StPO § 112 : EncroChat, Verwertung der Erkenntnisse, Beweisverwertungsverbote
Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamburg, Beschl. v. 29.01.2021 – 1 Ws 2/21
Leitsatz: Die durch eine Überwachung von EncroChat durch französische Behörden gewonnenen Erkenntnisse sind in deutschen Strafverfahren verwertbar.
Die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 6, vom 8. Januar 2021 – betreffend den Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 22. Oktober 2020 (Az.: 162 Gs 867/20) – wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt gegen den Beschuldigten und 15 weitere Beschuldigte, unter denen sich auch der Bruder des Beschwerdeführers N. D. befindet, das verfahrensgegenständliche Ermittlungsverfahren wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen.
1. Am 22. Oktober 2020 erließ das Amtsgericht Hamburg einen auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl gegen den Beschuldigten wegen des dringenden Tatverdachts des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen. Der Tatverdacht ergibt sich hiernach vor allem aus der Kommunikation, die der Nutzer des Namens „showking“, der dem Beschwerdeführer zugeordnet wird, über das verschlüsselte Nachrichtensystem EncroChat geführt hat.
2. Der Inhalt der betreffenden Kommunikation ergibt sich aus Daten, die von den französischen Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt worden sind. Den in Frankreich durchgeführten und aufeinander aufbauenden Ermittlungsmaßnahmen lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Rahmen von sieben offensichtlich nicht im Zusammenhang stehenden Ermittlungsverfahren – in fünf Fällen handelte es sich ausschließlich um Betäubungsmitteldelikte (436 kg Cannabisharz / 100 kg Cannabisharz / 30 kg Cannabisharz / 30 kg Cannabisharz / 12 kg Cannabiskraut, 6 kg Heroin, 1 kg Crack), in einem Fall um ein Betäubungsmitteldelikt (6 kg Cannabisharz) sowie um eine Diebstahlsserie von Luxuskraftfahrzeugen und in einem weiteren Fall um bandenmäßig organisierten Kraftfahrzeugdiebstahl – der französischen Behörden in den Jahren 2017 und 2018 wurden verschlüsselte Telefone unter „EncroChat-Lizenz“ sichergestellt. Weitere Recherchen ergaben, dass diese Telefone auf einer frei zugänglichen Internetseite mit folgenden Produktmerkmalen beworben wurden: „Garantie der Anonymität, personalisierte Android Plattform, doppeltes Betriebssystem, allerneueste Technik, automatische Löschung von Nachrichten, schnelles Löschen, Unantastbarkeit, Kryptografie-Hardwaremodul“. Folgende Anwendungen waren auf dieser Art von Telefonen verfügbar: „EncroChat (lnstant-Secure Messaging Kunde), EncroTalk (Chiffrierung der Sprachkonversationen auf IP), EncroNotes (Chiffrierung der lokal auf dem Gerät gespeicherten Notizen)“. Ein Erwerb solcher Endgeräte war über die offizielle Webseite dieser Gesellschaft nicht möglich. Auf der Verkaufsplattform eBay wurden derartige Geräte für 1.610 EUR angeboten, wobei dieser Preis eine Nutzerlizenz für die Dauer von sechs Monaten beinhaltete. Personen, die sich nach außen als Verantwortliche der Firma EncroChat präsentierten, existierten nicht. Einen offiziellen Sitz eines Unternehmens EncroChat gab es ebenfalls nicht.
Anhand der Auswertung eines der beschlagnahmten Mobiltelefone konnten die Ermittlungsbehörden aufgrund der aus- und eingehenden Datenströme feststellen, dass eine Datenverbindung zu einem in Rubaix/Frankreich betriebenen Server bestand. Dieser Server war von der Gesellschaft „Virtue Imports“ mit Sitz in Vancouver/Kanada angemietet.
Nach Einholung eines richterlichen Beschlusses wurden am 21. Dezember 2018 die Daten des vorgenannten Servers kopiert und in der Folgezeit ausgewertet. Die Ermittlungen wurden zu diesem Zeitpunkt wegen des Verdachts der Bildung einer „kriminellen Vereinigung zur Begehung von Straftaten oder Verbrechen, die mit zehn Jahren Haft bestraft werden (und insbesondere Verbrechen des Betäubungsmittel-/Drogenhandels laut Artikel 222-37 des Code pénal [französisches Strafgesetzbuch] - Natinf [Code zur Verbrechensklassifizierung] 7168 und 12214“ sowie weiteren Tatbeständen im Zusammenhang mit der Lieferung, dem Transfer und dem Import eines Verschlüsselungsmittels (Natinf 32537, 32538, 32539) geführt.
Die kopierten Serverdaten förderten unter anderem zutage, dass die verwendeten SIM-Karten von einem niederländischen Betreiber stammten und im System insgesamt 66.134 SIM-Karten eingetragen waren. Es konnten knapp 3.500 Dateien mit Notizen entschlüsselt werden, die zweifelsfrei in Verbindung mit illegalen Aktivitäten, insbesondere dem Drogenhandel, standen. So zeigten beispielsweise die Notizen eines Nutzers hochwahrscheinlich dessen Einbindung in Drogenhandel über Häfen und dessen Möglichkeiten zur Geldwäsche in Paris durch Zahlungsströme in Richtung Marokko.
Aufgrund richterlicher Genehmigungen des Gerichts in Lille vom 30. Januar 2020 für den Einsatz einer Computerdaten-Abfangeinrichtung sowohl auf dem Server als auch auf den mit diesem Server verbundenen Endgeräten und schließlich mangels anderweitiger Ermittlungsmöglichkeiten – ebenfalls mit richterlicher Genehmigung desselben Gerichts vom 20. März 2020 – einer Umleitung aller Datenströme (DNS-Umleitung) des vorgenannten Servers in Roubaix ab dem 1. April 2020 wurde bekannt, dass von der Datenabfangmaßnahme 32.477 Nutzer in 121 Ländern betroffen waren. Hiervon befanden sich 380 Nutzer ganz oder teilweise im französischen Hoheitsgebiet, von denen nach Einschätzung der französischen Behörden mindestens 242 Personen – mithin über 60 % – das verschlüsselte Kommunikationssystem zu kriminellen Zwecken nutzten. Das Nutzungsverhalten der übrigen Personen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgewertet oder diese waren inaktiv.
Am 7. April 2020 wurden die Ermittlungen auf Transport, Besitz, Erwerb, Anbieten oder Abgabe von Drogen/Betäubungsmitteln (Natinf 7990, 7991, 7992, 7993) und den Besitz und Erwerb von Waffen der Kategorie A oder B ohne Genehmigung (Natinf 29841, 29843) ausgedehnt, nachdem nähere Informationen zum Netzwerk der Händler der EncroChat-Telefone bekannt geworden waren. In einem an einen australischen Händler versandten „Leitfaden“ zur Vermarktung der chiffrierten Telefone, der den Ablauf der unterschiedlichen Kaufphasen bis hin zum endgültigen Verkauf an die Nutzer schilderte, wurde unter anderem auch erklärt, dass die Zahlung vorzugsweise in Kryptowährung (Bitcoin) erfolgen solle, dass man sich gegenüber der Polizei verdeckt halten müsse und insbesondere vermeiden müsse, durch mengenmäßig zu große Lieferungen aufzufallen. Dem Händler, dessen Hauptaktivität der Kokainhandel gewesen sein soll, wurde auch versichert, dass die Geräte weder „abgehört“ noch unrechtmäßig genutzt werden könnten, wenn sie „in schlechte Hände“ fielen. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass der Polizei eine Lokalisierung nicht möglich sei, wenn diese an die IMEI und die SIM des Telefons gelange.
Aufgrund dieser Erkenntnisse wurden die aufgrund der richterlichen Anordnung zeitlich begrenzten technischen Maßnahmen zunächst für einen Monat ab 1. Mai 2020 und darauffolgend für weitere vier Monate ab 1. Juni 2020 – jeweils mit richterlichem Beschluss – verlängert und die Deliktstatbestände, derentwegen ermittelt wurde, erweitert.
Die Maßnahmen endeten mit der Einstellung des Geschäftsbetriebs nach Bekanntwerden der Maßnahmen am 28. Juni 2020.
Der Beschuldigte wurde am 11. November 2020 festgenommen und befindet sich seither durchgehend in Polizei- und Untersuchungshaft.
3. Mit Beschluss vom 8. Januar 2021 hat das Landgericht Hamburg die gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 22. Oktober 2020 (Az.: 162 Gs 867/20) gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers vom 23. Dezember 2020 verworfen.
Gegen diesen Beschluss des Landgerichts wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner weiteren Beschwerde vom 11. Januar 2021. Zur Begründung führt er im Wesentlichen an, die Kommunikationsdaten seien nicht verwertbar, weil diese auf einer rechtswidrigen Europäischen Ermittlungsanordnung beruhen würden. Die Grundlage für eine Europäische Ermittlungsanordnung sei aufgrund der unspezifischen Ermittlungen gegen nicht konkretisierte Verdächtige nicht gegeben. Die Maßnahme habe sich am Maßstab inländischen Rechts zu messen, sodass es bereits an einem richterlichen Beschluss für die mit der Europäischen Ermittlungsanordnung begehrten Maßnahmen fehle. Zudem ermangele es an dem erforderlichen Anfangsverdacht einer Katalogtat.
Das Landgericht hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Verwerfung der weiteren Beschwerde angetragen. Der Beschwerdeführer hat hierzu Stellung genommen.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde (§§ 304 Abs. 1, 310 Abs. 1 Nr. 2 StPO) ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass und den Fortbestand des Haftbefehls liegen vor (§ 112 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO).
1. Die nach § 112 Abs. 1 S. 1 StPO erforderlichen dringenden Verdachtsgründe hinsichtlich des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (§ 30a Abs. 1 BtMG, § 53 StGB) sind gegeben.
Dringender Tatverdacht besteht, wenn aufgrund bestimmter, im Zeitpunkt der Entscheidung aktenkundiger Tatsachen, eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung des Beschuldigten im Erkenntnisverfahren besteht (vgl. nur Graf in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 112 Rn. 6 ff.). In diese prognostische Prüfung sind auch Beweisverwertungsverbote einzubeziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 1990 – StB 5/90 –, BGHSt 36, 396, 398).
a) In diesem Sinne ist nach derzeitigem Erkenntnisstand im Wesentlichen von folgendem Geschehen auszugehen:
Der beschuldigte Beschwerdeführer S. D. sowie die Beschuldigten Nas. D., Nai. D., B. D., Z. K., D. C., K. B., Me. D., l. N., Mi. D., R. D., H. A., A. H., U. K., M. M. und H. K. schlossen sich zu einem unbekannten Zeitpunkt – spätestens Anfang des Jahres 2020 – zusammen, um im bewussten und gewollten arbeitsteiligen Zusammenwirken aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes dauerhaft Kokain im drei- bis vierstelligen Kilogrammbereich mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % Kokainhydrochlorid in Containern unter legaler Tarnladung auf dem Seeweg aus Südamerika nach Deutschland zu verbringen, um es hier gewinnbringend an verschiedene Abnehmer zu verkaufen.
Innerhalb des Bandengefüges übernahmen die Beschuldigten unterschiedliche Aufgaben. Die Beschuldigten Nai. D., Z. K., D. C., K. B. und Na. D. investierten in die jeweiligen Kokainlieferungen und sicherten sich Teilmengen zum Abverkauf. Nai. D., Z. K. und D. C. erhielten zudem Teilmengen für die Organisation der Bergung des Kokains. D. C. traf bei Reisen nach Südamerika Absprachen mit den unbekannten Kokainlieferanten. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Bergung des Kokains griffen Nai. D. auf seine Vertrauten B. D. und A. H. sowie Z. K. auf seinen Bruder U. K. zurück. Die Gruppierung nutzte zudem die beruflichen Möglichkeiten der Beschuldigten D. und D. als Mitarbeiter des Terminalbetreibers Eurogate und M. als Mitarbeiterin der HHLA Hamburger Hafen und Logistik AG, die der Gruppierung Informationen über Transportverläufe und Ankunftszeiten sowie den notwendigen Zugriff auf die ankommenden Kokaincontainer verschaffen oder vor anstehenden Zollkontrollen warnen konnten. Die Beschuldigten D. und N. übernahmen die erforderlichen Transporte der Container; sie waren als regelmäßig im Hamburger Hafen tätige Fuhrunternehmer jederzeit in der Lage, die tatgegenständlichen Container unauffällig vom Hafengelände zu bewegen und nach Bergung des Kokains an die vorgesehene Stelle zurückzubringen. In den Transport und Verkauf der jeweiligen Anteile des entnommenen Kokains, das im Übrigen an noch unbekannte Abnehmer der südamerikanischen Lieferanten in die Niederlande ging, waren insbesondere H. A. für den Beschwerdeführer S. D. und dessen Bruder Nas. D., A. H. für Nai. D. sowie H. K. für Z. K. eingebunden. K. B. verkaufte Anteile des Kokains über noch nicht bekannte Abnehmer.
Im Einzelnen kam es zu folgenden konkreten Tathandlungen (Tat 1 und Tat 2):
aa) Der Beschuldigte N. D. vereinbarte Anfang April 2020 nach entsprechender Verständigung mit den Beschuldigten Z. K., D. C., K. B. und Na. D. mit den noch unbekannten Lieferanten in Südamerika die Lieferung einer Menge von 1.000 kg Kokain nach Hamburg. Naim D. beteiligte sich – unabhängig von seinem Anteil, den er für die Bergung erhalten würde – mit 20 kg an der Lieferung, K. B. mit 20 kg und Nas. D. mit 20 kg. Z. K. bestellte zusammen für D. C. und sich über ihren Anteil für die Bergung hinaus 15 kg.
Die noch unbekannten Lieferanten verschafften sich sodann Anfang April 2020 durch unbekannte Mittäter Zugriff auf den Seefrachtcontainer Nummer MRKU ..., mit dem pulverförmiges Siliziumkarbid in sogenannten Bigbags an den Glas- und Keramiksteller Saint-Gobain Industriekeramik nach Deutschland geliefert werden sollte. Die 1.000 kg Kokain wurden dabei in mehreren Paketen in den Bigbags vergraben und der Container sodann wieder verschlossen, woraufhin der Container am 8. April 2020 vom brasilianischen Hafen ltaguai aus nach Hamburg verschifft wurde.
N. D. und Z. K. stellten ab Anfang April 2020 durch Absprachen und persönliche Treffen mit R. D. und Mi. D. sicher, dass die Gruppierung Zugriff auf den Container erhalten würde, sobald dieser in Hamburg vom Containerschiff „E. M.“ entladen war. An der Organisation und Vorbereitung der Bergung der Kokainlieferung waren neben Nai. D. und Z. K. auch U. K. beteiligt. Dieser beschaffte mehrere Mobiltelefone mit Internet-Guthaben, die für die Abwicklung der Tat benötigt wurden, sowie Stretchfolie, damit die Bigbags nach der Entnahme des Kokains wieder wie ursprünglich verpackt werden konnten.
Nach Ankunft des Containers in Hamburg am 6. Mai 2020 verschaffte Mi. D. dem Beschuldigten Me. D. im Wege einer sogenannten Umfuhr Zugriff auf den Container Nummer MRKU ..., nachdem ihm Nai. D. von dem eigens eingerichteten E-Mail-Account „(Orig.: Mailadresse)“ einen fingierten Auftrag für eine Kontrolle des Containers in der Containerprüfanlage für den 7. Mai 2020 zugespielt hatte. Me. D. holte den Container am Morgen des 7. Mai 2020 gegen 8:13 Uhr beim Eurogate-Containerterminal ab und brachte ihn in eine noch unbekannte Halle nach Seevetal. Dorthin hatte der Beschuldigte A. H., nachdem er die Bergung des Kokains gemeinsam mit Nai. D. und einem noch nicht identifizierten „Olz“ geplant hatte, gegen 7:00 Uhr eine Gruppe noch nicht identifizierter Mittäter, die das Kokain unter der Leitung des „Olz“ bergen sollten, gebracht, welche H. anschließend auch wieder abholte. Sie öffneten den Container und gruben die Kokainpakete aus den Bigbags aus, wobei die Bergung mehrere Stunden in Anspruch nahm. Anschließend wurde der Container unter Anbringung vorbereiteter Siegeldoubletten wieder verschlossen. Me. D. brachte den Container nach etwa sieben Stunden gegen 15:22 Uhr zurück zum Eurogate-Containerterminal und legte eine gefälschte Quittung in Kopie für die Kontrolle an der Containerprüfanlage vor.
Das entnommene Kokain wurde zu noch nicht konkret bekannten Anteilen aufgeteilt, wobei ein unbekannter Teil in die Niederlande geliefert wurde. Der für K. B. bestimmte Anteil des Kokains wurde an einen von diesem geschickten Abholer übergeben. Einen weiteren Teil des Kokains nahm „Olz“ mit und lagerte diesen für Nai. D. und Z. K. ein, welcher in der Folge nach und nach abverkauft wurde. Zumindest der Anteil von 20 kg Kokain für Nas. D. wurde von H. A. für den späteren Abverkauf durch den Beschwerdeführer S. D. und dessen Bruder Nas. D. in Seevetal oder Hamburg abgeholt, nach Bremen gebracht und von A. als Depothalter der D.-Brüder aufbewahrt. A. H. verkaufte seinen Anteil des Kokains aus der Bergung und weiteres Kokain aus der Lieferung in der Menge von insgesamt mindestens 7 kg an seine Abnehmer. Der Beschuldigte H. K. übergab im Auftrag des Z. K. am 12. Mai 2020 an der Adresse (Orig.: Adresse) in Hamburg 18 kg Kokain an einen unbekannten Kurier des noch nicht identifizierten „Frank“ aus Bremen und erhielt im Gegenzug 300.000,- Euro für Z. K., wobei er als Entlohnung für die Übergabe einen Anteil von 2 kg Kokain zum eigenen Verkauf von Z. K. erhielt und für diesen später weiteres Kokain in noch nicht bekannter Menge veräußerte.
bb) Der Beschuldigte Nai. D. vereinbarte zu einem noch unbekannten Zeitpunkt im April 2020 nach entsprechender Verständigung mit den Beschuldigten K. B. und Nas. D. mit den noch unbekannten Lieferanten in Südamerika die Lieferung einer Menge von 1.185 kg Kokain nach Hamburg. In die Lieferung investierten Nai. D., K. B. und Nas. D. mit noch nicht konkret bekannten Anteilen. Nai. D. sprach sich im Hinblick auf den benötigten Zugriff auf das in einer legalen Ladung von Bananen zu versteckende Kokain ab Anfang April 2020 mit dem Beschuldigten l. N. ab.
Die noch unbekannten Lieferanten verschafften sich hochwahrscheinlich Ende April 2020 durch unbekannte Mittäter Zugriff auf den Seefracht-Kühlcontainer Nummer CGMU 932...., mit dem Bananen an die Firma L. O. GmbH nach Deutschland geliefert werden sollten. Dabei wurden von ihnen 1.184 kg Kokain in drei Paletten einer Bananenlieferung versteckt und der Container sodann wieder verschlossen, woraufhin der Container am 2. Mai 2020 vom kolumbianischen Hafen Turbo aus nach Hamburg verschifft wurde.
Die Beschuldigten Nas. D. und Nai. D. kümmerten sich spätestens ab dem 19. Mai 2020 um die Beschaffung von Bananen als Ersatz für den Austausch der drei Paletten, wobei die Ersatzbananen von einem unbekannten Mittäter organisiert wurden und der Beschuldigte Me. D. von Nai. D. mit der Abholung der Ersatzbananen am 25. Mai 2020 und der gekühlten Lagerung bis zum 27. Mai 2020 auf seinem Firmengelände beauftragt wurde.
Nachdem der Container Nummer CGMU 932.... am Abend des 23. Mai 2020 mit dem Containerschiff „Guayaquil Express“ in Hamburg eingetroffen war, wurde dieser am 27. Mai 2020 gegen 14:00 Uhr von dem Beschuldigten l. N. als Transportunternehmer im Containerterminal Altenwerder im Hamburger Hafen abgeholt. Der Auftrag an N. für die Auslieferung an die Empfängerfirma L. war durch den Beschuldigten Nai. D. – wahrscheinlich mit Hilfe eines noch unbekannten Mittäters bei der U. S. Spedition GmbH – veranlasst worden. N. brachte den Container sodann tatplangemäß nicht direkt zur Firma L., sondern fuhr diesen in eine Lagerhalle an der Anschrift (Orig.: Adresse), wo noch unbekannte Mittäter wieder unter Führung des „Olz“ das Kokain entnahmen. Da die durch D. sodann angelieferten Ersatzbananen zu sehr nachgereift waren, mussten über Nas. D. kurzfristig neue Ersatzbananen beschafft werden, die schließlich in der Nacht des 27. Mai 2020 auf den 28. Mai 2020 in die Lieferung eingebracht wurden. Anschließend wurde der Container unter Anbringung vorbereiteter Siegeldoubletten wieder verschlossen und dieser von N. am 28. Mai 2020 an die Empfängerfirma L. in N. W. ausgeliefert.
Das entnommene Kokain wurde zu noch nicht konkret bekannten Anteilen aufgeteilt, wobei ein Großteil an unbekannte Abnehmer der Lieferanten in die Niederlande geliefert wurde. 184 kg Kokain wurden am 27. Mai 2020 von dem Beschuldigten H. A. im Auftrag des Beschwerdeführers S. und dessen Bruder Nas. D. in Hamburg oder Seevetal abgeholt, welche das von A. sodann als Depothalter aufbewahrte Kokain in der Folge in Deutschland absetzten. Einen weiteren Teil ließ der Beschuldigte K. B. verkaufen. Elf Kokainblöcke mit einer Menge von ca. 11 kg Kokain und einer Gesamtmenge von 9.818 g Kokainhydrochlorid (Wirkstoffgehalte: 84,2 bis 88,5 %) aus dem Anteil von Nai. D. konnten am 8. Juli 2020 nach der Übergabe durch den gesondert Verfolgten A. S., Schwager des Nai. D., an den gesondert Verfolgten R. V. in Kaltenkirchen sichergestellt werden.
b) Dieser Sachverhalt wird sich in einer Hauptverhandlung hochwahrscheinlich insbesondere durch Auswertung der über das verschlüsselte Kommunikationssystem EncroChat geführten Kommunikation, aus der sich auch die Identität der Beschuldigten und insbesondere des Beschwerdeführers ergibt, sowie durch die weiteren Ermittlungen des Bundeskriminalamts und des Zollfahndungsamts Hamburg erweisen lassen.
aa) Der Beschwerdeführer wird hochwahrscheinlich insbesondere durch die über die Kennung „showking“ im EncroChat-System geführte Kommunikation der Taten überführt werden.
(1) Hinsichtlich der Tat 1 (1.000 kg Kokain aus dem Container MRKU ..., versteckt in Bigbags mit Siliziumkarbid) stellt sich die Beweislage wie folgt dar:
(a) Am 7. Mai führte der Nutzer „showking“ mit dem Nutzer „midlandmist“ über EncroChat folgende Kommunikation (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 13, Unterfach b):
Uhrzeit von „showking“ ausgehend bei „showking“ eingehend
12:51:51 Alles gut bei dir
...
12:52:27 Ja
12:52:35 Ok
12:52:36 Warten noch da
12:52:46 Noch nicht gekommen
12:53:07 Nein
12:53:12 Ok
...
14:14:48 Und gekommen oder immer
noch nicht
14:21:34 Ja
14:21:45 Ichbin heir
14:21:49 Okay
14:21:58 Pass auf dich auf wexxer
15:18:30 Wenn du Probe bringst lass mal
dann laden bitte ich will auch sehen
15:25:48 Alles gut wexxer
15:26:46 Ja
...
20:45:54 [Foto, das offensichtlich einen
angebrochenen Kokainblock zeigt]
20:46:29 Gute
20:46:39 Ja
20:46:42 Gut
20:49:23 [Foto, das offensichtlich einen
ganzen Kokainblock zeigt]
20:49:53 Richt gut
...
20:50:03 Jaaaaaaaa
Der Inhalt dieser Nachrichten offenbart, dass der Nutzer „midlandmist“ am 7. Mai 2020 jedenfalls ab 12:52:36 Uhr auf Kokain wartet. Der Nutzer „showking“ erkundigt sich mehrfach nach der Ankunft des Kokains, wirkt nervös, was sich aus mehrfachen Nachfragen („alles gut?“) ergibt, und zeigt großes Interesse an der Qualität des Kokains.
Die insgesamt gelieferte Menge und die genaueren Umstände der „Bergung“ folgen aus einem Dialog zwischen den Nutzern „northstreet“ und „xaloxal“ vom 7. Mai 2020, die ab 20:38:27 Uhr beginnt und damit in engem zeitlichen Zusammenhang zum Fotoversand von „midlandmist“ an „showking“ um 20:45:54 und 20:49:23 Uhr steht. Mit Nachrichten ab 20:40:24 Uhr teilt „xaloxal“ dem Nutzer „northstreet“ mit: „Hab eine Tonne raus geholt“ ... „Heute morgen“ ... „Das aus packen hat 6std gedauert“ ... „Bruder die hatten das in grosse Sacke gepackt“ ... „Schwarzer Pulver war da drein“ „Drien“. Auf Nachfrage „War das genau 1 Tonne?“ antwortet „xaloxal“: „Ja Bruder“ „Genau 1t“. Auch im weiteren Verlauf der Unterhaltung wird die Menge von einer Tonne noch mehrfach wiederholt (Nachrichten um 22:11:39, 22:12:43, 22:18:04 und 22:28:03 Uhr). Zudem berichtet „xaloxal“ erneut von dem Entladevorgang wie folgt: „Das hat 5-6 std gedauert Bruder biss alles draußen war die packete“... „4 Leute Bruder“ ... „Ja das war in 6 rissen Säcken verteilt“ „und alle unten“ „unter Pulver“ (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 9, Unterfach a).
Der Inhalt dieser Nachrichten korrespondiert mit dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen zu dem Container MRKU ..., die insbesondere aufgrund des Seefrachtbriefs der Reederei HH S. (Fallakte „2020 Mai 1000 kg in Siliziumkarbid“, Bl. 63 f.) und der Bearbeitungsvorgänge bei der EUROGATE Container Terminal Hamburg GmbH (Fallakte „2020 Mai 1000 kg in Siliziumkarbid“, Bl. 97f., 109) ergeben haben, dass dieser mit Siliziumkarbid, einem schwarzen Pulver, in Bigbags beladen war und am 7. Mai 2020 in der Zeit von 8:13 Uhr bis 15:31 Uhr wegen einer fingierten Zollprüfung in der Containerprüfanlage (CPA) das Gelände des Containerterminals Eurogate verlassen hatte. Über die Details der fingierten Zollprüfung sprechen die Nutzer „xaloxal“ und „northstreet“ am 9. Mai 2020 ab 17:49:55 Uhr: „Bruder bei unseren system kann den Fahrer nix passieren“ „Wenn er bei rausfahren erwischt wirt“ ... „Weil er hat Auftrag in der Hand“ (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 9, Unterfach a).
(b) Die konkrete Abnahme von 20 kg Kokain, die hochwahrscheinlich der Bruder des Beschwerdeführers den Lieferanten mitgeteilt hatte, ergibt sich aus den folgenden Umständen:
Ausweislich des Seefrachtbriefs ist der vorgenannte Container MRKU ... am 8. April 2020 auf das Containerschiffs geladen worden (Fallakte „2020 Mai 1000 kg in Siliziumkarbid“, Bl. 63 f.). Nur wenige Tage zuvor, am 4. April 2020 informiert der „slickcreek“ den „normalrevolver“ ab 19:00:07 Uhr (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 8, Unterfach e) über die Verladung von 1.000 kg Kokain mit den Worten „...die machen alles rein, 1000 Stück“. Im weiteren Verlauf der Kommunikation teilt „normalrevolver“ mit, dass er sich in der gleichen Weise beteiligen wolle wie sein Gesprächspartner, der „20 stuck“ machen wolle. Hieraus folgt eine Beteiligung des „normalrevolver“ mit 20 kg an der Drogenlieferung.
Bei dem „normalrevolver“ handelt es sich hochwahrscheinlich um den Bruder des Beschwerdeführers, den Mitbeschuldigten Nas. D.. Der Senat verweist insoweit auf die Inhalte des Vermerks des Bundeskriminalamts vom 25. Juni 2020 (LA, Bl. 212 ff.) und macht sich diese zu eigen. Hieraus folgt auch die Personenidentität der Nutzer „normalrevolver“ und „mobilephone“.
Der Mitbeschuldigte Nas. D. steht mit seinen beiden Kennungen „normalrevolver“ und „mobilephone“ im ständigen Kontakt zu dem Nutzer „showking“. Hieraus ergibt sich die enge Zusammenarbeit. Exemplarisch wird auf eine am 4. Mai 2020 ab 19:13:75 Uhr geführte Unterhaltung Bezug genommen, der sich ein gemeinsamer Betäubungsmittelhandel im Hinblick auf „50 weise“ unter Einschaltung eines „haki“ (19:13:57 Uhr) bzw. „hakan“ (19:42:53 Uhr) entnehmen lässt (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 8, Unterfach e). Hierbei handelt es sich nach derzeitigem Ermittlungsstand hochwahrscheinlich um den Mitbeschuldigten H. A.
(2) Hinsichtlich der Tat 2 (1.185 kg Kokain aus dem Container CGMU 932...., versteckt in Bananenkartons) ergibt sich folgendes Bild:
(a) Insgesamt konnten aus dem Container CGMU 932417 am 27. Mai 2020 1.184 kg Kokain „geborgen“ werden. Dies ergibt sich aus Nachrichten des Nutzers „slickcreek“ an „mobilephone“ vom 3. Juni 2020 ab 18:25:44 Uhr: „Da sollten 1185 sein“ „Waren aber 1184“. Auf Nachfrage des „mobilephone“ nach den Gründen dieser Differenz erläutert „slickcreek“ weiter: „Beim raus holen“ ... „Und haben 1 gefunden vielleicht“. Hiermit rekurriert „slickcreek“ auf die Untersuchungen des Deutschen Zolls. Dies ergibt sich aus seiner vorausgegangenen Nachrichten um 18:17:01 Uhr („Zoll war heute in Der Firma da wo letztens gearbeitet haben“) und den Antworten auf diesbezügliche Nachfragen des „mobilephone“ zwischen 18:23:09 bis 18:23:51 Uhr (Frage: „Hier in Hamburg“ „Der“ „Zoll“, Antwort: „Wo wir raus haben“ „Letzte mal“ „Das“ „Die Firma“, Frage: „Aber“ „Deutsche Zoll“ „Oder“ „In turbo“, Antwort: „Jaa Bruder die Firma ist hier“... „Die waren heute da“). Zuvor hatte „slickcreek“ um 18:22:24 Uhr ein mit den Worten „Hier Zoll“...„In der Firma“ „Aus colo das“ kommentiertes Foto vom Inneren einer Lagerhalle versendet, auf dem Zollbeamte neben einer mit Bananenkartons beladenen Palette zu erkennen sind. Kurz zuvor um 18:20:53 Uhr erwähnt „slickcreek“ auch die Ladung „Bananen“. Den am 3. Juni 2020 ausgetauschten Nachrichten zwischen den Gesprächspartnern waren zuletzt Nachrichten am 27. Mai 2020 vorausgegangen, in denen es um eine „Abholung“ in Hamburg geht („Hast du von Hamburg das ab zu holen“, 10:54:58 Uhr; vgl. Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 2, Fach 14, Unterfach h).
Diese Nachrichteninhalte decken sich mit den Ermittlungen des Zollfahndungsamts Hamburg. Ausweislich des Vermerks des Zollbeamten Sch. vom 26. Juni 2020 (Fallakte „2020 Mai 1184 kg in Bananenkisten“, Bl. 49) wurden am 3. Juni 2020 Ermittlungen bei der Firma L. O. GmbH & Co.KG durchgeführt, nachdem diese den Zoll zuvor auf Unregelmäßigkeiten insbesondere im Hinblick auf die Verpackungen der aus Kolumbien stammenden Bananen hingewiesen hatte. Dem entsprechenden Frachtbrief (Fallakte „2020 Mai 1184 kg in Bananenkisten“, Bl. 26 ff.) ist die Containernummer CGMU 932417 der Bananenlieferung zu entnehmen. Aus der Containerauskunft der HHLA vom 4. Juni 2020 (Fallakte „2020 Mai 1184 kg in Bananenkisten“, Bl. 26 ff.) folgt die Ausbuchung des Containers aus dem Hafenlager am 27. Mai 2020 um 13:59 Uhr.
(b) Die Einbindung des „showking“ in die Drogenlieferung ist einer von diesem an „nicosia-dede“ versandten Nachricht vom 27. Mai 2020 um 23:21:39 Uhr mit dem Wortlaut „...der hat 184 stuck geholt hak heute aus HH“ zu entnehmen. Bei dem erwähnten „hak“ handelt es sich hochwahrscheinlich um den auch im Rahmen des vorausgegangenen Drogengeschäfts bereits genannten H. A.. Die auf diese Mitteilung des „showking“ folgende Reaktion des „nicosia-dede“ mit den Worten „Wieviel haben wir von“ offenbart dessen Interesse an der verfügbaren Menge und damit die Einbindung des „showking“ in den Absatz und Weiterverkauf (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 13, Unterfach d). Gestützt wird dies auch dadurch, dass der „mobilephone“ kurz zuvor zwischen 23:04:26 und 23:14:57 Uhr diverse Fotos von verschiedenen Kokainblöcken an den „showking“ übermittelt hatte. Auf Nachfrage des „showking“, ob es sich um „bolivianische“ handele, merkte er an, dass es „colo“ sei, gemeint also kolumbianisches Kokain (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 8, Unterfach c). Auch dies deckt sich mit den vorgenannten Ermittlungen des Zollfahndungsamtes zur Herkunft des Containers.
bb) Bei dem EncroChat-Nutzer mit der Kennung „showking“ handelt es sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen um den Beschwerdeführer. Die Identifizierung des Beschwerdeführers wird hochwahrscheinlich insbesondere durch EncroChat-Nachrichten gelingen.
(1) Am 18. Mai 2020 um 16:11:10 Uhr bittet der „showking“ mit den Worten „Kannst du mir ein Bild von mein Fahrzeug schein schicken“ um Übersendung eines Fotos seines Fahrzeugscheins. Daraufhin sendet der „nicosia-dede“ um 16:13:46 Uhr ein Foto der Zulassungsbescheinigung Teil I eines Mercedes E 350 4matic mit dem amtlichen Kennzeichen (ORIG.: KENNZEICHEN) (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 13, Unterfach d) i.V.m. LA Bl. 231). Dem Dokument lässt sich entnehmen, dass das Fahrzeug auf den Beschwerdeführer zugelassen ist.
Insbesondere vor dem Hintergrund der weiteren Nachrichten erschließt sich auch die Übersendungsrichtung des Fotos. Aus den in der Zeit vom 18. Mai 2020, 15:26:26 Uhr, bis 19. Mai 2020, 13:55:46 Uhr, ausgetauschten Nachrichten ergibt sich, dass der „showking“ am 19. Mai 2020 einen Termin bei einem Rechtsanwalt vereinbart hat. Auf dieses Gespräch muss er sich offensichtlich vorbereiten und bittet seinen Gesprächspartner um Rat: „Soll ich sagen das ich denn wagen an karisch verkauft habe mein alten damals“. Auf dessen Nachfrage, ob der Anwalt diese Information benötige, erwidert „showking“: „Ja wie konnte ich denn neuen kaufen“ „Der neue war teurer“ (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 13, Unterfach d). Auch mit „normalrevolver“, mithin hochwahrscheinlich dem Mitgeschuldigten Nas. D., unterhält sich „showking“ am 12. Mai 2020 ab 19:58:51 Uhr über das neue Auto des „showking“. Hierbei wird deutlich, dass es sich um einen Audi handelt („den Audi meine ich“ / „1200 für denn Audi“). In Übereinstimmung hiermit ist den Observationsberichten des Bundeskriminalamts zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Ende September / Anfang Oktober 2020 einen Audi SQ5 nutzt (SB Observation (Anträge), Bl. 2, 19), was sich auch bei der Durchsuchung am 23. November 2020 bestätigte (Nebenakte Durchsuchungen Band II, Trbl. 6, Bl. 7 ff.). Der auf den Beschwerdeführer zugelassene Mercedes E 350 wurde zum Zeitpunkt der Observation von Nas. D. genutzt (SB Observation (Anträge), Bl. 6), zum Zeitpunkt der Durchsuchung parkte das Fahrzeug unweit der Wohnanschrift des Beschuldigten in der A. Straße 1 in Bremen, ohne dass dort ein Fahrzeugschlüssel aufgefunden werden konnte (Nebenakte Durchsuchungen Band II, Trbl. 6, Bl. 14). Es ist daher hochwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer den Mercedes E 350 regelmäßig Dritten zur Nutzung überlässt, was auch die Übergabe der bei Polizeikontrollen erforderlichen Zulassungsbescheinigung Teil I an die Nutzer des Fahrzeugs erklärt.
Dass die Überlassung hochwertiger Kraftfahrzeuge an nicht zum Familienkreis zählende Dritte generell nicht unüblich ist, zeigt auch die aktenkundige bereitwillige Überlassung eines Porsche im Wert von rund 165.000 Euro an einen anderen Mitbeschuldigten (LA Bl. 2362 ff.).
(2) Auch die am 31. Mai 2020 zwischen „showking“ und „cingele“ ausgetauschten Nachrichten (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 13, Unterfach a) werden den Beschwerdeführer hochwahrscheinlich als Nutzer der Kennung „showking“ überführen. Um 17:01:27 Uhr übersendet der „cingele“ ein Foto, das den Monitor eines Navigationssystems zeigt. Als Zielanschrift ist die Adresse W. Straße 8 in Bremen zu erkennen. Kurz danach, um 17:01:49 Uhr, schreibt der „cingele“ hierzu „Ich kom“, was nur dahingehend verstanden werden kann, dass der „cingele“ auf dem Weg zu „showking“ ist.
Bei dieser Zieladresse im Navigationsgerät des „cingele“ handelt es sich ausweislich der Durchsuchungsergebnisse um eine dem Beschwerdeführer zuzurechnende Immobilie. Bei der Durchsuchung des von dem Beschwerdeführer genutzten Audi SQ5 wurden Unterlagen sichergestellt, die unter anderem auch die Adresse W. Straße 8 in Bremen betrafen (Nebenakte Durchsuchungen Band II, Trbl. 6, Bl. 13).
(3) Auch ein am 7. April 2020 um 16:39 Uhr von „showking“ an „midlandmist“ gesendetes Foto eignet sich zur Identifizierung des Beschwerdeführers (Nebenakte EncroChat-Kommunikation, Band 1, Fach 13, Unterfach a). Auf die Frage des „midlandmist“, wo „showking“ sei, übersendet dieser das Foto mit der Bemerkung „Harre schneiden und du“. Auf dem Foto sind neben Personen beim Haareschneiden insbesondere zahlreiche Details eines Kellerraums mit Gewölbedecke zu erkennen. Dieser Kellerraum ist der Anschrift A. Straße 1 in Bremen zuzuordnen, wo sich der Beschwerdeführer mit seiner Familie zum Zeitpunkt seiner Festnahme aufgehalten hat. Dies folgt aus dem Durchsuchungsbericht vom 23. November 2020, der auch ein Foto des Kellerraums enthält (Nebenakte Durchsuchungen Band II, Trbl. 6, Bl. 10, 28).
cc) Hochwahrscheinlich handelte der Beschwerdeführer überdies als Mitglied einer Bande. Dies ergibt sich insbesondere aus den zuvor dargestellten einzelnen Beweisanzeichen, die die Annahme auf eine weitreichende und dauerhafte Einbindung des Beschwerdeführers in das gesamte Tatgeschehen zulassen.
c) Die Inhalte der über das verschlüsselte Kommunikationssystem EncroChat ausgetauschten Nachrichten sind nach derzeitigem Sachstand für die Beweisführung verwertbar.
Die Verwendung der Nachrichten im hiesigen Strafverfahren gegen den Beschuldigten stellt einen Grundrechtseingriff in Art. 10 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, dar, der einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98 –, BVerfGE 109, 279, 375). Diese findet sich in § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO. Hiernach dürfen durch Maßnahmen nach § 100b StPO (Online-Durchsuchung) erlangte und verwertbare personenbezogene Daten in anderen Strafverfahren als denjenigen, für die sie erhoben wurden, ohne Einwilligung der insoweit überwachten Personen nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer Maßnahmen nach § 100b StPO oder § 100c StPO angeordnet werden könnten, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden. Die Voraussetzungen der Norm liegen vor. Im Einzelnen:
aa) Die primär für den Datenaustausch zwischen verschiedenen innerstaatlichen Strafverfahren konzipierte Vorschrift des § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO gilt auch als Rechtsgrundlage für den grenzüberschreitenden Datenverkehr. Die Norm gestattet auch die Verwendung von Informationen aus ausländischen Strafverfahren. Ihr Regelungsbereich betrifft die Verwendung und Verwertung von Zufallsfunden aus anderen Strafverfahren. In Bezug auf grenzüberschreitenden Informationsaustausch ist insoweit anerkannt, dass sich Fragen der Verwendung und Verwertung nach dem Recht des ersuchenden Staates richten (BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 310/12 –, BGHSt 58, 32; Rn. 21), also desjenigen Staates, der das Strafverfahren führt und hierbei die aus dem ausländischen Verfahren stammenden Informationen verwenden will. Dementsprechend sind nationale Vorschriften – hier in Gestalt des § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO – auch darauf ausgerichtet, grenzüberschreitende Sachverhalte zu erfassen. Anhaltspunkte dafür, dass dies im Hinblick auf § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO nicht der Fall sein sollte, bestehen nicht. Demzufolge ist die Norm dahingehend auszulegen, dass sie auch Daten erfasst, die in ausländischen Strafverfahren durch Maßnahmen erhoben wurden, die Maßnahmen nach § 100b StPO entsprechen.
bb) Die im Ausgangsverfahren erhobenen Daten sind insbesondere durch solche Maßnahmen erlangt worden, die Maßnahmen nach § 100b StPO entsprechen. Soweit die Daten teilweise auch auf Maßnahmen beruhen, die als Überwachung der Telekommunikation einem Eingriff nach § 100a StPO entsprechen – dies ist der Akte im Einzelnen nicht zu entnehmen – beschwert es den Beschwerdeführer jedenfalls nicht, auch insoweit den im Verhältnis zu der sonst anzuwendenden Regelung des § 479 Abs. 2 S.1 StPO strengeren, von § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO vorgegebenen Schutzstandard anzuwenden.
cc) Die Verwendung der Daten dient der Aufklärung von Straftaten, auf Grund derer Maßnahmen nach § 100b StPO angeordnet werden könnten.
(1) Der Beschwerdeführer ist des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen nach § 30a BtMG, § 53 StGB dringend verdächtig. Bei diesen Taten handelt es sich um Katalogtaten nach § 100b Abs. 2 Nr. 4 lit. b) StPO.
(a) Bei der Prüfung der Verdachtslage sind auch gerade diejenigen Informationen einzustellen, um deren Verwendung es im Rahmen des § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO geht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1983 – 2 StR 837/82 –, BGHSt 32, 10, juris, Rn. 39; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 479 Rn. 3; Bruns in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 100a Rn. 54; offen gelassen BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 310/12 –, BGHSt 58, 32, Rn. 46). Der Sinn der aus der Norm folgenden Verwendungsbeschränkung liegt nicht darin, einen Datentransfer nur dann zuzulassen, wenn auch ohne den Zufallsfund in dem Ausgangsverfahren das Zweitverfahren hätte mit den entsprechenden Eingriffen (aufgrund der Verdachtslage ohne den Zufallsfund) geführt werden können. Andernfalls würden auch auf schwerste Straftaten hindeutende Zufallsfunde für sich alleine nicht geeignet sein, eine Verfolgung auszulösen. Ein solches Ergebnis widerspräche dem in § 108 Abs. 1 S. 2 StPO zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, wonach ein Zufallsfund für sich genommen Anlass für die Einleitung eines Strafverfahrens sein kann und muss. Hiernach steht die Anwendung des § 100e Abs. 6 StPO nicht unter der Voraussetzung eines hypothetischen Ersatzeingriffes in dem Sinne, dass die Anordnung der Überwachungsmaßnahmen seinerzeit ebenso hätte in dem Zweitverfahren erfolgen können. Die Norm regelt lediglich eine Begrenzung der Verwendung auf die Aufklärung qualifizierter Taten. Letztlich zeigt dies bereits der Wortlaut auf, der andernfalls voraussetzen müsste, dass die erlangten Daten aus einer Maßnahme stammen, die zur Aufklärung der anderen Tat „hätte angeordnet werden können“.
(b) Hinsichtlich des sich aus den übermittelten Informationen ergebenden dringenden Verdachtes ist auf die Ausführungen oben 1. b) aa) zu verweisen. Aufgrund der vorliegenden Chatnachrichten ist eine dringende Verdachtslage gegeben, die den Erfordernissen des § 100b StPO an den konkretisierten Anfangsverdacht gerecht wird.
(2) Der Senat kann dahinstehen lassen, inwieweit § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO über die Verdachtsprüfung hinaus eine Prüfung auch der weiteren Voraussetzungen des § 100b StPO verlangt (vgl. hierzu Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 479 StPO Rn. 3; Bruns in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 100e Rn. 25; vgl. auch Gieg in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 477 Rn. 3). Denn jedenfalls liegen diese vor.
(a) Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten wiegen aufgrund der Mengen und des hohen Organisationsgrades auch im Einzelfall besonders schwer im Sinne des § 100b Abs. 1 Nr. 2 StPO.
(b) Daneben ist die Subsidiarität nach § 100b Abs. 1 Nr. 3 StPO gewahrt. Ohne die Nachrichteninhalte werden die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Taten nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht weiter aufgeklärt werden können.
(c) Die hypothetisch im Rahmen des § 100b Abs. 6 StPO zu prüfende Maßnahme richtete sich gegen den Beschuldigten (§ 100b Abs. 3 StPO). Soweit eine Schadsoftware auf die Mobiltelefone des Beschuldigten aufgespielt wurde, wäre dies gemäß § 100b Abs. 3 S. 1 StPO zulässig gewesen. Soweit die Chat-Nachrichten durch Umleitung der Datenströme aus dem Server gewonnen wurden, wäre dies in einem Verfahren gegen den Beschuldigten gemäß § 100b Abs. 3 Satz 2 StPO zulässig gewesen, da der Beschuldigte das informationstechnische System der Betreiber von EncroChat nutzte und ein Zugriff auf die Mobiltelefone des Beschuldigten allein nicht zur Erforschung des Sachverhalts geführt hätte.
(d) Die Maßnahme ist mit Blick auf den zugrunde liegenden Tatvorwurf, insbesondere die überaus große Menge an Betäubungsmitteln sowie das erhebliche Gefährdungspotential von Kokain, auch verhältnismäßig.
dd) Die erhobenen Daten sind auch verwertbar im Sinne des § 100e Abs. 6 StPO.
(1) Sie unterfallen keinem Erhebungs- und Verwertungsverbot nach § 100d Abs. 1 bis 5 StPO (vgl. hierzu Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 100e Rn. 22). Nach derzeitigem Sachstand sind keine den Kernbereich der privaten Lebensführung betreffenden Daten erhoben worden. Jedenfalls die den Tatverdacht tragenden Beweisanzeichen weisen keinerlei Verknüpfung mit Kernbereichsthemen auf.
(2) Auch sonstige Verwertungsverbote greifen auf Basis der bislang bekannten Tatsachen nicht ein.
Bei der grenzüberschreitenden Übernahme von Daten aus anderen Verfahren gelten im Hinblick auf Verwertungsverbote jedenfalls im Ansatz die gleichen Regeln wie bei rein innerstaatlichen Vorgängen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 310/12 –, BGHSt 58, 32, Rn. 21 ff.; BGH, Beschluss vom 9. April 2014 – 1 StR 39/14 –, NStZ 2014, 608; Radtke, NStZ 2017, 109).
(a) Dem Strafverfahrensrecht ist hierbei ein allgemein geltender Grundsatz fremd, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht. Vielmehr ist die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2008 – 2 BvR 784/08 –, NJW 2008, 3053; BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91 –, BGHSt 38, 214, 219 f.; Urteil vom 11. November 1998 – 3 StR 181/98 –, BGHSt 44, 243, 249; Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06 –, BGHSt 51, 285, 289 f.; vgl. auch Greven in Karlsruher Kommentar, a.a.O., vor § 94 Rn. 10). Auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung „um jeden Preis“ gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbotes eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen hat und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1972 – 2 BvL 7/71 –, BVerfGE 33, 367, 383; Beschluss vom 20. Oktober 1977 – 2 BvR 631/77 –, BVerfGE 46, 214, 222; Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, BVerfGE 122, 248, 272). Ein Beweisverwertungsverbot stellt damit eine Ausnahme dar, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 1994 – 1 StR 83/94 –, BGHSt 40, 211, 217; Urteil vom 11. November 1998 – 3 StR 181/98 –, BGHSt 44, 243, 249; Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06 –, BGHSt 51, 285, 290). Insbesondere kann das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers ein Verwertungsverbot nach sich ziehen (vgl. BGHSt 51, 285, 292; BGH, Beschluss vom 18. November 2003 – 1 StR 455/03 –, NStZ 2004, 449, 450)
(b) Die ein Verwertungsverbot unter den vorgenannten Voraussetzungen begründende Rechtswidrigkeit der Informationserlangung oder -weitergabe kann sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten grundsätzlich sowohl aus der Rechtswidrigkeit der im Ausland vorgenommenen Maßnahme als auch der Rechtswidrigkeit des grenzüberschreitenden Datentransfers selbst ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 310/12 –, BGHSt 58, 32, Rn. 22 ff.; Radtke, NStZ 2017, 109).
(aa) Ist davon auszugehen, dass die Datenerhebung im ausländischen Strafverfahren in dem Sinne rechtswidrig war, dass sie gegen die vor Ort geltenden Regeln verstoßen hat, wird dieser Umstand in die zuvor beschriebene Abwägung im Ansatz häufig ähnlich wie bei innerstaatlichen Datenerhebungen einzustellen sein, auch wenn die fehlende Verantwortung deutscher Ermittlungsorgane für das Verhalten ausländischer Stellen im Einzelfall zu einer geringeren Gewichtung führen mag.
Unterschiede bestehen allerdings jedenfalls insoweit, als die Feststellung der Rechtswidrigkeit völker- bzw. europarechtlichen Schranken unterliegt. Jedenfalls soweit eine gerichtliche Entscheidung des anderen Staates von der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung ausgeht, dürfen die deutschen Behörden dies grundsätzlich nicht in Frage stellen, da eine hier vorgenommene Überprüfung und Korrektur der auswärtigen Entscheidung die Souveränität des anderen Staates missachten würde bzw. im innereuropäischen Bereich dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (Art. 82 AEUV) zuwiderliefe (BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 310/12 –, BGHSt 58, 32, Rn. 33 ff.).
Ausnahmen hiervon bestehen nur insoweit, als im ausländischen Strafverfahren gegen grundlegende rechtsstaatliche Gewährleistungen verstoßen wurde. Die Unverwertbarkeit im Ausland erhobener Beweise kann sich ergeben, wenn die Beweiserhebung unter Verletzung völkerrechtlich verbindlicher und dem Individualrechtsgüterschutz dienender Garantien, wie etwa Art. 3 EMRK, oder unter Verstoß gegen die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze im Sinne des ordre public (vgl. § 73 IRG) erfolgt ist (BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 310/12 –, BGHSt 58, 32, Rn. 38).
Der entsprechend eingeschränkte Prüfungsmaßstab fügt sich systematisch in die Regeln des Rechtshilfeverkehrs ein. Auch in anderen Konstellationen internationaler Zusammenarbeit – wie etwa dem Auslieferungsrecht – knüpft – auch eingriffsintensives – Handeln deutscher Organe an auswärtige Entscheidungen an, ohne deren Richtigkeit im Einzelnen zu hinterfragen. Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus (vgl. Präambel, Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2, Art. 23 bis 26 GG). Es gebietet damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1987 – 2 BvM 2/86 –, BVerfGE 75, 1, 16 f.), auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen (BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2003 – 2 BvR 685/03 –, BVerfGE 108, 129, Rn. 31). Die Entscheidung über die Zulässigkeit strafprozessualen Vorgehens in einem ausländischen Strafverfahren obliegt damit grundsätzlich alleine den dortigen Strafverfolgungsorganen auf Basis der vor Ort geltenden Gesetze. Über diese hat sich das deutsche Recht nicht zu erheben. Auch gesetzgeberische Einschätzungen anderer Staaten sind im Rahmen des Vertretbaren zu respektieren (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. August 2006 – 1 AK 1/06 –, StraFo 2006, 415, juris, Rn. 14). Die grundrechtliche Verantwortlichkeit der deutschen öffentlichen Gewalt endet damit grundsätzlich dort, wo ein Vorgang in seinem wesentlichen Verlauf von einem fremden souveränen Staat nach dessen eigenem, von der Bundesrepublik Deutschland unabhängigen Willen gestaltet wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 2 BvR 2735/14 –, BVerfGE 140, 317, Rn. 62; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1983 – 2 BvR 1160/83, 2 BvR 1565/83, 2 BvR 1714/83 –, BVerfGE 66, 39, 56 ff.).
Der grundsätzlichen Achtung souveräner Entscheidungen anderer Staaten sind allerdings verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Dass Leitideen der Verfassung Vorrang gegenüber der Souveränität haben, zeigt Art. 79 Abs. 3 GG (in Bezug auf die Volkssouveränität; vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2018 – 2 BvR 107/18 –, juris, Rn. 23; vgl. auch Pieroth: in Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 79 Rn. 5). Hiernach gibt es Grundwerte, die anderen Wertvorstellungen stets vorrangig sind, und zwar auch dann, wenn letztere der Einstellung der Mehrheit bzw. des Gesetzgebers entsprechen. Die Grenze der Anerkennung abweichender ausländischer Rechtsvorstellungen ist deswegen dort zu ziehen, wo die betreffende ausländische Entscheidung, gemessen an deutschem Recht, nicht nur deutsches Verfassungsrecht, sondern die gemäß Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze beziehungsweise das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz verletzen würde (Senat, Beschluss vom 31.05.2019 – Ausl 33/18 –; vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2018, a.a.O.,; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. November 2015 – 2 BvR 2088/15 –, NVwZ-RR 2016, 201, juris, Rn. 26: „zurückgenommener verfassungsrechtlicher Standard“).
Im deutschen Strafverfahren findet eine Überprüfung ausländischer Entscheidungen anhand deutschen Rechts hiernach nur beschränkt darauf statt, ob gegen rechtsstaatliche Mindeststandards im Umgang mit dem Beschuldigten verstoßen wurde (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 – 2 BvR 2236/04 –, BVerfGE 113, 273, juris, Rn. 88 zum Auslieferungsrecht). Dies entspricht dem Schutz eines rechtsstaatlichen, von der Achtung der Würde des Menschen bestimmten Kernbereichs (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2018 – 2 BvR 107/18 –, juris, Rn. 23). Dieser gewährleistet, dass die deutsche Hoheitsgewalt „die Hand nicht zu Verletzungen der Menschenwürde durch andere Staaten reichen“ darf (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 2 BvR 2735/14 –, BVerfGE 140, 317, Rn. 62).
Hiernach wäre es bei der Prüfung ausländischer Entscheidungen insbesondere verfehlt, die Anforderungen an rechtsstaatliches Handeln aus dem einfachen deutschen Strafverfahrensrecht abzuleiten. Dieses gilt nicht für ausländische Sachverhalte und kann auch keine Geltung beanspruchen. Prüfungsmaßstab sind grundlegende Rechte wie der Kernbestand deutscher Grundrechte oder der durch die EMRK gewährleisteten Rechte.
(bb) Rechtsfehler im Hinblick auf den Datentransfer können sich vornehmlich aus der Missachtung der einschlägigen Normen des Rechtshilfeverkehrs ergeben. Diesen kommt grundsätzlich aber nur dann die potentielle Eignung zu, ein Verwertungsverbot zu begründen, wenn sie zumindest als Rechtsreflex auch die Interessen des Beschuldigten schützen sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 310/12 –, BGHSt 58, 32, Rn. 25).
(c) Hieran gemessen bestehen im vorliegenden Fall keine Verwertungsverbote.
(aa) Auf Basis der derzeit bekannten Tatsachen ist davon auszugehen, dass die Datenerhebung in Frankreich den dortigen Vorschriften entsprach und damit rechtmäßig war. Ihr lagen mehrere Entscheidungen französischer Gerichte zugrunde, unter anderem aus Dezember 2018 und vom 30. Januar 2020 (Gericht in Lille). Das Ermittlungsverfahren hatte materiell-strafrechtliche Vorwürfe – Bildung einer kriminellen Vereinigung, Betäubungsmittel-/Drogenhandel – zum Gegenstand, wegen derer nach dem französischen Strafverfahrensrecht die Überwachung der Telekommunikation angeordnet werden durfte. Eine den deutschen Vorgaben entsprechende detaillierte Darstellung der Beweis- und Verdachtslage kann angesichts der Unterschiede der Anordnungsvoraussetzungen in den Rechtordnungen der Europäischen Union nicht erwartet werden. Die französischen Beschlüsse genügen allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere wurden sie durch einen Richter erlassen und verhalten sich zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.
Anhaltspunkte dafür, dass die betreffenden Entscheidungen im Rechtsmittelverfahren korrigiert worden sein könnten, liegen nicht vor und werden auch vom Beschwerdeführer nicht vorgetragen.
(bb) Auf Basis des sich derzeit abzeichnenden Sachverhalts ist auch nicht davon auszugehen, dass die französischen Behörden gegen grundlegende rechtsstaatliche Standards im Sinne des ordre public verstoßen haben könnten.
Bei der entsprechenden Prüfung ist zunächst zu berücksichtigen, dass jedenfalls im innereuropäischen Rechtshilfeverkehr der Vertrauensgrundsatz gilt. Im Regelfall ist die Rechtsstaatlichkeit ersuchender Staaten nicht in Frage zu stellen. Der das europäische Recht prägende Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruht auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten darauf, dass ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der auf Unionsebene und insbesondere in der Grundrechtecharta anerkannten Grundrechte zu bieten (EuGH, Urteil vom 5. April 2016 – C-404/15 und C-659/15 PPU –, Rn. 77). Grundsätzlich ist deswegen ohne nähere Untersuchung davon auszugehen, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (EuGH, a.a.O., Rn. 78; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2021 – 2 BvR 1285/20 –, juris, Rn. 25). Die hierdurch vermittelte Rechtsstellung beinhaltet auch die oben unter (b) (aa) beschriebenen Kerngewährleistungen des deutschen Rechtsstaatsprinzips (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 1845/18 –, juris, Rn. 34 ff.).
Hiernach ist grundsätzlich darauf zu vertrauen, dass das Vorgehen und die Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten nicht gegen tragende Rechtsgrundsätze verstoßen haben. Die Staaten der Europäischen Union sind an entsprechende Vorgaben gebunden. Solange keine konkreten gegenläufigen Anhaltspunkte vorliegen, muss davon ausgegangen werden, dass sie sich an diese gehalten haben.
(aaa) Bei der Prüfung konkreter Anhaltspunkte für Verstöße gegen Kerngewährleistungen des Rechtsstaatsprinzips hat der Senat bedacht, dass bei der Durchsuchung von Datenträgern bzw. größerer Datenmengen aufgrund des das Rechtsstaatsprinzip essentiell prägenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des Vertretbaren unbedingt dafür Sorge zu tragen ist, dass kein überschießender Zugriff auf unbedeutende Informationen erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02 –, BVerfGE 113, 29; Beschluss vom 16. Juni 2009 – 2 BvR 902/06 –, BVerfGE 124, 43; BGH, Beschluss vom 24. November 2009 – StB 48/09 (a) –, NJW 2010, 1297, 1298 zur Durchsuchung von Datenträgern) und dass eine Zugriffsmöglichkeit von den Ermittlungsbehörden nicht über den eigentlichen Zweck hinaus dazu missbraucht wird, gezielt nach Zufallsfunden zu suchen oder solche ohne Notwendigkeit zu ermöglichen.
(bbb) Von einer solchen Fallgestaltung ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht auszugehen. Auf Basis der bekannten Tatsachen erscheint der Umfang der französischen Ermittlungen vielmehr plausibel und erforderlich. Die Besonderheit des Datenaustauschs über EncroChat bestand darin, dass gewichtige Anhaltspunkte dafür sprachen, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Anbieter von Telekommunikationsleistungen handelte, sondern um eine Organisation, die ihr Produkt zielgerichtet auf die Ermöglichung kriminellen Einsatzes zugeschnitten und damit ausgerichtet hatte. Dafür sprach und spricht auch weiterhin unter anderem der Umstand, dass die Verantwortlichen unbekannt sind, verschiedene Maßnahmen zielgerichtet polizeiliche Aufklärungsmaßnahmen behinderten und das System schließlich aus Sicht der französischen Behörden auch tatsächlich wahrscheinlich in einer Vielzahl von Fällen zur Begehung von Straftaten verwendet wurde. Hinzu tritt der Umstand, dass die Betreiber von EncroChat dadurch möglicherweise zielgerichtet gegen französische Regelungen, die eine unangemeldete Verschlüsselung unter Strafe stellen, verstoßen haben. Vor diesem Hintergrund musste sich der Verdacht der französischen Behörden erkennbar auch gegen die Betreiber von EncroChat richten, und zwar unter anderem im Hinblick auf eine Förderung der mittels des Telefonsystems begangenen Straftaten. Um die den Betreibern zur Last zu legenden Taten aufzuklären, bedurfte es des vorgenommenen umfassenden Zugriffs auf die Daten der Firma EncroChat. Diese konnten und können nähere Einblicke in das wahrscheinliche System der Unterstützung von Straftaten und den Umfang des den Verantwortlichen zuzurechnenden Unrechts geben. Hiernach bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte für einen deutlich überschießenden und damit rechtsstaatswidrigen Zugriff auf Daten.
Ob die Betreiber von EncroChat als unbekannte Personen hierbei im französischen Strafverfahren formell als Beschuldigte deklariert wurden oder ob das französische Strafverfahren in dieser Konstellation eine andere rechtliche Konstruktion als Basis der weiteren notwendigen Aufklärung genutzt hat, ist irrelevant. Die Details des französischen Vorgehens stehen aus den oben genannten Gründen nicht zur Überprüfung. Dass die Betreiber von EncroChat jedenfalls tatsächlich Zielpersonen der Ermittlungsmaßnahmen und damit nach deutschem Verständnis Beschuldigte waren, ergibt sich unter anderem aus der Verfolgung von Delikten im Zusammenhang mit der Lieferung, dem Transfer und dem Import eines Verschlüsselungsmittels (siehe oben I.2.)
(ccc) Indiziell wird die Annahme rechtsstaatskonformen Vorgehens durch eine Bewertung des Sachverhalts nach deutschem Strafverfahrensrecht gestützt: Die in Frankreich durchgeführten Maßnahmen hätten bei Vorliegen eines entsprechenden Inlandssachverhalts auch in Deutschland nach §§ 100a, 100b StPO angeordnet werden können. Der sowohl nach § 100a Abs. 1 Nr. 1 StPO als auch nach § 100b Abs. 1 Nr. 1 StPO erforderliche auf bestimmten Tatsachen beruhende Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100a Abs. 2 StPO bzw. § 100b Abs. 2 StPO bezeichnete schwere Straftat begangen hat, war bereits bei der ersten Ermittlungsmaßnahme nach § 100b StPO, der Kopie der Serverdaten im Dezember 2018, gegeben.
Der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen und mehr als nur unerheblich sein. Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung, in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat (BGH, Beschluss vom 11. August 2016 – StB 12/16 –, Rn. 9).
Bereits die aufgefundenen großen Mengen von Betäubungsmitteln in sechs der sieben Ausgangsfälle und die initial vorliegenden Informationen über die Chiffrierung im EncroChat-System, der hohe Preis der nicht über ein „offizielles“ Händlernetz vertriebenen Geräte sowie der Verstoß gegen französische Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Verschlüsselungstechnik, begründen den konkretisierten Anfangsverdacht zumindest einer Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge gegen die Betreiber von EncroChat nach § 29a BtMG, mithin einer Katalogtat nach § 100a Abs. 2 Nr. 7 lit. b) StPO bzw. § 100b Abs. 2 Nr. 4 lit. b) StPO, die aufgrund der Mengen und des daraus offensichtlich resultierenden hohen Organisationsgrades auch im Einzelfall besonders schwer im Sinne des § 100b Abs. 1 Nr. 2 StPO wog. Die Annahme der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1, Abs. 5 S. 3 StGB und damit einer Katalogtat nach § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. c) StPO bzw. § 100b Abs. 2 Nr. 1 lit. b) StPO lag ebenfalls nicht fern.
Die Erreichung des Ermittlungsziels war ohne Zugriff auf die Daten, insbesondere solche zum Vertriebsnetz der EncroChat-Telefone, bei dem es sich um den wichtigsten Ansatz zur Ermittlung der Strukturen des Betreibernetzwerks handelte, auch wesentlich erschwert oder aussichtslos.
Die Maßnahme richtete sich gegen die Betreiber von EncroChat (§ 100b Abs. 3 S. 1 StPO). Dass diese unbekannt waren, steht entgegen der Auffassung der Verteidigung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht entgegen. Die Maßnahme richtete sich gegen die Beschuldigten, deren Identität noch nicht festzustehen braucht (§ 100e Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO „soweit möglich, der Name... des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet“).
(ddd) Hiervon unabhängig würden die Voraussetzungen für ein Verwertungsverbot auch dann nicht vorliegen, wenn das Vorgehen der französischen Behörden teilweise als nicht mehr hinnehmbar rechtsstaatwidrig begriffen werden würde. Denn im Kern ist angesichts der bekannten Fakten davon auszugehen, dass der Zugriff auf die Daten von EncroChat grundsätzlich geboten und damit rechtmäßig war. Das konkrete Vorgehen könnte allenfalls insoweit in Frage gestellt werden, als an gewisse Eingrenzungen der Datenerhebung – etwa durch eine möglichst frühzeitige Ausrichtung auf schwere Straftaten unter Ausklammerung der übrigen Kommunikation – zu denken gewesen wäre. Sollte es bei diesen oder anderen Nuancen des Vorgehens der französischen Ermittlungsbehörden zu Rechtsverstößen gekommen sein, könnten diese aber jedenfalls im Rahmen der den vorliegenden Fall betreffenden Abwägung nicht zu einem Verwertungsverbot führen. Denn bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten handelt es sich gerade um solche, die besonders schwer wiegen und überragend gewichtige Rechtsgüter gefährdenden bzw. geschädigt haben. Welche Schranken oder Grenzen auch immer hätten greifen müssen: Jedenfalls hätten Straftaten wie diejenigen, die der Beschwerdeführer hochwahrscheinlich begangen hat, zielgerichtet erforscht werden müssen.
(cc) Verwertungsverbote begründende Rechtsverstöße der französischen Behörden liegen auch insoweit nicht vor, als sie die deutschen Behörden nicht über eine Widerspruchsmöglichkeit nach Art. 31 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL-EEA) informiert haben.
(aaa) Nach Art. 31 Abs. 1 lit. b) der RL-EEA bzw. der nationalen Umsetzung dieser Regelung ins französische Recht sind die französischen Behörden verpflichtet, im Falle der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs einer Zielperson mit Kommunikationsanschluss in Deutschland die zuständige deutschen Behörde davon zu unterrichten, dass sich die überwachte Person im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik befindet oder befunden hat.
Die Unterrichtungspflicht soll dem betroffenen Mitgliedstaat ermöglichen, den nach seiner Rechtsordnung garantierten Schutz des Fernmeldegeheimnisses zu gewährleisten, indem er der Überwachung zustimmt oder ihr widerspricht (Böse in: Grützner/Pötz/Kreß/Gazares, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., Stand Dez. 2020, III A 3.14 - RL EEA, Rn. 45). Die Zulässigkeit der Maßnahme richtet sich nach §§ 91b Abs. 1 Nr. 1 IRG bzw. § 59 Abs. 3 IRG i. V. m. §§ 100a ff. StPO (Trautmann in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl. 2020, § 92d IRG Rn. 1). Sofern die Überwachung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unzulässig wäre, teilt der unterrichtete Mitgliedstaat dem Anordnungsstaat innerhalb von 96 Stunden mit, dass die Überwachung zu beenden ist (Art. 31 Abs. 3 lit. a) RL-EEA) und – soweit nach dem innerstaatlichen Recht geboten – das gesammelte Beweismaterial im Anordnungsstaat nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen verwertet werden darf (Art. 31 Abs. 3 lit. b) RL-EEA). Eine Rückäußerung des Mitgliedstaates ist nur bei einer ablehnenden Entscheidung obligatorisch; eine unterbliebene Äußerung gilt damit als Zustimmung (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 18. Dezember 2020 – 1 Ws 166/20 –, BeckRS 2020, 38311, Rn. 24; Böse, a.a.O.).
(bbb) Naheliegend waren die Zielpersonen der französischen Überwachungsmaßnahmen die Betreiber von EncroChat – gegebenenfalls auch die Beschuldigten in den wegen Betäubungsmittelhandel dort geführten Ermittlungsverfahren –, sodass die Voraussetzungen der Norm im vorliegenden Fall schon nicht vorliegen.
(ccc) Selbst wenn der Beschwerdeführer oder seine mutmaßlichen Mittäter auch Zielpersonen gewesen sein sollten, würde der dann möglicherweise vorliegende Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht kein Verwertungsverbot nach sich ziehen.
(α) Der Akte ist weder die Unterrichtung seitens der französischen Behörden unter Verwendung des im Anhang C der RL-EEA noch eine darauf basierende Mitteilung, für die vorliegend gem. § 92d Abs. 1 Nr. 1 IRG die Staatsanwaltschaft an dem Amtsgericht Stuttgart zuständig gewesen wäre, zu entnehmen.
(β) Selbst wenn die Formalien insoweit nicht eingehalten worden sein sollten, führt die an den entsprechenden Rechtsverstoß der französischen Behörden anknüpfende Abwägung aber jedenfalls nicht zu einem Verwertungsverbot (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 18. Dezember 2020 – 1 Ws 166/20 –, BeckRS 2020, 38311). Denn zum einen haben die deutschen Behörden durch ihr weiteres Verhalten deutlich gemacht, die Ermittlungsmaßnahmen nicht zu beanstanden. Dies kommt einer nachträglichen Heilung des Verstoßes zumindest nahe. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die deutschen Behörden der Überwachung des Beschwerdeführers im Falle ihrer Unterrichtung zugestimmt hätten. Die durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen wären nämlich auch bei Vorliegen eines entsprechenden innerstaatlichen Sachverhalts nach §§ 100a, 100b StPO zulässig und geboten gewesen (siehe oben (c)(bb)(ccc)).
(dd) Rechtsverstöße bei der Übertragung der Informationen aus dem französischen Verfahren in das hiesige Strafverfahren liegen nicht vor.
Dies gilt unabhängig davon, ob die hier insbesondere relevanten Nachrichten des Beschwerdeführers vom 7. und 27. Mai 2020 bereits im Vorfeld oder erst aufgrund der Europäischen Ermittlungsanordnung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 2. Juni 2020 (Az. dort: xx UJs xx) an die deutschen Ermittlungsbehörden gelangt sind.
(aaa) Soweit die Daten bereits im Vorfeld der Europäischen Ermittlungsanordnung an das Bundeskriminalamt übermittelt worden sind, handelte es sich um einen spontanen Austausch von Informationen und Erkenntnissen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 S. 1 des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates vom 18. Dezember 2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (RBDatA).
(α) Hiernach stellen die zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten unaufgefordert Informationen und Erkenntnisse in Fällen zur Verfügung, in denen konkrete Gründe für die Annahme bestehen, dass diese Informationen und Erkenntnisse dazu beitragen können, Straftaten nach Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI (RBEuHb) aufzudecken, zu verhüten oder aufzuklären. Nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 RBDatA richten sich die Modalitäten eines solchen spontanen Austausches nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaats, der die Informationen zur Verfügung stellt.
Anhaltspunkte für derartige Taten nach Art. 2 Abs. 2 RBEuHb – insbesondere für den illegalen Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen – lagen hier vor, sodass die Datenübermittlung der französischen Behörden nicht zu beanstanden ist.
Die französischen Strafverfolgungsbehörden durften sich zum Zwecke der Datenübermittlung auch der Dienste der Agentur Europol bedienen, Art. 6 Abs. 2 RBDatA. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EU) 2016/794 Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI des Rates (EuropolVO) gehört unter anderem der Austausch von Informationen einschließlich strafrechtlich relevanter Erkenntnisse zum Aufgabenbereich von Europol, die nach Art. 18 Abs. 2 lit. d) auch zur Datenverarbeitung berechtigt war. Der Datenaustausch diente nämlich dem in Art. 3 Abs. 1 EuropolVO i.V.m. Anhang I zur EuropolVO verankerten Ziel der gegenseitigen Zusammenarbeit bei der zwei oder mehr Mitgliedsstaaten betreffenden schweren Kriminalität, nämlich hier des Drogenhandels. Das Bundeskriminalamt, dem die Daten von Europol übermittelt worden sind, war nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 EuropolVO i.V.m. § 1 S. 1 Nr. 1 EuropolG auch die zuständige nationale Stelle.
(β) Der Umstand, dass die französischen Behörden den zunächst ohne ein Ersuchen übermittelten Daten möglicherweise keine bestimmte Zweckbindung beigegeben haben, führt auch in Ansehung der §§ 92b, 92c IRG jedenfalls nicht zu einem Verwendungs- oder Verwertungsverbot.
Zwar ist weder der Zweck der Übermittlung noch eine etwaige Zustimmung der Verwendung als Beweismittel in einem Gerichtsverfahren aktenkundig. In Reaktion auf die am 2. Juni 2020 beantragte Europäischen Ermittlungsanordnung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, die sich auch auf die zuvor erhobenen Daten erstreckt, haben die französischen Behörden jedoch jedenfalls nachträglich am 13. Juni 2020 einer Verwendung der Daten „im Rahmen eines jeden Ermittlungsverfahrens in im Hinblick auf jedwedes Gerichts-, Strafverfolgungs- oder Untersuchungsverfahren“ zugestimmt.
(bbb) Die Datenübermittlung an das Bundeskriminalamt im Rahmen der Europäischen Ermittlungsanordnung war frei von Rechtsfehlern.
(α) Das Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 2. Juni 2020 ist formgerecht unter Verwendung des Anhangs A zur RL-EEA an die französischen Behörden gerichtet worden.
(β) Zulässigerweise bezieht sich die Europäische Ermittlungsanordnung auf ein inländisches Strafverfahren (Art. 4 lit. a) RL-EEA) und ist auf die Erlangung von Informationen oder Beweismitteln gerichtet, die sich bereits im Besitz der Behörden des Vollstreckungsstaats befinden (Art. 1 Abs. 2 RL-EEA) und aus der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs resultieren (Art. 30 Abs. 1 RL-EEA). Ob der Vollstreckungsstaat – wie hier offenbar geschehen – die bereits nach RBDatA überlassenen Daten nochmals übermittelt oder lediglich unter Bezugnahme auf die bereits erfolgte Übermittlung deren Verwendung genehmigt, ist irrelevant.
(γ) Die Europäische Ermittlungsanordnung beschränkt sich zudem auf solche Maßnahmen, die in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätten nach § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO angeordnet werden können (Art. 6 Abs. 1 lit. b RL-EEA).
(δ) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 6 Abs. 1 lit. a) RL-EEA) ist bei der Schwere der hier vorliegenden Taten ebenfalls gewahrt.
(ε) Eines richterlichen Beschlusses eines deutschen Gerichts nach § 100e Abs. 1 S. 1 StPO bzw. § 100e Abs. 2 S. 1 StPO bedurfte es vorliegend nicht. Stellung und Erledigung von Rechtshilfeersuchen richten sich nach dem Recht des ersuchenden Staates (vgl. zur Erledigung BGH, Beschluss vom 15. März 2007 – 5 StR 53/07 –, NStZ 2007, 417). Einschlägig ist im vorliegenden Fall § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO, der keinen Richtervorbehalt vorsieht. Denn die im vorliegenden Verfahren relevanten Daten wurden nicht erst auf die Ermittlungsanordnung hin im Auftrag der deutschen Behörden erhoben. Die Daten, um deren Übermittlung die französischen Behörden ersucht wurden, waren auf Grundlage französischer richterlichen Anordnungen bereits erhoben.
Eine darüber hinausgehende Datenerhebung – nur eine solche wird auch nach nationalem Recht dem Richtervorbehalt nach § 100e Abs. 1 S. 1 StPO bzw. § 100e Abs. 2 S. 1 StPO unterstellt – wurde hingegen nicht begehrt.
(ζ) Die Europäische Ermittlungsanordnung ist am 13. Juni 2020 durch die zuständige Ermittlungsrichterin in Lille anerkannt und die Übermittlung der ersuchten Daten – über Europol (siehe oben (α)) – angeordnet worden.
d) Der hiernach aufgrund der verwertbaren Beweismittel hochwahrscheinlich zu belegende Sachverhalt trägt die Annahme des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (§ 30a Abs. 1 BtMG, § 53 StGB).
2. Es besteht auch der nach § 112 Abs. 2 StPO erforderliche Haftgrund.
a) Das Ermittlungsergebnis trägt die Annahme von Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Dieser Haftgrund ist gegeben, wenn nach Würdigung aller Umstände, namentlich solcher in der Person des Beschuldigten wie auch der Straferwartung, eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Annahme spricht, der Beschuldigte werde sich dem weiteren Verfahren entziehen, als für die Erwartung, dass er sich ihm zur Verfügung stellen werde (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 112 Rn. 17).
b) Gemessen hieran steht derzeit hochwahrscheinlich zu besorgen, dass sich der Beschwerdeführer einem Strafverfahren entziehen wird.
aa) Der Beschuldigte ist erheblichen Fluchtanreizen ausgesetzt. Im Falle seiner Verurteilung hat er mit einer ganz erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Der Strafrahmen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 1 BtMG sieht Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren vor. Die Annahme eines minder schweren Fall gem. § 30a Abs. 3 BtMG erscheint angesichts der Dimensionen des verfahrensgegenständlichen Drogenhandels abwegig. Vielmehr wird sich nach derzeitigem Ermittlungsstand die konkrete Freiheitsstrafe für jede der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten mindestens im mittleren, eher aber im oberen Bereich des Strafrahmens zu bewegen haben. Bei der Strafzumessung wird die jeweils große Menge (1.000 kg und 1.184 kg) Kokain, die den Grenzwert zur nicht geringen Menge jeweils weit mehr als 100.000-fach übersteigt, die Gefährlichkeit der Droge ebenso wie das hoch organisierte, konspirative und sehr professionelle Vorgehen der aus 16 Mitgliedern bestehenden Bande zu gewichten sein.
bb) Dem sich daraus ergebenden hohen Fluchtanreiz stehen keine ausreichend tragfähigen familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen gegenüber, die diesem nachhaltig begegnen könnten. Zwar ist der Beschuldigte in Deutschland aufgewachsen und scheint sich regelmäßig bei seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern im Alter von 1, 4, 7 und 8 Jahren aufzuhalten. Meldebehördlich registriert ist er jedoch an einer anderen Anschrift. Es ist davon auszugehen, dass der in der Türkei geborene Beschwerdeführer nicht nur über enge familiäre Bindungen in die Republik Türkei verfügt, die ihm ein Untertauchen – auch gemeinsam mit seiner Familie – möglich machen. Darüber hinaus pflegt er nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis weitreichende Kontakte im Bereich der organisierten Drogenkriminalität. Sein Bruder betrieb – unter fremdem Namen – hochwahrscheinlich ein nichtöffentliches Café, in dem sich der Beschwerdeführer den Inhalten seiner Chatnachrichten zufolge sehr oft aufhielt und wo dieser sehr wahrscheinlich zahlreiche Kontakte in die organisierte Drogenszene geknüpft hat. Soweit der Beschwerdeführer angegeben hat, als Lagerist tätig zu sein, deckt sich dies zwar mit dem bei der Rentenversicherung eingetragenen Arbeitgeber, der auch Leiharbeiter vermittelt. Nach den bisherigen Ermittlungen ist allerdings nicht von einer regelmäßigen Ausübung einer den Fluchtanreiz beeinflussenden beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers auszugehen. Auch der Immobilienbesitz des Beschwerdeführers wirkt nicht fluchthemmend, da dieser ohnehin im Falle einer Verurteilung mit einer Verwertung durch die Staatsanwaltschaft zu rechnen hat.
cc) Weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug des Haftbefehls (§ 116 Abs. 1 StPO) sind aus den genannten Gründen ungeeignet, den Zweck der Untersuchungshaft zu erreichen. Da aufgrund der erheblichen Straferwartung von einer hochgradigen Fluchtgefahr auszugehen ist, der keine ausreichenden fluchthemmenden Umstände entgegenstehen, sind wirksame mildere Mittel, den Beschuldigten an das Verfahren zu binden und die hochwahrscheinlich anschließende Vollstreckung zu sichern, nicht ersichtlich.
3. Die Anordnung der verfahrenssichernden Zwangsmaßnahme steht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe nicht außer Verhältnis.
Insbesondere sind keine der staatlichen Strafverfolgung anzulasten Verfahrensverzögerungen erkennbar. Die Untersuchungshaft wird erst seit knapp zwölf Wochen vollzogen, die Ermittlungen werden zügig i.S.v. Art. 5 Abs. 3 Hs. 2 EMRK geführt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.