StGB § 69 - Fahren ohne Fahrerlaubnis

BGH, Urt. vom 05.09.2006 – 1 StR 107/06 ­

1. Eine typische Verkehrsstraftat i.S.d. § 69 Abs. 1 StGB ist auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis. 

2. Fahren ohne Fahrerlaubnis, zumal, wenn es häufig und nach gerichtlicher Entziehung der Fahr­erlaubnis begangen wurde, deutet auf fehlende charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahr­zeugen hin. Die Beurteilung der in Rede stehenden charakterlichen Eignung obliegt dem Tatrichter, der dabei auch die Erkenntnisse zur Persönlichkeit des Täters zu berücksichtigen hat.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. September 2006 für Recht erkannt: 

1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landge­richts Landshut vom 6. Oktober 2005, der Frist zur Stellung des Antrags auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach Verwerfung der Revision durch das Landgericht und der Fristen zur Stellung der Wiedereinsetzungsanträge Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Der Beschluss des Landgerichts Landshut vom 11. Januar 2006 ist damit gegenstandslos.

3. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 6. Oktober 2005 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte,  a) soweit er wegen Computerbetrugs verurteilt ist, des Computerbetrugs in 11 Fällen und b) soweit er wegen versuchten Computerbetrugs verurteilt ist, des versuchten Computerbetrugs in drei Fällen schuldig ist. 

4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und der Wiedereinsetzung. Gründe:

I. Hinsichtlich der Wiedereinsetzungsentscheidung, die zur Gegenstandslosigkeit des Verwerfungsbeschlusses des Landgerichts vom 11. Januar 2006 führt, verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der Generalbundes­anwältin in ihrem Antrag vom 14. Juli 2006. 

II. Nachdem der Angeklagte wegen einer Einbruchsserie in Pkws und weiterer Straftaten (z. B. versuchter schwerer räuberischer Erpressung) verhängte langjährige Freiheitsstrafen verbüßt hatte, lebte er "nach eigenem Eingeständnis von Straftaten". Teils zusammen mit seinem Vater, teils mit anderen Mittätern brach er vor allem Pkws auf, aus denen er insbesondere Mobiltelefone und EC-Karten entwendete; teilweise entwendete er auch Pkws oder versuchte dies. Weitere Straftaten, insbesondere Betrug, Computerbetrug, Urkundenfälschung und Ausweismissbrauch hingen mit der Verwertung der Beute zusammen. Hinzu kam häufiges Fahren ohne Fahrerlaubnis. Dem Angeklagten war bereits vor Jahren die Fahrerlaubnis gerichtlich entzogen worden; eine neue hat er auch nach Ablauf der Sperrfrist nicht erworben. Gleichwohl fuhr er immer wieder auf öffentlichen Straßen mit einem Pkw. Er wurde wegen insge­samt mehr als 100 Straftaten -davon dreizehn Mal Fahren ohne Fahrerlaubnis - zu sieben Jahren Gesamtfreiheits­strafe verurteilt. Zugleich wurde eine (isolierte) Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von vier Jahren (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) festgesetzt. Seine auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision führt zu dem für die Gesamtfreiheitsstrafe im Ergebnis nicht bedeutsamen Wegfall einiger Fälle des Computerbetrugs, bleibt aber im Übrigen auch unter Berücksichtigung der schriftlichen Ausführungen seines früheren Verteidigers (Rechtsanwalt S. ) erfolglos. 

 

1. Zu den Schuldsprüchen wegen (versuchten) Computerbetrugs in Fällen, in denen kurz hintereinander mehrere Abhebungen vom Konto eines Geschädigten erfolgten oder versucht wurden, hat die Generalbundesanwältin in ihrer Antragsschrift zutreffend ausgeführt: "Nach den Urteilsfeststellungen wurden die Geldabhebungen bei Bankautoma­ten in den Fällen unter V. der Urteilsgründe in aller Regel von dem Mitangeklagten G. H. durchgeführt, während der Angeklagte es übernahm, nach der notierten PIN-Nummer zu suchen und Aufpasserdienste zu leisten. Auch in den Fällen unter XI. 3. b. nahm der Mitangeklagte die Abhebungen vor. Zwar muss sich der Angeklagte als Mittäter auch die allein vom Mitangeklagten abgewickelten Abhebungen nach § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen. Diese Zurech­nungsnorm zwingt aber nicht dazu, dem Mittäter die von einem anderen Täter eigenhändig tatmehrheitlich begange­nen Taten zur Last zu legen. Vielmehr ist jeder der Mittäter hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer oder mehre­rer Handlungen i.S.d. §§ 52, 53 StGB nur nach seinem individuellen Tatbeitrag zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 1997, 121; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung dieselbe 29, jew. m.w.N.). Auf die Frage, in welchem Konkurrenzverhält­nis die von dem Mitangeklagten vorgenommenen Einzelabhebungen stehen, kommt es deshalb nicht an. In den Fäl­len V.1. a. - c. (drei Abhebungen), V.7. a. - d. (vier Abhebungen), V.8. a., b. (zwei Abhebungen), V.9. a., b. (zwei Abhebungen), V.11. a. - d. (drei Abhebungen, ein Versuch), XI. 3. b. (vier Abhebungen) liegen somit nicht 18 voll­endete Taten und eine versuchte Tat, sondern lediglich insgesamt sechs Vergehen des Computerbetruges vor. Damit entfallen zwölf Fälle des vollendeten und ein Fall des versuchten Computerbetrugs.“

2. Im Übrigen enthält der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Der Senat verweist auch insoweit auf die Ausführungen der Generalbundesanwältin.

3. Zu den Auswirkungen der Änderungen des Schuldspruchs auf den Strafausspruch hat die Generalbundesanwältin in ihrem Antrag vom 14. Juli 2006 zutreffend ausgeführt: "Der Wegfall von zwölf Einzelstrafen in Höhe von sieben Monaten Freiheitsstrafe wegen Computerbetrugs und einer weiteren Einzelstrafe in Höhe von fünf Monaten Frei­heitsstrafe wegen versuchten Computerbetrugs gefährdet den Gesamtstrafenausspruch nicht. Der Senat wird aus­schließen können, dass die Strafkammer angesichts der Vielzahl und Höhe der verbleibenden Einzelstrafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte, zumal die bloße Kor­rektur des Konkurrenzverhältnisses keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge gehabt hätte (BGH NStZ 1999, 513,514 m.w.N.)." 

4. Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei, wie die Generalbundesanwältin im Einzelnen ausgeführt hat.

5. Schließlich hält auch die Anordnung einer isolierten Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis rechtlicher Überprüfung stand, wie dies der Vertreter der Generalbundesanwältin in der Hauptverhandlung vor dem Senat zu­treffend ausgeführt hat. Auch der Senat hält die Anordnung der isolierten Sperrfrist für rechtsfehlerfrei. 

a) Wer bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges (§ 69 Abs. 1 StGB) ein "typisches Ver­kehrsdelikt" begeht, verstößt regelmäßig dadurch gegen die Pflichten eines Kraftfahrers (vgl. Großer Senat für Straf­sachen BGHSt 50, 93, 97, 103); dabei sind Verkehrsstraftaten nicht allein solche, die im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB aufgeführt sind (aaO 103).

b) Eine in diesem Sinne typische Verkehrsstraftat ist auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis (vgl. Athing in MK-StGB § 69 StGB Rdn. 56; Herzog in NK-StGB 2. Aufl. § 69a Rdn. 10; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 69 Rdn. 38; Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot im Straf-und Ordnungswidrigkeitenrecht 10. Aufl. Rdn.602 m.w.N.). Wem die Erlaubnis fehlt, mit dem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, der ver­letzt, wenn er es trotzdem tut, eine typische Pflicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs - Teil­nahme am öffentlichen Verkehr nur mit Erlaubnis - in besonders augenfälliger Weise. 

c) Fahren ohne Fahrerlaubnis, zumal, wenn es wie hier häufig und nach gerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis begangen wurde, deutet auf fehlende charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hin (vgl. BayObLG bei Bär, DAR 1990, 361, 365; OLG Koblenz VRS 69, 298,300 f.; Athing aaO; Tröndle/Fischer aaO; Hentschel aaO m.w.N.). Freilich kann im Einzelfall auch eine andere Beurteilung in Betracht kommen. Der -im Einzelnen umstrit­tenen -Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen dies der Fall sein kann (vgl. Hentschel aaO Rdn. 602,740 m.w.N.) braucht der Senat aber hier nicht näher nachzugehen. Die Beurteilung der in Rede stehenden charakterlichen Eignung obliegt dem Tatrichter (BGHSt aaO 104), der dabei auch die Erkenntnisse zur Persönlichkeit des Täters zu berücksichtigen hat (aaO 103). Gründe, warum die Strafkammer mit ihrer Annahme, dem Angeklagten fehle diese Eignung, die ihr bei dieser Beurteilung gezogenen Grenzen überschritten haben könnte, sind nicht erkennbar. 

d) Auch die Dauer der Sperrfrist ist ohne den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler bemessen. 

Ihr Anwalt Strafrecht Hamburg - Kanzlei Rechtsanwälte Lauenburg & Kopietz