StGB § 46: Fehlendes Geständnis kein strafschärfendes Merkmal

 

BGH, Beschl. v. 08.12.2015 – 3 StR 416/15 – BeckRS 2016, 04661

Das fehlende Geständnis eines Angeklagten darf bei der Strafzumessung nicht strafschärfend berücksichtigt werden.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 7. April 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hatte den Angeklagten am 10. Januar 2014 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 20. August 2014 (3 StR 315/14) das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, weil das Landgericht bei der Bemessung der Strafen zu Lasten des Angeklagten weitere nicht abgeurteilte Straftaten zum Nachteil des Geschädigten berücksichtigt hatte, die nicht ausreichend bestimmt festgestellt waren. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten in allen Fällen zu denselben Einzelstrafen sowie zu derselben Gesamtfreiheitsstrafe wie im ersten Rechtszug verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.

Die Strafzumessung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung erneut nicht stand.

1. Wird ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten im Strafausspruch aufgehoben und vermag der neue Tatrichter Feststellungen nicht zu treffen, die im ersten Rechtszug als bestimmende Zumessungstatsachen strafschärfend herangezogen worden waren, hält er aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat er nach ständiger Rechtsprechung seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für die neue Bemessung der Strafe, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf zu erfahren, warum er trotz des Wegfalls eines Strafschärfungsgrundes nun gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 2012 -3 StR 439/12, StV 2013, 758, 759; vom 28. April 2015 -3 StR 92/15, NStZ-RR 2015, 207 jeweils mwN). (Notiz G.Festa 03.09.2016 11:41:12 So aber im Fall mit den Silberlingen in Dortmund).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat keine Begründung für die Verhängung gleich hoher Strafen gegeben, obwohl es weitere, nicht angeklagte Missbrauchstaten des Angeklagten zum Nachteil des Geschädigten in die Strafzumessung nicht eingestellt hat. Hinzu kommt, dass es im Gegensatz zum Tatrichter des ersten Verfahrens keine - einschlägige - Vorverurteilung mehr feststellen konnte. Außerdem lagen die zwischen 2004 und 2007 begangenen Straftaten nunmehr um noch ein Jahr länger zurück. Etwas anderes ergibt sich vor diesem Hintergrund auch nicht daraus, dass das Landgericht nunmehr -zumindest im Ausgangspunkt (s. aber unten 2.) -die zutreffenden gesetzlichen Strafrahmen zugrunde gelegt und noch belastende Folgen der Taten für den Geschädigten festgestellt hat. Denn hierauf hat die Strafkammer die Bemessung gleich hoher Einzelstrafen sowie derselbenGesamtstrafe nicht gestützt. Dem Senat ist es verwehrt, in eigener Bemessung der Strafzumessungstatsachen zu beurteilen, ob diese Umstände geeignet gewesen wären, die weggefallenen strafschärfenden Gesichtspunkte zu kompensieren und daher den unveränderten Strafausspruch zu rechtfertigen.

2. Es kommt hinzu, dass sich die Strafrahmenbestimmung des Landgerichts teilweise als nicht rechtsfehlerfrei erweist.

Die Strafkammer hat in den Fällen IV. 2, 5 und 6 der Urteilsgründe der Bemessung der Strafe den Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB zugrunde gelegt. Eine Prüfung, ob ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4 Halbsatz 2 vorliegt, hat es jeweils versäumt. Diese Prüfung war angesichts der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten hier nicht entbehrlich. Dies gilt insbesondere im Fall IV. 2 der Urteilsgründe, wo im Hinblick darauf, dass der schwere sexuelle Missbrauch eines Kindes nur versucht worden war, der gesetzlich vertypte Milderungsgrund nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorlag (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 -2 StR 218/11, NStZ 2012, 271, 272; vom 8. Juli 2014 -3 StR 287/14, juris Rn. 13).

3. Darüber hinaus unterliegt die Strafzumessung einer weiteren Beanstandung. Denn die Begründung, mit der das Landgericht der über seinen Verteidiger abgegebenen Erklärung des Angeklagten, dass ihm leid tue, was damals passiert sei, eine strafmildernde Bedeutung abgesprochen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat ausgeführt, dass dem Angeklagten im Hinblick auf diese Erklärung weder ein Geständnis noch Reue zugutegehalten werden könnten. Insbesondere weil der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten zu keinem Zeitpunkt desVerfahrens gestanden habe, könne auch nicht „unterstellt werden“, dass er die Taten mit dieser Erklärung habe einräumen wollen noch dass er diesbezügliche Reue zum Ausdruck gebracht habe. Damit hat die Strafkammer -ungeachtet ihrer Beteuerung, das Nichtvorliegen eines Geständnisses„selbstverständlich“ nicht zu seinen Lasten verwertet zu haben -das Schweigen des Angeklagten zur Sache zu seinem Nachteil verwendet. Denn sie hat wegen des mangelnden Geständnisses des Angeklagten seiner Erklärung des Bedauerns über die Vorfälle keine strafmildernde

Bedeutung zugemessen.

4. Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben; die Strafe ist neu zuzumessen. Für die neue Verhandlung weist der Senat nochmals darauf hin, dass sexuelle Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, den Qualifikationstatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen. Dass der Angeklagte versucht hat, bei dem Tatopfer den Analverkehr auszuüben, darf ihm daher mit Blick auf § 46 Abs. 3 StGB nicht strafschärfend angelastet werden, wenn insoweit keine besonderen Folgen für das Opfer - etwa deutliche Schmerzen - konkret festgestellt sind. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Alternative 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurück.