StGB § 46 Fehlen strafmildernder Umstände sind keine Schärfungsgründe

 

BGH, Beschl. v. 23.03.2011 - 2 StR 35/11 -BeckRS 2011, 08336

Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung wie ungünstige wirtschaftliche Ver­hältnisse oder eine Suchterkrankung können strafmildernd zu Buche schlagen; ihr Fehlen berech­tigt allerdings nicht, dies strafschärfend zu berücksichtigen.

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 8. Dezember 2010 im Aus­spruch über die Einzelstrafe im Fall 1 und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.  Gründe: Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 22. Februar 2010 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 10. Juni 2010 den Schuldspruch im Fall 1 dahingehend geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben von Betäu­bungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln schuldig ist, und außerdem den Strafausspruch im Fall 1 und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben und insoweit an das Landgericht zurückverwiesen. Nunmehr hat die Kammer den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das Landgericht hat hinsichtlich des Strafausspruchs im Fall 1 das Vorliegen eines minderschweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG geprüft und verneint. Es hat dabei wie auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung, bei der auf die Ausführungen zur Ablehnung des minderschweren Falles ausdrücklich Bezug genommen ist, zu Lasten des An­geklagten eingestellt, dass er weder aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit noch aus finanzieller Not oder sonst einer schwierigen Lebenslage gehandelt habe und er das Ansinnen seines Freundes hinsichtlich der Mithilfe bei dessen Drogengeschäften ohne große Mühe hätte ablehnen können. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer durfte weder das Fehlen einer besonderen Notlage noch den Umstand, dass er die Mithilfe bei den Drogengeschäften ohne große Mühe hätte ablehnen können, zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen. Nachvoll­ziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung wie ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse oder eine Suchter­krankung können strafmildernd zu Buche schlagen; ihr Fehlen berechtigt allerdings nicht, dies strafschärfend zu berücksichtigen. Dass der Angeklagte die Tatbeteiligung mit guten Gründen hätte zurückweisen können, stellt ­worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - letztlich die Verwertung des Umstands dar, dass die Tat über­haupt begangen wurde. Dies ist aber ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB (vgl. Fischer, StGB 58. Aufl. § 46 Rn. 76). Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs, da es sich nicht ausschließen lässt, dass das Landgericht ohne Berücksichtigung dieser Umstände zu einer geringeren Einzelstrafe und auch zu einer niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre. 

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