StPO § 261 Fehlerhafte Beweiswürdigung

BGH, Urt. v. 27.05.2020 – 2 StR 552/19

1. Hängt die Überzeugung des Tatgerichts entscheidend von der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Mitangeklagten ab, sind die für die Richtigkeit der Angaben dieses (einzigen) Belastungszeugen sprechenden Gesichtspunkte umfassend zu prüfen, zu würdigen und dies im Urteil deutlich zu machen.

2. Erschöpft sich das Geständnis eines Mitangeklagten in einer als richtig bestätigten Verteidigererklärung, zu der keine Rückfragen zugelassen waren (Formalgeständnis), bedarf die darauf gestützte Überzeugungsbildung des Gerichts näherer Erörterung im Urteil.

3. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch rechtmäßige Forderungen mit unrechtmäßigen Mitteln eingetrieben werden; dies nimmt weder der Forderung ihre Rechtmäßigkeit noch kann aus konspirativem Verhalten zur Verdeckung der unrechtmäßigen Mittel auf eine rechtswidrige Bereicherungsabsicht geschlossen werden.

4. Für die Frage, ob ein Anspruch besteht, die Bereicherung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB also nicht unrechtmäßig ist, kommt es nicht auf dessen prozessuale Durchsetzbarkeit an, sondern allein auf die materielle Rechtslage.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 27. Mai 2020 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17. Dezember 2018, auch soweit es den Angeklagten Ma. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:
Das Landgericht Aachen hat die Angeklagten M. und F. wegen versuchter räuberischer Erpressung und den Angeklagten U. wegen Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt, den Angeklagten M. zu zwei Jahren, den Angeklagten F. zu einem Jahr und sechs Monaten, von denen zwei Monate als vollstreckt gelten, und den Angeklagten U. zu elf Monaten, von denen drei Monate als vollstreckt gelten. Den nichtrevidierenden Angeklagten Ma. hat es wegen versuchter räuberischer Erpressung unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer anderen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten
verurteilt, von denen drei Monate als vollstreckt gelten. 
Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten führen mit der Sachrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, auch soweit sie den Nichtrevidenten betrifft (§ 357 StPO).

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Der Angeklagte U. ist Rechtsanwalt. Er stellte Ende des Jahres 2011 für den Angeklagten M. einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids zur gerichtlichen Geltendmachung von Gehalts- und Provisionsforderungen in Höhe von 710.000 € gegenüber dem Nebenkläger, dem späteren Geschädigten. Nach Einspruch beantragte er Prozesskostenhilfe, die mit Beschlüssen vom Dezember 2012 und vom November 2013 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, der beabsichtigten Klage fehle die Erfolgsaussicht, da Schuldner nicht der Geschädigte persönlich sei, sondern dessen GmbH; ein behauptetes Bürgschaftsversprechen sei formunwirksam. Gleichwohl hat die Strafkammer unterstellt, dass die Ansprüche des Angeklagten M. gegen den Geschädigten tatsächlich bestanden und noch nicht verjährt waren. Der Angeklagte M. suchte sodann nach einem Prozessfinanzierer. Hierbei kam er mit dem Angeklagten F. in Kontakt und über diesen mit dem nichtrevidierenden Angeklagten Ma.. Die drei kamen überein, dass die streitige Forderung an den Nichtrevidenten abgetreten werde und dieser zusammen mit dem Angeklagten F. 25% des Erlöses erhalten sollte. Dabei war den Angeklagten M. und F. bewusst, dass die Forderung von Ma. durch Androhen von Gewalt eingetrieben werden sollte. Bei einem darauffolgenden Treffen aller Beteiligten am 3. Juli 2014 in der Kanzlei des Angeklagten U. vertrat dieser einerseits die Auffassung, die Beschlüsse, mit denen Prozesskostenhilfe versagt wurde, seien inhaltlich falsch, andererseits betonte er mit Blick auf seine eigene Anwaltshaftung das mit einer Prozessfinanzierung verbundene hohe Risiko, dass der Rechtsstreit verloren gehen könne. „Mit diesem Wissen nahmen alle Angeklagten in ihre Vorstellungen die Möglichkeit auf, dass dem Angeklagten M. ein Anspruch gegen den Nebenkläger nicht zustehen könnte.“ Die Kammer hat nicht ausschließen können, „dass der Angeklagte U. zu diesem Zeitpunkt noch davon ausging, die Angeklagten F. und Ma. im Hinblick auf eine beabsichtigte Prozessfinanzierung zu beraten“. Bei einem vom Angeklagten M. arrangierten Treffen mit dem Geschädigten am 5. Juli 2014 in einem Hotel forderte Ma. den Geschädigten auf, die Forderung zu begleichen, da es ihm sonst ergehen werde wie dem im November 2006 von einem Unbekannten ermordeten Geschäftspartner des Geschädigten. Der Geschädigte verstand dies zutreffend als Todesdrohung, sagte „Auf diesem Niveau nicht!“ und verließ das Hotel. Er erstattete in den Folgetagen Strafanzeige, was die Angeklagten nicht wussten. Ohne die Drohung zu erwähnen, informierte der Angeklagte M. telefonisch den Angeklagten U. über das Treffen. Dieser entwickelte gleichwohl „ein ungutes Gefühl aufgrund der ihm ungewöhnlich erscheinenden Reaktion des Nebenklägers. Obwohl ihm nun klargeworden war, dass Ma. sich nicht wie ein Prozessfinanzierer verhielt, fragte er weder näher nach noch warnte er die Angeklagten oder riet zu einem bestimmten Verhalten.“ Er erkundigte sich am 17. Juli 2014 beim Angeklagten M. nach dem Stand der Dinge und äußerte die Befürchtung, der Geschädigte könnte Ma. und F. umgedreht“ und ihnen ein „lukratives Gegenangebot“ gemacht haben. „Zu diesem Zeitpunkt war auch dem Angeklagten U. klar bewusst, dass die drei übrigen Angeklagten den Nebenkläger erpressen.“ In der Folgezeit veranlasste der Angeklagte U. den Angeklagten M. zu einer Nachfrage und fragte selbst beim Angeklagten F. nach, der versprach, mit Ma. Rücksprache zu halten. 
Am 9. August 2014 rief Ma. auf der ihm vom Angeklagten M. aufgeschriebenen Mobilfunknummer des Nebenklägers an und forderte von diesem die Zahlung, sonst werde man ihn „schwer anschießen“. Auf Nachfrage des Angeklagten M. vom 10. August 2014 stellte Ma. „Ergebnisse für Dienstag in zehn Tagen in Aussicht“. Am 24. August 2014 begab sich Ma. mit einem gemieteten Fahrzeug zum Aufenthaltsort des Geschädigten und wurde dort festgenommen.

b) Rechtlich hat die Strafkammer einen untauglichen Versuch der räuberischen Erpressung angenommen (in der Form eines „umgekehrten Tatbestandsirrtums“). Die Angeklagten hätten damit gerechnet und billigend in Kauf genommen, dass der Angeklagte M. keinen mit dem zu erpressenden Betrag korrespondierenden Anspruch hatte, jedenfalls nicht gegen den Nebenkläger persönlich. Sie hätten mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung gehandelt, für den bedingter Vorsatz ausreiche. Zwischen den beiden Drohungen (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben) sei wegen des identischen Bereicherungsziels Tateinheit gegeben.

2. Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.
Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht seine Annahme begründet, die Angeklagten hätten die Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung billigend in Kauf genommen, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf die zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht mehr an, ebenso wenig auf die von der Revision angesprochene Frage, ob die irrige Annahme eines Angeklagten, die mit Mitteln des § 253 StGB beizutreibende Forderung bestehe nicht, stets einen untauglichen Versuch begründen kann (zum Streitstand vgl. z.B. BeckOKStGB / Cornelius, 46. Ed., § 22 Rn. 83 ff. mwN) und ob auch insoweit für die Absicht rechtswidriger Bereicherung dolus eventualis ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1996 - 4 StR 389/96, NJW 1997, 750).

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf das Vorliegen von Rechtsfehlern beschränkt (vgl. § 337 StPO). Ein sachlich-rechtlicher Fehler kann indessen dann vorliegen, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 18. Februar 2015 − 2 StR 278/14, NStZ 2015, 419 mwN). Die Beweiswürdigung muss insbesondere auch erschöpfend sein: Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen,
wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist ebenso rechtsfehlerhaft wie eine solche, die gewichtige Umstände nicht mit in Betracht zieht, welche die Überzeugung des Tatrichters von der Täterschaft eines Angeklagten in Frage zu stellen geeignet sind. Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse
nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2003 − 1 StR 524/02, NStZ-RR 2003, 206). Bei der Würdigung indizieller Beweisergebnisse ist es in der Regel erforderlich, in den Urteilsgründen die tatsächlichen Anknüpfungspunkte der Würdigung so mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung möglich ist; den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen dürfen nicht auf Vermutungen oder bloße Möglichkeiten gestützt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Oktober 2006 − 2 StR 417/06, NStZ-RR 2007, 86; SSW-StPO/Schluckebier, 4. Aufl., § 261 Rn. 15; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 62).

b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird die Würdigung der Strafkammer zur Bereicherungsabsicht der Angeklagten nicht in vollem Umfang gerecht.

aa) Die Einlassungen der revidierenden Angeklagten, die - zusammengefasst - vom Bestehen einer durchsetzbaren Forderung ausgegangen sein wollen, erachtet die Strafkammer für nicht glaubhaft. Das Landgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass die Widerlegung einer Einlassung allein nicht eine dem Angeklagten ungünstige Sachverhaltsfeststellung begründen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Januar 2000 - 3 StR 560/99), dazu aber und weiter das Folgende ausgeführt:
Der Angeklagte U. habe „offensichtlich für möglich gehalten“, dass ein Anspruch gegen den Geschädigten nicht bestehe: Er habe in der Hauptverhandlung weder eine Erklärung für seine gegenteilige Einschätzung gehabt noch dazu, warum die Begründung in den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlüssen nicht tragfähig sei; er habe gegen diese Beschlüsse keine sofortige Beschwerde eingelegt, obwohl dies „vor dem Hintergrund der drohenden Verjährung Sinn ergeben“ hätte. Auch habe er seinerzeit die jetzt geltend gemachte Anspruchsgrundlage nicht in Erwägung gezogen; in seiner polizeilichen Vernehmung habe er davon gesprochen, dass sich M. einer Forderung
„berühme“ bzw. dass die Forderung „nach dessen Ansicht bestehe“. Ferner habe er die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlüsse „schon aus Gründen anwaltlicher Haftung“ in die Abtretungsvereinbarung aufgenommen und im Ermittlungsverfahren von einem „hohen Prozessrisiko“ gesprochen, „welches potenziellen Prozessfinanzierern habe verdeutlicht werden müssen“. 
Vor diesem Hintergrund liege auch „der Tatentschluss“ der Angeklagten M. und F. vor: Sie hätten die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlüsse zur Kenntnis genommen; der Angeklagte U. sei „schon zur Vermeidung anwaltlicher Haftung“ verpflichtet gewesen, auf das hohe Prozessrisiko hinzuweisen. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Angeklagte U. den Mitangeklagten davon überzeugt habe, dass eine Klage erfolgreich sein werde, da er dies auch in der Hauptverhandlung nicht darlegen konnte. Der Mitangeklagte Ma. habe eingeräumt, damit gerechnet zu haben, dass die Forderung nicht bestand; dass es den Angeklagten M. und F. „auf den Bestand der Forderung gar nicht ankam, da eine gerichtliche Durchsetzung überhaupt nicht mehr geplant war“, zeige „auch ihr weiteres Vorgehen“.

bb) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht den Beweiswert und das Gewicht einzelner Beweisanzeichen unzutreffend bewertet und nicht alle maßgeblichen Umstände in eine Gesamtwürdigung einbezogen hat.

(1) Die Strafkammer konnte ihre Überzeugung ohne nähere Erörterung nicht darauf stützen, dass der Mitangeklagte Ma. eingeräumt hat, mit dem Nichtbestehen der gegenständlichen Ansprüche gerechnet zu haben. Denn sie ist bei der Würdigung von dessen Aussage davon ausgegangen, dass diese „nicht unerhebliche Schwächen und Defizite“ ausweise, weil sie teils nicht schlüssig, teils inkonstant sei. Es hätte daher näherer Darlegung bedurft, warum dessen ungeachtet die Aussage des Nichtrevidenten Ma. betreffend die Rechtmäßigkeit der beizutreibenden Forderung zutreffend war. Hängt die Überzeugung des Tatgerichts entscheidend von der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Mittäters ab, sind die für die Richtigkeit der Angaben dieses (einzigen) Belastungszeugen sprechenden Gesichtspunkte umfassend zu prüfen, zu würdigen und dies im Urteil deutlich zu machen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. September 2011 − 2 StR 263/11, NStZ-RR 2012, 52; Beschluss vom 15. Januar 2020 − 2 StR 352/18 Rn. 23; KKStPO / Ott, aaO, § 261 Rn. 103). Dies lassen die Urteilsgründe vermissen. Die Strafkammer hätte ferner in den Blick nehmen und erörtern müssen, dass sich das vom Nichtrevidenten abgegebene „Geständnis“ in einer als richtig bestätigten Verteidigererklärung erschöpfte, zu der keine Rückfragen zugelassen waren (zu einem solchen „Formalgeständnis“ vgl. schon Senat, Beschluss vom 5. November 2013 - 2 StR 265/13, NStZ 2014, 170; BGH, Beschlüsse vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13, NStZ 2014, 53; vom 26. Januar 2006 - 3 StR 415/02, NStZ-RR 2006, 187). Inhaltlich beschränkte sich die Einlassung auf die Aussage, dass er „damit gerechnet habe, dass die Forderung zwischen Herrn M. (und dem Geschädigten) nicht bestanden habe“, nennt jedoch keinerlei konkretisierende  Umstände. So wird auch nicht erkennbar, inwieweit die Vorstellung des Nichtrevidenten Rückschlüsse auf die der anderen Angeklagten eröffnen konnte.

(2) Als Beweisanzeichen für einen Vorsatz der Angeklagten hat die Strafkammer herangezogen, dass Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht eingelegt wurden. Sie hat diesem Umstand Gewicht beigemessen, weil die Verjährung der geltend gemachten Forderung drohte. Dies ist indes nicht belegt. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich nicht nachvollziehen, dass tatsächlich Verjährung drohte. Denn zu Gunsten der Angeklagten hat die Strafkammer angenommen, dass die verfahrensgegenständlichen Ansprüche tatsächlich nicht verjährt seien. Dass diese Ansprüche - wie die Urteilsgründe ausführen - im Juli 2014 „vermutlich verjährt sind (vgl. § 204 Abs. 2 BGB)“, kann den Umstand einer drohenden Verjährung nicht rechtsfehlerfrei stützen. Auf nicht zweifelsfrei festgestellte belastende Indizien darf ein Urteil nicht gestützt, sie dürfen zu dessen Begründung nicht einmal ergänzend herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 − 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2325).

(3) Des Weiteren hat die Strafkammer bei ihrer Würdigung zum Vorsatz der Angeklagten nicht erkennbar in den Blick genommen, dass der Angeklagte M. nach den Urteilsfeststellungen auf der Suche nach einem Prozessfinanzierer war und der Angeklagte U. - jedenfalls nicht ausschließbar - noch bei der Besprechung in seiner Kanzlei am 3. Juli 2014 davon ausging, mit dem Angeklagten F. und dem Nichtrevidenten sei ein solcher gefunden. Damit hat es die Strafkammer verabsäumt, sich im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung mit einem wesentlichen vorsatzkritischen Gesichtspunkt in rechtlich tragfähiger Weise auseinanderzusetzen. Dies lässt auch besorgen, dass das Landgericht den für einen bedingten Vorsatz sprechenden Beweisanzeichen ein ihnen nicht zukommendes Gewicht beigemessen hat:

(a) Wollte der Angeklagte M. für die gerichtliche Geltendmachung seiner Forderung einen Prozessfinanzierer suchen, hat der Umstand, dass er hiervon Abstand nahm und die Forderung nunmehr durch Drohung eintreiben wollte, wenig Aussagekraft für die Frage, ob die Angeklagten von deren Rechtmäßigkeit ausgingen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch rechtmäßige Forderungen mit unrechtmäßigen Mitteln eingetrieben werden; dies nimmt weder der Forderung ihre Rechtmäßigkeit (vgl. zu § 263 StGB BGH, Beschluss vom 9. Juli 2003 − 5 StR 65/02, NStZ 2003, 663 mwN), noch kann aus konspirativem Verhalten zur Verdeckung der unrechtmäßigen Mittel auf eine rechtswidrige Bereicherungsabsicht geschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 − 1 StR 359/08, insoweit in NStZ-RR 2009, 17 nicht abgedruckt). Deswegen wird die Erwägung des Landgerichts auch nicht dadurch getragen, dass dem Angeklagten U. die beabsichtigte Drohung jedenfalls zunächst, wovon die Strafkammer ausgegangen ist, nicht mitgeteilt worden war.

(b) Ein weiteres Beweisanzeichen hat die Strafkammer darin gesehen, dass der Angeklagte U. den Beteiligten zur Kenntnis brachte, dass und wie Prozesskostenhilfe abgelehnt worden war, und auf ein Prozessrisiko hinwies. Dies besagt indes allenfalls etwas über dessen Vorstellungen betreffend die prozessuale Durchsetzbarkeit der Forderung, nicht jedoch zu deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit, insbesondere wenn der Angeklagte U., wie in den Urteilsgründen ausgeführt ist, davon ausging, die Mitangeklagten F. und Ma. seien Prozessfinanzierer. Es hätte jedenfalls näherer Erörterung bedurft, weshalb gleichwohl auf dessen Vorstellung zum Bestand einer fälligen und einredefreien Forderung geschlossen werden kann. Die Strafkammer hat in diesem Zusammenhang auch nicht erkennbar in den Blick genommen, dass es für die Frage, ob ein 
Anspruch besteht, die Bereicherung also nicht im Sinne des § 253 StGB rechtswidrig ist, nicht auf dessen prozessuale Durchsetzbarkeit ankommt, sondern diese sich allein nach der materiellen Rechtslage bestimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 − 1 StR 359/08, NStZ-RR 2009, 17, 18). Mit der Möglichkeit, dass der Angeklagte U. auch dann, wenn er vom Bestand eines fälligen und einredefreien Anspruchs überzeugt gewesen wäre, einen Prozessfinanzierer „aus Gründen anwaltlicher Haftung“ oder „zur Vermeidung anwaltlicher Haftung“ auf die mit einer gerichtlichen Geltendmachung verbundenen Risiken hingewiesen haben könnte, hat sich die Strafkammer ebenfalls nicht erkennbar auseinandergesetzt.

(c) Näher als geschehen hätte auch die Frage erörtert werden müssen, warum die Beteiligten den anwaltlichen Ausführungen des Angeklagten U., die zur Ablehnung der Prozesskostenhilfe gegebene Begründung sei falsch, keinen Glauben schenken durften. Zwar wussten sie bereits, dass die Forderungen des M. nunmehr durch Drohung eingetrieben werden sollten, die Ausführungen des Angeklagten U. waren nach den Urteilsfeststellungen hiervon aber unbeeinflusst.

(aa) Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Angeklagten M. und U. eine zutreffende Kenntnis vom Sachverhalt hatten, aus dem sich die verfahrensgegenständlichen Ansprüche gegen den Geschädigten ableiteten. Sollten sie sich über den Bestand dieser Ansprüche geirrt haben, müsste dieser Irrtum folglich auf einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung beruhen. Die Strafkammer hätte deswegen in den Blick nehmen müssen, dass die Annahme eines bedingten Vorsatzes ein normatives Verständnis der Angeklagten voraussetzt, das nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2003 − 5 StR 65/02, NStZ 2003, 663). Umstände,
die nahelegen, dass die Angeklagten von vornherein der anwaltlichen Beratung durch den Angeklagten U. nicht vertrauen konnten oder durften, stellt die Strafkammer nicht fest.

(bb) Soweit die Strafkammer die Ablehnungsbeschlüsse hinsichtlich des Formerfordernisses einer Bürgschaft für „eindeutig“ und insgesamt für „überzeugend“ gehalten hat, steht dies im Widerspruch zu ihrer „Zu-Gunsten-Unterstellung“, der Angeklagte M. habe tatsächlich Ansprüche gegen den Nebenkläger persönlich gehabt. Denn sie hat dies damit begründet, dass sich der Sachverhalt nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren lasse, das Vorliegen eines formlos möglichen Schuldbeitritts möglich sei und „ernsthaft in Betracht (komme), dass der Nebenkläger von vorneherein beabsichtigte, seine Gläubiger ins Leere laufen zu lassen, um davon persönlich zu profitieren“. Wenn all dies indes möglich erscheint, erschließt sich nicht, weshalb die zur Ablehnung der Prozesskostenhilfe gegebene Begründung, die hierauf nicht eingeht, für die Angeklagten „eindeutig“ oder „überzeugend“ gewesen sein könnte. Der Widerspruch wird durch die Urteilsgründe nicht aufgelöst.

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Würdigung aller Indizien zu einem für die Angeklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Das angefochtene Urteil ist mit den Feststellungen aufzuheben, die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung ist gemäß § 357 StPO auf den nichtrevidierenden Angeklagten Ma. zu erstrecken, da seine Verurteilung wegen der nämlichen Tat in gleicher Weise auf dem materiellrechtlichen Fehler bei der Beweiswürdigung - soweit es die Würdigung seines „Geständnisses“ betrifft - beruht.

3. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die Tatbeteiligung des Angeklagten U. näher als bislang geschehen in den Blick zu nehmen und zu würdigen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 1998 − 2 StR 40/98, NStZ 1998, 622). Er wird gegebenenfalls für alle Angeklagten eine Kompensationsentscheidung nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) zu treffen haben; insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift.