StPO § 100f, § 100a Abs. 2 Nr. 1h, StGB § 211§ 136a MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 - Verwertungsverbot: Lauschangriff Ehegattengespräch im Besucherraum der JVA
StPO § 100f, § 100a II Nr. 1h, StGB § 211§ 136aMRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 - Verwertungsverbot: Lauschangriff Ehegattengespräch im Besucherraum der JVA
BGH, Urt. v. 29.04.2009 – 1 StR 701/08 - BGHSt 53, 294 = NJW 2009, 2463 = NStZ 2009, 519 = BGHR StPO § 100f Untersuchungshaft 1 = BGHR mRK Art. 6 I 1 2 fair-trial 1
LS: Zur Frage der Zulässigkeit einer heimlichen Überwachung von Ehegattengesprächen in einem eigens dafür zugewiesenen separaten Besuchsraum in der Untersuchungshaft ohne die übliche erkennbare Überwachung.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. April 2009 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allg.) vom 1. August 2008 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist und
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes, begangen aus niedrigen Beweggründen, und wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von zwei Schusswaffen und in weiterer Tateinheit mit dem Besitz eines verbotenen Fallmessers zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die sichergestellten Waffen wurden eingezogen. Die Revision des Angeklagten greift mit Verfahrensrügen und der Sachrüge die Verurteilung wegen Mordes an. Sie hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, damit entfällt zugleich die Gesamtstrafe.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der nicht vorbestrafte Angeklagte, ein marokkanischer Staatsangehöriger, nach seiner Hochzeit im Jahr 2006 mit seiner Frau nach Kempten. Dort besuchte er ab Oktober 2006 einen Deutschkurs. Seine Deutschlehrerin war die ebenfalls verheiratete A. G., das spätere Opfer der Tat. Zwischen ihr und dem Angeklagten entwickelte sich ab Februar 2007 eine außereheliche intime Beziehung. Während für A. G. von Anfang an feststand, dass sie für den Angeklagten weder ihren Ehemann noch ihre beiden Kinder verlassen würde, entwickelte der Angeklagte die Vorstellung, gemeinsam mit A. G. Deutschland zu verlassen und ins Ausland zu gehen. Nachdem diese die Sommerferien gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern in Litauen verbracht hatte, kehrte sie mit ihrer Familie am Abend des 8. September 2007 nach Kempten zurück. Am 12. September 2007 traf sie sich mit dem Angeklagten in dessen Wohnung. Bei diesem Treffen, das von dem Angeklagten heimlich gefilmt wurde, kam es zunächst einvernehmlich zum Geschlechtsverkehr, anschließend verlangte der Angeklagte von A. G., dass sie ihre Familie verlassen solle. Als sie dieses Ansinnen zurückwies, kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zu einem heftigen Streit. Der Angeklagte warf ihr vor, auch noch mit anderen Männern außereheliche Beziehungen zu unterhalten. Außerdem drohte er ihr, ihren Mann von ihrer Affäre zu unterrichten und ihr Leben „kaputt“ zu machen. Am nächsten oder übernächsten Tag kam es wegen dieser Streitigkeit auf einem Parkplatz zu einer Aussprache zwischen dem Angeklagten und A. G., in deren Verlauf der Angeklagte vorgab, ihre Entscheidung, sich nicht von ihrem Mann zu trennen, zu akzeptieren. Tatsächlich war er hiermit jedoch nicht einverstanden. Deshalb versuchte der Angeklagte am Morgen des 17. September 2007, dem Tattag, mehrfach A. G. anzurufen, weil er sich noch einmal mit ihr treffen wollte. Als er sie von seinem Mobiltelefon aus erreichte, telefonierte der Angeklagte 20 Minuten mit ihr, bis sein Gesprächsguthaben aufgebraucht war. Dann rief er sie von seinem Festnetzanschluss in der ehelichen Wohnung an und telefonierte nochmals eine halbe Stunde mit ihr. A. G. war schließlich mit einem weiteren Treffen einverstanden. Dieses fand um 10.00 Uhr auf dem Parkplatz eines Supermarktes in Kempten statt. Von dort aus fuhren A. G. und der Angeklagte gemeinsam in dem Pkw der Familie G. zum Oyweiher, einem kleinen Stausee zwischen B. und W.. Dort kam es erneut zu einem Streit, weil sich A. G. weiterhin weigerte, ihre Familie zu verlassen und mit dem Angeklagten ins Ausland zu gehen. Der Angeklagte schlug ihr daraufhin heftig ins Gesicht, so dass es bei ihr zu erheblichem Nasenbluten kam. Mit einem weiteren kräftigen Schlag gegen den Hals brach er ihr das rechte obere Kehlkopfhorn. Dann entschloss er sich, A. G. zu töten, weil sie nicht bereit war, ihre Familie zu verlassen und mit ihm ins Ausland zu gehen. Der Angeklagte wollte damit seinen absoluten Macht- und Besitzanspruch gegenüber A. G. durchsetzen. Er erwürgte sie und legte ihren Leichnam in einer versteckt liegenden Erdmulde ab. Sodann bedeckte er die Leiche mit belaubten Ästen. A. G.s Handtasche versenkte er im Oyweiher. Anschließend fuhr er zurück nach Kempten, wo er das Auto der Familie G. auf dem Parkplatz eines ehemaligen Elektronik-Fachmarktes abstellte. Von dort ging er zu Fuß zu seinem 900 Meter entfernt geparkten Fahrzeug und fuhr nach Hause, wo er noch an seinem Computer arbeitete. Danach holte er seine Ehefrau von der Arbeit ab, fuhr mit ihr zur Bank und hob von ihrem gemeinsamen Konto 10.800,-- Euro ab. Bereits am Nachmittag des 17. September 2007 fiel auf, dass A. G. verschwunden war. Sie hatte ihren Sohn nicht wie üblich von der Schule abgeholt und war auch über ihr Mobiltelefon nicht zu erreichen. Über ihre Telefonverbindungsdaten konnte festgestellt werden, dass sie zuletzt mit dem Angeklagten telefoniert hatte. Nachdem am 21. September 2007 der Pkw der Familie G. verlassen aufgefunden worden war, wurde der Angeklagte festgenommen. Seitdem befindet er sich aufgrund richterlichen Haftbefehls in der Justizvollzugsanstalt Kempten in Untersuchungshaft. Bei der Durchsuchung der Garage des Angeklagten fand die Polizei eine funktionsfähige halbautomatische Kurzwaffe, zwei Gaspistolen und ein Fallmesser, für die der Angeklagte keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Am 9. Dezember 2007 wurde A. G.s stark verwester Leichnam zufällig am Oyweiher entdeckt.
2. Der Angeklagte bestreitet die Tat. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Wesentlichen gestützt auf die Erkenntnisse aus den Telefonverbindungsdaten vom Tattag, auf die vom Opfer stammenden Blutspuren an der vom Angeklagten am Tattag getragenen Kleidung, auf von ihm stammende DNA-Spuren im Fahrzeug der Getöteten und auf die vom Angeklagten am 12. September 2007 heimlich gefertigte Videoaufzeichnung seines Zusammenseins mit A. G. in seiner Wohnung. Außerdem hat es die Strafkammer als ein deutliches Indiz für die Täterschaft des Angeklagten angesehen, dass er in einem heimlich abgehörten Gespräch mit seiner Ehefrau, das am 15. Oktober 2007 in einem separaten Besuchsraum der Haftanstalt stattfand, noch vor dem Auffinden der Leiche geäußert hatte, dass A. G. tot sei. In diesem Gespräch bat der Angeklagte seine Ehefrau zudem, die Schuld für A. G.s Tod auf sich zu nehmen und gegenüber den Ermittlungsbehörden anzugeben, dass sie zwei Russen mit deren Ermordung beauftragt habe, um den Angeklagten dafür zu bestrafen, dass er sie hintergangen habe.
B. Die Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der allein noch angegriffenen Verurteilung wegen Mordes bereits mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Gegenstand der Rüge ist die Beanstandung, die Strafkammer habe zu Unrecht die Erkenntnisse aus dem am 15. Oktober 2007 in einem separaten Besuchsraum während der Untersuchungshaft heimlich abgehörten Gespräch zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau zur Überführung des Angeklagten herangezogen. Auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge kommt es daher nicht mehr an.
I. Der Verfahrensrüge liegt folgender Geschehensablauf zugrunde: Mit Beschluss vom 25. September 2007 ordnete der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Kempten auf Antrag der Staatsanwaltschaft an, dass Besuchskontakte zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau in der Untersuchungshaft in einem separaten Raum durchzuführen und die dabei geführten Gespräche mittels Anbringung von Mikrofonen abzuhören und aufzuzeichnen seien. Die Anordnung wurde darauf gestützt, dass nach den bisherigen Ermittlungen davon ausgegangen werden müsse, dass der Angeklagte A. G. getötet habe. Sie sei seit einem Treffen mit dem Angeklagten am 17. September 2007 spurlos verschwunden. Die Angaben des Angeklagten, A. G. sei während des Treffens auf ihrem Mobiltelefon angerufen worden, habe russisch mit dem Anrufer gesprochen und sei im Anschluss an das Treffen mit dem Angeklagten zu zwei Russen ins Auto gestiegen, seien aufgrund der eingeholten Telefonverbindungsdaten widerlegt. Es sei deshalb zu erwarten, dass der Angeklagte mit seiner Ehefrau Einzelheiten zur Tat besprechen werde. Ohne die Abhörmaßnahme seien die weiteren Ermittlungen aussichtslos oder würden wesentlich erschwert. In Vollziehung der ermittlungsrichterlichen Anordnung wurden die Gespräche des Angeklagten mit seiner Ehefrau bei deren jeweils halbstündigen Besuchen in der Untersuchungshaft von beiden unbemerkt akustisch überwacht. Die Gespräche fanden jeweils in einem separaten Raum der Haftanstalt statt; dabei wurde - entsprechend der richterlichen Anordnung - seitens der Ermittlungsbehörden bewusst auf die sonst übliche Anwesenheit einer Aufsichtsperson verzichtet, so dass dem Angeklagten, der sich mit seiner Ehefrau in seiner Muttersprache unterhalten konnte, der Eindruck einer unüberwachten Gesprächssituation vermittelt wurde. Um gleichwohl eine Verwertung der Äußerungen des Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau zu ermöglichen, wurden die Gespräche mittels einer Abhöreinrichtung elektronisch aufgezeichnet und zudem in einen Nebenraum übertragen, wo sie von einer Dolmetscherin mitgehört wurden. Auf der Grundlage der elektronischen Gesprächsaufzeichnung fertigte die Dolmetscherin anschließend noch eine wörtliche Übersetzung in schriftlicher Form. Hierdurch wurde auch dokumentiert, dass der Angeklagte bei dem am 15. Oktober 2007 aufgezeichneten Gespräch seiner Ehefrau mitgeteilt hatte, dass A. G. tot sei. In dem aufgezeichneten Gespräch forderte der Angeklagte seine Ehefrau mehrfach auf, ihm ein Alibi zu verschaffen. Sie solle eine Videonachricht anfertigen und an die Staatsanwaltschaft und seine Verteidiger schicken. Darin solle sie die Verantwortung für den Tod der A. G. auf sich nehmen und behaupten, sie habe aus Eifersucht zwei russische Auftragsmörder engagiert, die A. G. für 30.000,-- Euro getötet hätten. Anschließend solle seine Ehefrau nach Italien fliehen. Am fünften Hauptverhandlungstag wurde die Niederschrift dieses aus der marokkanischen Sprache übersetzten Gesprächs zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau auf Anordnung des Vorsitzenden verlesen. Den von der Verteidigung gegen die Verwertung des abgehörten Gesprächs erhobenen Widerspruch wies das Landgericht mit der Begründung zurück, dass die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachungsmaßnahme vorgelegen hätten und die dabei gewonnenen Erkenntnisse deshalb verwertbar seien.
II. Die Revision beanstandet, dass die Erkenntnisse aus dem abgehörten Gespräch nicht hätten verwertet werden dürfen. Die gerichtlich angeordnete Abhörmaßnahme sei insbesondere deshalb unstatthaft gewesen, weil Gespräche eines Untersuchungsgefangenen mit Angehörigen im Rahmen eines Besuchs in der Untersuchungshaft nach § 100f StPO nur dann abgehört werden dürften, wenn der Besuch erkennbar von einem Vollzugsbeamten überwacht werde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Vielmehr habe die zur Überwachung geschaffene Besuchssituation einen „unmittelbar täuschenden und irreführenden Charakter“ gehabt, indem dem Angeklagten erlaubt worden sei, seine Ehefrau in einem separaten Raum und ohne die in der Untersuchungshaft übliche (erkennbare) Überwachung durch einen Vollzugsbeamten zu empfangen. Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden sei gezielt darauf ausgerichtet gewesen, den Angeklagten und seine Ehefrau „in Sicherheit zu wiegen“ und bei ihnen den Eindruck zu erwecken, sie könnten unbelauscht über „alles“ sprechen. Dies führe zur Unzulässigkeit der Abhörmaßnahme und zu einem Verbot der Verwertung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse. Auf der unzulässigen Verwertung der Abhörmaßnahme beruhe das Urteil, weil das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auf die Erkenntnisse aus der Abhörmaßnahme gestützt habe.
III. Die zulässige Rüge hat Erfolg. Das am 15. Oktober 2007 heimlich abgehörte Gespräch zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau bei deren Besuch in der Untersuchungshaft durfte nicht zu Beweiszwecken verwertet werden. Die Gesamtschau der Umstände der akustischen Gesprächsüberwachung belegt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Dies ist im vorliegenden Fall durch ein Beweisverwertungsverbot zu kompensieren.
1. Das Beweisverwertungsverbot lässt sich allerdings nicht unmittelbar aus § 100f StPO und auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der Kernbereichsregelungen in § 100c und § 100a StPO herleiten.
a) Die ermittlungsrichterliche Anordnung der Maßnahme erging auf der Grundlage des hierfür einschlägigen § 100f StPO. Allein daran gemessen, wäre das Vorgehen nicht zu beanstanden.
aa) Denn das nichtöffentlich gesprochene Wort wurde mit technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen abgehört und aufgezeichnet. Der Besuchsraum der Haftanstalt ist keine Wohnung im Sinne des Art. 13 GG. Bereits Hafträume einer Justizvollzugsanstalt werden vom Schutzbereich des Art. 13 GG nicht umfasst, da das Hausrecht der Anstalt die Befugnis der Vollzugsbediensteten beinhaltet, die Hafträume jederzeit unabhängig vom Einverständnis der dort untergebrachten Gefangenen zu betreten (BVerfG NStZ 1996, 511). Für Besuchsräume gilt dies wegen der dort bestehenden besonderen Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse des Anstaltspersonals (für die Untersuchungshaft gemäß § 119 Abs. 3 StPO, Nr. 27 Abs. 1 und Abs. 3 UVollzO; für die Strafhaft gemäß § 168 Abs. 3 StVollZG) erst recht (BGHSt 44, 138, 141; vgl. auch Roxin NStZ 1999, 149, 150 f.); sie schaffen keine räumliche Privatsphäre, wie sie bei einer Wohnung besteht.
bb) Der Ermittlungsrichter hat in seinem Anordnungsbeschluss vom 25. September 2007 dargelegt, dass gegen den Angeklagten der Verdacht das Mordes - einer Katalogtat nach § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO aF (jetzt: § 100a Abs. 2 Nr. 1h StPO) - bestand und dass die Erforschung des Sachverhalts ohne die Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder erheblich erschwert gewesen wäre (vgl. § 100f Abs. 1, 2 und 4 i.V.m. § 100d Abs. 2 StPO).
Der Ermittlungsrichter hat den ihm hierbei zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl. BGH NStZ 2003, 215, 216 m.w.N.). Seine Bewertung der Beweislage und des Subsidiaritätsgrundsatzes war mindestens vertretbar. So war namentlich die Leiche des vermissten Tatopfers noch nicht aufgefunden und ausweislich der Telekommunikationsverbindungsdaten hatte der Angeklagte kurz vor dem Verschwinden des Opfers mit diesem telefoniert.
cc) Dass der Anordnungsbeschluss keine ausdrückliche Befristung der Maßnahme auf drei Monate enthielt (vgl. § 100f Abs. 2 i.V.m. § 100b Abs. 2 Satz 4 aF sowie § 100f Abs. 4 i.V.m. § 100b Abs. 1 Satz 4 StPO nF), ist hier unschädlich. Die Überwachung wurde innerhalb von drei Monaten durchgeführt und damit noch vor Überschreiten der vom Gesetzgeber für derartige Maßnahmen normierten zeitlichen Obergrenze.
dd) Die Maßnahme war auch nicht allein schon deshalb unzulässig, weil, wie die Revision meint, jedes Gespräch des Untersuchungsgefangenen mit einem Besucher „erkennbar von einem Beamten überwacht“ werden müsse. Die akustische Gesprächsüberwachung darf nach § 100f Abs. 1 StPO „auch ohne Wissen der Betroffenen“ angeordnet werden. Insofern wäre - gemessen an § 100f StPO - die Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH vom 24. Juli 1998 (BGHSt 44, 138), falls sie so zu verstehen wäre, schon durch die später erfolgte Gesetzgebung überholt. Zudem war das Kriterium „Erkennbarkeit der Besuchsüberwachung“ so nicht zu verstehen; denn für den 3. Strafsenat war es lediglich eines von mehreren Kriterien, das im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall für die Zulässigkeit auch heimlicher Überwachungsmaßnahmen streiten konnte. Eine zusätzliche Eingriffsvoraussetzung für derartige Gesprächsüberwachungen sollte damit nicht statuiert werden (vgl. auch Schneider NStZ 2001, 8, 14).
b) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Kernbereichsregelungen des § 100c oder des § 100a StPO entsprechend anzuwenden sind. Denn selbst nach den diesen Vorschriften zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen läge hier kein Beweiserhebungs- oder -verwertungsverbot vor.
aa) Die in §§ 100c, 100a StPO zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung normierten Beweiserhebungs- und -verwertungsverbote beruhen auf den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 109, 279 zu den sich aus Art. 1 und Art. 13 GG ergebenden Grenzen einer akustischen Wohnraumüberwachung. Die Regelungen entsprechen diesen Vorgaben (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2007, 2753). Der Gesetzgeber hatte bei der Neuregelung der §§ 100a ff. StPO ein in sich geschlossenes Regelungskonzept vor Augen, dem je nach Eingriffsintensität der Maßnahmen abgestufte Verwertungsverbote zugrunde liegen. Ersichtlich deshalb hat er für § 100f StPO - anders als bei §§ 100c und 100a StPO - keinen Kernbereichsschutz vorgesehen. Von daher könnte sich bereits die Frage stellen, ob Gerichte überhaupt noch befugt sind, diese gesetzgeberische Konzeption durch eine Ausweitung der Kernbereichsregelungen der §§ 100a und 100c StPO auf § 100f StPO zu durchbrechen. Für eine entsprechende Anwendung - freilich nur im Einzelfall - könnte aber immerhin sprechen, dass auch bei einer akustischen Gesprächsüberwachung außerhalb von Wohnungen der Kernbereich tangiert sein kann und dass der Gesetzgeber den - eher ungewöhnlichen - Fall der heimlichen Gesprächsüberwachung von Untersuchungsgefangenen mit nahen Angehörigen nicht im Blick hatte.
bb) Eine entsprechende Anwendung des Beweiserhebungsverbots des § 100c Abs. 4 Satz 1 StPO oder des § 100a Abs. 4 Satz 1 StPO kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil die ex ante zu treffende Kernbereichsprognose des Ermittlungsrichters bei der hier gegebenen Fallgestaltung negativ ausgefallen ist und auch so ausfallen musste. Wegen des Gesprächsinhalts käme auch ein Verwertungsverbot aufgrund der Ausnahmeregelung des § 100c Abs. 5 Satz 3 StPO nicht in Betracht.
(1) Schon die „Art der zu überwachenden Räumlichkeiten“ - hier der Besuchsraum der Untersuchungshaftanstalt - drängt zu einer negativen Kernbereichsprognose. Dass sich Untersuchungsgefangene aufgrund gerichtlicher Entscheidungen und damit staatlichen Zwangs in der Untersuchungshaft befinden, führt nicht dazu, dass der Besuchsraum der Haftanstalt als unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung des Untersuchungsgefangenen einzustufen wäre. Ein Einzelbesuchsraum in der Haftanstalt wird auch nicht dadurch zum geschützten Privatraum, dass bei Besuchen von der gemäß § 119 Abs. 3 StPO, Nr. 27 Abs. 1 und Abs. 3 UVollzO gebotenen offenen Besuchsüberwachung durch einen Vollzugsbeamten abgesehen wird. Der Untersuchungsgefangene muss aufgrund der Beschränkungen und des Zwecks der Untersuchungshaft jederzeit damit rechnen, dass Vollzugsbedienstete den Besuchsraum ohne Vorankündigung betreten und von ihren Überwachungs- und Eingriffsbefugnissen Gebrauch machen (vgl. BGHSt 44, 138, 141).
(2) Das gilt auch für Gespräche mit nahen Angehörigen, denn das „Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander“ lässt - jedenfalls bei einer Fallgestaltung wie hier - die Prognose begründet erscheinen, dass solche Gespräche nicht ausschließlich privaten Charakter, sondern auch „Verdunkelungshandlungen“ zum Gegenstand haben. Deshalb wird die Kernbereichsprognose noch eher negativ ausfallen müssen, als bei Gesprächen in Betriebs- oder Geschäftsräumen (§ 100c Abs. 4 Satz 2 StPO).
Der Überwachungsanordnung des Ermittlungsrichters lag die Prognose zugrunde, der Beschuldigte werde mit seiner Ehefrau über die Tat sprechen. Diese Prognose ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden; denn sie stützte sich auf eine ausreichende Tatsachengrundlage. Es bestanden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte mit A. G. seit längerer Zeit ein intimes Verhältnis gehabt hatte. Er hatte selbst eingeräumt, sich mit ihr noch am Tag ihres Verschwindens getroffen zu haben. Außerdem hatte er in Bezug auf einen angeblichen Telefonanruf, den A. G. während des Treffens von einem russisch sprechenden Anrufer erhalten habe, nachweislich die Unwahrheit gesagt, was letztlich auch zu seiner Verhaftung geführt hatte. Angesichts dieser Umstände war zu erwarten, dass die Ereignisse im Zusammenhang mit diesem Treffen und der Verhaftung des Angeklagten Gegenstand des Gesprächs mit der Ehefrau sein würden.
cc) Tatsächlich hat sich die Prognose des Ermittlungsrichters auch bestätigt, weil der Angeklagte mit seiner Ehefrau „Gespräche über begangene Straftaten“ führte; solche Gespräche sind nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen (§ 100c Abs. 4 Satz 3 StPO). Der Angeklagte gab im Verlauf des überwachten Gesprächs nicht nur an, dass die zu diesem Zeitpunkt lediglich vermisste A. G. tot sei. Er forderte seine Ehefrau zudem mehrfach auf, eine Videoaufzeichnung anzufertigen und diese an die Staatsanwaltschaft und seine Verteidiger zu schicken. In diesem Video sollte sie gestehen, aus Eifersucht zwei russische Auftragsmörder mit der Tötung A. G.s beauftragt zu haben, die von diesen dann gefesselt und verletzt worden sei. Weiterhin sollte sie angeben, Blut und Sperma des Angeklagten am Mund bzw. an der Scheide des Opfers hinterlassen zu haben. Die Äußerungen des Angeklagten im abgehörten Gespräch mit seiner Ehefrau enthielten somit Angaben, die sich auf die ihm vorgeworfene Straftat - nämlich die Ermordung A. G.s - bezogen. Der Senat braucht deshalb auch nicht zu entscheiden, ob die Erhebungs- und Verwertungsverbote des § 100c Abs. 4 und Abs. 5 StPO für den Fall der Wohnraumüberwachung, die in § 100f StPO keine Entsprechung haben, aufgrund eines Erstrecht-Schlusses für den Bereich der akustischen Überwachung außerhalb von Wohnungen überhaupt zur Anwendung kommen können.
2. Auch wenn danach ein Erhebungs- und Verwertungsverbot aus § 100f StPO - selbst bei unterstellter entsprechender Anwendung der Kernbereichsregelungen der §§ 100c, 100a StPO - nicht hergeleitet werden kann, liegt bei der hier gegebenen Fallgestaltung ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots vor. Ein solcher Verstoß folgt aus einer Gesamtschau der Umstände bei der Durchführung der akustischen Gesprächsüberwachung und des Vorgehens der Ermittlungsbehörden vor dem Hintergrund der besonderen Situation des Angeklagten in der Untersuchungshaft. Der Verstoß führt zu einem Beweisverwertungsverbot, weil das Beweismittel auf eine unzulässige, gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßende Weise erlangt wurde.
a) Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren wurzelt im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt eines staatlichen Verfahrens herabzuwürdigen, und es verpflichtet den Staat zu korrektem und fairem Verfahren (BVerfG, Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 2025/07 - m.w.N.).
aa) Die Ausgestaltung des Strafverfahrensrechts in einer Weise, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens gewahrt wird, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsanwendung und -auslegung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Forderungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (BVerfG aaO; vgl. auch BVerfGE 57, 250, 276; 64, 135, 145). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239, 250; 80, 367, 375). Das Rechtsstaatsprinzip, das die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil enthält, fordert nicht nur eine faire Ausgestaltung und Anwendung des Strafverfahrensrechts. Es gestattet und verlangt auch die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367, 383; 46, 214, 222). Der Rechtsstaat kann sich aber nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 33, 367, 383; 46, 214, 222; BVerfG, Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 2025/07).
bb) Das Recht auf ein faires Verfahren umfasst dabei das Recht jedes Angeklagten auf Wahrung seiner Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Es hat in dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Selbstbelastungsfreiheit („nemo tenetur se ipsum accusare“) und in den Vorschriften der § 136a, § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO seinen Niederschlag gefunden. Das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung bedeutet, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 109, 279, 324; 56, 37, 49). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist das Schweigerecht eines Beschuldigten und seine Entscheidungsfreiheit, in einem Strafverfahren auszusagen oder zu schweigen, etwa dann verletzt, wenn die Strafverfolgungsbehörden in einem Fall, in dem sich der Beschuldigte für das Schweigen entschieden hat, eine Täuschung anwenden, um ihm Geständnisse oder andere belastende Angaben zu entlocken, die sie in einer Vernehmung nicht erlangen konnten, und die so erlangten Geständnisse oder selbst belastenden Aussagen in den Prozess als Beweise einführen (EGMR StV 2003, 257, 259). Ob das Schweigerecht in einem solchen Maß missachtet wurde, dass eine Verletzung von Art. 6 MRK gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (EGMR aaO).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt sich im vorliegenden Fall die heimliche akustische Überwachung des Ehegattengesprächs im Besucherraum bei einer Gesamtschau aller hierfür bedeutsamen Umstände als eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar.
aa) Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die gesetzlichen Regelungen der StPO sich als Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung darstellen. Das gilt auch und besonders für die heimliche Gesprächsüberwachung nach den §§ 100a ff. StPO. Hier liegt aber eine besondere Fallgestaltung vor, die dadurch gekennzeichnet ist, dass gleich mehrere unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze tangiert wurden, und das nicht nur am Rande. Zwar sind die einzelnen Grundsätze - jeweils für sich isoliert betrachtet - noch nicht in einem Ausmaß verletzt, dass allein schon aus dem jeweils einzelnen Grundsatz ein Verwertungsverbot abzuleiten wäre. Eine derart isolierte Betrachtung würde indessen der hier von den Ermittlungsbehörden praktizierten Vorgehensweise nicht gerecht. Daraus folgt, dass eine der Gesamtsituation angemessene Bewertung nur durch eine Betrachtung des Verfahrens als Ganzes - also bei Berücksichtigung aller Umstände der Gesprächsüberwachung - erfolgen kann.
bb) Der Senat verkennt nicht, dass die Strafverfolgungsbehörden den Angeklagten nicht durch gezieltes und beharrliches Einwirken seitens eines nur zu diesem Zweck auf ihn angesetzten Gesprächspartners zu einer selbstbelastenden Aussage veranlasst haben, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Verdeckten Ermittlers oder bei dem Tätigwerden eines als Vertrauensperson eingesetzten Mitgefangenen der Fall sein könnte (vgl. dazu BGHSt 34, 362, 363; 44, 129, 136; BGH NJW 2007, 3138, 3141). Vielmehr wurde durch die eigentliche Überwachungsmaßnahme lediglich „abgeschöpft“, was der Angeklagte aus freien Stücken gegenüber seiner Ehefrau äußerte, weil er sich unbeobachtet fühlte. Für sich genommen begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken, zumal die Ermittlungsbehörden auf den Gesprächsinhalt der Eheleute keinerlei Einfluss genommen haben.
cc) In die für die Frage, ob dem Angeklagten ein faires Verfahren zuteil wurde, vorzunehmende Gesamtschau sind aber auch die besonderen Verhältnisse des Untersuchungshaftvollzuges und die Ausgestaltung der Ehegatten-Besuchskontakte durch die Ermittlungsbehörden im konkreten Fall einzubeziehen.
(1) Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Zweck, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen. Die Untersuchungshaft darf aber weder dazu missbraucht werden, das Aussageverhalten des Beschuldigten zu beeinflussen (BGHSt 34, 362, 363), noch darf sie auf eine Totalausforschung des Untersuchungsgefangenen hinauslaufen. Deshalb wäre es unzulässig, wenn etwa sämtliche Gespräche eines Untersuchungsgefangenen ohne konkreten Anlass abgehört würden, um überhaupt erst feststellen zu können, ob die Informationserhebung für das Strafverfahren relevante Inhalte betrifft (vgl. BVerfGE 109, 279, 323; BGHSt 44, 138, 143; Schneider aaO S. 14). Andererseits müssen Besuche in der Untersuchungshaft oft bereits deshalb - offen oder verdeckt - überwacht werden, damit Verdunkelungshandlungen verhindert werden können.
(2) Deswegen war es im vorliegenden Fall, in dem angesichts der Beweissituation Verdunkelungshandlungen nicht fern lagen, für sich allein auch nicht bedenklich, dass die Kontaktmöglichkeiten des Angeklagten zu seiner Ehefrau während der Untersuchungshaft zeitlich und örtlich erheblich eingeschränkt wurden. Vor dem Hintergrund des Zwecks der Untersuchungshaft hatte der Angeklagte auch keinen Anspruch darauf, mit seiner Ehefrau ungestört und unüberwacht sprechen zu können.
(3) Allerdings ist in die Gesamtbetrachtung auch die durch die Haft bedingte Beschränkung des Angeklagten einzubeziehen, die ihm ein Ausweichen auf einen anderen Gesprächsort - etwa eine Wohnung - unmöglich machte. Er war daher darauf angewiesen, auch Persönliches, das keinen Bezug zu der ihm vorgeworfenen Tat hatte, im Rahmen dieser Besuche mit seiner Ehefrau zu besprechen. Auch dieser Umstand macht die Überwachungsmaßnahme für sich allein nicht zu einer unfairen Verfahrensgestaltung; denn die Überwachung wurde angeordnet, weil aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen war, dass gerade der Tatvorwurf und nicht nur persönliche Dinge der Ehegatten zur Sprache kommen würden. Es lag auf der Hand, dass der gegen den Angeklagten erhobene gravierende Tatvorwurf und die Umstände, die zu seiner Verhaftung geführt haben, zwischen den Eheleuten zur Sprache kommen würden, zumal es lebensfremd gewesen wäre, anzunehmen, die Ehefrau würde die außereheliche Beziehung des Angeklagten zu der Person, deren Tötung dem Angeklagten zur Last lag, unerörtert lassen. Auch wenn es in einer solchen Situation einem Beschuldigten regelmäßig schwer fallen dürfte, nicht über den Tat-vorwurf zu sprechen - insbesondere, um nicht eventuelles Täterwissen zu offenbaren - stellt die akustische Überwachung der Besuchskontakte zum Ehegatten noch keinen Zwang zur Selbstbelastung dar. Der Beschuldigte kann letztlich selbst entscheiden, was er seinem Ehegatten offenbart und was nicht, auch wenn der in Betracht kommende Gesprächsstoff angesichts der Überwachungssituation erheblich eingeschränkt ist.
dd) In der von den Beschränkungen des Untersuchungshaftvollzuges geprägten Gesprächssituation erlangt hier aber das Vorgehen der Ermittlungsbehörden besonderes Gewicht, das die Fehlvorstellung beim Angeklagten nicht nur hervorrufen musste, sondern auch sollte, er könne mit seiner Ehefrau unüberwacht sprechen. Zwar ist die Anwendung einer kriminalistischen List auch bei Ermittlungsmaßnahmen in der Haftanstalt nicht unzulässig; auch ist es gerade das Charakteristikum von heimlichen Überwachungsmaßnahmen, dass der Überwachte sich unbeobachtet fühlt. Die Ermittlungsbehörden haben sich aber in einer Situation, in der dem Angeklagten ein Ausweichen auf ein von ihm selbst gewählten Gesprächsort nicht möglich war, nicht darauf beschränkt, die Gespräche des Angeklagten zu seiner Ehefrau akustisch zu überwachen. Sie haben vielmehr bewusst eine von den üblichen Abläufen in der Untersuchungshaft derart abweichende Besuchssituation geschaffen, dass nicht lediglich ein Irrtum des Angeklagten ausgenutzt wurde. Vielmehr wurde, anders kann man das Vorgehen nicht verstehen, die Situation - gezielt - zur Erlangung einer gerichtsverwertbaren Selbstbelastung des Angeklagten herbeigeführt. Im Rahmen ihres Vorgehens haben die Ermittlungsbehörden mit mehreren aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem Angeklagten den Eindruck vermittelt, er erhalte nun eine Sonderbehandlung und dürfe sich völlig ungestört und ohne jegliche Überwachung mit seiner Ehefrau - noch dazu in marokkanischer Sprache - unterhalten. Zum einen wurde für die Besuche der Ehefrau des Angeklagten nicht der gewöhnlich verwendete Besuchsraum genutzt; vielmehr wurde dem Angeklagten für den Besuchskontakt mit seiner Ehefrau ein „separater Raum“ zugewiesen. Zum anderen fanden diese Besuche - abweichend von den üblichen Abläufen in der Haftanstalt - stets ohne offene Überwachung durch einen Vollzugsbeamten statt. Besuche in der Untersuchungshaft werden aber nach § 119 Abs. 3 StPO entsprechend Nr. 27 UVollzO in der Regel erkennbar überwacht, gerade weil bei diesen auch die Gefahr von Verdunkelungshandlungen besteht und deshalb ein unmittelbares Eingreifen durch den überwachenden Beamten erforderlich werden kann (vgl. Nr. 27 Abs. 3 UVollzO). Angesichts dieser Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Angeklagten, die ihn zu der Fehlvorstellung gelangen ließ, die Besuche würden nicht überwacht, ist das Vorgehen der Ermittlungsbehörden unter gezielter Ausnutzung der besonderen Situation des Untersuchungshaftvollzuges zur Erlangung einer prozessverwertbaren Selbstbelastung des Angeklagten schon vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verankerten Verbots eines Zwangs zur Selbstbelastung („nemo tenetur se ipsum accusare“) bedenklich. Dieser Bewertung steht hier nicht entgegen, dass - isoliert betrachtet - der Abwesenheit eines Vollzugsbediensteten zur Besuchsüberwachung nach außen regelmäßig allenfalls der Erklärungsinhalt zukommt, dass Beeinträchtigungen der Haftzwecke während des Besuchs von Seiten der Strafverfolgungsbehörden nicht besorgt werden (vgl. Schneider aaO S. 14). Jedenfalls dann, wenn einem Untersuchungsgefangenen für die Kontakte mit der Ehefrau abweichend von der allgemeinen Praxis stets ein gesonderter Raum zur Verfügung gestellt wird, in dem zu keinem Zeitpunkt ein Vollzugsbediensteter zur Gesprächsüberwachung anwesend ist, verliert die Überwachungsmaßnahme den Charakter einer bloßen „Abschöpfung“ freiwilliger Äußerungen und wird zur bewussten Irreführung (zum Ausnutzen eines bestehenden Irrtums durch die Strafverfolgungsbehörden vgl. BGHSt 39, 335, 348). Zwar hat diese - wie auch die Verteidigung zu Recht in der Hauptverhandlung hervorgehoben hat - noch nicht die Qualität einer Täuschung oder eines unzulässigen Zwangs im Sinne von § 136a StPO. Jedenfalls in der Gesamtschau stellt sich hier aber das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden mit Blick auf die besondere Situation des Untersuchungshaftvollzuges als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar. Die Beweisgewinnung greift danach in erheblicher Weise in die Verfahrensrechte des Angeklagten ein und war somit unzulässig. Sie hat ein Beweisverwertungsverbot zur Folge.
c) Eine andere Wertung ergibt sich hier auch nicht mit Blick auf die bei der Gesamtschau der maßgeblichen Umstände zu beachtenden Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege. Dieser kommt freilich bei schwer wiegenden Delikten - wie hier beim Tat-vorwurf des Mordes - erhebliche Bedeutung zu. Der Grundsatz des fairen Verfahrens verlangt nicht, allein im Hinblick auf die besonderen Umstände des Untersuchungshaftvollzuges von heimlichen Ermittlungsmaßnahmen in der Haftanstalt - generell - Abstand zu nehmen. Im Gegenteil gebietet es gerade der Rechtsstaat, dass auch in Justizvollzugsanstalten effektive Ermittlungen durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden können. Dies bedeutet, dass auch in der Untersuchungshaft akustische Überwachungsmaßnahmen gemäß § 100f StPO grundsätzlich zulässig und - wenn andere erfolgversprechende Maßnahmen nicht in Betracht kommen - sogar geboten sein können. Allerdings ist bei der Anordnung und Durchführung von Maßnahmen, die letztlich darauf gerichtet sind, den Beschuldigten „als Beweismittel gegen sich selbst“ zu verwenden, auf die besonderen Umstände der Haft Bedacht zu nehmen. Daran fehlte es hier. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme bestehen dagegen keine Bedenken, wenn der Untersuchungsgefangene weiß oder jedenfalls - etwa durch entsprechende Hinweise - wissen kann, dass Besuchskontakte generell oder im konkreten Fall - auch akustisch - überwacht und aufgezeichnet werden. So gewonnene Erkenntnisse wären nach den dargelegten Maßstäben verwertbar.
3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes beruht auf dem Verfahrensfehler. Zwar liegt es angesichts der Fülle und des Gewichts der übrigen Beweisanzeichen nicht fern, dass das Landgericht auch dann zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gelangt wäre, wenn es die Erkenntnisse aus der akustischen Gesprächsüberwachung in der Untersuchungshaft nicht verwertet hätte. Da die Strafkammer aber die heimlich aufgezeichneten Äußerungen des Angeklagten während des Besuchskontaktes mit seiner Ehefrau ausdrücklich zu seiner Überführung herangezogen und als „deutliches Indiz“ für seine Täterschaft gewertet hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass sie diesen Erkenntnissen letztlich ausschlaggebende und damit fallentscheidende Bedeutung beigemessen hat.
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