche Ansprüche, die dem Grunde und dem Betrag nach gesetzlich festgelegt sind und die der Rechtsanwalt nach den Gebührenordnungen, Taxen oder sonstigen Vorschriften selbst zu berechnen hat (BGHSt 4, 233, 235). Nur soweit der Rechtsanwalt nach den gesetzlichen Gebühren abrechnet, kann er sie in den vereinfachten Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG (früher § 19 BRAGO) festsetzen lassen und so einen vollstreckbaren Titel erlangen (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl. § 11 Rdn. 41 ff.). Die Strafandrohung will sicherstellen, dass er sich bei dieser ihm überlassenen Berechnung seines Anspruchs in den Schranken hält, die ihm die Gebührenordnungen auferlegen (BGHSt aaO). Der Schutzzweck dieser Strafnorm besteht danach nicht nur darin, das Publikum vor überhöhten Vergütungsforderungen des Rechtsanwalts zu bewahren, sondern es vor allem vor dem Missbrauch seiner Befugnis zu schützen, gesetzliche Gebühren erheben zu dürfen (Träger in LK 11. Aufl. § 352 Rdn. 1; Kuhlen in NK-StGB 2. Aufl. § 352 Rdn. 3). Das spezifische Unrecht der Gebührenüberhebung besteht gerade darin, dass der Täter für seine Forderungen zu Unrecht die Autorität einer gesetzlichen Gebührenregelung in Anspruch nimmt.
bb) Rechnet der Rechtsanwalt auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung ab, dann „erhebt“ er keine Vergütung im Sinne des § 352 StGB. Seinen Vergütungsanspruch leitet er in diesem Falle allein aus der vertraglichen Vereinbarung her. Dies ist für den Fall der die gesetzlichen Gebühren übersteigenden Honorarforderung auch unstreitig (vgl. Kuhlen aaO Rdn. 17; Träger aaO Rdn. 12; jeweils m.w.N.). Gleiches gilt aber auch, wenn der Rechtsanwalt auf der Grundlage einer unwirksamen Honorarvereinbarung seinen Anspruch beziffert (Kuhlen aaO Rdn. 17; Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 352 Rdn. 9a; OLG Braunschweig NJW 2004, 2606 für den Fall der formunwirksamen Honorarvereinbarung; a. A. Träger aaO Rdn. 12; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 352 Rdn. 6; BayObLG NJW 1989, 2901, 2902). Insoweit bezieht er sich gerade nicht auf die gesetzlich festgelegte Vergütungsordnung, sondern die Basis seiner Honorarberechnung bleibt die vertragliche Vereinbarung. Er „erhebt“ deshalb in diesen Fällen keine Vergütung, weil er den Vergütungsanspruch nicht nach den gesetzlichen Vergütungsordnungen bestimmt. Dies ist im Übrigen auch seinem Mandanten als dem Adressaten seiner Abrechnung deutlich. Dieser erhält eine Abrechnung, die sich ausdrücklich nicht auf die gesetzliche Vergütungsordnung stützt, sondern auf eine mit ihm getroffene Honorarvereinbarung. Demnach besteht kein Vertrauen des Mandanten, dass der Rechtsanwalt seine Befugnis, nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen zu dürfen, nicht missbraucht hat. Der Schutzzweck des § 352 StGB ist nicht berührt, soweit der Rechtsanwalt auf der Grundlage einer vertraglichen Honorarvereinbarung abrechnet. Dies trifft gleichermaßen zu, wenn die Honorarvereinbarung unwirksam ist. Auch dann nimmt der Rechtsanwalt nicht die Autorität der gesetzlichen Gebührenordnung in Anspruch. Beruht die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung auf allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (hier nach Auffassung des Landgerichts auf § 138 Abs. 1 BGB), die in gleicher Weise auch für andere Rechtsgeschäfte gelten, ist aus rechtssystematischen Überlegungen kein Grund ersichtlich, solche Vergütungsvereinbarungen straf-rechtlich anders zu behandeln als sonstige unwirksame Vergütungsvereinbarungen. Für die Anwendung des speziellen Tatbestands des § 352 StGB, der auf die übervorteilende Abrechnung auf der Grundlage einer gesetzlichen Gebührenordnung zugeschnitten ist, besteht deshalb in Fällen der unwirksamen Honorarvereinbarung keine sachliche Berechtigung. cc) Dieser Auslegung steht nicht die Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs entgegen. Zwar haben der 2. Strafsenat (Urteil vom 2. Februar 1954 – 2 StR 10/53) und der 4. Strafsenat (wistra 1982, 66, 67) unter Bezugnahme auf reichsgerichtliche Rechtsprechung (RG DR 1943, 758) ausgeführt, dass es für die Anwendung des § 352 StGB gleichgültig sei, ob der Betrag als gesetzliche Gebühr oder aufgrund einer angeblichen Vereinbarung gefordert werde. Diese ohne nähere Begründung geäußerte Rechtsauffassung betrifft jedoch jeweils andere Fallkonstellationen, die im Übrigen auch nach der hier vertretenen Rechtsauffassung zu einer Strafbarkeit wegen Gebührenüberhebung führen würden. In der vom 2. Strafsenat entschiedenen Fallkonstellation hat der Rechtsanwalt entgegen dem damaligen § 93 RAGebO (vgl. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 BRAGO; § 4 Abs. 5 Satz 1 RVG) als im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt gegenüber dem eigenen Mandanten abgerechnet, wobei der Senat offen gelassen hat, ob die Abrechnung auf Grund einer vom Angeklagten behaupteten Honorarvereinbarung erfolgt ist. Der aufgrund einer gerichtlichen Anordnung beigeordnete Rechtsanwalt hat einen gesetzlichen Gebührenanspruch gegen die Staatskasse. Gegenüber der von ihm vertretenen Partei darf er keine weiteren Honorarforderungen stellen. Deshalb war das Fordern eines von der Vergütungsordnung ausgeschlossenen Gebührenanspruchs bereits eine Gebührenüberhebung im Sinne des § 352 StGB, und zwar unabhängig davon, ob letztlich eine Honorarvereinbarung geschlossen wurde. Der Entscheidung des 4. Strafsenats (wistra 1982, 66, 67) lag die Fallgestaltung zugrunde, dass ein Rechtsanwalt Gebühren berechnet hatte, obwohl er vorher auf Gebühren verzichtet hatte. Da der dort wegen Gebührenüberhebung verurteilte Rechtsanwalt sich auf eine Gebührenordnung bezogen hatte, unterscheidet sich dieser Fall schon deshalb von der hier zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation.
2. Die Verurteilungen wegen Betruges und versuchten Betruges halten gleichfalls rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat in den Fällen, in denen der Angeklagte nach Bezifferung des Überleitungsanspruchs (I. (4)) bzw. nach Weiterleitung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche an den Kommunalen Schadenausgleich (I. (7)) jeweils zusätzliche Honorarvereinbarungen abgeschlossen hatte, Betrugshandlungen angenommen. Im Falle der Abgabe der Ansprüche an den Kommunalen Schadenausgleich ist das Landgericht nur von einem Versuch ausgegangen, weil keine Zahlung auf die Honorarvereinbarung mehr folgte. Die Täuschungshandlung hat das Landgericht darin gesehen, dass der Angeklagte Angela H. vorgespiegelt habe, dass es sich jeweils um neue Mandate handele. Deshalb habe der Angeklagte auch jedes Mal einen neuen Vorgang angelegt.
b) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass jeweils keine Neumandatierungen vorlagen. In beiden Fällen handelte es sich jeweils um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 1 BRAGO (vgl. jetzt §§ 16 ff. RVG). Die Weiterleitung der Akten des Anspruchsgegners an den Kommunalen Schadenausgleich berührt im Innenverhältnis nur die Prüfung durch die Stelle, die – ähnlich einem Versicherer – letztlich den Schaden zu begleichen hätte. Entgegen dem Einwand der Verteidigung ist damit im Außenverhältnis kein neuer Anspruchsgegner aufgetreten. Vielmehr hat der Kommunale Schadenausgleich lediglich nach außen die Interessen der in Anspruch genommenen öffentlichrechtlichen Körperschaft wahrgenommen. Bei der Bezifferung des Überleitungsanspruchs nach § 90 BSHG ist gleichfalls dieselbe Angelegenheit gegeben, weil von vornherein offensichtlich war, dass hinsichtlich der erwarteten Zahlung nur erbrachte Sozialhilfeleistungen bis zu einem gewissen Umfang anzurechnen waren. Dies war ersichtlich der Gegenstand des Mandatsverhältnisses. Hieran ändert sich – entgegen der Auffassung der Verteidigung –auch nichts dadurch, dass mehrmals die Überleitung angezeigt wurde.
c) Eine Verurteilung wegen Betruges käme indes nur dann in Betracht, wenn das Verhalten des Angeklagten insoweit nicht als Gebührenüberhebung im Sinne des § 352 zu qualifizieren wäre. Anders als das Landgericht ersichtlich meint, wird § 352 StGB durch den Betrugstatbestand nicht verdrängt. Vielmehr ist der Tatbestand des § 352 StGB ein – freilich rechts-politisch aus heutiger Sicht bedenklicher und überholter (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 352 Rdn. 2; Kuhlen in NK-StGB 2. Aufl. § 352 Rdn. 4 f.) – spezialgesetzlicher Privilegierungstatbestand, der dem Betrug vorgeht. Aufgrund seines Privilegierungscharakters kann neben § 352 StGB tateinheitlich ein Betrug nur dann in Betracht kommen, wenn zu der Täuschungshandlung, die notwendig zu der Gebührenüberhebung gehört, eine weitere Täuschung hinzukommt (BGHSt 2, 35).
d) Hier liegt in beiden Fällen eine Gebührenüberhebung vor. Auch wenn sich dabei jeweils der geltend gemachte bzw. beigetriebene Gebührenanspruch aus einer Honorarvereinbarung ergeben hat, ist bei der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhaltskonstellation eine Gebührenüberhebung (§ 352 StGB) gegeben. Entscheidend ist nämlich darauf abzustellen, dass der Angeklagte eine (neuerliche) Vergütung gefordert hatte, obwohl es sich nach den danach maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 1 BRAGO gehandelt hat und gerade kein neuer Gebührentatbestand entstanden ist. Hierin liegt auch die im Sinne des § 352 StGB bedeutsame Täuschungshandlung. Der Angeklagte forderte ein weiteres Honorar, ohne hierzu nach den gesetzlichen Bestimmungen berechtigt zu sein. Dass diese Honorarforderung dann in eine Honorarvereinbarung eingeflossen ist, ändert an seiner Strafbarkeit nach § 352 StGB nichts. Das unterscheidet diese Fallgestaltung von den unter 1. genannten Fällen. Dort war eine Honorarforderung entstanden, die der Angeklagte absichtlich nicht nach den gesetzlichen Vergütungsregelungen abrechnen wollte. Vielmehr hatte er einvernehmlich mit dem Mandanten eine übersteigende Gebühr festgelegt und aus dieser vereinbarten höheren Vergütung auch liquidiert. Soweit es in dem unter I. (7) genannten Fall nicht zu einer Auszahlung gekommen ist, liegt eine versuchte Gebührenüberhebung vor (§ 352 Abs. 2 StGB). Die von der Verteidigung vorgebrachten und – wie oben ausgeführt – erfolglosen Einwendungen zu den Betrugsverurteilungen, die sich allein auf die vom Landgericht verneinte Entstehung eines weiteren Gebührenanspruchs beziehen, vermögen in beiden Fällen eine Strafbarkeit wegen Gebührenüberhebung bzw. versuchter Gebührenüberhebung nicht in Frage zu stellen.
3. Das Landgericht hat in den Verurteilungsfällen nicht erörtert, ob sich der Angeklagte zugleich wegen Untreue strafbar gemacht hat. Dies hätte jedoch nahe gelegen, weil der treupflichtige Rechtsanwalt entweder durch die Verrechnung mit ihm nicht zustehenden Ansprüchen oder aufgrund der vorher getroffenen Abrede einer Zahlung aus der Unfallversicherungsleistung, die Alexander H. zustand, das von ihm zu betreuende Vermögen geschädigt hatte. Da der Tatbestand der Gebührenüberhebung erst durch die Bezahlung der unberechtigten Vergütung vollendet wird (Träger in LK 11. Aufl. § 352 Rdn. 17 f.) und dies – auch in Gestalt der Verrechnung – bei der Untreue ebenfalls die Tathandlung ist, läge insoweit Tateinheit (§ 52 StGB) vor (BGH NJW 1957, 596, 597). Die richterliche Kognitionspflicht hätte sich hierauf erstrecken müssen. Mögliche im Zusammenhang mit den Honorarvereinbarungen stehende Untreuehandlungen wären im Übrigen auch unter dem im Abschnitt C der Urteilsgründe geschilderten Anklagevorwurf zu prüfen gewesen. Insoweit lag dem Angeklagten zur Last, das Vermögen des Alexander H. geschädigt zu haben, indem er einen möglichst großen Teil der Unfallversicherungsleistung für sich vereinnahmt habe. Da aus diesem Vermögen zugleich die Honorarvereinbarungen beglichen wurden, wären hierin liegende Untreuehandlungen zugleich Tathandlungen nach dem Abschnitt C gewesen und hätten auch dort Gegenstand richterlicher Prüfung sein müssen.
a) Soweit im Fall I. (4) – wie unten ausgeführt – eine Gebührenüberhebung darin zu sehen ist, dass der Angeklagtenach der Bezifferung des Überleitungsanspruchs eine Honorarvereinbarung abschloss, kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht, weil der Angeklagte hierfür aus der Zahlung der Unfallversicherungsleistung an seinen Mandanten bezahlt wurde, ohne dass ihm ein Anspruch zustand. Bezüglich des Falles I. (7) ist die Forderung aus der weiteren Honorarvereinbarung nach der Abgabe an den Kommunalen Schadenausgleich nicht beglichen worden. Da die versuchte Untreue nicht strafbewehrt ist, läge eine Strafbarkeit nach § 266 StGB nur vor, wenn allein die Honorarvereinbarung bereits eine schadensgleiche Vermögensgefährdung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellen würde.
b) Eine Untreue liegt weiter in den Fällen nahe, in denen Angela H. in ihren eigenen Angelegenheiten mit dem Angeklagten eine Honorarvereinbarung getroffen hat (Fälle I. (1), (5) und (6)) unter der Abrede, dass diese Zahlungen aus der Versicherungsleistung erbracht werden. Insoweit wurde das Vermögen des Alexander H. geschädigt. Dass eine entsprechende Vereinbarung zu Lasten Alexander H. s als Vertrag zu Lasten Dritter unwirksam ist, bedarf – unabhängig von der Höhe der ausbedungenen Vergütung – keiner näheren Darlegung.
c) In den übrigen Fällen kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue oder auch wegen Betruges nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Honorarvereinbarungen, die Alexander H. , vertreten durch seine Mutter Angela H. , mit dem Angeklagten geschlossen hat, nicht sittenwidrig. Abgesehen davon, dass Alexander H. im Blick auf die als sicher zugesagte erhebliche Versicherungssumme, schon nicht generell einem mittellosen Sozialhilfeempfänger gleichgestellt werden kann, sind Honorarvereinbarungen mit Sozialhilfeempfängern nicht grundsätzlich sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Die Sittenwidrigkeit ist aufgrund einer umfassenden Gesamtbetrachtung zu bestimmen (BGHZ 107, 92, 97; 86, 82, 88). Die wirtschaftliche Leistungskraft des Mandanten kann dabei nur ein Gesichtspunkt unter mehreren sein. Da es auch wirtschaftlich Schwachen grundsätzlich freisteht, sich eine kostengünstigere Rechtsbesorgung zu organisieren, braucht der Rechtsanwalt nicht ausschließlich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mandanten Bedacht zu nehmen. Dies gilt erst recht dann, wenn Dritte bereit sind, für ihn eventuelle Zahlungen zu erbringen. Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung begründen könnten. Die Überschreitungen der gesetzlichen Gebühren sind durchweg nicht so außergewöhnlich, dass unter diesem Gesichtspunkt ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB in Betracht kommen könnte. Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann ein Honorar, das den gesetzlichen Vergütungsanspruch um mehr als das fünffache übersteigt, sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB sein, wenn das Verfahren nicht durch besonderen Aufwand gekennzeichnet ist (BGHZ 144, 343, 346; BGH AnwBl. 2004, 61). Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats in jedem Fall zu folgen wäre. Die Grenze des fünffachen Satzes hätte nach den im Übrigen nachvollziehbaren Gebührenberechnungen des Landgerichts nur im Fall der Strafanzeige gegen St. Bedeutung. Insoweit ging das Landgericht von einer 7,9-fachen Überhöhung der gesetzlichen Gebühren aus. Hinsichtlich dieses Falles trifft jedoch die Gebührenberechnung des Landgerichts nicht zu. Das Strafverfahren gegen St. hatte ganz erhebliche Bedeutung, weil es dort um die Schuldfrage bei dem Unfall ging, durch den die erheblichen Verletzungen von Alexander H. verursacht wurden. Neben seiner immateriellen Relevanz hatte es auch deshalb erhebliches Gewicht, weil es präjudiziell für das nachfolgende Entschädigungsverfahren sein konnte. Da insoweit nach der Bedeutung der Angelegenheit eher ein Ansatz am oberen Rand des Gebührenrahmens angemessen wäre, ist auch hinsichtlich dieses Verfahrens der fünffache Satz nicht erreicht.
4. Die Behandlung der Konkurrenzverhältnisse durch das Landgericht ist rechtsfehlerhaft. Mit Ausnahme der Tat I. (3), der Erstattung der Strafanzeige gegen St. , hat das Landgericht eine einheitliche Tat angenommen. Maßgeblich war hierfür die Erwägung, dass der Angeklagte nach Kenntniserlangung von der bevorstehenden Zahlung der Versicherungsleistung an Alexander H. den einheitlichen Vorsatz gefasst habe, durch Gebührenüberhebungen oder Betrugshandlungen das Vermögen des Alexander H. s zu schädigen, um sich zu bereichern. Ein derartiger „Gesamtvorsatz“ wird jedoch von der Rechtsprechung seit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 40, 138) nicht mehr anerkannt. Die einzelnen Honorarvereinbarungen, die jeweils auf den einzelnen Fall bezogen waren, stellen vielmehr selbständige Handlungen dar, die aufgrund eines jeweils neuen Tatentschlusses erfolgt sind. Dies gilt selbst dann, wenn der Angeklagte die Taten nach Bekanntwerden der bevorstehenden Auszahlung der Versicherungsleistung schon geplant haben sollte. Denkbar ist eine tateinheitliche Begehung allenfalls dann, wenn zu der Gebührenüberhebung eine Untreue hinzutritt, darüber hinaus wenn mehrere Untreuehandlungen in einer Handlung zusammenfallen. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Angeklagte durch einen einheitlichen Verrechnungsvorgang das Vermögen des Alexander H. geschädigt oder Angela H. durch einen einheitlichen Auszahlungsvorgang zu Lasten des Vermögens ihres Sohnes im Einvernehmen mit dem Angeklagten verfügt haben sollte. Nur unter dieser Voraussetzung könnte die Nachteilszufügung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB in einer einheitlichen Handlung zusammenfallen. Hierzu fehlen jedoch Feststellungen des Landgerichts. Daraus ergeben sich für die Fassung des Schuldspruchs folgende Konsequenzen:
a) Freizusprechen ist der Angeklagte hinsichtlich der Fälle I. (2) – Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz – und I. (3) – Strafanzeige gegen St. . In beiden Fällen liegt weder ein Gebührenüberhebung nach § 352 StGB vor, noch kommt ein Betrug oder eine Untreue in Betracht.
b) In den übrigen Fällen ist der Schuldspruch aufzuheben. Soweit auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen in den Fällen I. (4) und (7) – siehe unter II. 2 – ein Schuldspruch wegen Gebührenüberhebung bzw. versuchter Gebührenüberhebung erfolgen könnte, ist der Senat hieran gehindert, weil möglicherweise eine tateinheitliche Verurteilung wegen Untreue in Betracht kommt (vgl. Kuckein in KK, 5. Aufl. § 353 Rdn. 12 m.w.N.). Hinsichtlich des Vorwurfs der Untreue verbietet sich ein Durchentscheiden im Schuldspruch, weil sich der Angeklagte noch nicht im Hinblick auf diesen Vorwurf verteidigen konnte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass hierzu für den Angeklagten günstige Feststellungen getroffen werden können.
c) Da es sich um Fehler in der rechtlichen Würdigung handelt, die auf Revision des Angeklagten eine Aufhebung der Sache notwendig machen, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den einzelnen Mandatsverhältnissen einschließlich der Vorgeschichte der Tat aufrechterhalten bleiben. Insoweit greift die Revision des Angeklagten nicht durch. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit diese den nunmehr rechtskräftigen Feststellungen nicht widersprechen.
B. Revision der Staatsanwaltschaft Die Staatsanwaltschaft greift, nach Rücknahme ihrer Revisionen gegen die Verurteilungsfälle und den Teilfreispruch hinsichtlich Abschnitt D der Urteilsgründe, nur noch den Freispruch vom Vorwurf der Untreue zu Lasten von Alexander H. an (Abschnitt C der Urteilsgründe). In diesem Umfang wird das Rechtsmittel auch von der Bundesanwaltschaft vertreten. Insoweit liegt dem Angeklagten zur Last, aus der Versicherungsleistung an seinen Mandanten Alexander H. durch Verschleiern der Geldgeschäfte einen größtmöglichen Teil für sich behalten zu haben. Wegen der bereits näher dargelegten Verwobenheit dieses Tatvorwurfs mit dem Komplex der Honorarvereinbarungen könnten auch diese unter dem Gesichtspunkt der Untreue von diesem Tatvorwurf erfasst sein.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts erfolgte – in engem Zusammenhang mit den umfangreichen Mahndatierungen (hierzu oben A) – im Zeitraum zwischen August 2001 und März 2002 eine Vielzahl von Geldbewegungen zwischen dem Angeklagten und Angela H. . Hierzu zählten u. a. neben Vorauszahlungen des Angeklagten in Höhe von knapp 50.000 DM an Angela H. , diverse Barauszahlungen an sie in Höhe von über 250.000 DM nach Eingang der Versicherungssumme sowie umgekehrt die Gewährung eines zinslosen Darlehens durch Angela H. in Höhe von 200.000 DM an den Angeklagten und damit zusammenhängende Geldrückflüsse. Insgesamt hat das Landgericht Geldflüsse in Höhe von etwa 580.000 DM an den Angeklagten und nur in Höhe von etwa 574.000 DM an Angela H. oder auf Konten ihres Sohnes Alexander festgestellt. Das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass – entgegen dem Anklagevorwurf – die quittierten Barauszahlungen tatsächlich an Angela H. geflossen sind. Hinsichtlich des überschießenden Differenzbetrages in Höhe von etwa 6.000 DM ließ sich nach Auffassung des Landgerichts insoweit nicht ausschließen, dass der Angeklagte nur „schlampig“ gearbeitet habe.
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
1. Ein Rechtsfehler ist allerdings nicht schon darin zu erblicken, dass die Strafkammer hinsichtlich des Differenzbetrages von 6.000 DM nicht von einer bewussten Unterschlagungshandlung des Angeklagten ausgegangen ist, sondern insoweit ein fahrlässiges Verhalten nicht ausschließen konnte. Diese Wertung ist angesichts der Vielzahl der Geldbewegungen jedenfalls vertretbar.
2. Durchgreifenden Bedenken begegnet es allerdings, dass das Landgericht nicht das Gesamtsystem der zwischen dem Angeklagten und Angela H. erfolgten Transferleistungen unter dem Gesichtspunkt der Untreue gewürdigt hat. Dies hätte sich aber nach der gegebenen Sachlage aufdrängen müssen.
a) Zu den Pflichten des Anwalts aus dem Mandatsverhältnis zählt, dass er die für seinen Mandanten vereinnahmten Gelder ordnungsgemäß an diesen weiterleitet. Er darf an den gesetzlichen Vertreter nur auszahlen, wenn die gesetzlichen Regeln für den Umgang mit dem Vermögen des Geschäftsunfähigen eingehalten sind. Eine Auszahlung an die Eltern eines Kindes darf nur dann erfolgen, wenn diese das Geld ihrer Kinder nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anlegen (§ 1642 BGB) und Schenkungen aus dem Vermögen des Kindes grundsätzlich ausgeschlossen sind (§ 1641 BGB). Zu einer ordnungsgemäßen Anlageform gehört dabei auch, dass eine eindeutige Zuordnung des Vermögenswertes zu dem Vermögen des Kindes ohne weiteres möglich ist (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 24). Bei einem geschäftsunfähigen Mandanten muss der Rechtsanwalt Sorge tragen, dass das Geld gesichert die Vermögenssphäre des Geschäftsunfähigen erreicht. Diese aus dem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag folgende Leistungssicherungspflicht ist zugleich eine Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB.
b) Zwar wird der Rechtsanwalt, der einen Geschäftsunfähigen vertritt, im Regelfall seine anwaltliche Pflicht dadurch erfüllen, dass er die Gelder an dessen Vertreter weiterleitet. Insoweit darf er – ohne eigene Nachforschungen anstellen zu müssen – darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Vertreter mit den ihnen ausgezahlten Geldern ordnungsgemäß umgehen werden. Anderes gilt aber dann, wenn er voraussieht, dass der gesetzliche Vertreter mit den zugewandten Geldern in einer die Vermögensinteressen des Geschäftsunfähigen verletzenden Art und Weise verfährt oder wenn er es sogar hierauf anlegt. Dies hätte das Landgericht bei der gegebenen Sachlage prüfen müssen. Es liegt nahe, dass der Angeklagte gegen diese Pflicht verstoßen hat. Aus dem gesamten Geschehen im Vorfeld der Auszahlung musste es sich für ihn aufdrängen, dass Angela H. die vereinnahmten Gelder aus der Versicherungsleistung jedenfalls zum Teil für sich verwenden wollte. Dies hätte er schon deshalb erkennen können, weil Angela H. die von ihr persönlich geschuldeten Honorare auch aus der Versicherungsleistung erbringen wollte. Ebenfalls war die nach Auszahlung der Versicherungsleistung ungewöhnliche Form der Zahlungsabwicklung ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Gelder nicht, jedenfalls nicht vollständig für Alexander H. verwandt werden sollten.
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts kommt in Betracht, dass durch die Pflichtverletzung ein Nachteil gemäß § 266 Abs. 1 StGB entstanden ist. Dies hätte der Erörterung bedurft. Ein Nachteil im Sinne des Untreuetatbestands entfällt nämlich nicht allein deshalb, weil letztlich von einer Auszahlung der Gelder an Angela H. auszugehen war. Vielmehr hätte in den Blick genommen werden müssen, inwiefern das Vermögen von Alexander H. geschädigt sein konnte. Da es für die Annahme eines Nachteils im Sinne dieser Bestimmung regelmäßig ausreicht, dass eine schadensgleiche Gefährdung des Vermögens vorliegt (BGHSt 44, 376, 384 ff. m.w.N.), hätte das Maß der Vermögensgefährdung bestimmt werden müssen. Der neue Tatrichter wird deshalb zu prüfen haben, ob die Behandlung der Versicherungsleistung durch den Angeklagten und Angela H. für Alexander H. eine Vermögensschädigung darstellen konnte. Dabei ist der Grad der Gefährdung zu bewerten, der sich auch darin ausdrückt, wie schwierig sich für einen Dritten (z. B. Sozialhilfeverwaltung oder einen Erben) die Feststellung des Alexander H. zugeordneten Vermögens gestaltet (vgl. BGHSt 47, 8, 10
f.). Neben der Transparenz der Zahlungsflüsse wird weiterhin zu beurteilen sein, inwieweit die Rückzahlung des dem Angeklagten gewährten Darlehens gesichert war. Im Verurteilungsfall hinsichtlich des Tatkomplexes C der Urteilsgründe ist angesichts der dargelegten Verwobenheit mit den Vorwürfen aus dem Tatkomplex A der Urteilsgründe auch die Annahme von Idealkonkurrenz nicht ausgeschlossen. Dies wird dann in Betracht kommen, wenn der Angeklagte das Vermögen des Alexander H. ganz oder in Teilen in schadensgleicher Weise gefährdet haben sollte und aus diesem Vermögensbestand auch die Honorare beglichen worden sein sollten. Der Senat weist darauf hin, dass die – nicht gesondert angefochtene – Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil (Kostenquote bei Teilfreispruch) zwar falsch ist, sie jedoch im Umfang der Aufhebung ohnehin obsolet geworden ist. Es verbleiben lediglich rechtskräftige Freisprüche des Angeklagten, hinsichtlich derer die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die hierauf entfallenden notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt. Im Übrigen bedarf es einer umfassenden Neuentscheidung über die Verfahrenskosten durch das neue Tatgericht.
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