StGB § 46a: Täter-Opfer-Ausgleich, wenn Entschädigung beim Verteidiger hängenbleibt?

BGH, Beschl. vom 16.03.2007 – 2 StR 35/07 

Zur Pflicht der Erörterung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB, wenn bis zur Verkündung des tatrichterlichen Urteils die Entschädigungszahlung zwar an den Verteidiger des Angeklagten übergeben worden, aber noch nicht an den Zeugen gelangt war.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. März 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 16. Oktober 2006 im Straf­ausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.  

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.  Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) zu einer Frei­heitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine unbeschränkt eingelegte Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte sich bei dem Tatopfer W. in einem Brief entschul­digt und während der Hauptverhandlung eine Wiedergutmachungsleistung von 2.000 Euro veranlasst. Aus den Fest­stellungen ergibt sich weiterhin, dass der Zeuge W. "Verständnis für die Umstände (zeigte), die den Angeklagten zur Tat vom 22.05.2002 veranlasst haben" (UA S. 13). Unter diesen Voraussetzungen hätte das Landgericht das Vorlie­gen der Voraussetzungen des §46 aNr. 1 StGB prüfen und in den Urteilsgründen erörtern müssen. Hierauf konnte nicht schon deshalb verzichtet werden, weil bis zur Verkündung des tatrichterlichen Urteils die Entschädigungszah­lung zwar an den Verteidiger des Angeklagten übergeben worden, aber noch nicht an den Zeugen W. gelangt war. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich nämlich Umstände, welche es nahe gelegt hätten zu prüfen, ob der Angeklagte eine den Voraussetzungen des §46 aNr. 1 StGB genügende Wiedergutmachung zumin­dest ernsthaft erstrebt hat; auch die Bereitschaft des Geschädigten, diese Bemühungen in einem kommunikativen Prozess (vgl. BGHSt 48, 134 ff.; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. §46 aRdn.10 am.w.N.) als Ausgleich zu akzep­tieren, lag hier nach den Feststellungen nicht fern. Läge der Grund für die Verzögerung der Leistung, wie die Revisi­on mit einer Verfahrensrüge vorgetragen hat, nicht im Verantwortungsbereich des Angeklagten, so stünde sie der Annahme eines ernsthaften Bemühens nicht von vornherein entgegen. Feststellungen hierzu waren hier schon aus sachlich-rechtlichen Gründen geboten, so dass es auf die Zulässigkeit der entsprechenden Verfahrensrüge nicht an­kommt. 

2. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht beim Ausschluss eines minder schweren Falles (§ 250 Abs. 3 StGB) zu Las­ten des Angeklagten gewertet, dass dieser zu der Tat "bewusst die von ihm vorher beschaffte Schreckschusspistole mitgenommen hat" (UA S. 15). Auch bei der Strafzumessung im Einzelnen hat es zu Lasten des Angeklagten gewer­tet, dieser habe "bewusst … die Schreckschusspistole zur Durchführung der Tat mitgenommen" (UA S. 16). Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB, denn der vorsätzliche Einsatz des sonstigen Werkzeugs zur Erzwingung des Raub­erfolgs ist Voraussetzung des Tatbestands der Qualifikation gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB und darf in­nerhalb des dadurch eröffneten Strafrahmens nicht nochmals straferhöhend gewertet werden. 

3. Über die Strafzumessung ist daher neu zu entscheiden. Der neue Tatrichter wird auch den Zeitablauf zwischen Tat und Aburteilung im Zusammenhang mit den Lebensumständen des Angeklagten in die Strafzumessungserwägungen einzubeziehen haben. Auch dies ist im angefochtenen Urteil jedenfalls nicht ausdrücklich geschehen. 

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