StGB § 7 Abs . 2 Nr. 1 Zum Merkmal „mit Strafe bedroht“, BGH, Urt. v. 21.04.2021 – 1 StR 447/20
1. Es kann offenbleiben, ob § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine konkrete Betrachtungsweise erfordert, mithin ʺStraffreistellungsgründe ʺ wie etwa Schuldunfähigkeit, die dem internationalen ordre public entsprechen, ein insoweit beachtliches Strafhindernis bewirken oder ob das Merkmal der Tatortstrafbarkeit als abstrakte Strafandrohung
auszulegen ist.
2. Der Umstand, dass das in der Republik T. geführte Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, steht der Durchführung des Sicherungsverfahrens ebenfalls nicht entgegen.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. April 2021 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 4. August 2020 aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts erkrankte der Beschuldigte, ein deutscher Staatsangehöriger, spätestens im Jahre 2009 an einer paranoiden Schizophrenie. Er litt unter akustischen und optischen Halluzinationen. Ende August 2010 begab sich der Beschuldigte mit seiner Ehefrau, dem späteren Opfer, nach G., um dort seine Erkrankung in einem Gebetszentrum ʺbehandeln zu lassenʺ. Auf der Rückreise hielt sich das Ehepaar in L. in T. bei Verwandten auf. In der Nacht zum 10. September 2010 fasste der Beschuldigte ʺvon einem Geist geleitetʺ den Entschluss, seine schlafende Ehefrau zu töten. Infolge seiner Wahnvorstellung war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgehoben; in diesem Zustand stach er seiner Ehefrau mit einem aus Deutschland mitgebrachten Messer aus Edelstahl wuchtig und zielgerichtet in die linke Halsseite. Dadurch durchtrennte er die Halsschlagader; seine Ehefrau verblutete.
Der Beschuldigte wurde am 13. September 2010 in T. vorläufig festgenommen. Nach einer ersten psychiatrischen Exploration wurde er am 30. September 2010 aus der Untersuchungshaft in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt und auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Beschluss des Ermittlungsrichters vom 29. Oktober 2010 dort stationär eingewiesen, da er aufgrund eines Rückfalls in eine chronische Psychose als gefährlich für sich und andere eingestuft worden war. Am 28. Juli 2015 ordnete der Ermittlungsrichter an, den Beschuldigten unter Auflagen vorläufig freizulassen. Am 10. August 2015 verließ der Beschuldigte die stationäre Unterbringung und hielt sich bei seiner Mutter in T. auf. Nach Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens wurde das in T. geführte Verfahren auf Antrag der dortigen Staatsanwaltschaft mit richterlichem Beschluss vom 30. Januar 2019 eingestellt, da der Beschuldigte bei Tatbegehung aufgrund einer chronischen Psychose für seine Tat strafrechtlich nicht verantwortlich zu machen sei (Artikel 26 Abs. 1 des Code pénal der Republik Togo vom 24. November 2015).
Im Juli 2019 beabsichtigte der Beschuldigte, über Portugal nach Deutschland zurückzukehren.
Bei der Einreise am Flughafen in Li. wurde er auf aufgrund eines Europäischen Haftbzw. Unterbringungsbefehls vorläufig festgenommen und anschließend nach Deutschland ausgeliefert. Seitdem befindet er sich in der einstweiligen Unterbringung (§ 126a StPO).
II.
1. Es besteht kein Verfahrenshindernis zur Durchführung des Sicherungsverfahrens (§§ 413 ff. StPO).
a) Deutsches Strafrecht ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 1 StGB anwendbar. Der Beschuldigte war zur Zeit der Tat Deutscher. Die Tat war am Tatort mit Strafe bedroht.
aa) Die Handlung ist ʺmit Strafe bedrohtʺ, wenn die konkrete Tat (§ 264 Abs. 1 StPO) am Tatort einer dort maßgeblichen Norm unterfällt, nach der das Verhalten mit Strafe oder einer gleichwertigen Sanktion zu ahnden ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. Oktober 1996 - 5 StR 183/95, BGHSt 42, 275, 277; vom 12. September 1996 - 4 StR 173/96 Rn. 4, BGHR § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 3 und vom 29. Februar 1952 - 1 StR 767/51 Rn. 4; Beschlüsse vom 4. April 2018 - 1 StR 105/18 Rn. 5; vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10 Rn. 13; vom 31. Juli 2009 – StB 34/09 Rn. 6 und vom 26. November 1996 - 1 StR 626/96 Rn. 1). Maßgeblich ist die Rechtslage zur Tatzeit (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98, BGHSt 45, 64, 72; Beschluss vom 8. März 2000 - 3 StR 437/99, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 4; LK-StGB/Werle/Jeßberger, 13. Aufl., § 7 Rn. 12; S/S-Eser/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 7 Rn. 8; MüKoStGB/Ambos, 4. Aufl., § 7 Rn. 4).
bb) Diese Voraussetzung ist erfüllt.
(1) Bei Tatbegehung war in der Republik T. die vorsätzliche Tötung eines Menschen gemäß Art. 44 f. des zur Tatzeit geltenden Code pénal vom 13. August 1980 (Journal Officiel de la République Togolaise, 25°Année - N°20 Numéro Special 13 Août 1980) in der Fassung von April 2000, gültig bis zum 23. November 2015 (nunmehr Art. 165 ff. des Code pénal), mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder dem Tod zu bestrafen.
(2) Weiterer Aufklärungen zur Rechtslage nach dem Strafgesetzbuch einschließlich der Folgen einer Schuldunfähigkeit und der Strafprozessordnung der Republik T. bedarf es unter den hier gegebenen Umständen nicht; insbesondere ist nicht zu entscheiden, ob die Bestimmungen der Art. 25, 26 des Code pénal, welche die Folgen einer Schuldunfähigkeit des Täters auf Grund einer psychischen oder neuropsychischen Störung regeln, erst mit Wirkung vom 24. November 2015 - und damit nach der Tatzeit - in Kraft traten (vgl. Journal Officiel de la République Togolaise, 60°Année - N°30 Numéro Special 24 Novembre 2015), ob Art. 112 Nr. 4 und Art. 123 des Code pénal daran anknüpfend - vergleichbar § 63 StGB - die Unterbringung eines schuldunfähigen Täters in einer gesundheitlichen Einrichtung (ʺl’internement dans une maison de santéʺ) als Rechtsfolge (auch rückwirkend) bestimmen und ob der Code pénal in Art. 15 bis dahin lediglich die Möglichkeit einer Strafmilderung im Falle des Vorliegens besonderer Umstände in der Persönlichkeit des Beschuldigten vorsah. Denn die togolesischen Strafverfolgungsbehörden, namentlich die Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsrichter, sind tätig geworden; das dortige Strafverfahren ist abgeschlossen. Damit wird durch das hier geführte Sicherungsverfahren die Souveränität der Republik T. nicht verletzt; das Nichteinmischungsgebot und das daraus folgende ʺeingeschränkte aktive Personalitätsprinzipʺ, die der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB zugrunde liegen, sind gewahrt. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist zum einen die einfachgesetzliche Folge aus dem Auslieferungsverbot des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG (BT-Drucks. IV/650 S. 113): Die Ahndung von Straftaten, die ein deutscher Staatsangehöriger im Ausland verübt, soll nicht am Verbot der Auslieferung eigener Landsleute an den ausländischen Tatortstaat scheitern. In diesem Sinne folgt das Strafrecht seines Heimatstaats dem Täter ins Ausland. Auch dann, wenn er etwa nach Begehung der Tat nach Deutschland zurückgekehrt ist, ohne im Ausland bestraft worden zu sein, ist seine Auslandstat nach deutschem Strafrecht zu ahnden. Zum anderen soll dadurch aber nicht die Souveränität, namentlich die Strafgewalt der Drittstaaten verletzt werden. Diesen Ausgleich zwischen der Ahndung durch den deutschen Staat infolge des Auslieferungsverbots und dem Nichteinmischungsgrundsatz schafft das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit: Das deutsche Strafrecht macht - die Territorialgewalt des Tatortstaats insoweit respektierend - dort halt, wo dieser die Tat überhaupt nicht mit Strafe bedroht (vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 9. Aufl., § 5 Rn. 93 und 99; ders., Jura 2010, 108, 109 und 190, 192; Niemöller, NStZ 1993, 171, 172 f.; Scholten, Das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 7 StGB, S. 124; Schmitz, Das aktive Personalitätsprinzip im Internationalen Strafrecht, S. 262 ff.).
(3) Nach alledem kann offenbleiben, ob § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine konkrete Betrachtungsweise erfordert, mithin ʺStraffreistellungsgründeʺ wie etwa Schuldunfähigkeit, die dem internationalen ordre public entsprechen, ein insoweit beachtliches Strafhindernis bewirken (so Scholten, aaO S. 146 ff.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 9. Aufl., § 5 Rn. 95 ff.; Rath, JA 2007, 26, 33 f.; Oehler, Internationales Strafrecht, 2. Aufl., S. 151; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 7 Rn. 7a; MüKoStGB/Ambos, 4. Aufl., § 7 Rn. 10 f., Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 7 Rn. 2; S/S-Eser/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 7 Rn. 5; LKStGB/Werle/Jeßberger, 13. Aufl., § 7 Rn. 37; NK-StGB/Böse, 5. Aufl., § 7 Rn. 7; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 7 Rn. 4; Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StGB, 5. Aufl., § 7 Rn. 20; Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 7 Rn. 4) oder ob das Merkmal der Tatortstrafbarkeit als abstrakte Strafandrohung auszulegen ist (Woesner, ZRP 1976, 248, 250; Liebelt, Zum deutschen internationalen Strafrecht und seiner Bedeutung für den Einfluss außerstrafrechtlicher Rechtssätze des Auslands auf die Anwendung inländischen Strafrechts, S. 244).
b) Der Umstand, dass das in der Republik T. geführte Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, steht der Durchführung des Sicherungsverfahrens ebenfalls nicht entgegen.
aa) Ob diese Einstellung für die togolesischen Strafverfolgungsbehörden zu einem Verfahrenshindernis führt, kann dahinstehen. Denn nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB kommt es für die Anwendung deutschen Strafrechts grundsätzlich nicht auf die verfahrensrechtliche Verfolgbarkeit im Tatortstaat an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2011 - 4 StR 112/11 Rn. 8und vom 8. März 2000 - 3 StR 437/99, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 4; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 31. März 1993 - StB 4/93 Rn. 3, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 2 und vom 24. Juni 1992 - StB 8/92 Rn. 7 ff., BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 1).
bb) Die Einstellung führt nicht zum Strafklageverbrauch. (1) Der grundrechtliche Schutz vor erneuter Verfolgung und Bestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG; ʺne bis in idemʺ) gilt nur bei einer Erstverurteilung durch deutsche Gerichte (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Januar 1961 - 2 BvL 17/60, BVerfGE 12, 62, 66; vom 31. März 1987 - 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1, 15 f. und vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 38/06, BVerfGK 13, 7, 11); in diesem Sinne ʺerledigtʺ auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ebenso wie die Ablehnung einer solchen Maßregel die einer im Sicherungsverfahren gestellten Antragsschrift, die einer Anklage gleichsteht, zugrundeliegende Tat (§ 414 Abs. 2 Satz 1, 4 StPO; BGH, Urteil vom 29. April 1958 - 1 StR 68/58, BGHSt 11, 319, 322).
(2) Im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr außerhalb der Europäischen Union ist der Grundsatz des Strafklageverbrauchs hingegen bislang nicht anerkannt (BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 38/06, BVerfGK 13, 7, 17 ff.). Es existiert auch keine die deutsche Rechtsprechung gemäß Art. 25 Satz 1 GG bindende allgemeine Regel des Völkerrechts, dass niemand wegen desselben Sachverhalts, dessentwegen er bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, von einem anderen Staat, dessen Strafgewalt ebenfalls gegeben ist, erneut verfolgt oder bestraft werden darf (BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 38/06, BVerfGK 13, 7, 13 ff.; BGH, Urteil vom 8. April 1987 - 3 StR 11/87, BGHSt 34, 334, 340; S/S-Eser/Weißer, StGB, 30. Aufl., vor §§ 3-9 Rn. 34).
(3) Ein Verzicht auf eigene Strafgewalt hätte weitreichende die Souveränität des deutschen Staates betreffende Wirkung, wenn ausländische Straferkenntnisse inländischen mehr oder weniger voraussetzungslos gleichgestellt würden. Es ist zu bedenken, dass Staatsschutzbelange in weitestem Sinne betroffen sein können oder generell dem nach nationalem Verständnis erforderlichen Rechtsgüterschutz durch das ausländische Verfahren nicht oder nicht hinreichend Rechnung getragen ist. Es ist möglich, dass die Strafzwecke des bundesdeutschen Strafrechts durch die ausländische Verurteilung nicht oder nicht vollständig abgegolten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 38/06, BVerfGK 13, 7, 22 f.). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verfolgt namentlich zwei Ziele: Zum einen soll der Betroffene erfolgreich behandelt werden; zum anderen soll die Allgemeinheit vor der Begehung weiterer erheblicher Taten geschützt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 708/12 Rn. 41; BGH, Urteile vom 20. September 2011 - 1 StR 71/11 Rn. 23 und vom 19. Februar 2002 - 1 StR 546/01 Rn. 21; Beschlüsse vom 19. August 2014 - 3 StR 243/14 Rn. 9, 12 und vom 14. Mai 2002 - 5 StR 138/02 Rn. 13). An diese Zwecke darf die deutsche Strafgewalt - unabhängig von im Ausland erlittenen Freiheitsentziehungen - anknüpfen. Die Verhältnismäßigkeit wird u.a. dadurch gewahrt, dass bei den nach Maßgabe des § 63e StGB erforderlichen Überprüfungen des Maßregelvollzugs durch die Strafvollstreckungskammern strengere Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose zu stellen sind, je länger der Vollzug dauert (vgl. insbesondere § 67d Abs. 6 Satz 2, 3 StGB; zur Nichteinberechnung von einstweiligen Unterbringungszeiten [§ 126a StPO] in die Dauer des Maßregelvollzugs vgl. OLG Celle, Beschluss vom 26. Juni 2017 - 2 Ws 133/17 Rn. 19; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 13. November 2017 - 2 Ws 332/17 Rn. 6-9 und vom 5. September 2017 - 2 Ws 251/17 Rn. 24).
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 Satz 1 StGB) hält indes sachlich rechtlicher Nachprüfung wegen eines Erörterungsmangels nicht stand. Denn das Landgericht hat in seine Gefährlichkeitsprognose (UA S. 64-69) den mehrjährigen stationären Vollzug der Unterbringungsmaßnahme in der Republik T. nicht eingestellt.
a) Im Einzelnen gilt zur Gefährlichkeitsprognose:
aa) Die unbefristet anzuordnende Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden
Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Es muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 2. März 2021 - 4 StR 543/20 Rn. 16; vom 2. September 2020 - 1 StR 273/20 Rn. 11 und vom 31. Oktober 2018 - 3 StR 432/18 Rn. 5; je mwN).
bb) Zur umfassenden Würdigung gehört hier der bedeutsame Umstand der fast fünfjährigen, nach dortiger Einschätzung erfolgreichen Behandlung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus in der Republik T. . Mit der Berücksichtigung dieser Behandlung wird zugleich etwaigen Bedenken mit Blick auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot Rechnung getragen.
Solche Bedenken ergeben sich aus Folgendem:
Der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber sicherzustellen, dass die einen Täter treffenden Folgen einer strafbaren Handlung
(vgl. § 46 Abs. 2 StGB) - zu denen auch die Wirkung eines ausländischen Strafverfahrens und
eine etwaige Verurteilung im Ausland zählen - zur Schwere der Rechtsgutsverletzung und der individuellen Schuld insgesamt noch in einem gerechten Verhältnis stehen. Dem ist der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 1 StGB nachgekommen, der die Anrechnung vollstreckter Auslandsstrafen auf eine neu im Inland verhängte Strafe zwingend vorschreibt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Mai 1995 - 2 BvL 19/91 u.a., BVerfGE 92, 277, 327 und vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 38/06, BVerfGK 13, 7, 22 f.), wobei das Gericht den Anrechnungsmaßstab nach seinem Ermessen bestimmt (§ 51 Abs. 4Satz 2 StGB). Die mehrjährige Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus in der Republik T. kann indes nicht als ʺandere im Ausland erlittene Freiheitsentziehungʺ (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB) angerechnet werden; solches ist bei der zeitlich unbefristeten Maßregel nicht möglich (vgl. § 67d Abs. 6 Satz 1-3 StGB). Daher verbleibt in den Fällen einer vollzogenen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund eines ausländischen Straferkenntnisses regelmäßig nur die Möglichkeit, die ausländischen Vollzugszeiten in die Gefährlichkeitsprognose einzustellen. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn die Zeiten der Unterbringung die nach § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB maßgebliche 6-Jahresgrenze faktisch - wie hier vor allem auch mit Blick auf den in der Republik T. vollzogenen Zeitraum - insgesamt überschritten haben.
b) Das Landgericht hat bei seiner Prognose die fast fünfjährige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in der Republik T. nicht bedacht; seine Erwägung, der Zeitraum dieser Freiheitsentziehung müsse bei der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung außer Betracht bleiben, da der Beschuldigte in diesem Zeitraum keine Taten hätte begehen können (UA S. 69), greift zu kurz und vermag die fehlende Abwägung mit diesem Umstand gerade nicht zu ersetzen. Dies war hier umso mehr geboten, als der Beschuldigte in der Republik T. aus der Unterbringung entlassen wurde und seiner Gefährlichkeit nach dortiger Einschätzung wirksam durch Auflagen in ambulanter Behandlung begegnet werden konnte. Dieser Erörterungsmangel ist auch nicht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, namentlich mit der Erwähnung der stationären Unterbringung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 62 StGB; UA S. 70) zu schließen. Denn dies besagt nichts über die Einzelheiten der ausländischen stationären Behandlung und deren Auswirkung auf die Gefährlichkeit des Beschuldigten.