StGB § 64 - Mangelnde Therapiemotivation Indiz für geringe Therapieerfolgschancen
StGB § 64 - Mangelnde Therapiemotivation Indiz für geringe Therapieerfolgschancen
BGH, Beschl. v. 22.09.2010 - 2 StR 268/10 - BeckRS 2010, 27616
Mangelnde Therapiemotivation eines Angeklagten kann unter Umständen ein Indiz dafür sein, dass eine Entwöhnungsbehandlung keine Erfolgschancen hat. Dazu bedarf es jedoch einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit, insbesondere einer Darstellung der Gründe und Wurzeln des Motivationsmangels, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob er nicht gerade im Unterbringungsvollzug zu beheben ist.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. September 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 20. Januar 2010, soweit es ihn betrifft, insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, als davon abgesehen worden ist, die Unterbringung des Angeklagten G. in einer Entziehungsanstalt anzuordnen. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich auf die Sachrüge hin zur Aufhebung der Entscheidung, soweit eine Anordnung nach § 64 StGB unterblieben ist; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
Das Landgericht hat bei dem Angeklagten, der seit 1997 heroinabhängig ist, in den letzten Monaten vor seiner Festnahme wöchentlich 10 g Heroin konsumierte, zur Tatzeit unter Heroineinfluss stand und sich mit der vorgeworfenen Tat 1,18 kg Heroin zum Eigenbedarf beschaffen wollte, wegen Fehlens einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht von der Anordnung der Maßnahme nach § 64 StGB abgesehen. Im Einzelnen hat es dies wie folgt begründet: "So hat der Angeklagte G. gegenüber dem Gutachter eine klar ablehnende Haltung gegenüber der Anordnung der Maßregel geäußert. Er wolle nicht, dass an seiner Persönlichkeit gearbeitet werde. In diesem Sinne hat sich der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung vor der Kammer geäußert. Er wolle auf keinen Fall in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige auf Nachfrage der Kammer erläutert, dass derzeit auch keine konkrete Aussicht dahingehend bestünde, dass eine Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden könne. Er sei beim Angeklagten G. diesbezüglich auf eine "große Sperre" gestoßen. Eine entsprechende Therapiewilligkeit könne zwar auch reifen. In naher Zukunft sei damit aber nicht zu rechnen. Diese Einschätzung des Sachverständigen wird auch von der Kammer geteilt, zumal sich der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung gegen eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausgesprochen und sich in diesem Kontext verschlossen und abwehrend gezeigt hat." Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; mit ihr ist nicht im erforderlichen Maße das Fehlen einer hinreichend konkreten Aussicht dargetan, dass der Angeklagte durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt geheilt oder eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den suchtbedingten Rauschmittelkonsum bewahrt werden könnte (§ 64 S. 2 StGB). Mangelnde Therapiemotivation, wie sie in der ablehnenden Haltung des Angeklagten zum Ausdruck kommt, kann allerdings unter Umständen ein Indiz dafür sein, dass eine Entwöhnungsbehandlung keine Erfolgschancen hat. Dazu bedarf es jedoch einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit, insbesondere einer Darstellung der Gründe und Wurzeln des Motivationsmangels, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob er nicht gerade im Unterbringungsvollzug zu beheben ist. Dass eine solche Gesamtwürdigung angestellt worden wäre, ist den Urteilsausführungen nicht zu entnehmen. Die gewählte Begründung des Landgerichts gibt darüber hinaus Anlass zu der Besorgnis, es könne letztlich allein darauf abgestellt worden sein, dass der Angeklagte, der es ablehnt, dass an seiner Persönlichkeit "gearbeitet" werde, die Maßregel ablehnt. Dies aber kann die Ablehnung der Maßregel nicht tragen, woran im Übrigen nichts ändert, dass sich die Kammer bei ihrer Beurteilung sachverständiger Hilfe bedient hat. Von der Aufhebung der Entscheidung, von der Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB abzusehen, wird der Strafausspruch nicht berührt und bleibt daher aufrechterhalten.