StGB § 73c Voraussetzungen der Wertersatzeinziehung - Revisionserstreckung bei Aufhebung der Einziehungsentscheidung
BGH, Urt. v. 04.03.2021 – 5 StR 447/20
1. Die subsidi.re Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB setzt neben einer Anknüpfungstat voraus, dass die gegenständliche Einziehung des Tatertrages nach § 73 Abs. 1 oder § 73a Abs. 1 StGB wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist oder von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes abgesehen wird, scheidet also insoweit aus, als sichergestelltes Bargeld der gegenständlichen Einziehung nach § 73 Abs. 1 oder § 73a Abs. 1 StGB unterliegt.
2. Zudem kommt eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73a Abs. 1, § 73c StGB nur hinsichtlich solcher durch andere rechtswidrige Taten erlangten Gegenstände in Betracht, die zum Zeitpunkt der Begehung der Anknüpfungstat iS des § 73a Abs. 1 StGB gegenständlich bei dem betroffenen Täter oder Teilnehmer vorhanden waren.
3. Die Verwendung von Erlösen aus Betäubungsmittelstraftaten unter Nutzung von Firmen, Geschäfts- und Fremdkonten kann sich als Selbstgeldwäschehandlungen nach § 261 Abs. 9 S. 3 StGB darstellen, die eine Wertersatzeinziehung nach § 261 Abs. 7 S. 1 i.V.m. § 74 Abs. 2, § 74c StGB ermöglichen.
4. Die Aufhebung einer Einziehungsentscheidung ist unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung im Urteil in entsprechender Anwendung des § 357 S. 1 StPO auf einen Einziehungsbeteiligten zu erstrecken, wenn eine gesamtschuldnerische Haftung des Einziehungsbeteiligten mit dem Angeklagten vorliegt. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 4. März 2021 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 und § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Juni 2020 im Einziehungsausspruch aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten und die Einbeziehungsbeteiligte betrifft; die Anordnung der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten entfällt in Höhe von 62.440 Euro, die erweiterte Einziehung gegen die Einziehungsbeteiligte entfällt in vollem Umfang. Die weitergehende Revision des Angeklagten T. wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten H. gegen das vorbenannte Urteil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten H. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen die Angeklagten Einziehungsanordnungen getroffen. Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten T. erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten H. hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Anordnung der (erweiterten) Einziehung des Wertes von Taterträ- gen gegen den Angeklagten T. hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte im Herbst 2013, seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Betäubungsmitteln zu bestreiten. Von März bis Oktober 2018 verkaufte er in fünf Fällen Drogen an einen gesondert verfolgten Erwerber, wodurch er insgesamt einen Erlös von 43.375 Euro erzielte. Das Landgericht hat ihn deshalb – insoweit rechtsfehlerfrei – wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gesprochen und in Höhe der Verkaufserlöse die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB angeordnet. Darüber hinaus hat das Landgericht auf der Grundlage einer detaillierten Auswertung der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten festgestellt, dass er aus weiteren – nicht näher zu konkretisierenden – Betäubungsmittelgeschäften 272.762,64 Euro erlangt hatte. Überwiegend zahlte er die Verkaufserlöse auf seine Privatund Geschäftskonten ein oder verwendete das Geld unmittelbar für seinen Lebensunterhalt. In Höhe von 62.440 Euro zahlte er die Taterträge von September 2013 bis März 2017 auf ein Konto der Einziehungsbeteiligten ein, für das er verfügungsbefugt war. Das Landgericht hat auf dieser Grundlage gegen den Angeklagten die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des gesamten Verkaufserlöses nach § 73a Abs. 1, § 73c StGB angeordnet. Bei der Durchsuchung des Angeklagten im September 2019 wurden 37.650 Euro sichergestellt; das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass der Angeklagte das Geld durch von Herbst 2013 bis Oktober 2018 begangene Betäubungsmittelstraftaten erlangt hatte.
b) Die gegen den Angeklagten getroffenen Einziehungsentscheidungen begegnen unter mehreren Gesichtspunkten durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Das Landgericht hat übersehen, dass eine Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB nur dann zulässig ist, wenn die gegenständliche Einziehung des Tatertrages nach § 73 Abs. 1 oder § 73a Abs. 1 StGB wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist oder von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes abgesehen wird (§ 73c Satz 1 StGB). Da es – insoweit rechtlich tragfähig – davon ausgegangen ist, dass es sich bei den sichergestellten 37.650 Euro um unmittelbare Erlöse aus Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten handelt, unterlag das Bargeld der gegenständlichen Einziehung nach § 73 Abs. 1 oder § 73a Abs. 1 StGB (vgl. zum Vorrang des § 73 StGB BGH, Beschluss vom 16. Juli 2019 – 2 StR 268/19, NStZ 2020, 213). Eine (erweiterte) Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c StGB war insoweit mithin unzulässig.
bb) Das Landgericht hat zudem aus dem Blick verloren, dass eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73a Abs. 1, § 73c StGB nur hinsichtlich solcher durch andere rechtswidrige Taten erlangten Gegenstände in Betracht kommt, die zum Zeitpunkt der Begehung der Anknüpfungstat im Sinne des § 73a Abs. 1 StGB gegenständlich bei dem betroffenen Täter oder Teilnehmer vorhanden waren.
Dieser zeitliche Zusammenhang ergibt sich aus Folgendem:
Für eine Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Einziehung des Taterlangten nach § 73 Abs. 1 oder § 73a Abs. 1 StGB vorliegen. Die hier inmitten stehende erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB setzt zunächst voraus, dass eine konkret feststellbare rechtswidrige Tat begangen worden ist (Anknüpfungstat). Ist dies der Fall, ordnet das Gericht (auch) die gegenständliche Einziehung von „Gegenständen des Täters oder Teilnehmers“ der Anknüpfungstat an, wenn es sich davon überzeugen kann, dass der Tatbeteiligte diese durch andere – indes nicht konkret feststellbare – rechtswidrige Taten erlangt hat. Das Gesetz geht mithin davon aus, dass die Gegenstände aus anderen rechtswidrigen Taten der erweiterten Einziehung nur unterliegen, wenn sie bei der Begehung der Anknüpfungstat gegenständlich bei dem deswegen Angeklagten vorhanden waren; denn andernfalls würde es sich nicht um Gegenstände „des Täters oder des Teilnehmers“ dieser Tat handeln. Nur solche Gegenstände können – falls sie im Anordnungszeitpunkt nicht (mehr) gegenständlich eingezogen werden können – wiederum die Grundlage für die Anordnung der subsidiären (erweiterten) Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c StGB bilden. Der von § 73a Abs. 1 StGB bestimmte Zusammenhang der Anknüpfungstat mit dem eigentlichen Einziehungsgegenstand, also mit dem ursprünglich Taterlangten, wird mithin durch die Unmöglichkeit der gegenständlichen Einziehung der Taterträge nicht aufgelöst. Dieses Verständnis der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen entspricht auch dem Willen des historischen Gesetzgebers bei der Einführung des § 73d StGB aF (vgl. BT-Drucks. 11/6623 S. 6, 8). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese Verknüpfung mit dem Gesetz zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl I 872) auflösen wollte, enthalten die Gesetzesmaterialien nicht. Die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen setzt mithin weiterhin voraus, dass die der Einziehung nach § 73a StGB unterliegenden Gegenstände bei der Begehung der Anknüpfungstat noch beim Tatbeteiligten vorhanden waren (vgl. auch Beschluss vom 3. November 2020 – 6 StR 258/20 mwN). Gemessen daran können die Wertersatzeinziehungsanordnungen gegen den Angeklagten T. keinen Bestand haben. Denn die durch die nicht näher konkretisierten Betäubungsmittelgeschäfte erlangten Bargelder flossen durch Einzahlung auf seine Privat- und Geschäftskonten sowie Verwendung für seinen Lebensunterhalt weitgehend vor den Anknüpfungstaten gegenständlich aus seinem Vermögen ab. Die Einzahlungen von Taterträgen auf das Konto der Einziehungsbeteiligten lagen in allen Fällen vor dem die abgeurteilten Taten betreffenden Zeitraum; insoweit waren die durch Drogengeschäfte erlangten Bargelder, die das Landgericht der erweiterten Wertersatzeinziehung zugrunde gelegt hat, bei der Begehung der Anknüpfungstaten im Jahr 2018 gegenständlich weder im Vermögen des Angeklagten noch in dem der Einziehungsbeteiligten vorhanden.
2. Das Urteil beruht auch auf diesen Rechtsfehlern (§ 337 Abs. 1 StPO). Zwar liegt es nicht fern, dass die Verwendung der Erlöse aus Betäubungsmittelstraftaten unter Nutzung von Firmen, Geschäfts- und Fremdkonten sich jedenfalls zum Teil als Selbstgeldwäschehandlungen nach § 261 Abs. 9 Satz 3 StGB darstellen, die gegebenenfalls eine Wertersatzeinziehung nach § 261 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 74 Abs. 2, § 74c StGB ermöglichen würden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. November 2018 – 5 StR 234/18, NJW 2019, 533, 535 f. [insoweit in BGHSt 63, 268 nicht abgedruckt]). Für eine selbständige Einziehung nach § 76a Abs. 1 StGB fehlt es aber schon an der Verfahrensvoraussetzung eines Antrags der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 StPO (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 407/18, NStZ-RR 2019, 153, 154).
3. Der Senat hebt die Einziehungsanordnungen gegen den Angeklagten T. insgesamt auf. Er schließt aus, dass hinsichtlich der auf das Konto der Einziehungsbeteiligten eingezahlten Taterträge in Höhe von 62.440 Euro noch Feststellungen getroffen werden können, aufgrund derer Anordnungen einer erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen möglich sein könnten; er entscheidet daher insoweit in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst. Hinsichtlich des Angeklagten hebt der Senat die Einziehungsanordnungen im Übrigen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen. Da es sich bei den vorgenannten Rechtsfehlern um bloße Wertungsfehler handelt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können ergänzt werden, soweit die neuen Feststellungen sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.
4. Der Senat erstreckt die Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 357 Satz 1 StPO auf die Einziehungsbeteiligte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2020 – 5 StR 229/19, WM 2021, 67, 68). Zwar hat das Landgericht in der Urteilsformel insoweit keine ausdrückliche Anordnung getroffen, sondern lediglich die gesamtschuldnerische Haftung der Einziehungsbeteiligten mit dem Angeklagten T. ausgesprochen. Ausweislich der Urteilsgründe ist es aber davon ausgegangen, auch gegen diese eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 62.440 Euro angeordnet zu haben