StPO § 111 i StGB § 73, § 263a - Anspruch Verletzter im Urteilstenor, dagegen Revision
StPO § 111 i StGB § 73, § 263a - Anspruch Verletzter im Urteilstenor, dagegen Revision
BGH, Beschl. v. 17.02.2010 - 2 StR 524/09 = NJW 2010, 1685= NStZ 2010, 344
LS: 1. Die nach § 111 i Abs. 2 StPO notwendige Feststellung ist in die Urteilsformel aufzunehmen.
2. Die Revision ist das statthafte Rechtsmittel, wenn das Landgericht die Entscheidung gemäß § 111 i Abs. 2 StPO nicht in der Urteilsformel, sondern im Anschluss an die Urteilsverkündung durch Beschluss getroffen hat.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Februar 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der Verfahrensrüge aus dem Schriftsatz seines Verteidigers vom 7. Dezember 2009 (unter Ziffer II.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 2009 wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Computerbetruges in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts, auf die verwiesen wird, ohne Erfolg. Näherer Erörterung bedarf allein die mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2009 unter II. nachgereichte Verfahrensrüge, welche die Entscheidungen des Landgerichts zum Verfall und der Verlängerung des Arrestes betrifft.
1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Das Landgericht hat unmittelbar nach Verkündung des Urteils durch gesonderten und zu Protokoll genommenen Beschluss gemäß § 111 i Abs. 2 StPO festgestellt, dass in dem vorliegenden Verfahren nur deshalb nicht auf Verfall erkannt werden konnte, weil Ansprüche der verletzten "c. AG" in Höhe von 533.500 Euro seiner Anordnung entgegenstehen. Es hat weiter festgestellt, dass gemäß § 73 a StGB die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 533.500 Euro vorliegen, da das eigentlich Erlangte im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist und dass die Ansprüche der Verletzten bislang nicht befriedigt wurden. Im Übrigen hat das Landgericht gemäß § 111 i Abs. 3 StPO angeordnet, dass der dingliche Arrest aus dem Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Oktober 2008 (Az.: 3520 Js 243922/08 - 931 Gs) sowie die aufgrund dessen getroffenen Sicherungsmaßnahmen für drei weitere Jahre aufrechterhalten bleiben. Der Angeklagte hat gegen diesen Beschluss zugleich mit der Revision gegen das Urteil des Landgerichts vom 25. Juni 2009 Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Sache mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 an den Bundesgerichtshof abgegeben, weil die Feststellungen gemäß § 111 i Abs. 2 StPO ins Urteil gehörten, das auf die Sachrüge hin der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliege. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer die Entscheidung der Strafkammer gemäß § 111 i Abs. 2 und 3 StPO betreffenden Verfahrensrüge beantragt.
2. Dem Angeklagten war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er insoweit ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung seiner Revision einzuhalten. Denn er konnte erst aus Inhalt und Begründung des Abgabebeschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main erkennen, dass der "Beschluss" des Landgerichts - möglicherweise - nicht mit der Beschwerde zum Oberlandesgericht, sondern im Rahmen der von ihm rechtswirksam eingelegten Revision zum Bundesgerichtshof anzugreifen war. Insofern liegt eine besondere Verfahrenslage vor, in der es zur Wahrung des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint, ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung zur Anbringung einer Verfahrensrüge zu gewähren.
a) Gegen die Entscheidung des Landgerichts zum Verfall und den Ansprüchen der Verletzten gemäß § 111 i Abs. 2 StPO ist das Rechtsmittel der Revision statthaft. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht sie als "Beschluss" im Anschluss an die Urteilsverkündung getroffen hat. Dies war allerdings rechtsfehlerhaft. Die nach § 111 i Abs. 2 StPO notwendigen Feststellungen gehören in die Urteilsformel (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 3 StR 402/08; Nack in KK 6. Aufl. § 111 i Rdn. 14; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 111 i Rdn. 9). Dies ergibt sich bereits aus dem Wort-laut der Vorschrift, wonach auf der Grundlage der Hauptverhandlung "im Urteil" festzustellen ist, wenn das Gericht wegen entgegenstehender Ansprüche eines Verletzten nicht auf Verfall erkennt. Im Gegensatz dazu erfolgt die weitere Aufrechterhaltung der Beschlagnahme einzelner Gegenstände bzw. des dinglichen Arrestes gemäß § 111 i Abs. 3 StPO ausdrücklich im Beschlusswege. Diese Differenzierung bei den Entscheidungsformen entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Begr. des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten, BT-Drucks. 16/700, S. 9). Sie rechtfertigt sich daraus, dass die Entscheidung gemäß § 111 i Abs. 2 StPO die materiell-rechtliche Grundlage für einen eventuellen späteren Auffangrechtserwerb des Staates schafft (vgl. BT-Drucks. aaO und BGHR StPO § 111 i Anwendungsbereich 1). Diese soll aus dem Urteilstenor erkennbar sein, während es bei der Entscheidung nach § 111 i Abs. 3 StPO um die rein zeitliche Fortdauer vorläufig angeordneter Zwangsmaßnahmen geht, die in der Strafprozessordnung auch an anderer Stelle - so etwa bei der Haftprüfung im Falle der Verurteilung (§ 268 b StPO) - durch mit dem Urteil zu verkündenden Beschluss erfolgt. Die Revision - und nicht etwa die Beschwerde nach §§ 304 ff. StPO - ist jedoch auch dann das statthafte Rechtsmittel, wenn das Landgericht die Entscheidung gemäß § 111 i Abs. 2 StPO nicht in der Urteilsformel, sondern im Anschluss an die Urteilsverkündung durch Beschluss getroffen hat. Für die Anfechtbarkeit einer Entscheidung kommt es nicht auf ihre Bezeichnung, sondern auf ihren sachlichen Inhalt und das Verfahrensrecht an (vgl. BGHSt 25, 242, 243 m.w.N.). Eine fälschlich als Beschluss bezeichnete Entscheidung, die ihrem Wesen nach ein Urteil darstellt, ist wie ein Urteil anzufechten (vgl. BGHSt 50, 180, 185 f.; 18, 381, 385). Dies gilt erst recht, wenn - wie im vorliegenden Fall - nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht und lediglich über eine Nebenentscheidung rechtsfehlerhaft im Wege des Beschlusses entschieden wird. Dann ist auch diese vom Gesetz als Teil des Urteils angesehene Entscheidung mit dem dafür vorgesehenen Rechtsmittel anzufechten. Für die im Urteil zu treffende Entscheidung nach § 111 i Abs. 2 StPO ist dies die Revision.
b) Die somit zulässige Verfahrensrüge ist jedoch unbegründet. Allein die falsche Bezeichnung der - wie gesetzlich vorgesehen aufgrund mündlicher Hauptverhandlung ergangenen - Entscheidung gemäß § 111 i Abs. 2 StPO als "Beschluss" führt nicht zu ihrer Aufhebung. Insoweit kommt es wie bei der Wahl des Rechtsmittels nicht auf die äußere Form, sondern auf den sachlichen Gehalt der Entscheidung an. Darüber hinausgehende Verfahrensfehler trägt die Revision nicht vor. Im Übrigen hat insoweit auch die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler ergeben.
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