StGB § 66b dient nicht der Korrektur von Fehlern bei § 66 StGB

BGH, Beschl. vom 29.08.2006 -1 StR 306/06 ­

Das Verfahren nach § 66b StGB dient nicht der Korrektur früherer Entscheidungen, in denen Tat­sachen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel nach § 66 StGB unberücksichtigt geblieben sind. Dies gilt erst recht, wenn eine Prüfung der Voraussetzungen der Sicherungsverwah­rung im Ausgangsverfahren rechtsfehlerhaft gänzlich unterblieben ist. Selbst wenn ein Verurteilter sich unter solchen Umständen am Ende der Straftat unverändert als hochgefährlich erweist, schei­det eine Abhilfe mit dem Institut der nachträglichen Sicherungsverwahrung aus zwingenden recht­lichen Gründen aus. 

1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 24. März 2006 mit den Feststel­lungen aufgehoben. 

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.  

Gründe:

Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gem. § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Verurteilten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.  

I. Dem Urteil des Landgerichts liegt Folgendes zugrunde:  

1. Der 51-jährige Verurteilte ist durch 14 Strafurteile, davon zwölf ausgesprochen durch Gerichte der ehemaligen DDR, überwiegend wegen Eigentums-, Körperverletzungs- und Sexualdelikten vorgeahndet. Er befindet sich seit dem Jahr 1974 fast durchgehend in Straf- und Untersuchungshaft, unterbrochen durch nur kurze Zeiträume zwischen Haftentlassung und der Inhaftierung wegen erneuter Straftaten. Einer Verurteilung durch das Kreisgericht Glauchau vom 4. April 1978 lag unter anderem zugrunde, dass der zweieinhalb Monate zuvor aus dem Strafvollzug entlassene Verurteilte sich Zugang zur Wohnung einer ihm unbekannten Frau verschaffte und diese bis zur Bewusstlosigkeit würgte. In einem weiteren, durch das Kreisgericht Glauchau am 7. Juni 1985 abgeurteilten Fall bedrohte der Verur­teilte zwei Monate nach seiner letzten Haftentlassung die Angestellte eines Elektrogeschäftes mit einem Messer. Im Januar 1990, fünf Monate nach seiner letzten Entlassung aus Strafhaft, zwang der Verurteilte in seiner Wohnung eine Versicherungsvertreterin mit einem Messer, sich zu entkleiden und sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen. Er wurde wegen dieser Tat am 2. Juli 1990 vom Landgericht Amberg wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.  

2. Der Anlassverurteilung für das Verfahren zur nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung lag folgendes Geschehen zugrunde: Am 7. April 1993 - fünf Monate nach seiner letzten Entlassung aus Strafhaft - begab sich der Verurteilte in das Büro seiner Rechtsanwältin in S. und traf dort allein eine Kanzleiangestellte an. Der Verurteilte bedrohte die Angestellte mit einem mitgeführten Messer, fesselte sie mit Handschellen und führte den ungeschützten Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss mit ihr aus. Hiernach drückte er der am Boden liegenden Frau den Hals zu, bis sie das Bewusstsein verlor. Das Landgericht Amberg verhängte gegen den Verurteilten deshalb am 12. April 1994 wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren (Einzelfreiheitsstrafen: zehn und drei Jahre). In dem Verfahren ließ das Landgericht den Verurteilten zur Frage seiner Schuldfähigkeit durch eine psychiatrische Sachverständige begutachten. Die Sachverständige sah keine Hinweise auf eine Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Verurteilten. Nach den Ausführungen in einem psy­chologischen Zusatzgutachten handelt es sich bei dem Verurteilten allerdings um eine dissoziale, haltschwache Per­sönlichkeit, die keine soziale Bindungsfähigkeit aufweise und Affekte nur mangelhaft steuern könne. Die Sach­verständige kam weiterhin zu dem Ergebnis, "dass die der Straftat zugrunde- liegende Entwicklung (…) und die sich daraus ableitenden Probleme in der Lebensbewältigung auch nach einer Haftstrafe weiter bestehen werden (…). Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit gleichen Straftaten auch nach verbüßter Haftstrafe zu rech­nen, insbesondere auch sexuellen Straftaten, falls keine entsprechenden psychotherapeutischen bzw. soziotherapeuti­schen Maßnahmen erfolgen." Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hatte die Staatsanwaltschaft nicht bean­tragt. Die Urteilsgründe verhalten sich zu dieser Frage nicht. Grund hierfür ist -wie das Landgericht nunmehr fest­stellt -, dass die gegen den Verurteilten in der ehemaligen DDR verhängten Vorstrafen, die bei Anwendung von § 66 Abs. 1 StGB aF heranzuziehen gewesen wären, seitens der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts als ungerechtfer­tigt hoch eingeschätzt wurden. 

3. Der Verurteilte verbüßte die verhängte Freiheitsstrafe vollständig. Er bemühte sich erfolglos um die Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt mit einer sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualtäter, um sich einer entsprechenden Therapie zu unterziehen. Seine Gesuche an verschiedene Justizvollzugsanstalten wurden zunächst mit der Begrün­dung abgelehnt, dass eine Sozialtherapie wegen der langen Strafzeit verfrüht, später damit, dass es für sie wegen des nahen Strafendes zu spät sei. Während des laufenden Strafvollzuges nahm der Verurteilte an Gruppentherapien für Sexualstraftäter teil; zu einer hinreichenden Auseinandersetzung mit seiner Persönlichkeit und seinen Delikten kam es dabei nach Einschätzung der behandelnden Psychologen allerdings nicht. Im Vollzugsalltag ist der Verurteilte wegen Disziplinarverstößen in insgesamt neun Fällen geahndet worden. Wegen aggressiven Verhaltens ist er wäh­rend des gesamten Strafvollzuges nicht aufgefallen. 

4. Das Landgericht geht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB aus. Es hat zwei psychiatrische Gutachten eingeholt, die beide zu dem Ergebnis kommen, dass bei dem Verurteilten eine Minderbegabung in Verbindung mit einer verfestigten dissozialen Persönlichkeitsstörung vorliege und von ihm unverändert weitere Straftaten zu erwarten seien. Umstände seit der Anlassverurteilung, die zu einer weiteren Verschlechterung der Prognose oder dazu geführt hätten, dass die Gefährlichkeit des Verurteilten in einem neuen Licht erschiene, vermochten die Sachverständigen nicht zu erkennen. Als "neue Tatsachen" im Sinne des § 66b StGB hat das Landgericht gewertet, - dass der Verurteilte während des Strafvollzuges1,3 GrammHa­schisch an einen anderen Strafgefangenen übergeben hat; dass er seine Verlobte nur darüber informiert hat, dass er wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, er sie über seine sonstige kriminelle Vergangenheit, insbesondere die gegen Frauen gerichteten früheren Gewalttaten dagegen nicht aufgeklärt hat; dass es während des Strafvollzuges zu einvernehmlichen homo-sexuellen Kontakten zu einem Mithäftling gekom­men ist; das Landgericht schließt hieraus, dass die Beziehungsfähigkeit des Verurteilten zu Frauen über sein bekann­tes Persönlichkeitsbild hinaus gestört sei.  

II. Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die formellen Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB zwar zu Recht bejaht. Die nachträgliche Anordnung der Siche­rungsverwahrung kann jedoch keinen Bestand haben, weil den vom Landgericht herangezogenen Umständen nicht die Qualität "neuer Tatsachen" im Sinne des § 66b StGB zukommt.  

1. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt betont hat, kommt der Vorschrift des § 66b StGB nur ein eng umgrenzter Anwendungsbereich zu (BGHSt 50, 121, 125; BGH NJW 2006, 1442,1443 f. m.w.N.). Nach dem Willen des Ge­setzgebers soll die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung besonderen Ausnahmefällen vorbehalten und auf wenige extrem gefährliche Verurteilte beschränkt bleiben (BTDrucks. 15/2887, S. 10,12 f.). Auch von Verfassungs wegen ist die Verhängung der Maßregel in Anbetracht der Schwere des damit verbundenen Eingriffs äu­ßerst restriktiv zu handhaben (BVerfGE 109, 190, 236, 242; BVerfG, Kammer, Beschluss vom 23. August 2006 -2 BvR 226/06). Hiernach bestimmen sich zugleich die Anforderungen, die an die von § 66b StGB vorausgesetzte Tatsachengrundlage zu stellen sind. 

2. "Neue" Tatsachen der von § 66b Abs. 1 StGB umschriebenen Art sind zunächst nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder er­kennbar geworden sind, und die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Umstände, die dem ersten Tatrichter bekannt waren oder die er hätte erkennen können und erforderlichenfalls aufklä­ren müssen, scheiden als "neue" Tatsachen aus (BGHSt 50, 121,125 f.; 180, 187; 275, 278; BGH NJW 2006, 1442, 1444; zuletzt BGH, Urteil vom 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06). 

a) Danach reicht es nicht aus, wenn bereits im Ausgangsverfahren bekannte oder erkennbare Tatsachen im Verfahren nach § 66b StGB lediglich eine Neu- oder Umbewertung erfahren (BGHSt 50, 275, 279; BGH NStZ 2006, 276, 278; NJW 2006, 1442, 1445; BGH, Beschluss vom 24. März 2006 - 1 StR 27/06). Ebenso wenig können Tatsachen, die zwar nach der Anlassverurteilung auftreten, durch die sich ein im Ausgangsverfahren bekannter Zustand aber ledig­lich bestätigt, als "neu" im Sinne des § 66b StGB gelten (BGHSt 50, 275, 279; BGH, Urteil vom 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06). Dies gilt insbesondere für persönlichkeits- oder krankheitsbedingte Auffälligkeiten bei dem Verurteil­ten, die sich in seinem Verhalten nach der Anlassverurteilung lediglich fortsetzen. "Neu" und damit prognoserelevant im Rahmen von § 66b StGB wären derartige Tatsachen nur dann, wenn sie belegen, dass sich eine bekannte Störung des Verurteilten in nicht vorhersehbarer Weise vertieft oder verändert hat, und sie seine Gefährlichkeit daher in ei­nem grundsätzlich anderen Licht erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Kammer, Beschluss vom 23. August 2006 - 2 BvR 226/06). Um einen solchen Fall nur fortgesetzter Auffälligkeiten auf Grundlage eines bekannten Störungsbildes handelt es sich hier. Dem früheren Tatrichter war bekannt, dass die Persönlichkeit des Verurteilten von ausgeprägten dissozialen Zügen gekennzeichnet war. Nach Einschätzung der im jetzigen Verfahren gehörten Sachverständigen, der sich das Landgericht angeschlossen hat, ist das Verhalten des Verurteilten im Vollzug nur Ausdruck dieser Per­sönlichkeitsdefizite. Danach steht die Beteiligung an einem Rauschgiftgeschäft innerhalb der Justizvollzugsanstalt mit der Dissozialität des Verurteilten im Einklang; auch die fehlende Offenheit gegenüber seiner Verlobten und die homosexuellen Kontakte im Vollzug belegen allenfalls eine mangelnde Beziehungsfähigkeit des Verurteilten als typisches Symptom seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung. Dass der bereits im Ursprungsverfahren bekannte Zustand des Verurteilten und sein darauf beruhendes Gefährlichkeitspotential aufgrund seines Vollzugsverhaltens grundsätzlich neu einzuschätzen ist, hat das Landgericht nicht dargetan. Eine solche Bewertung stünde auch im Wi­derspruch zu der Einschätzung der Sachverständigen, wonach das Verhalten des Verurteilten zu keiner weiteren Verschlechterung der Prognose geführt oder seine Gefährlichkeit auch nur entscheidend neu belegt hätte. 

b) Das Landgericht bewertet unter Berufung auf eine in der Literatur vertretene Auffassung (Veh NStZ 2005, 310) die angeführten Tatsachen auch deshalb als "neu" im Sinne des § 66b StGB, weil sie für den ursprünglichen Tatrich­ter nicht "rechtlich erkennbar" gewesen seien; denn dieser sei in einen die Frage der Sicherungsverwahrung betref­fenden Erkenntnisprozess überhaupt nicht eingetreten und habe für den Verurteilten daher auch keinen schützens­werten Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Senat vermag dem nicht zu folgen. Ob Sicherungsverwahrung bei Ab­urteilung der Anlasstat bereits obligatorisch nach § 66 Abs. 1 StGB aF hätte verhängt werden müssen oder Anhalts­punkte bestanden, dass die Strafverurteilungen aus der ehemaligen DDR als unangemessen hart anzusehen waren und daher nicht hätten berücksichtigt werden können (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 10), kann auf sich beruhen. Jedenfalls lagen - wie auch das Landgericht nicht verkennt - bei der Anlassverurteilung die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gem. § 66 Abs. 2 StGB aF vor. Angesichts der Vorstrafen des Verur­teilten und der Ausführungen der damaligen Sachverständigen hätte die Anordnung der Maßregel auch nahe gelegen. Das Verfahren nach § 66b StGB dient jedoch nicht der Korrektur früherer Entscheidungen, in denen Tatsachen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel nach § 66 StGB unberücksichtigt geblieben sind (BGHSt 50, 121, 126; 180, 188). Dies gilt erst recht, wenn eine Prüfung der Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung im Ausgangsverfahren rechtsfehlerhaft gänzlich unterblieben ist. Selbst wenn ein Verurteilter sich unter solchen Um­ständen am Ende der Strafhaft unverändert als hochgefährlich erweist, scheidet eine Abhilfe mit dem Institut der nachträglichen Sicherungsverwahrung aus zwingenden rechtlichen Gründen aus. 

3. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung setzt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wei­terhin voraus, dass die nachträglich erkennbaren Tatsachen jenseits einer gewissen Erheblichkeitsschwelle liegen (vgl. BTDrucks. 15/2887, S. 10, 12). Ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung müssen sie bereits für sich Gewicht haben und auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten schließen lassen (BGHSt 50, 284,296 f. m.w.N.). Vorfälle im Vollzug können die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung daher nur rechtferti­gen, wenn sie auf eine Bereitschaft des Verurteilten hinweisen, schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer zu begehen. Verhaltensweisen, die sich auf die Vollzugssituation zurückführen lassen und sich für Strafgefangene als typisch oder doch weit verbreitet darstel­len, fallen nicht darunter (BVerfG, Kammer, Beschluss vom 23. August 2006 - 2 BvR 226/06; BGHSt 50, 284, 297; BGH NJW 1446,1447 f.). Auch dieser Anforderung werden die von dem Landgericht herangezogenen Umstände nicht gerecht. Sie sind nicht derart bedeutsam, dass ihnen eine tragfähige Indizwirkung für die Gefährlichkeit des Verurteilten zukommt. Die Weitergabe einer geringen Menge Haschisch stellt eine Straftat im unteren Bereich dar, aus der sich eine Gewaltbereitschaft des Verurteilten ebenso wenig ablesen lässt wie aus der vom Landgericht ver­missten Offenlegung seines gesamten kriminellen Lebenslaufes gegenüber seiner Verlobten, zumal diese Kenntnis von den Anlasstaten hatte. Die einvernehmlichen homosexuellen Handlungen lassen für sich genommen gleichfalls keinen Rückschluss auf aggressive Tendenzen des Verurteilten zu. Auch in ihrer Zusammenschau gewinnen die einzelnen Umstände keine erhebliche Bedeutung. Das Vollzugsverhalten des Verurteilten fällt insgesamt nicht aus dem für Langzeitstrafgefangene typischen Rahmen, wie das Landgericht im Anschluss an die Ausführungen der Sachverständigen selbst feststellt. 

III. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Er vermag nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass sich in einer erneuten Hauptverhandlung Gesichtspunkte ergeben, die die Annahme hinreichender neuer Tatsachen im Sinne des § 66b StGB und eine darauf gestützte Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung rechtfertigen können. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Richter wird alsbald darüber zu befinden haben, ob die Fortdauer der vorläufigen Unterbringung des Verurteilten aus dringenden Gründen weiterhin gerechtfertigt ist (§ 275a Abs. 5, § 126a Abs. 3 StPO). Sollte eine Aufhebung des Unterbringungsbefehles - auch im Falle der Ablehnung des staatsanwaltschaftlichen Antrages auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung - in Betracht kom­men, werden organisatorische Maßnahmen angezeigt sein, die bei Entlassung des Verurteilten greifen und geeignet sind, das Rückfallrisiko zu mindern (vgl. näher BGH NJW 2006, 1442,1445 f.). Im Einzelfall können solche Maß­nahmen nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch als milderes Mittel an die Stelle der nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung treten (BVerfG, Kammer, Beschluss vom 23. August 2006 - 2 BvR 26/06). Neben der Entlassenenhilfe (§§74 f., 126 StVollzG) bietet sich insbesondere eine engmaschige Leitung des Verurteilten durch Ausschöpfung der Möglichkeiten der hier gem. §68fAbs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht an (§§ 68 ff. StGB). Hierdurch wird zu vermeiden sein, dass der noch immer als hochgefährlich eingeschätzte Verurteilte nach langjähriger Haft ohne Unterkunft, soziale Anbindung - das Verlöbnis ist zwischenzeitlich aufgelöst - und weitere therapeutische Unterstützung unvermittelt in Freiheit entlassen wird und sich dort selbst überlassen bleibt. 

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