StGB § 46 Strafmilderung durch Ausbleiben seelischer Schäden beim Opfer

BGH, Beschl. vom 21.03.2006 - 4 StR 21/06 - 

Der Umstand, dass beim Opfer die durch die Tat typischerweise eintretenden seelischen Schäden ausgeblieben sind, kann eine Strafmilderung begründen.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. März 2006 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 22. Juli 2005 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; von weiteren Anklagevorwürfen hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte seine am 19. August 1986 geborene Adoptivtochter von ihrem 14. Geburtstag an bis zum 13. Mai 2003 in elf Fällen sexuell missbraucht, wobei es auch zum Geschlechts- und Oralverkehr kam. Für diese Taten hat das Landgericht Einzelstrafen von zweimal zwei Jahren, zweimal einem Jahr und sechs Monaten, viermal einem Jahr, zweimal neun Monaten sowie von einem Jahr und drei Monaten verhängt und unter Erhöhung der Einsatzstrafe die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren gebildet. Die Bemessung der verhängten Einzelstrafen ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dagegen hat der Ausspruch über die Gesamtstrafe keinen Bestand. Es begegnet bereits Bedenken, dass das Landgericht die Einsatzstrafe mehr als verdreifacht hat, obwohl in den Urteilsgründen fast nur strafmildernde Umstände aufgeführt werden. Vor allem aber hat die Strafkammer bei ihren Erwägungen zur Bemessung der Gesamtstrafe nicht berücksichtigt, dass nach den Urteilsfeststellungen keine konkreten Folgen der Taten bei der Geschädigten eingetreten sind. Der Umstand, dass beim Opfer die durch die Tat typischerweise eintre­tenden seelischen Schäden ausgeblieben sind, kann eine Strafmilderung begründen (vgl. zu § 176 StGB: BGH StV 1986, 149; vgl. auch Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 174 Rdn. 21). Hier hat die zum Zeit­punkt der Hauptverhandlung fast 19jährige Nebenklägerin sowohl gegenüber der Sachverständigen als auch gegen­über der Jugendschutzkammer bekundet, dass sie die Vorfälle als "nicht so schlimm" empfunden habe und dass sie den Angeklagten immer "als Vater" geliebt habe und ihn auch heute noch schätze (UA 24). Sie hat ferner ausgesagt, dass sie den Angeklagten von sich aus nie angezeigt, sondern sich vielmehr bereits mit einer Entschuldigung von ihm zufrieden gegeben hätte (UA 23). Dabei wirkte sie auf das Gericht insgesamt erwachsen und vermittelte natürli­che Gelassenheit (UA 18); eine psychische Schädigung des Opfers durch die Missbrauchstaten ist im Urteil nicht festgestellt worden. Dies hat das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zur Gesamtstrafenbildung nicht er­kennbar bedacht. Angesichts der nach den Umständen sehr hohen Gesamtfreiheitsstrafe ist zu besorgen, dass sich dies auf deren Höhe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
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