StGB § 41 Bereicherung schon bei Verhinderung einer Vermögensminderung
BGH, Beschl. v. 26.11.2015 – 1 StR 389/15 – BeckRS 2016, 04183
Zwar trifft es zu, dass es im Rahmen von § 41 StGB erforderlich ist, dass der Täter sich bereichert hat oder versucht hat, sich zu bereichern, er also eine günstigere Vermögenslage für sich angestrebt hat. Hierfür genügt jedoch auch, wenn der Täter eine Vermögensminderung verhindert.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 13. Mai 2015
a) im Gesamtstrafenausspruch sowie
b) im Ausspruch über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurück verwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 13 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit zwei tatmehrheitlichen Fällen der Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und festgestellt, dass vier Monate hiervon wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I. 1. Das Landgericht hat gegen den Angeklagten, der in 13 Fällen Steuern hinterzog und diese Steuerhinterziehungen nachträglich durch Vorlage gefälschter Rechnungen und Kontoauszüge zu verschleiern versuchte, unter Erhöhung der Einsatzstrafe für eine der Urkundenfälschungen in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Es führt aus, dass die Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe nach § 41 StGB nicht in Betracht gekommen sei, da der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht in der persönlichen Bereicherung des Angeklagten, sondern in den massiven Urkundenfälschungen zu sehen sei.
Diese Argumentation zur Ablehnung der Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe, die im Übrigen nach der Vorschrift des § 41 StGB Ausnahmecharakter hat (vgl. BGH, Urteile vom 24. August 1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 65 und vom 28. April 1976 – 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325, 330; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 41 Rn. 1; Radtke in MüKoStGB, 2. Aufl., § 41 Rn. 32), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar trifft es zu, dass es im Rahmen von § 41 StGB erforderlich ist, dass der Täter sich bereichert hat oder versucht hat, sich zu bereichern, er also eine günstigere Vermögenslage für sich angestrebt hat (so schon RG, Urteil vom 27. Februar 1917 – V 1/17, RGSt 50, 277, 279). Hierfür genügt jedoch auch, wenn der Täter eine Vermögensminderung verhindert (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 4 StR 472/75, NJW 1976, 525, 526; Radtke in MüKoStGB, 2. Aufl., § 41 Rn. 18; Häger in LK-StGB, 12. Aufl., § 41 Rn. 7), wie es vorliegend bei den Urkundenfälschungen der Fall war.
Diese sollten gerade der Verschleierung der Steuerhinterziehungen und damit dem Erhalt des daraus resultierenden Vermögensvorteils dienen. Eine Ablehnung der Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe mit dieser Begründung war mithin rechtsfehlerhaft.
2. Bedenken begegnet auch – ohne dass es hierauf noch tragend ankäme – die weitere Erwägung des Landgerichts, dass der Angeklagte über kein Vermögen und nur geringes Einkommen verfüge, weshalb eine kumulative Geldstrafe nicht angezeigt sei.
a) Das Landgericht kann sich zwar mit den auf das Fehlen des Merkmals „angebracht“ bezogenen Erwägungen in gewisser Weise auf Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 41 StGB durch Art. 18 Nr. 9 EGStGB stützen. Ein Bedürfnis für die Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe wurde insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht gesehen, weil vermögende Täter häufig gerade gegenüber Geldstrafen besonders empfindlich seien (BT-Drucks. V/4095 S. 21 f.; siehe dazu auch BGH, Urteil vom 24. August 1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 62). Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend die Anwendung von § 41 StGB gegen einkommens- und vermögenslose Täter beanstandet, wenn diese nicht wenigstens sichere Erwerbsaussichten hatten (etwa BGH, Urteil vom 21. März 1985 – 4 StR 53/85, wistra 1985, 147 f.; BGH, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 3 StR 176/14, NStZ-RR 2014, 338 f.).
b) Es bestehen Zweifel, ob daran uneingeschränkt festgehalten werden kann. Eine vor allem an den Einkommens-und Vermögensverhältnissen des Angeklagten ausgerichtete Auslegung des Merkmals „angebracht“ in § 41 StGB kann zu mit dem verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz und dem in § 40 StGB zum Ausdruck kommenden Grundgedankens des einkommensunabhängigen
Strafens (vgl. BT-Drucks. V/4095 S. 20) schwer vereinbaren Konsequenzen führen.
Die nach § 41 StGB zusätzlich verhängte Geldstrafe ist keine konfiskatorische Maßnahme (BGH, Beschluss vom 15. November 2002 – 2 StR 302/02, NStZ 2003, 198). Sie ist vielmehr eine„kombinierte Übelzufügung“ (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 41 Rn. 3), wobei sich die im Entzug von Geld zu bestimmende Sanktion nach den Einkünften des Angeklagten richtet. Der Schuldgrundsatz gebietet, bei der Verhängung von Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe das Gesamtstrafübel innerhalb des durch das Maß der Einzeltatschuld eröffneten Rahmens festzulegen. Die zusätzliche Geldstrafe muss deshalb bei der Bemessung der Freiheitsstrafe strafmildernd berücksichtigt werden (siehe nur BGH, Urteil vom 24. August 1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 66). Dürfte geringes oder fehlendes Einkommen bzw. Vermögen als Differenzierungskriterium dafür herangezogen werden, ob einem Angeklagten überhaupt die Wohltat einer kumulativen Geldstrafe zuteil wird, kann dies mit den im vorstehenden Absatz genannten Grundsätzen in Widerspruch geraten.
II. Der Ausspruch über die Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat ebenfalls keinen Bestand. Zur Festlegung einer entsprechenden Kompensation ist es zwingend erforderlich, dass das Tatgericht die konkrete Dauer der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung bestimmt (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, NJW 2008, 860, 866). Dies ist schon deshalb erforderlich, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Kompensationsentscheidung zu ermöglichen. Zur Beurteilung einer angemessenen Verfahrensdauer hat es dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so dass insbesondere bei Wirtschaftsstrafsachen aufgrund der Komplexität des Falles eine längere Verfahrensdauer als angemessen anzusehen sein kann als bei weniger umfangreichen oder schwierigen Verfahren (vgl. Barthe in KK-StPO, 7. Aufl., GVG § 198 Rn. 2). Vorliegend hat sich das Landgericht jedoch auf die Feststellung beschränkt, dass die Anklage vom 24. August 2012 am 29. August 2012 bei Gericht eingegangen und wegen vorrangig zu bearbeitender Haftsachen eine Vorbereitung der Hauptverhandlung erst ab März 2015 möglich gewesen sei. Dies genügt den Anforderungen an eine konkrete Feststellung des Ausmaßes der Verzögerung nicht.
III. Die dem Gesamtstrafenausspruch sowie der Kompensation für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zugrundeliegenden Feststellungen waren aufzuheben, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen diesbezüglich zu ermöglichen.