StPO § 244 Abs. 6 Auswechslung der Ablehnungsbegründung
BGH, Urt. v. 25.02.2021 – 3 StR 204/20
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Februar 2021 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 2. Oktober 2019 im Ausspruch über die Gesamtstrafen aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung unter Einbeziehung der Strafen aus einer vorangegangenen Aburteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten sowie wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung zu der weiteren Gesamtfreiheits- strafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen das Urteil wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Das wirksam auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkte, auf die Sachbeschwerde gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Rechts- mittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Das Rechtsmittel des Angeklagten, das die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist im gleichen Umfang erfolgreich; im Übrigen ist es un- begründet.
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte, der seit Jahren aktives Mitglied der NPD ist und für diese Partei Stadtverordneter war, zählte jedenfalls im Tatzeitraum zu den führenden Köpfen der rechten Szene in seiner Heimatstadt N. . In den Jahren 2015 und 2016 wandte er sich mit einer Reihe von Aktivitäten ge- gen die Aufnahme von Flüchtlingen. Dabei kam es zu folgenden Straftaten:
a) Ende 2014 erhielt die Stadt N. vom Landkreis die Aufforderung, ein Grundstück für die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung zu stellen. In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 12. Februar 2015 sollte über den Standort des künftigen Wohnheims entschieden werden. Es war geplant, diese Versammlung wegen des großen allgemeinen Interesses mit einer Bürgerfragestunde zu verbinden, in der die in Frage kommenden Grundstücke vorgestellt und auf Anliegen der Bürger eingegangen werden sollte. Um möglichst vielen Interessierten eine Teilhabe zu ermöglichen, fand die Versammlung im größten Saal der Stadt, einem rund 200 Personen fassenden Raum des Evangelischen Gemeindehauses, statt. Tatsächlich war der An- drang aber so groß, dass eine Vielzahl interessierter Bürger in dem Saal keinen Platz mehr fand. Der Angeklagte hatte bereits zuvor - insbesondere über den Nachrichtendienst WhatsApp - zur Teilnahme an der Veranstaltung und zu Protesten aus ihrem Anlass aufgerufen, um "massiven Druck" auf die Stadtverordneten auszuüben. Obgleich er wusste, dass der Bau einer Flüchtlingsunterkunft bereits beschlossen war und nur noch der Standort in Frage stand, hoffte er, den Abbruch der Stadtverordnetenversammlung insbesondere durch lautstarken Protest Gleichgesinnter zu erreichen und damit letztlich den Bau einer Flüchtlingsunterkunft insgesamt zu verhindern. Rund eine halbe Stunde nach Beginn der Sitzung hatten sich an der Rückseite des Gebäudes, wo sich eine bis zum Boden reichende etwa drei Meter hohe Fensterfront befindet, mindestens 50 Personen versammelt. Der Angeklagte stimmte unter anderem ausländerfeindliche Parolen an, welche die um ihn Stehenden lautstark skandierten. Die die vorderste Reihe bildenden Personen schlugen und traten zudem gegen die Fensterscheiben, die darauf zu vibrieren begannen. Der An- geklagte, der ebenfalls in der ersten Reihe stand, schlug seinerseits gegen die Scheiben und forderte die anderen mit Gesten zum Mit- und Weitermachen auf. Durch das laute Gebrüll sowie die Schläge und Tritte gegen die Fenster war der Lärm schließlich so groß, dass im Raum keine Kommunikation mehr möglich war. Die Stadtverordneten und viele anwesende Bürger waren zu- dem durch das Geschehen verängstigt und fürchteten, dass die Scheiben bersten könnten. Auf Anregung der Polizei, die die Sicherheit vor Ort nicht mehr zu gewährleisten vermochte, brach der Versammlungsleiter die Veranstaltung ab und bat die Besucher, den Saal zu verlassen. Ob die Sitzung an diesem Tag noch ordnungsgemäß zu Ende hätte geführt werden können, vermochte er zu diesem Zeitpunkt nicht abzuschätzen. Erst als Polizeiverstärkung eintraf, wurde das Gelände geräumt. Einzelne Zuschauer, die sich im Gebäude befunden hatten, trauten sich nicht, dieses al- lein zu verlassen, und mussten unter Polizeischutz den Weg nach Hause antreten. Nach einer ein- stündigen Unterbrechung wurde die Stadtverordnetenversammlung in Abwesenheit von Bürgern mit dem Ergebnis eines Beschlusses über den Standort des zu errichtenden Gebäudes weiter- geführt (Tat C. I. der Urteilsgründe).
b) Im Mai 2015 hatte sich das Gerücht verbreitet, dass ein polnischer Bürger, der in der Nähe einer Bekannten des Angeklagten wohnte, Kinder missbrauche. Auf eine Strafanzeige leitete die Polizei Ermittlungen ein, die keinerlei Hinweise auf pädophile Straftaten ergaben. Dennoch hielten sich in der Nachbarschaft und in den sozialen Netzwerken entsprechende Gerüchte. Der An- geklagte und einige Gleichgesinnte beschlossen daraufhin, selbst zu Strafmaßnahmen zu greifen. Zu diesem Zweck maskierte er sich und begab sich zum Fahrzeug des Geschädigten, an dem er mit einer Axt oder einem Baseballschläger sämtliche Scheiben zertrümmerte. Später gossen Be- kannte des Angeklagten in dessen Beisein und mit seiner verbalen Unterstützung Spiritus in das Auto des Geschädigten und zündeten es an. Es brannte vollständig aus (Tat C. II. der Urteils- gründe).
c) Da das geplante Flüchtlingswohnheim im August 2015 noch nicht fertiggestellt war, sollten etwa 150 erwartete Flüchtlinge übergangsweise in einer Turnhalle untergebracht werden. Dies lehnte der Angeklagte ab, musste aber feststellen, dass politische Bemühungen insbesondere im Rahmen der Stadtverordnetenversammlung keinen Erfolg zeigten. Deshalb beschloss er, die Sporthalle in Brand zu setzen und damit zumindest so zu beschädigen, dass eine Unterbringung von Flüchtlingen dort nicht möglich war. Gemeinsam mit vier weiteren Personen machte er sich an die Umsetzung des Vorhabens. Zunächst entwendete er zusammen mit zwei anderen vom Hof eines Autohauses mehrere Autoreifen, zwei Holzpaletten und eine Mülltonne, die er bei einem der Mittäter lagerte. Am Tatabend holte er diese Gegenstände dort ab, bat zwei Bekannte, Spähdienste zu übernehmen, und begab sich mit zwei Mittätern zur Halle. Dort luden sie die Materialien ab und verbrachten sie über den Zaun vor den nordöstlichen Eingang des Gebäudes, wo sie der Angeklagte auf einem als Fußabtreter fungierenden Gitterrost unterhalb des Dachüberstandes aufschichtete. In die offene Mülltonne plazierte er eine Propangasflasche, deren Ventil geschlossen war, übergoss alles mit Benzin und Öl und zündete es an. Binnen weniger Minuten entflammte das Brandgut. Aufgrund der großen Hitzeentwicklung öffnete sich das Sicherheitsventil der Gasflasche, so dass durch das austretende Gas pulsierende Flammenballen zum Dach hochschossen, das dadurch in Brand geriet. Die große Hitze ließ die Fassade schmelzen. Auch wurde das Fenster der Stahltür zerstört. Dadurch konnten die Flammen ins Halleninnere eindringen. Binnen kurzer Zeit brannte die Halle komplett aus. Ihr Wiederaufbau kostete 3,9 Millionen Euro (Tat C. III. der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat die Tat C. I. der Urteilsgründe als versuchte Nötigung, die Tat C. II. als Sachbeschädigung und die Tat C. III. als vorsätzliche Brandstiftung gewertet. Es hat Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr (Tat C. I.), acht Monaten (Tat C. II.) und sieben Jahren und vier Monaten (Tat C. III.) verhängt.
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Revision ist wirksam auf die Anfechtung der Gesamtstrafen beschränkt. Denn der aufge- zeigte Mangel betrifft lediglich die aufgrund einer Vorverurteilung angenommene Zäsur und nicht die festgesetzten Einzelstrafen (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 2020 - 3 StR 94/20, juris Rn. 20).
2. Die Revision hat in der Sache Erfolg.
Das Landgericht hat aus der für die Tat C. I. der Urteilsgründe ausgesprochenen Strafe unter Einbeziehung von fünf jeweils zweimonatigen Einzelfreiheitsstrafen aus einem Urteil des Amtsgerichts N. vom 25. März 2015 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gebildet, deren Aussetzung zur Bewährung es abgelehnt hat, und im Hinblick auf die Einzelstrafen für die Taten C. II. und C. III. eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verhängt. Die Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts N. war indes fehlerhaft. Der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB stand entgegen, dass aus diesen Strafen und der durch das Amtsgericht L. am 1. August 2014 verhängten Geldstrafe gemäß § 460 StPO im Beschlusswege nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist, weil die vom Amtsgericht N. abgeurteilten Sachbeschädigungen am 6. Februar 2013, mithin also vor dem Ur- teil vom 1. August 2014, begangen wurden, so dass allein dieses eine Zäsur begründen kann. Somit dürfen die Strafen für die vorliegend abgeurteilten Taten und die Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts N. vom 25. März 2015 nicht auf eine Gesamtstrafe zurückgeführt werden. Dies gilt ungeachtet des Vollstreckungsstands der Verurteilung zu einer Geldstrafe durch das Amtsgericht L. , die seit dem 8. Juni 2016 erledigt ist. Da die Erledigung erst nach Erlass des Erkenntnis- ses vom 25. März 2015 eingetreten ist, steht sie einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO nicht entgegen (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 - 4 StR 266/07, NStZ- RR 2007, 369, 370; vom 21. Juli 2009 - 5 StR 269/09, juris Rn. 2; vom 18. Dezember 2013 - 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74).
III. Die Revision des Angeklagten
1. Die Verfahrensrügen des Angeklagten versagen.
a) Die Beanstandung, mit der der Angeklagte die rechtsfehlerhafte Bewertung eines Beweisantrags als bloßen Beweisermittlungsantrag und somit eine Verletzung von § 244 Abs. 6 StPO und der Aufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO geltend macht, dringt nicht durch.
aa) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Der Verteidiger des Angeklagten stellte in der Hauptverhandlung einen Antrag auf Einholung des Gutachtens eines Brandsachverständigen zum Beweis der Tatsache, dass am Tatabend der Tat C.
III. der Urteilsgründe im Abstand von circa fünf Metern zur östlichen Seite der Turnhallenaußen- wand auf dem Erdboden eine Holzpalette, Reifen, eine Plastiktonne und eine Gasflasche mittels Brandbeschleuniger in Brand gesetzt wurden und dieses Feuer in der Folge auf die Halle übergriff. Damit sollte bewiesen werden, dass die Einlassung des Angeklagten in einer früheren Hauptverhandlung, er habe mit der Brandlegung nur ein "Zeichen" setzen wollen, nicht aber die Zerstörung der Halle zum Ziel gehabt, weshalb er sie nur fahrlässig herbeigeführt habe, mit der objektiven Spurenlage vereinbar sei. Nachdem das Landgericht der Verteidigung Gelegenheit gegeben hatte, näher darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen sie von einem Brandausbruch etwa fünf Meter von der östlichen Wand entfernt ausgehe, teilte der Verteidiger mit, es erscheine "lebens- nah", dass die in Brand gesetzten Materialien durch den Druck des Wasserschlauchs bei den Löscharbeiten näher an die Hallenwand herangerückt worden seien.
Das Landgericht hat den Beweisantrag zurückgewiesen. Soweit mit dem beantragten Gutachten bewiesen werden solle, dass am Tatabend die genannten Gegenstände aufgeschichtet und mittels Brandbeschleuniger in Brand gesetzt worden seien und das Feuer in der Folge auf die Halle über- gegriffen habe, sei die unter Beweis gestellte Tatsache bereits erwiesen. Hinsichtlich des behaupteten Umstandes, dass das Brandgut fünf Meter von der Außenwand entfernt in Brand gesetzt worden sei, handele es sich dagegen um keinen Beweisantrag. Diese Beweisbehauptung werde ohne jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl, ins Blaue aufgestellt. Auch auf Nachfrage habe der Verteidiger einen Grund für die Annahme der als möglich erachteten Positionsverschiebung der in Brand gesetzten Gegen- stände nicht genannt. Eine solche sei aber auszuschließen, da die Reste des Brandguts mit dem unmittelbar vor dem nordöstlichen Eingang der Halle liegenden, als Fußabtritt dienenden Gitterrost verschmolzen gewesen seien und der Sachverständige für Gerichtschemie zudem im Auffangbecken unter dem Gitterrost Reste von Ottokraftstoff, wie er als Brandbeschleuniger gedient habe, aufgefunden habe.
Die Revision macht geltend, die Strafkammer habe zu Unrecht keinen Beweisantrag auf Befassung eines Sachverständigen angenommen.
bb) Der Senat kann offenlassen, unter welchen Umständen einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlen kann, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung handelt (vgl. nunmehr auch § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Denn die Rüge ist jedenfalls deswegen unbegründet, weil das Urteil nicht auf der etwaigen fehlerhaften Behandlung des Antrags beruht (§ 337 StPO).
Das Landgericht hat in seinem Ablehnungsbeschluss unter Zugrundelegung der Untersuchungsergebnisse des sachverständigen Zeugen, insbesondere des Umstandes, dass Reste des Brandguts mit dem unmittelbar vor dem Eingang der Halle liegenden Gitterrost verschmolzen waren, sowie der Befunde des chemischen Sachverständigen, der in dem unter dem Rost befindlichen Auffangbecken Ablagerungen von Ottokraftstoff festgestellt hatte, geschlossen, dass die Brandursache an dieser Stelle gesetzt wurde. Es hat damit der Sache nach den Antrag aufgrund eigener Sachkunde zurückgewiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Denn der Schluss aus den ihm von dem sachverständigen Zeugen und dem Sachverständigen vermittelten Tatsachen und Erkenntnissen auf den Ort der Brandlegung kann ohne tiefergehende Sachkenntnisse aufgrund einfacher technischer Überlegungen gezogen werden.
Da das Landgericht die genannten Erwägungen im Ablehnungsbeschluss dargelegt hat, haben die Verteidigung und der Angeklagte ihre weitere Verfahrensführung auf diese rechtlich nicht zu beanstandenden Darlegungen ausrichten können; es ist auszuschließen, dass sie andere Verteidigungsmöglichkeiten gehabt hätten, wenn das Landgericht den Antrag auch formal nicht nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), sondern nach denen des Beweisantrags- rechts (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) abgelehnt hätte. Das Urteil beruht daher nicht auf der möglicherweise rechtlich unzutreffenden Einordnung des Antrags (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9, 10).
b) Auch der Rüge, das Landgericht habe es zu Unrecht versäumt, wegen rechtsstaatswidriger Verzögerungen des Verfahrens auf eine Kompensation zu erkennen, ist der Erfolg zu versagen. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausführlich dargelegt, dass die Rüge unbegründet ist. Hierauf kann verwiesen werden. Soweit die Revision zur Begründung auf den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. Januar 2019 zurückgreift, das den Haftbefehl gegen den Angeklagten vom 25. Februar 2016 aufgehoben hat, nimmt sie nicht Be- dacht darauf, dass die Bewertung der Verfahrensdauer im Rahmen einer Haftentscheidung, die sich am Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG auszurichten hat, anderen Maßstäben unterliegt als die Beachtung des im Strafverfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip zu beachtenden Beschleunigungsgebots im Hinblick auf eine Kompensationsentscheidung.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat nur bei der Gesamtstrafenbildung einen Rechtsfehler zuungunsten des Angeklagten ergeben. Im Übrigen erweist sie sich als unbegründet.
a) Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Auch die rechtliche Bewertung begegnet keinen Bedenken. Näherer Ausführung bedarf dies nur hinsichtlich der Tat C. I. der Urteilsgründe, die das Landgericht als versuchte Nötigung gewertet hat. Im Einzelnen:
aa) Das Landgericht hat sowohl das Tatbestandsmerkmal der Gewalt als auch das der Drohung mit einem empfindlichen Übel als erfüllt angesehen. Gewaltanwendung und Drohung, die bereits indiziell für die Verwerflichkeit der Nötigung seien, seien hier als rechtswidrig im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB zu werten, weil der Angeklagte einen demokratischen Meinungsaustausch zur Durchsetzung seines rassistischen Weltbildes habe verhindern wollen. Auch im Übrigen rechtfertige die Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG und die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG das gewaltsame Vorgehen nicht. Unfriedliche Versammlungen würden von den Grundrechten nicht ge- schützt. Da es dem Angeklagten im Ergebnis nicht gelungen sei, eine Beschlussfassung über den Standort der Flüchtlingsunterkunft zu verhindern, sei jedoch lediglich von einem Versuch auszugehen. Ein Rücktritt scheide schon mangels Freiwilligkeit aus.
bb) Diese Bewertung begegnet auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
(1) In dem anhaltenden Treten und Schlagen gegen die Scheiben, die hierdurch vibrierten und bei den Betroffenen die Befürchtung auslösten, sie könnten zerbersten und zu erheblichen Verletzungen der sich unmittelbar hinter der Fensterfront befindlichen Personen führen, ist ohne Weiteres eine konkludente Drohung mit einem empfindlichen Übel, nämlich drohenden Schäden für die körperliche Integrität, zu sehen. Da es allein auf die Drohwirkung ankommt, ist es entgegen dem Revisionsvorbringen unerheblich, ob eine Zerstörung der Scheiben tatsächlich zu erwarten war oder diese standgehalten hätten.
(2) Unter den gegebenen Voraussetzungen war darüber hinaus das Tatbestandsmerkmal der Ge- walt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB erfüllt.
Gewalt setzt auf Seiten des Täters eine - wenn auch geringfügige - körperliche Kraftentfaltung und eine unmittelbare körperliche Zwangswirkung beim Opfer voraus (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1995 - 1 StR 126/95, BGHSt 41, 182, 183 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. Januar
1995 - 1 BvR 718/89 u.a., BVerfGE 92, 1, 17 ff.). Bei dem vorliegend festgestellten Sachverhalt steht die körperliche Kraftentfaltung des Angeklagten und der anderen Beteiligten nicht in Frage, da sowohl das laute Schreien, erst recht aber das Schlagen und Treten gegen die Scheiben eine physische Kraftentfaltung erfordert. Eine körperlich empfundene Zwangswirkung auf Seiten der im Raum befindlichen Personen war ebenfalls gegeben, weil das Auftreten des Angeklagten und seiner Mittäter zur Folge hatte, dass sowohl ein Sprechen als auch ein Hören und damit der beabsichtigte verbale Austausch nicht mehr möglich waren. Selbst wenn die Personen im Raum mit einer gewissen Kraftentfaltung noch hätten reden können, wäre dies letztlich sinnlos gewesen, da die anderen den Sprechenden nicht mehr hätten hören können. Auch dies bedeutet eine körperliche Einschränkung. Anders als in Fällen, in denen das Opfer bei einer bloß verbalen Einwirkung durch den Inhalt der Äußerung zur Aufgabe eines geleisteten oder erwarteten Widerstands motiviert werden soll (vgl. LK/Altvater, StGB, 12. Aufl., § 240 Rn. 44), lag hier ein nicht nur seelischer, sondern auch körperlich empfundener Zwang vor (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1981 - 3 StR 449/81, NJW 1982, 189; LK/Altvater, StGB, 12. Aufl., § 240 Rn. 20). Soweit die Revision darauf abstellt, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Januar 1995 (1 BvR 718/89 u.a., BVerfGE 92, 1 ff.) eine Einschränkung des Gewaltbegriffs vorzu- nehmen sei, übersieht sie, dass das Bundesverfassungsgericht es insbesondere als mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar ansah, beim Gewaltbegriff auf die körperliche Kraftentfaltung beim Täter zu verzichten, die hier gegeben ist.
(3) Die übrigen Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 240 StGB liegen ebenfalls vor. Das Vorgehen des Angeklagten war rechtswidrig im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB. Zwar indiziert die Anwendung des Nötigungsmittels entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht generell die Verwerflichkeit der Nötigung, da sonst für eine eigenständige Prüfung der Rechtswidrigkeit nach § 240 Abs. 2 StGB kein Raum bliebe. Dies gilt angesichts der Weite des Gewaltbegriffs unter Umständen auch für das Tatbestandsmerkmal der Gewalt (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 - 1 BvR 713/83 u.a., BVerfGE 73, 206, 247 f., 254 f.). Die Erfüllung der vom Gesetzgeber als Korrektiv vorgesehenen Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB ist grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 - 1 BvR 713/83 u.a., BVerfGE 73, 206, 253). Dies hat das Landgericht indes getan. Es ist auf der Grundlage einer Gesamtabwägung zu dem Ergebnis gelangt, dass der
Angeklagte mit seinem Verhalten zur Durchsetzung seines rassistischen Weltbildes einen demokratischen Meinungsaustausch zu verhindern trachtete.
Die Verwerflichkeit ist - wie das Landgericht zurecht angenommen hat - nicht mit Blick auf die durch Art. 5 GG in Verbindung mit Art. 8 GG geschützte Demonstrationsfreiheit zu verneinen. Zwar fällt nicht jede politisch veranlasste Aktion aus dem Geltungsbereich dieser Grundrechte heraus, weil sie sich tatbestandlich als eine mit dem Mittel der Gewalt begangene Nötigung dar- stellt. Auch wenn Art. 8 GG nur das Recht gewährleistet, sich "friedlich" zu versammeln, kann der Begriff der Unfriedlichkeit nicht ohne Weiteres mit dem von der Rechtsprechung entwickelten weiten Gewaltbegriff des Strafrechts gleichgesetzt werden (BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 - 1 BvR 713/83 u.a., BVerfGE 73, 206, 248 f.). Angesichts der Massivität des Vorgehens des Angeklagten und der anderen Beteiligten steht die Versammlungsfreiheit der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB vorliegend indes nicht entgegen.
b) Auch die Strafzumessung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
aa) Die Strafzumessung und die Wahl des Strafrahmens sind Sache des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen belastenden und entlastenden Um- stände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nach ständiger Rechtsprechung nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr inner- halb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2018 - 3 StR 31/19, juris Rn. 15; Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 4. Dezember 2018 - 1 StR 477/18, NStZ-RR 2019, 105, jeweils mwN).
bb) Gemessen an diesem Maßstab weist das Urteil, wie in der Zuschrift des Generalbundesanwalts näher dargelegt, keinen Rechtsfehler auf. Ergänzend gilt:
(1) Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht habe gegen das Verbot der Doppelverwertung nach § 46 Abs. 3 StGB verstoßen, indem es berücksichtigt hat, dass durch den Brand auch die Schüler und Vereine geschädigt worden seien, die die Sporthalle - nach der vorübergehenden Belegung als Flüchtlingsunterkunft - nicht mehr zu Sportzwecken hätten nutzen können, verkennt sie, dass es damit nicht etwa in die Strafzumessung eingestellt hat, dass durch den Brand die Nutzungsmöglichkeit aufgehoben war. Vielmehr hat es gewertet, dass die Halle gerade solchen Zwecken nicht mehr dienen konnte, an denen die Allgemeinheit ein Interesse hat.
(2) Auch dass die Strafkammer bei der Bemessung der Einzelfreiheitsstrafe für die Brandstiftung generalpräventive Überlegungen angestellt hat, begründet keinen Rechtsfehler.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Strafzweck der Abschreckung anderer berücksichtigt werden (BGH, Urteile vom 28. Februar 1979 - 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 326 f.; vom 7. August 1986 - 4 StR 318/86, BGHSt 34, 150, 151 f.). Indes dürfen dabei der Bezug zur konkreten Tat und das Maß des Verschuldens des Angeklagten nicht aus dem Blick geraten (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2018 - 1 StR 477/18, NStZ-RR 2019, 105). Die Berücksichtigung generalpräventiver Umstände ist deshalb nur zulässig, soweit dabei der Bereich schuldangemessenen Strafens nicht überschritten wird (BGH, Urteile vom 28. Februar 1979 - 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 326 f.; vom 7. August 1986 - 4 StR 318/86, BGHSt 34, 150, 151 f.; Beschluss vom 7. Januar 1997 - 4 StR 601/96, NStZ 1997, 336, 337 mwN).
Dass das Landgericht diese Einschränkungen verkannt hätte, ist auszuschließen. Den Urteilsausführungen lässt sich nicht einmal eindeutig entnehmen, dass es tatsächlich aufgrund general- präventiver Erwägungen auf eine höhere Strafe erkannt hat. Die Strafkammer hat nach sorgfältiger Abwägung rechtlich unbedenklicher Strafzumessungserwägungen zunächst einen minder schweren Fall nach § 306 Abs. 2 StGB verneint und nach den aufgeführten Kriterien sodann die Strafhöhe bestimmt. Dabei hat sie zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass sich in der Tat eine Missachtung demokratischer Entscheidungen gezeigt habe. Dass persönliche Auffassungen und Interessen gegenüber "widerstrebenden demokratisch legitimierten" Mehrheitsentscheidungen mit erheblichen Straftaten durchgesetzt würden, sei "inakzeptabel und daher auch aus generalpräventiven Gründen nicht hinnehmbar". Damit hat das Landgericht - was nach § 46 Abs. 2 StGB ausdrücklich vorgesehen ist - die Motivation des Angeklagten in die Strafzumessung eingestellt und lediglich verstärkend (auch) auf "generalpräventive Gründe" verwiesen. Soweit in dem die Strafzumessung abschließenden Satz ausgeführt ist, bei der Bemessung sei ferner zu berücksichtigen gewesen, dass "Generalprävention ein wesentlicher Gesichtspunkt der Strafe" sei und Strafe danach auch die Aufgabe habe, "die Geltung der durch die Tat verletzten Rechtsordnung zu bestätigen und künftigen Verletzungen durch den Täter selbst oder durch andere vorzubeugen", ist diesen allgemeinen Erwägungen nicht zu entnehmen, dass das Landgericht eine Strafe über das der abgeurteilten Tat immanente Maß der Schuld verhängt hätte, um durch die Höhe der ausgesprochenen Sanktion andere von solchen Taten abzuhalten.
Im Übrigen unterliegt es keiner Beanstandung, dass das Landgericht generalpräventive Gesichts- punkte in die Strafzumessung eingestellt hat. Soweit das Urteil keine ausdrücklichen Feststellungen zu einer gemeinschaftsgefährlichen Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten wie der abgeurteilten Brandstiftung enthält (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1954 - 3 StR 162/54, BGHSt 6, 125, 127; Beschlüsse vom 11. August 1982 - 2 StR 438/82, NStZ 1982, 463; vom 8. Mai 2008 - 3 StR 150/08, StraFo 2008, 336), ergibt sich hieraus kein durchgreifender Rechtsfehler. Dass es im Tatzeitraum zu einer Häufung von Brandstiftungen an - möglichen - Flüchtlingsunterkünften kam, ist allgemeinkundig. Dabei ist unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteils- gründe davon auszugehen, dass die Bedeutung, die das Landgericht diesem Umstand beigemessen hat, allen Verfahrensbeteiligten so offensichtlich war, dass es einer ausdrücklichen Erörterung in der Hauptverhandlung nicht bedurft hat (vgl. LR/Sander, StPO, 27. Aufl., § 261 Rn. 27).
c) Die Gesamtfreiheitsstrafen können indes aus den zur Revision der Staatsanwaltschaft an- geführten Gründen keinen Bestand haben. Die fehlerhafte Bildung von zwei Gesamtfreiheitsstrafen unter Einbeziehung der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts N. stellt auch einen Rechtsfehler zuungunsten des Angeklagten dar. Zwar hat das Landgericht unter Einbeziehung dieser Strafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und damit eine grundsätzlich aussetzungsfähige Strafe gebildet. Doch hat es mit rechtsfehlerfreier Begründung die Aussetzung der Freiheitsstrafe abgelehnt.